15 Eisen bis zum Himmel
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Über dieses E-Book
15 Eisen bis zum Himmel
Geschichten, geschrieben vom Leben selbst:
Über Kindersklaven und einen Amoklauf. Verbrechen und kaltblütigen Mord. Über Krieg und die Frage danach, was Hass ist. Erinnerungen an meine eigene Schulzeit und einen ziemlich verrückten Lehrer.
Über die Liebe, die Sehnsucht danach und die Hoffnung und über ein Kind, welches viel zu früh sterben musste und viele weitere Erzählungen.
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Rezensionen für 15 Eisen bis zum Himmel
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Buchvorschau
15 Eisen bis zum Himmel - Ralf von der Brelie
Innhaltsverzeichnis
- 15 Eisen bis zum Himmel
- Engelstränen
- Ein totsicheres Ding
- Denen man nicht vergibt
- Was ist Hass?
- Große Pause
- Sehnsucht nach Sepia
- Mit Schraubenzieher, Schulterklopfen und einer Schippe Mehl
- Zeit zum Aufstehen
- Weihnachtskind
- Richard
- Sommerflausen
- Wer den Wind sät ...
- Der letzte König
15 Eisen bis zum Himmel
Ich presse meinen Kopf in das feuchte, nach Schimmel riechende Stroh. Das Brennen in meiner Lunge ist kaum zu ertragen und ich weiß, wenn ich jetzt dem Drang zu husten nachgebe, würde flammender Schmerz daraus entstehen.
Langsam richte ich mich auf, lehne meinen Rücken an die klamme Wand hinter mir. Umschließe mit den Armen meine nackten Beine, die ich fest an meinen Körper gezogen habe.
In der schummrigen Dunkelheit starre ich auf die schwere, verschlossene Eichentür, die mir den
Zugang zu der Welt dort draußen versperrt.
Wird sie sich jemals wieder für mich öffnen?
Werde ich je die Sonne wiedersehen, die Nähe des Himmels spüren dürfen?
Ich schließe meine Augen und in meinem Inneren sehe ich, wie sich die Tür langsam vor mir auftut. Wie sie knarrend nachgibt und ein schmaler Lichtschein in meine Einsamkeit hinein fällt.
Breiter und breiter wird dieser schmale Streifen. Erreicht endlich meine nackten Füße, klettert
langsam meine Waden hinauf, bis er mein Gesicht berührt und mich in wohlige Wärme taucht.
Nein, öffne Deine Augen nicht. Noch nicht, nicht jetzt
, flüstere ich in die Dunkelheit hinein. Zu schön ist dieser Traum, zu tröstend die trügerische Wärme, die meinen Körper umfängt.
Die Tür öffnet sich vollends und gibt den Blick auf den Himmel meiner Heimat frei. Der Duft frisch geschnittenen Grases durchströmt für einen Augenblick all meine Sinne.
Wiesen erstrecken sich bis zum Horizont, auf denen bunte Wildblumen all ihre Pracht entfalten und mich friedvoll empfangen.
Du bist daheim
, scheinen mich, die sich leicht im Sommerwind dahin wiegenden Blüten zu
begrüßen.
Von ferne höre ich den Klang meckernder Ziegen, die fröhlich unter der Sonne herumtollen.
Ich schaue den Pfad entlang, der sich in leichten Kurven, die Anhöhe hinaufwindet, hinter der sich unsere ärmliche Hütte verbirgt.
Leichten Schrittes folge ich dem Weg, den ich in der Vergangenheit so unzählige Male entlang
geschritten bin.
Unter meinen bloßen Füßen kitzelt mich der Sand. An meinen Beinen streichen sanft hohe, saftige Gräser entlang und alles, alles in dieser Welt scheint mich willkommen zu heißen.
Kein quälender Husten unterbricht meine beschwingten Schritte. Kein Brennen in den Augen
verschleiert mir den Blick auf all diese Pracht, von der ich weiß, dass ich ein Teil von ihr bin.
Leicht, fast vogelgleich erreiche ich die Kuppe der Anhöhe und schaue von dieser hinunter.
Als ich dort unten meine Mutter erblicke, fällt es mir schwer, nicht dem Drang nachzugeben,
sogleich hinunterzustürmen. Ihr mit weit ausgebreiteten Armen lachend um den Hals zu fallen. Ihr mit vor Glück erstickender Stimme begreiflich zu machen "ja, ich bin wieder zurück, endlich
daheim!"
Doch noch will ich widerstehen. Möchte das, was ich sehe, in mich aufsaugen. Es in meine Seele, in mein Herz hineinlassen, um es niemals wieder zu vergessen.
Ich schaue mich um, sehe meinen Vater, wie er gleich dort vorne, neben dem kleinem Schuppen, Holz hackt.
Seine starken, von all den Jahren schwerer Arbeit schwielig gewordenen Hände, packen einen Scheit nach dem anderem. Mit kräftigem Hieb lässt er das Beil hernieder sausen und das Holz
zerbirst unter der Wucht seines Schlages.
Dann höre ich das Lachen meiner Geschwister. Drei Mädchen, drei Jungen, von denen ich, mit
meinen 9 Jahren das älteste Kind bin.
Ihr fröhliches, unbeschwertes Lachen dringt zu mir hinauf und ich sehe wie sie fröhlich schreiend mit den Ziegen um die Wette laufen. Wie ihre nackten Füße kaum das Gras berühren auf dem sie
eilig hin und her hasten, mal den Ziegen ausweichend, mal sie einfangen wollend.
Ein Spiel, dessen Sinn ich nicht verstehe, dessen ausgelassene Fröhlichkeit aber die Sehnsucht in mir erwachen lässt, mittun zu dürfen.
Ich hebe meinen Kopf, schaue in den Himmel empor, der mir wieder so nahe ist, wie schon seit
langer Zeit nicht mehr.
Tief atme ich die würzige Luft ein, fühle, wie mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Wie sich meine Seele in mir auszudehnen beginnt, so frei und weit wie das Blau des über mir
dahinziehenden Firmaments selbst.
Ich breite meine Arme aus, fühle dieses unbeschreibliche Glück in mir, wieder dort zu sein, wo ich zu Hause bin.
Nun kann ich mich dem Drang nicht länger erwehren und will schon hinunterlaufen. Den schmalen Pfad entlang stürmen, um sie endlich wieder alle in die Arme zu schließen. Sie, die ich so lange nicht gesehen habe und denen ich jetzt, in diesem Moment, so nahe bin, wie noch nie zuvor in
Meinem, erst so kurzem Leben.
Doch da sehe ich, wie sich über mir der Himmel verdunkelt. Wie sich eine fast schwarze Wolke vor die Sonne schiebt und sich das eben noch so lebendige Licht in dunkle Schattenbilder wandelt.
Ich höre das leise Klirren, als die wenigen, glänzenden Münzen auf die grobe Tischplatte fallen.
Sehe, wie auch das letzte, fast beiläufig dahingeworfene Geldstück zur Ruhe kommt. Spüre die
bedrückende Stille, die darauf folgt.
Ich blicke auf, schaue in das ernste Gesicht meines Vaters, in die traurigen Augen meiner Mutter und schließlich in das kalte Lächeln des Fremden, der soeben zufrieden die wenigen Franken auf unseren ärmlichen Küchentisch hat fallen lassen.
Ich höre das leise Wimmern meiner Geschwister, die zu unseren Füßen auf den Dielen sitzen und die noch zu klein sind, um zu verstehen, was geschieht, aber doch begreifen, dass es etwas
Bösartiges ist und das ihnen Angst einjagt.
Ja, ich selbst begreife es nicht.
Wie konnten sie es tun. Wie war es nur möglich, dass meine eigenen Eltern mich für einige, wenige Taler, an diesen Fremden verkauften?
Endlos scheinende Augenblicke vergehen, bis mein Vater zögernd seinen Arm ausstreckt und die wenigen Münzen verlegen grunzend an sich nimmt und damit mein weiteres Schicksal besiegelt.
Vor mir sehe ich meine Mutter, wie sie sich schluchzend und weinend die Schürze vor das Gesicht hält. Nicht fähig, mir bei unserem Abschied in die Augen zu blicken.
Mein Vater, der einige Schritte auf mich zugeht. Seine Arme hebt, um mich ein letztes Mal
umarmen zu wollen. Diese dann aber wieder sinken lässt und beschämt zu Boden schaut.
Meine Geschwister, die sich im Hintergrund fest umklammert halten und noch immer nichts von
alledem begreifen können.
Dann spüre ich, wie der Fremde an meiner Jacke zieht. Drängend, fordernd. Wie er mich schließlich mit sich zerrt, um für ewig Sklave zu sein.
Krachend schlägt die Eichentür zu, fällt der schwere Riegel von außen davor.
Werde ich aus der eben noch leuchtenden Freiheit zurückgeschleudert in das dunkle, schmerzhafte Jetzt.
Ich sitze da, reglos, und starre in das mich umgebende Nichts.
Fast zwei Jahre ist das alles nun her.
Zwei Jahre, in denen aus mir, einem damals 9-jährigem Jungen ein 11-jähriger Greis geworden ist.
Ich versuche in der Dunkelheit die Gesichter meiner Geschwister wieder zu finden. Versuche
vergebens, in meinen Traum zurück zu fliehen.
Doch statt meiner Schwestern und Brüder, tauchen vor mir die Gesichter meiner Eltern auf.
Ich blicke in die ernsten Augen meines Vaters, sehe hinab auf die Schwielen seiner Hände. Schaue in die traurigen Augen meiner Mutter und weiß, dass ich nicht länger hassen kann.
Ich schmecke Salz zwischen meinen Lippen, sehe selbst hier, in der Dunkelheit, wie langsam aber stetig, ein Tropfen nach dem anderen auf meine nackten Oberarme fällt, die ich noch immer fest um meine Knie geschlungen habe.
Es wundert mich, dass ich, trotz allem, noch immer weinen kann.
Wie an jedem Morgen, wird die schwere Tür geöffnet und ich werde von meinem Meister
herausgezerrt.
Ja, die Tür öffnet sich, doch in meinem Herzen bleibt sie für immer verschlossen.
Fußtritte begleiten meine mühsamen, Schmerz bereitenden Bewegungen. Schimpfworte prasseln auf mich herab, gegen die ich mich schon lange nicht mehr zur Wehr setze.
Wortlos folge ich dem Meister hinaus auf die Straße. Stumm trabe ich hinter ihm her.
Unser Weg führt uns durch enge Gassen, verwinkelte Wege und über breite Straßen in einer Stadt, deren Namen mir vor kurzer Zeit noch völlig unbekannt war.
Mailand. Groß und mächtig in all ihrem Glanz, der für mich aber aus nichts anderem als
Schornsteinen und in den Augen brennendem Ruß besteht.
Der Meister geht voraus, dabei unablässig unsere Dienste anbietend.
Schornsteinfeger!
, ruft er mit lauter und dröhnender Stimme, die selbst den Lärm der
erwachenden Stadt übertönt.
Schornsteinfeger!
Wenn ich seinen weit ausholenden Schritten nicht folgen kann, zerrt er mich an den Armen, stößt mich vorwärts oder schlägt mir mit den Knöcheln seiner, zur Faust geballten Hand auf den Kopf.
Ich weiß nicht, wohin wir gehen. Schaue nicht auf. Halte meinen Kopf gesenkt und folge nur den zwei ledernen Stiefeln, die vor mir weggehen.
Irgendwann halten wir an und ich höre, wie der Meister mit einer älteren Dame feilscht.
Wie er meine Fähigkeiten in den höchsten Tönen und mit ausladenden Bewegungen lobt.
Die Dame nickt schließlich und weist uns den Weg in ihr Haus.
Wir stehen vor einem großen Kamin in der Küche.
Schon seit Stunden ist dieser erloschen und doch, noch immer entsteigt seinem Schlund glühende Hitze.
Ich weiß, was mich erwartet. So viele Male schon bin ich hinaufgeklettert. Habe diese fremde Stadt nur durch all seine Kamine und Schornsteine kennengelernt, habe schließlich irgendwann die Angst verloren vor der Enge, der Dunkelheit, der Hitze und dem, in meiner Lunge brennendem Ruß.
Der Meister legt mir einen Strick um die Taille, bandagiert meine Hände mit Leinentüchern und legt mir schließlich ein ebensolches, feuchtes Tuch über den Mund, welches er hinter meinem Kopf mit festem Knoten zusammenschnürt.
Es soll mich vor dem Einatmen des Staubs schützen, macht aber das Atmen selbst fast unmöglich.
Er drückt mir eine Stahlbürste in die Hand und stößt mich schließlich vorwärts. Ich erklimme die Kaminbrüstung, stecke meinen Kopf in den heißen Schlund und erblicke das erste Steigeisen im
Inneren des Schornsteins, an dem ich mich langsam hochziehe.
Um mich herum herrscht fast absolute Dunkelheit. Nur ganz dort oben, weit über meinem Kopf,
erkenne ich das kleine, helle Quadrat, welches mir das Ende des Schornsteins weist.
Mit der Bürste versuche ich den festsitzenden Ruß von der Innenseite des Kamins zu lösen.
Staub wirbelt auf, brennt in meinen Augen, durchdringt auch den feuchten Lappen vor meinem Mund. Mit meiner freien Hand umklammere ich das Eisen. Noch immer ist es heiß und trotz meiner bandagierten Hände, spüre ich, wie meine Haut verbrennt. Wie der Schmerz von den Handflächen langsam durch meinen Körper kriecht und mir die Sinne vernebelt.
Ich beiße fest die Zähne zusammen, greife das nächste Eisen, das schwarz und drohend über mir aus der Wand ragt.
Heiße Luft dringt in meine Lungen und mit ihr beißender Ruß, der sich in meinem Innersten wie ein bösartiges Tier festkrallt.
Ich versuche dem Drang nicht nachzugeben, muss mich ihm aber schon nach kurzer Zeit ergeben und ein heftiger Hustenanfall durchpeitscht meine Lungen. Lässt die glühende Luft in mir, zu
feurigen Bällen explodieren, die sich in mir ausbreiten und meinen Brustkasten scheinbar zum
Zerbersten bringen wollen.
Tränen steigen in mir auf. Tränen des Schmerzes und der Verzweiflung. Brechen aus meinen Augen hervor, laufen mir die Wangen hinunter und hinterlassen in meinem rußgeschwärztem Gesicht helle Streifen.
Während ich weiter mit der Bürste die Wände bearbeite, greife ich zum nächsten Eisen. Dann noch eines und noch eines.
15 Eisen, dann öffnet sich über mir der Himmel.
Ich schiebe meinen Kopf aus dem Kamin, reiße mir den schmutzigen, noch immer feuchten Lappen vom Gesicht und spüre, wie mir die klare, kühle Luft hier oben langsam die Tränen trocknet. Wie ein leichter Wind durch meine Haare fährt, wie sich meine Lungen ganz allmählich mit sauberer Luft füllen und ich endlich wieder atmen kann.
Von unten höre ich die Stimme des Meisters. Er ruft irgendetwas empor zu mir, doch seine Worte prallen an mir ab.
Hier oben habe ich keine Angst mehr vor ihm, der mir nicht folgen kann. Hier oben, über den
Dächern von Mailand bin ich dem Himmel so nahe, wie ich es nur früher war. Damals, in einem
anderem, so fernem Leben.
Plötzlich fühle ich mich leicht, fühle allen Schmerz von mir abfallen, spüre die Leichtigkeit des
Augenblickes und weiß mit einem Mal, dass ich nie wieder einen der Schornsteine dieser Stadt
erklimmen werde müssen.
Ich klettere vollends aus dem Schornstein hinaus, löse den Knoten des Seils, welches mir der
Meister um meine Taille gebunden hat. Lasse die Bürste, die ich eben noch fest umklammert hielt, einfach meiner Hand entgleiten. Entferne die Bandagen von meinen Händen und lasse auch diese achtlos fallen. Ich werde sie nicht mehr brauchen. Nie wieder!
Vorsichtig lasse ich mich von dem Rand des Schornsteins auf den Dachfirst nieder.
Unter mir erblicke ich die unzähligen Dächer der Stadt, sehe all die vielen Schornsteine, von denen ich in den vergangenen Jahren so viele schon bestiegen habe.
Ich schaue in den Himmel über mir. Erblicke das unendliche Blau, folge mit meinen Augen den
wenigen weißen Wolken am Himmel und frage mich, ob sie wohl dahin treiben werden, wo mein Zuhause ist.
Ich sehe meine Geschwister, meine Eltern vor mir. Erkenne, wie auch sie jetzt, in diesem
Augenblick, in den Himmel schauen und sehen, was ich sehe.
Wärme steigt in mir auf und ich spüre, es ist nicht die quälende Hitze einer der vielen Schornsteine, sondern die wohlige Wärme, wenn Glück durch die Adern fließt und das Herz weit und offen macht.
Ich lächle, als ich meine Beine leicht anwinkele und mich vom Dach abstoße.
Ich sehe wie sich die schwere Tür mit einem einzigem Ruck unter mir öffnet. Atme den Duft des frisch geschnittenen Grases, schmecke die würzige Luft, höre das fröhliche Meckern der Ziegen,
sehe die bunte Pracht der Blumen auf den Wiesen und wie mir diese wohlwollend zunicken. Ich
höre das Lachen meiner Geschwister und schaue in die Augen meiner Eltern, die nicht mehr ernst und traurig blicken, sondern fröhlich und liebevoll meine Rückkehr erwarten.
Ich falle, stürze hernieder und unter mir öffnet sich der Himmel.
Epilog
Es gibt viele Formen der Sklaverei.
Die Versklavung von Kindern ist aber wohl die grausamste.
Noch bis ins Jahr 1950 wurden 6 bis 12-jährige Buben aus dem Tessin aus Not von ihren Familie verkauft, um als Kaminkehrer in Mailand zu arbeiten.
Die Arbeit war hart und ungesund.
Hunger, Kälte, Krankheit, Spott und Einsamkeit waren ihre ständigen Begleiter.
Viele von ihnen überlebten diese Torturen nicht.
Noch heute treffen sich jedes Jahr im Herbst, in Val Vigezzo/Italien, Kaminfeger aus der ganzen Welt; im Andenken an die Kaminfeger-Kindersklaven.
Diese Erzählung ist all diesen unzähligen Kindern gewidmet.
Den Überlebenden, wie den Toten.
Engelstränen
Leise lächelnd ging er die Straße entlang. Es war das erste Mal, dass allererste Mal in seinem
Leben, dass er sich so frei, so leicht, so unbeschwert fühlte.
Heute, heute endlich würde er es tun.
Die letzten Jahre waren die Hölle gewesen, und wenn er so recht darüber nachdachte, war denn sein ganzes bisheriges Leben nicht eigentlich die Hölle?
Nein, früher einmal, bevor das alles begann, musste es besser gewesen sein, glaubte er sich zu
entsinnen.
Er konnte sich doch daran erinnern, an sein Lachen, an glückliche, fröhliche Tage. Tage, in denen er geglaubt hatte, nichts könnte ihm geschehen und es würde immer so weitergehen.
Aber früher einmal, das war so lange her.
Früher einmal. Da war er noch ein Kind gewesen.
Wann hatte es begonnen?
Wann war es das erste Mal, das sie ihn verspottet hatten?
Über ihn lachten, ihn in den Pausen, auf dem Schulhof drangsalierten oder, wenn es für ihn gut lief, einfach nur mieden.
Selbst während des Unterrichts spürte er ihre Häme. Fühlte ihre Ablehnung, den Spott in ihren
Stimmen und die Blicke, die sich in seinen Rücken bohrten und so weh taten.
Ja, war er sich sicher, selbst seine Lehrer hassten ihn.
Sie mussten es doch merken, wie man sich über ihn lustig machte, wie sie, die anderen, über ihn
redeten. Aber sie taten nichts, schauten weg weil, so glaubte er, sie ihn genauso verabscheuten, wie alle anderen es taten.
Und er, er wusste nicht warum.
Wie oft hatte er es sich gefragt.
Warum nur?
Warum hassten ihn alle nur so sehr?
Er hätte es so gerne gewusst, damit er sich hätte ändern können.
Alles anders machen, Freunde finden und einer von ihnen werden.