Geheimnisvolles Kloster: und andere Geschichten
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Buchvorschau
Geheimnisvolles Kloster - Andrea Lieder-Hein
Albtraum
Ein Blick aus der Haustüre ließ ihn erschauern, aber es musste sein. Trotz Regen, trotz Sturm. Entweder man hat einen Hund, mit allen Pflichten, oder man lässt es.
Amos von den Gentle Giants reckte seine Nase in den Wind und drehte sofort wieder um. „Nein, Amos, so billig kommst du mir nicht davon. Gassi gehen ist Pflicht, bei JEDEM Wetter."
Der Versuch, bei dem Wind die Haustüre einigermaßen leise zu schließen, scheiterte kläglich. „Egal, Nora war heute gut gelaunt, da kann das nicht so schlimm sein", dachte Frank Lindström und zog Amos um die windige Ecke. Nach circa zehn Minuten hatten beide genug von Gassi und hasteten ihrem warmen Heim entgegen. Es war Ende März, aber der Winter wollte in diesem Jahr kein Ende nehmen. Immer wieder schneite es und überall scherzten die Leute aus lauter Verzweiflung.
„Dieses Jahr malen wir zu Ostern Schneebälle an", lachte seine Nachbarin kurz vor dem Fest. Im Garten hatte sie einen Schneemann mit langen Ohren gebaut.
„Ein OsterSchneeHase?, fragte Frank Lindström grinsend. „Schön. Mal was anderes.
„Wäre heute der 24. Dezember, würden wir uns alle freuen. Besonders die Kinder. Aber Ende März? Keine Schneeglöckchen in Sicht. Keine blühenden Krokusse. Weiße Ostern? Nein, das muss nicht sein."
Insgeheim gab er der Nachbarin Recht. Allerdings fand er den Schnee deutlich besser als diesen fiesen Regen. Hoffentlich hielt seine Regenjacke das, was sie in der Werbung versprochen hatte.
„Warst du draußen? Mit Amos?", fragte Nora, seine Frau, als er völlig durchnässt die Haustüre aufschloss. Augenblicklich holte sie ein großes Saunatuch aus dem Bad und versuchte damit, Amos etwas trocknen zu reiben.
„Ja, Liebes, scheußlich. Völlig verfroren und durchnässt. Was für ein Frühling. Ich fühle mich irgendwie angeschlagen, grippig. Gliederschmerzen, Halsweh, Schluckbeschwerden. Hab’ mir vielleicht was eingefangen in der Klinik. Sei nicht böse, aber ich leg mich besser hin. Habe dir vorhin noch dein Lieblingsessen zubereitet. Steht im Backofen und müsste gleich fertig sein. Salat dazu findest du im Kühlschrank. Schlaf schön, Liebes."
Nora schaute auf ihre Armbanduhr. Kurz vor 19:00 Uhr. Gleich fingen die Nachrichten im ZDF an. Sie öffnete den Backofen und schaute auf zwei Baguette-Hälften, belegt mit Tomaten und Mozzarella. Etwas Cayennepfeffer und Oregano gaben dem Ganzen etwas Geschmücktes. Wie Weihnachten. „Passt zum Wetter", dachte sie.
Als die Uhr am Backofen klingelte, nahm Nora vorsichtig das heiße Baguette aus dem Backofen und beäugte es kritisch. „Das könnte dir so passen, Frank. Da hast du doch sicher was untergemischt. Soll ich mich zu Tode kotzen? Oder Durchfall kriegen, bis ich dehydriere? Nein, mein Lieber. Da vergifte ich doch lieber deinen dusseligen Hund.
Mit einem Holzschieber legte sie das Essen in den überdimensionierten Hundenapf und stellte alles zum Abkühlen in den Garten.
„Amos? Ich hab was Feines für dich, lockte sie Minuten später den Irischen Wolfshund in den Flur. „Schau mal, hat Herrchen extra für dich vergiftet.
Aber Amos roch nur kurz an dem Baguette, drehte sich angewidert um und legte sich bequem auf seine Decke. „Ich habe es geahnt. Du riechst das Gift, stimmt’s?"
Damals, nachdem Frank als Assistenzarzt im Klinikum angefangen hatte, schenkte er ihr diesen elenden Irischen Wolfshund. Der riesengroße Windhund sollte sie beschützen, weil Frank kaum mehr Zeit für sie hatte. Dienst, Bereitschaft und Papierkram ließen ihn nur noch selten zu Hause sein.
Nora vermutete allerdings, dass dieses Riesenvieh sie mal ordentlich beißen sollte. Oder gar die Pfoten auf ihre Schultern legen und sie zum Stürzen bringen. Möglicherweise war Amos sogar daraufhin abgerichtet worden. Nicht selten stellte er sich auf seine Hinterbeine und wollte in ihr Gesicht beißen. Dabei tat sich seine Riesen-Schnauze auf und seine spitzen Reißzähne näherten sich gefährlich ihrer Nase.
Aber jedes Mal trat sie ihm dann kräftig auf seine Hinterpfoten, bis er das mit dem Hinstellen unterließ.
***
Frank Lindström lag mit offenen Augen im Bett und dachte intensiv nach. Lange konnte es so nicht mehr weiter gehen. Immer bezichtigte ihn Nora, er wolle sie vergiften. Oder gar umbringen. Sämtliche Speisen kontrollierte sie oder ließ ihn vorkosten. Es wurde immer skurriler. Zu Freunden traute er sich schon lange nicht mehr, Nora mit zu nehmen. Ihrer Meinung nach hatten sich alle gegen sie verbündet. Trachteten ihr nach dem Leben. Oder ihrem Geld.
Nora hatte von ihrem Vater, einem Reeder aus Emden, mehrere Millionen geerbt. Die hatte sie aber weder angelegt noch auf der Bank. NEIN, die lagen in einer Truhe auf dem DACHBODEN.
„Die Inflationsrate frisst alles auf. Den Rest nehmen uns Bänker und Politiker weg. Unser sauer verdientes Geld und unsere Altersvorsorge!", giftete sie zuweilen beim Frühstück.
Nein, er musste schleunigst etwas unternehmen.
Sein Blick wanderte zum Fenster. Draußen sprang die Verkehrsampel gerade auf rot. Sechzig Sekunden, dann sprang sie weiter auf orange und dann auf grün um. Sie hatte so etwas Beruhigendes, Normales, diese Ampel. Sie war einfach da, stellte keine Ansprüche, funktionierte zuverlässig. Sie hatte eben alles das, was er sich im Leben von seiner Frau wünschte und nicht bekam.
Während er im Bett lag und nachdachte, schoben sich grauenhafte Bilder in sein Gehirn. Sein Albtraum. Warum träumte er immer diesen Traum? Urplötzlich und völlig unerwartet. Er traf ihn wie eine Versuchung, eine böse Verführung. Frank kannte ihn inzwischen seit einigen Wochen. Der Traum überfiel ihn ganz ungeschützt und schmerzhaft und schien ihm eine Lösung zeigen zu wollen.
Er lag in seinem Bett, der Mond erhellte das gemeinsame Schlafzimmer. Alles war still. Zu still. Langsam drehte er sich um zu Nora und schaute liebevoll