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Der Tod spielt mit: Österreich Krimi
Der Tod spielt mit: Österreich Krimi
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eBook257 Seiten3 Stunden

Der Tod spielt mit: Österreich Krimi

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Über dieses E-Book

Der zweite Fall für Gruppeninspektor Felber. In Mödling wird das zwölf Jahre alte Mädchen Maria von ihrem Bruder und drei Freunden vergewaltigt. Jahre später kann lässt sie die Erinnerung an dieses Verbrechen nicht los. Sie sinnt auf Rache. Als Schauspielerin einer Theatergruppe tourt sie durch Österreich. Und im Zuge ihres Engagements verübt sie die Morde an ihre einstigen Peiniger, die es in alle Himmelsrichtungen verschlagen hat. Gruppeninspektor Felber, seine Lebensgefährtin Hochstatter und Kollege Weiner ermitteln. Die Verdachtsmomente gegen Maria werden immer dichter, doch wer von den Schauspielerinnen ist Maria?

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum30. Juni 2015
ISBN9783903092068
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    Buchvorschau

    Der Tod spielt mit - Eric Manz

    2

    Prolog

    »Komm, stell dich nicht so an!«, sagte der Junge zu seiner Schwester. »Du wirst sehen, es gefällt dir.«

    Das Mädchen mochte den Wald. Es gab hier so viel zu bestaunen, und wenn man sich ganz leise verhielt, konnte man allerhand Tiere beobachten. Da hüpften Eichkätzchen von Ast zu Ast, manchmal erblickte man Rehe, vor allem, wenn man die verschlungenen Wildwechsel benutzte. Hin und wieder sah man sogar einen Hasen, aber da gehörte viel Glück dazu. Diese engen, schmalen Pfade liebte das Mädchen sehr, denn die führten oft auf kleine Lichtungen, weiche, mit Moos gepolsterte Wiesen, auf denen rote, gelbe und blaue Blumen wuchsen.

    Aber heute stand dem Mädchen nicht der Sinn nach Blumen. Es fühlte, dass etwas anders war, dass Unheil in der Luft lag. Waren es die Burschen, die Freunde ihres Bruders, die sie begleiteten und merkwürdig anstarrten, wenn sie glaubten, man sah nicht hin? Lag es an der schwülen, heißen Luft, die diese Lichtung umschloss und auf ein nahendes Gewitter hindeutete? Oder an ihrem Bruder, der entgegen seiner sonstigen stillen Art nervös vor sich hin plapperte, großsprecherische Andeutungen machte, die ihr so gar nicht gefielen?

    Sie würde es bald erfahren und sich danach wünschen, nie geboren worden zu sein.

    »Kommt, lasst uns Doktor spielen«, sagte der Bruder.

    »Au, ja!«, riefen die Buben, und schon lagen ihre Hosen im Gras. In dem Mädchen stieg Angst hoch, es wollte weglaufen, aber ehe es sich versah, lag es im weichen Gras, und jemand schob ihr das Kleid hoch. Es wollte sich wehren, aber gegen vier starke Burschen ließen ihre Kräfte schnell nach.

    Sie lag im weichen Gras, die Beine weit gespreizt und festgehalten, die Arme auf den Boden gedrückt.

    Gebannt starrten die Knaben auf ihre Körpermitte, und in ihren Augen lag ein unheimliches Glitzern. Das Mädchen schloss die Augen und versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken.

    »Ja!«, sagte der Bruder. »Es ist genauso, wie es in meinem Buch gezeigt wird.« Zustimmendes Gemurmel kam von den anderen.

    Welches Buch, dachte das Mädchen, mein Bruder hat doch noch nie ein Buch besessen? Sie erinnerte sich nur an ein bebildertes Heftchen, das er sich im Geheimen ansah, das sie nur aus der Ferne kannte. Er hielt es stets gut versteckt, bis heute hatte sie es nicht finden können, wenn ihre Neugier sie plagte und sie danach suchte.

    Das Mädchen riss die Augen wieder auf, und ihr Körper zuckte, als die Finger ihres Bruders ihre Mitte untersuchten.

    Und dann sprach er diese Worte, die sie nicht vergessen konnte, die sich in ihr Gehirn einbrannten und sie noch viele Jahre danach erstarren ließen und schmerzhafte Krämpfe hervorriefen, auch wenn sie in einem ganz anderen Bezug gemeint waren.

    »KOMM, STELL DICH NICHT SO AN!«

    Ihr Bruder beließ es nicht bei den Fingern. Er legte sich auf sie.

    DIESER SCHMERZ!

    Er kam in Wellen, bei jeder Bewegung seines Körpers. Es war ihr, als würde sie gespalten, auseinandergerissen in zwei Hälften. Sie versuchte zu schreien, doch jemand hielt ihr den Mund zu. Dann umfing sie gnädig dunkle Nacht.

    Die Sonne war schon tief gesunken und streifte die Wipfel der Bäume. Das Mädchen wusste nicht, wie spät es war, als es wieder zu sich kam.. Heftiger Schmerz pochte in ihr. Mühsam versuchte es, sich aufzurichten, und als es an sich hinuntersah, bemerkte sie Blut an ihren Schenkeln, und das Gras dazwischen war dunkelrot gefärbt.

    Etwas Schreckliches musste geschehen sein, aber es gab keine Erinnerung daran.

    Ängstlich blickte das Mädchen sich um. War es alleine hergekommen? Bei jedem Knacken im Geäst zuckte sie zusammen, und ihre Fantasie gaukelte ihr ein Ungeheuer in jedem Schatten vor. Eine Bestie, ein Drache, der es verletzt hatte und nur darauf wartete, der Sache ein Ende zu machen.

    Sie musste fort, nach Hause, dorthin, wo es sicher, wo es beschützt war und kein Untier sich hinwagte.

    Trotz des grausamen Schmerzes bei jeder Bewegung eilte sie, so schnell sie konnte, den Waldweg hinab. Beim Bach angekommen, hielt sie kurz inne und wusch das Blut von den Schenkeln. Sie wollte daheim niemanden beunruhigen. Nicht die Mutter, nicht den Vater, aber auch nicht den Bruder, obwohl sie bei dem Gedanken an ihn eine merkwürdige Beklemmung spürte.

    Der Biss der Bestie, des Drachens, sollte ihr Geheimnis bleiben, auf immer und ewig.

    Kapitel 1

    Sommer

    Gruppeninspektor Günter Felber erwachte und blinzelte im Sonnenlicht. Es schien heute wieder ein wunderschöner Tag zu werden. Durch das geöffnete Fenster vernahm er das Gezwitscher der Vögel. Schlaftrunken schielte er zum Nachtkästchen, um auf den Wecker blicken zu können – sieben Uhr, es war Sonntag, und er hatte dienstfrei. Er schloss wieder die Augen und ließ sich auf das Kopfkissen zurücksinken. Herrlich!

    Neben sich hörte er leises Schnarchen. Vorsichtig drehte er sich auf die Seite, stützte den Ellbogen auf und betrachtete liebevoll seine Gefährtin. Konstanze Hochstatter lag am Rücken, den Mund leicht geöffnet, und bei jedem Atemzug vibrierten ihre Lippen.

    Zum wiederholten Male beglückwünschte er sich im Stillen, diese wunderbare Frau kennengelernt zu haben. Obwohl – eigentlich war ja sie die treibende Kraft gewesen, die das Heft in die Hand genommen hatte, die sich energisch für ihn einsetzte, damals, in seinen schlimmsten Stunden und Tagen. Schon vor dieser Zeit fühlte er sich auf eine unbestimmte Art zu ihr hingezogen, konnte aber nicht von seiner Exfrau Monika lassen, wollte diese zurückerobern, dachte, nicht ohne sie leben zu können.

    Bis dann das Unglück geschah, an dem er sich selbst einen Großteil der Schuld zurechnete. Niemand hatte ihm etwas angelastet, nicht auf der Inspektion, nicht in der Presse, nicht im Landeskriminalamt. Und doch dauerte es lange, um darüber hinwegzukommen, dass ein Serienmörder Monika mit in den Abgrund gerissen hatte.

    Damals war Konstanze für ihn da gewesen, hatte ihn umhegt, ihm Mut zugesprochen, in langen Nächten mit ihm diskutiert und manchmal, wenn es ihr nötig schien, ihre schärfste Waffe ausgepackt und gnadenlos benutzt, ihren Sarkasmus. Anfangs war er zutiefst beleidigt gewesen, hatte sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen, aber mittlerweile schätzte er diesen.

    Er überlegte, was sie an ihrem freien Tag für aufregende Sachen machen konnten, aber seine Fantasie war beschränkt. Ihm fiel nichts anderes ein als Frühstück im Bett, dann aneinandergekuschelt dazuliegen und daran zu denken, wie schön doch die Welt sei, wenn man gerade keinen Dienst hatte.

    Solche Tage gab es leider viel zu wenige, und da konnte es dann schon geschehen, dass Konstanze in ihrer jugendlich frischen Art über ihn herfiel und ihn unverblümt zum Sex aufforderte. In diesem Moment kam er sich alt und einer anderen Generation angehörend vor, der dieses direkte Ansprechen unangenehm war. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, dabei zu erröten.

    Er war eben ein altmodischer Mensch, mit eigenen Ansichten über Moral, Anstand und Werte. Wobei er den Sex durchaus und gerne genoss – ein Paradoxon, aber wahr.

    Felber beugte sich über sie, um ihr einen zarten Kuss zu geben, er wollte sie nicht wecken – noch nicht. Doch genau in diesem Moment drehte sie sich auf die Seite, und er erwischte nur ihre Schulter. Auch gut, dachte er, dann gehe ich eben Frühstück machen.

    Er hatte keine Ahnung, ob Konstanze für diesen Sonntag schon etwas geplant hatte, gestern Abend wurde jedenfalls nicht darüber gesprochen, aber Frühstück im Bett – das wollte er sich nicht nehmen lassen. Vorsichtig erhob er sich, schlüpfte in die bereitliegende Trainingshose und schlich in die Küche. Er bemühte sich, leise zu hantieren, presste die Orangen nicht mit dem elektrischen Entsafter, schrie auch nicht fluchend auf, als er sich die Finger an der heißen Herdplatte verbrannte. Auf einen Teller legte er etwas mageren Schinken und fettarmen Käse, getoastetes Brot kam in einen kleinen Korb, zwei weich gekochte Eier in ihre Becher, Müsli in seine Schalen, und natürlich musste eine große Kanne mit Kaffee dabei sein.

    Seit Konstanze bei ihm eingezogen war, hatten sich seine Essgewohnheiten radikal geändert – ändern müssen. Mit Wehmut erinnerte er sich an die heißen fettigen Leberkäsesemmeln, die er einst am Morgen bevorzugt hatte. Mit Verweis auf ungesunde Ernährung strich Konstanze die als Erstes. Der Erfolg blieb nicht aus, er hatte schon einige Kilo abgenommen und fühlte sich fitter denn je.

    Natürlich sündigte er manchmal, aber darüber sah Konstanze großzügig hinweg.

    Felber lud alles auf ein großes Tablett und versuchte, ohne allzu großes Geklapper ins Schlafzimmer zu gelangen. Zu seiner Enttäuschung war Konstanze bereits munter, sie stand am geöffneten Fenster und machte nackt, wie sie war, ihre gymnastischen Übungen.

    »Peepshow für die Nachbarn?«, fragte er und betrachtete voller Bewunderung ihren schlanken Körper und die kleinen hochsitzenden Brüste.

    »Zeig mir einen, der an einem Sonntag so früh aufsteht«, lachte sie, »der hätte einen Extrabonus verdient.«

    »Komm ins Bett«, forderte er sie auf, »ich assistiere dir gerne bei deiner Gymnastik.«

    Doch Konstanze hatte bereits das Tablett fixiert. »Frühstück!«, seufzte sie. »Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«

    »Na, dann mir nach, junge Frau«, sagte Felber und balancierte seine Last vorsichtig zur Bettkante. Angezogen vom Geruch des Kaffees und dem Duft des warmen Brotes, folgte sie ihm gehorsam.

    Sie schlemmten – ausschließlich gesundes Essen, wie Konstanze nicht umhinkam zu betonen. Anschließend ging Felbers Wunsch in Erfüllung – sie kuschelten. Aber nicht lange. Sie zwickte ihn, sprang aus dem Bett und rief: »Auf, mein Lieber! Heute haben wir etwas zu feiern.«

    Sofort stiegen in Felber Schuldgefühle hoch. Was hatte er vergessen? Ihren Geburtstag? Nein! Den Namenstag? Kaum. Soweit er sich erinnerte, war dieser im Februar. Sonst ein Jubiläum? Ihm fiel keines ein.

    »Es ist genau dreihundertfünfzig Tage her, dass wir uns das erste Mal am Anninger getroffen haben.« Konstanze hatte sein Schweigen und die gerunzelte Stirn richtig gedeutet.

    Hatten Frauen einen Computer eingebaut? So etwas konnte man sich doch unmöglich merken. Felber hütete sich, diesen Gedanken laut auszusprechen. Er schlug sich stattdessen mit der Handfläche auf die Stirn und log: »Alle Achtung, du bist toll, mein Schatz. Ich hätte mir das nicht besser merken können.«

    Er erinnerte sich mit gemischten Gefühlen an diesen Tag. Dieses Treffen war reiner Zufall gewesen. Sie hatte aus sportlichen Gründen eine Art Berglauf gemacht, er einen Spaziergang, da ihm zu Hause die Decke auf den Kopf zu fallen drohte. Damals hatte ihn sein Chef Paukerl auf Zwangsurlaub geschickt. Konstanze und er begegneten sich in der Raststation nahe der »Breiten Föhre«, spazierten zusammen weiter, und ihr Kennenlernen endete schließlich mit einem satten Misston.

    Den gewünschten Kuschelkurs konnte er vergessen. Stattdessen stand ein Ausflug in die Natur, in die Wildnis am Programm. Bewegung an der frischen Luft ist angeblich sehr gesund, dachte er, denn auch er konnte sarkastisch sein. Unverständliches brummend suchte er seine Wanderkleidung im Kasten. Doch auch daran hatte Konstanze etwas auszusetzen.

    »Wir machen doch keine Bergtour, mein Lieber, es genügen eine einfache Hose und ein Hemd. Ich verspreche dir, ich werde nicht laufen und nicht im Gebüsch herumkraxeln. Wir machen einfach einen Spaziergang. Ganz langsam.« Sie stellte sich vor ihn hin und sah ihn bittend an. Dagegen kam er nicht an.

    »Na gut!«, meinte er. »Aber in der Jausenstation ess ich einen Schweinsbraten und dann eine köstliche Mohntorte. Nur, damit du es weißt.«

    »Alles klar«, erwiderte Konstanze und schlüpfte in ihre blauen Hosen. Auch er holte eine Jeans aus dem Kasten und dazu ein kariertes Hemd. Als sie sich die Schuhe zubanden, läutete das Telefon.

    »Wer will denn jetzt was von mir?«, seufzte Felber und verdrehte die Augen. Er vermutete, dass es Alfred Weiner war, sein Kollege und Freund auf der Mödlinger Polizeiinspektion. Wahrscheinlich hatte er ein Grillfest geplant und in seiner ihm eigenen Hektik vergessen, zeitgerecht Bescheid zu geben. Weiner liebte Grillen, sein zweites Hobby. Das Erste war Schreiben. In einer Literaturgruppe war er der einzige männliche Teilnehmer, hatte es aber zu Felbers Bedauern noch immer nicht geschafft, eine der zahlreichen Damen für eine dauerhafte Beziehung zu begeistern.

    Eigentlich wollte Felber das schrille Klingeln ignorieren, es war sein freier Tag, und wenn es wirklich ums Grillen ging, das konnte ihm gestohlen bleiben.

    Aus einem Pflichtgefühl heraus, das jahrelang im Dienst hart antrainiert worden war, hob er schließlich doch ab. Es war tatsächlich Weiner.

    »Sag einmal, wo bist du denn? Kugelst du noch immer im Bett herum? Raus aus den Federn, du wirst benötigt.«

    »Hör mal, Alfred«, sagte Felber, es war ihm sichtlich unangenehm, seinem Freund eine Absage zu erteilen, »ich kann nicht zum Grillen kommen, so leid es mir tut. Wir haben einen …«

    »Wovon redest du? Kannst du immer nur ans Essen denken? Ich brauche dich hier. Ein Todesfall, fast sicher ein Mord. Also hopp, hopp, beweg deinen Arsch.«

    Ein Mord? Felber stand starr da und ließ den Hörer sinken. Ausgerechnet an seinem freien Tag, ausgerechnet am Sonntag? Verdammt! Natürlich musste er zu Alfred, musste sich der Sache annehmen, das war schließlich sein Beruf. Aber wo war »hier«, wohin sollte er kommen? Er hob den Hörer wieder ans Ohr, doch es kam nur das Freizeichen aus der Leitung.

    »Idiot!«, brummte Felber und machte sich auf die Suche nach seinem Handy.

    Konstanze, die während des Telefonats im Badezimmer verschwunden war, sah ihn fragend an.

    »Tut mir leid, Liebes«, Felber kam aus dem Brummen nicht hinaus, »es war Alfred. Eine Leiche wurde gefunden. Ich muss zu ihm. Das Jubiläum müssen wir leider verschieben.« Aus für Konstanze unersichtlichen Gründen begann er zu kichern.

    »Willst du dich drücken?« Sie versetzte ihm einen Klaps.

    »Aber geh!« Felber konnte die glucksenden Laute nicht aufhalten. »Es ist wegen Alfred. Stell dir vor, er ruft an, schreit, dass ich sofort herkommen soll, und legt auf, ohne zu sagen, wohin. Der Kerl leidet an Gehirnerweichung oder hat gestern zu viel gesüffelt. Es ist ja nicht zu glauben.«

    Er fand sein Handy schließlich auf der Couch unter einem Höschen.

    »Sag einmal, du Verrückter, wohin soll ich …? Aha, na, das ist ja nicht weit. Bin gleich da.«

    Konstanze sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

    »Ich muss zur Kirche St. Othmar, du weißt schon.« Er schüttelte den Kopf. »Was den Leuten alles einfällt.« Er musste wieder kichern. »Vielleicht ist es ja nur falscher Alarm. Früher war dort ein Friedhof, später ein Beinhaus unter dem Karner, und bei der Überführung auf die städtische Anlage hat man auf eine Leiche vergessen, die jetzt darauf besteht, einen neuen Sarg zu bekommen.«

    Konstanze sah ihn ernst an. »Mit Toten spaßt man nicht.«

    Jetzt wurde auch Felber ernst. »Entschuldige! Du hast natürlich recht, das war dumm von mir.«

    Draußen schien die Sonne, dennoch zog er eine Jacke über und suchte seine Schlüssel. Konstanze tat es ihm gleich.

    »Wo gehst du hin?«, fragte Felber verwundert.

    »Ich komme mit.« In ihrer Stimme lag Entschlossenheit.

    »Hältst du das für eine gute Idee? Erinnere dich bitte an die erste Leiche, die wir gemeinsam gesehen haben. Danach ist es dir ziemlich schlecht gegangen.«

    »Eben! Deswegen muss ich mit. Vielleicht kann man sich an den Anblick von Toten gewöhnen.«

    »Sicher, wenn sie hergerichtet und geschminkt sind. Aber bitte, es ist dein Magen und nicht meiner«, seufzte Felber und hielt ihr die Türe auf. Er wusste, dass jede Widerrede zwecklos war.

    Kapitel 2

    Herbst, fünf Jahre zuvor

    »Das Leben ist kein Kinderspiel!« An diesen Spruch ihres Vaters, den er bei jeder Gelegenheit benutzte, musste Maria denken, als sie die Schule abgeschlossen hatte, daran musste sie denken, als sie in eine Firma eintrat, und daran musste sie schließlich auch denken, als sie mit einem jungen Mann eine ihrer Meinung nach freundschaftliche Beziehung einging.

    Seit ihrer Kindheit hatte sie Probleme mit dem männlichen Geschlecht, sie verstand sie nicht, und jedes Mal, wenn einer das Wort an sie richtete, zog ihr Magen sich wie im Krampf zusammen, sie wendete den Blick ab, und ein Gefühl von drohendem Schmerz machte sich in ihr breit.

    Sie wollte mit ihnen nichts zu tun haben, in einem von Männern dominierten Beruf in einer Spedition keine einfache Sache.

    Ausgenommen davon war eben jener junger Mann, zu dem sie sich in eigenartiger Weise hingezogen fühlte. Doch auch das hielt nicht lange, als diese lockere Beziehung nicht mehr so locker blieb und er ihrer Meinung nach zudringlich wurde, bekam er die Rote Karte.

    Dabei hätte sie gerne mehr über die Liebe erfahren, las bis spät in die Nacht herzergreifende Romane oder fieberte bei einer Theateraufführung mit, ob die beiden zusammenfanden.

    Theater war ihre Leidenschaft, sie versäumte keine Premiere des Mödlinger Stadttheaters. Gerne hätte sie selbst auf der Bühne gestanden, statt in dem unpersönlichen Büro mit nüchternen Ziffern und Zahlen zu hantieren.

    Theoretisch wusste sie über die Liebe Bescheid, nur in der Praxis konnte sie es nicht umsetzen, da hemmten Gehirn, Magen und Herz. Und der Drache natürlich, der immer wieder in ihren Träumen erschien, der Böses andeutete, Gefahr und Schmerz.

    Dabei war sie eine hübsche junge Frau mit ihren kurzen schwarzen Haaren, die sich eng an ihren Kopf schmiegten. Ihre ausdrucksstarken dunklen Augen lagen ein wenig tief in ihren Höhlen und verliehen ihr einen melancholischen Zug. Der

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