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Mit Schwefel, Charme und Chaos: Teuflischer wird's nicht 3
Mit Schwefel, Charme und Chaos: Teuflischer wird's nicht 3
Mit Schwefel, Charme und Chaos: Teuflischer wird's nicht 3
eBook440 Seiten6 Stunden

Mit Schwefel, Charme und Chaos: Teuflischer wird's nicht 3

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Über dieses E-Book

Wer früher stirbt, hat länger was von der Hölle.

Melyns Leben nähert sich dem perfekten Höhepunkt - ihrer Hochzeit. Dumm nur, dass sie auf dem Weg zur Trauung bei einem Verkehrsunfall stirbt. Als wäre das nicht bereits ärgerlich genug, landet sie ausgerechnet in der Hölle und zwischen den Fronten zweier zankender Höllenfürsten. Doch Melyn ist fest entschlossen, sich den schönsten Tag ihres Lebens nicht ruinieren zu lassen - nicht mal von ihrem eigenen Tod und erst recht nicht von einem sündhaft heißen Teufel.

Dabei weiß Talan eines ganz genau: Melyns Leben war eine einzige Lüge. Leider nützt ihm dieses Wissen recht wenig, denn Melyn ist unkooperativer, als er erwartet hatte. Totbleiben? Kommt für Melyn nicht in Frage. Ihre Entschlossenheit, der Hölle den Rücken zu kehren, beschwört eine Katastrophe nach der anderen herauf.
Als hätte er nicht schon mit Melyn alle Hände voll zu tun, muss er sich auch noch damit abfinden, dass ständig jemand versucht, ihn - den Teufel höchstpersönlich - vom Angesicht der Welt zu löschen!

Alle Bände der Reihe ›teuflischer wird's nicht‹ sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Fans erwartet ein Wiedersehen mit den Charakteren des Fantasy-Bestsellers ›Teufel gesucht, Katastrophe vorhanden‹.

Leserstimmen:
"Es war wie immer ein Vergnügen der schönsten Art ich habe stellenweise sooo gelacht und Melyn hat mich stellenweise an mich selber erinnert." (Tiara)
"Auch mit diesem Roman hat sie mich wieder vom ersten bis zum letzten Wort gepackt, aus dem Alltag gerissen und mir wunderbare Lesestunden beschwert. Ich habe mich mehr als einmal vor Lachen fast weggeschmissen." (Gaby)

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. Jan. 2023
ISBN9783755429906
Mit Schwefel, Charme und Chaos: Teuflischer wird's nicht 3

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    Buchvorschau

    Mit Schwefel, Charme und Chaos - Allyson Snow

    Inhalt

    Kapitel 1 Hochzeiten sind zum Sterben schön

    Kapitel 2 Teufel haben es nicht leicht

    Kapitel 3 Nur mal schnell Bücher holen

    Kapitel 4 Im Zweifel gegen die Angeklagte

    Kapitel 5 Wenn Zwei sich streiten, türmt die Dritte

    Kapitel 6 Die Geister, die niemand rief

    Kapitel 7 Freundlichkeit ist die schlimmste aller Tugenden

    Kapitel 8 Lebe lieber untot

    Kapitel 9 Problem: Chaos –  Lösung: Noch mehr Chaos

    Kapitel 10 Hokuspokus, hol die Streichhölzer

    Kapitel 11 Sei Feuer und Flamme

    Kapitel 12 Klimawandel in der Hölle

    Kapitel 13 Kauf den Engel im Sack

    Kapitel 14 Schwierigkeiten wachsen mit den Herausforderungen

    Kapitel 15 Große Brüder nerven furchtbar

    Kapitel 16 Morddrohungen sind durchaus eine Verhandlungsbasis

    Kapitel 17 Nur wer fällt, kann fliegen

    Kapitel 18 Streit ist auch eine Art Vorbereitung

    Kapitel 19 Einbrechende Launen

    Kapitel 20 Mörderisch wirkungsvolle Segnungen

    Kapitel 21 Teufel zu verkaufen, nur minimal abgenutzt

    Kapitel 22 Segne unser täglich Chaos

    Kapitel 23 Rom ist zum Sterben schön

    Kapitel 24 Lügen haben rotes Haar

    Kapitel 25 Teuflische Pläne im Himmel

    Kapitel 26 Opfer sind wünschenswert

    Kapitel 27 Im Himmel ist die Hölle los

    Kapitel 28 Papier ist geduldig

    Epilog

    Steves Geschichte – ihr seid gefragt!

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    Kapitel 1

    Hochzeiten sind zum Sterben schön

    Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Hochzeit zu ruinieren. Spontan nicht mehr ins Kleid passen. Ein unbemerktes Stück Petersilie zwischen den frisch gebleichten Zähnen. Eine Festgesellschaft, die bereits vor dem Ja-Wort sternhagelvoll ist. Oder ein Bräutigam, der gar nicht erst auftaucht.

    Melyn hatte diese Risikofaktoren gewissenhaft ausgeschlossen. Sie hatte sich jeden Tag in den blütenweißen Fummel gequetscht, um sicherzustellen, dass er noch passte; nach dem heutigen morgendlichen Zähneputzen nichts mehr gegessen; und es galt striktes Alkoholverbot vor der Trauung. Außerdem hatte sie Bradleys Trauzeugen angedroht, ihm die Leber bei lebendigem Leibe zu entfernen und vor seinen Augen zu braten, wenn er ihren zukünftigen Gatten nicht pünktlich vor dem Altar ablieferte. Aber niemals – absolut niemals – hätte sie damit gerechnet, dass sie auf dem Weg zur St Mary’s Cathedral einfach starb.

    Zumindest nahm Melyn an, dass sie tot war. Wie sonst könnte sie auf diesen unappetitlich zerquetschten, in das verbeulte Wrack einer Limousine eingekeilten Fleischklumpen sehen, der ihr Brautkleid trug? Es sei denn, es war noch die Nacht vor der Trauung und ihr von Nervosität durchtränktes Hirn servierte ihr einen hübschen Albtraum, wie ihre perfekt geplante Hochzeit doch noch im absoluten Desaster enden könnte.

    Der Fahrer des Lastwagens, der den Luxusschlitten blöderweise in der Seite gerammt hatte, hockte im Rinnstein und kotzte in unregelmäßigen Schüben auf seine Schuhe. Der Chauffeur der Limousine tätschelte ihm ununterbrochen mit bebender Hand den Rücken. Die beiden hatten mehr Glück gehabt als Melyn. Zwar lief dem Chauffeur Blut aus einer langen Schnittwunde an der Stirn über das Gesicht, aber lebensbedrohlich sah das nicht aus.

    Eine nervige Sirene kam näher. Tatütata. Der Krankenwagen bog um die Ecke und raste so rasch auf die Kreuzung, dass Melyn unwillkürlich auf den Gehweg flüchtete. Der medizinische Rennfahrer bremste abrupt neben dem Schrotthaufen. Die hinteren Türen flogen auf, und zwei Männer stürzten heraus.

    »Grund zur Eile gibt’s wohl nicht mehr«, rief ihnen Melyn zu, aber die Rettungshelfer begutachteten aufmerksam das, was von der ehemals hübschen Braut (Sie war wirklich hübsch gewesen!) übrig geblieben war.

    »Da ist nichts mehr zu retten. Die ist hinüber«, stellte einer fest.

    »Die Hochzeit fällt wohl ins Wasser«, sagte der zweite Sanitäter. »Ob das Büfett schon aufgebaut ist?«

    Solchen Unsinn konnte sie unmöglich träumen. Na toll, also doch keine Halluzination, ausgelöst durch kalte Füße. Was sie zu der wichtigen Frage führte: Und jetzt?

    Wenn sie das dort in dem Blechklumpen war und nun buchstäblich neben sich stand, dann war sie jetzt ein Geist, aber was machten Geister so nach ihrem Tod? Musste sie sich jetzt eine heruntergekommene Hütte zum Spuken suchen? Oder war sie an dieses Autowrack gebunden und musste ihr Leben nach dem Tode auf einem Schrottplatz zubringen? Das würde mit den anderen Unfallopfern dort sicherlich ein ziemliches Gedränge werden.

    Immerhin schien Melyn als Geist nicht wie eine zermatschte Erdbeere auszusehen. In ihrem nunmehr ätherischen Dasein erstrahlte ihr Kleid nämlich wie vor dem Zusammenstoß mit dem unaufmerksamen Verkehrsrowdy. Sogar das Blumenarmband, das sie vor der Trauung ihrer Brautjungfer hatte überreichen wollen, war noch da. Ihr linker Arm stand auch nicht so seltsam ab wie bei ihrer Leiche, und sie entdeckte auch keine offene Bauchdecke, als sie an sich hinabsah. Wie ungemein tröstlich, sie würde die Menschen also nicht mit ihrem fürchterlichen Aussehen zu Tode erschrecken, sondern musste sich kreative Spuke ausdenken und …

    Aus dem Nichts manifestierte sich neben ihr ein Mann. Sollte Melyn sich um ihre geistige Gesundheit sorgen, wenn Kerle so plötzlich vor ihr auftauchten, als hätte Scotty beim Beamen geniest? Ach, warum sich die Mühe machen? Theoretisch müsste Melyn jetzt aufgebracht sein, weil der schönste Tag ihres Lebens in einem verdammten Krematorium enden würde! Und das noch vor dem besten Moment – dem ersten Kuss als Mann und Frau! Warum hatte dieser elende, verblödete LKW sie nicht erst auf der Rückfahrt erwischt? Am Ende der Straße ragten die beiden gotischen Türme der St Mary’s Cathedral über den Dächern auf. Herrgott noch eins, sie war fast da gewesen!

    Der Fremde sah sie wortlos an, und Melyn starrte zurück. Er trug ein weites, kariertes Hemd, und solch fluffig liegenden Haare hätte sie auch gerne.

    »Ha, ich hab ihr Handy gefunden«, rief einer der Rettungshelfer, worauf sich der LKW-Fahrer erneut übergab. Er würgte inzwischen die blanke Galle heraus.

    »Es scheint noch heil zu sein. Sollen wir ihren Bräutigam anrufen?«, fragte der Sanitäter. »Nicht, dass er denkt, sie hätte kalte Füße bekommen. Mein Kumpel ist von seiner Braut sitzengelassen worden, der war danach nie wieder der Alte. Ihr Zukünftiger weiß dann wenigstens, dass es nicht an ihm lag.«

    Zu erfahren, dass die Liebste leider tot war, schlug mit Sicherheit wesentlich weniger aufs Ego, als wenn Melyn ihn versetzt hätte. Bevor sie dem Volltrottel mit einem ordentlichen ›Buh‹ den Schreck seines Lebens einjagen konnte, bekam der Mann in dem Karo-Hemd endlich den Mund auf.

    »Warum stehst du hier herum und gehst nicht weiter?«

    »Jetzt sag bloß, nicht mal Geister dürfen an einem Unfallort gaffen«, beschwerte sie sich. Im Weg stand sie definitiv nicht. Ein Kind rannte durch sie hindurch, bevor es bei dem Briefkasten nicht so viel Erfolg mit seiner Ignoranz hatte und scheppernd dagegen lief.

    »Ich meine, warum du nicht weitergehst – Richtung Himmel, Hölle oder Geisterreich.«

    »Klingt mir alles nicht nach erstrebenswerten Flitterwochen.« Melyn beäugte ihre vermutlich ebenfalls geisterhafte Gesellschaft. Ihn umgab ein goldener Schimmer, als wäre er eine Christbaumkugel, die im Licht der Weihnachtskerzen schillerte. »Wer bist du überhaupt?«

    »Dein Schutzengel. Steve.«

    »Den Job hast du ja wohl vergeigt.«

    »Deine Zeit war gekommen«, verteidigte sich der unaufmerksame Hallodri.

    »Das behaupte ich auch immer, wenn ich eine Aufgabe vermassle.« Sie legte den Kopf schief und schürzte die Lippen. »Alternativ tue ich so, als hätte ich es ›delegiert‹.«

    Steve verdrehte die Augen. »Den Job eines Schutzengels kann man nicht delegieren.«

    »Tja, dann wirst du die Verantwortung für dein Versagen wohl allein tragen müssen.«

    Melyns Engel rieb sich über das Gesicht. »Lass uns jetzt gehen, damit du erfährst, wo du landest!«

    »Du willst mich doch nur loswerden.«

    »Ganz genau«, brüllte Steve plötzlich. »Auf dich aufzupassen war ein furchtbarer Job! Ich bin erst seit drei Jahren für dich zuständig, und ich weiß nicht, wie oft du beinahe vor ein Auto gelaufen, an einer Klippe entlang getaumelt, fast besoffen in der Badewanne ertrunken bist, und von dem Elefanten möchte ich gar nicht erst anfangen!«

    »He«, protestierte sie. »Er hat nicht mehr zurück in seinen Zirkus gefunden und war verängstigt.«

    »Das Vieh war stocksauer!«

    »Davon habe ich nichts gemerkt.«

    »Ja, weil ich dich weggezerrt habe, bevor er auf dich treten konnte wie andere in einen Haufen Hundekacke«, blaffte ihr Schutzengel. »Jetzt komm. Die warten nicht ewig auf dich.«

    Ehe Melyn fragen konnte, wer zur Hölle ›die‹ waren, ergriff er ihren Arm, und plötzlich lösten sich die Straßen Edinburghs in Millionen Pixel auf. Die Stimmen der Rettungshelfer verstummten, genauso wie der Straßenlärm, und es wurde alles grau. Buchstäblich. Eigentlich hätte sie eher Dunkelheit erwartet, so wie bei einer hübschen Ohnmacht, oder diesen berühmten Tunnel, an dessen Ende ein Licht auf einen wartete.

    Aus den verschwommenen Flecken eines deprimierenden Picassos formten sich recht detaillierte Häuser, Bäume und Straßen. Wenn man sie fragte, könnte das Jenseits ein wenig Farbe vertragen. Welcher selbstmordgefährdete Architekt hatte das entworfen? Selbst Melyns Haut war so fahl, dass ein Zombie einen gesünderen Teint aufwies. Sie drehte die Spitzen ihrer Haare zwischen den Fingern. Die mühsam zusammengetönte Mischung aus Rot und Blond (die selbstverständlich absolut natürlich aussah!) und der darüberliegende Schleier erinnerten an eine Schlammpackung.

    Dafür befand sie sich in einer Stadt, die in Sachen Architektur wirklich etwas hermachte. Gut, eine Villa im Kolonialstil direkt neben einen Betonklotz der 20er-Jahre zu setzen, war ein sehr ungeschickter Kontrast, aber mit dem Wolkenkratzer daneben könnte man es als Lehrstrecke für der Entwicklung der Baustile betiteln.

    Melyn zeigte an Steve vorbei. »Ist die Villa frei? Die ist echt niedlich. Wie viel Geld muss man dafür hinblättern? Hach, verflucht, warum leben wir nicht in früheren Zeiten, wo den Verstorbenen Reichtümer mit ins Grab gelegt wurden? Ich wette, die legen mich mit meinem billigsten Kleid in den Sarg, und die Manolos reißt sich Bradleys Schwester unter den Nagel. Die war schon immer scharf drauf und …«

    »Bitte sei einfach still«, flehte der Engel.

    Melyn beäugte ihn kritisch. »Du hast nicht sonderlich gute Nerven, oder?«

    »Wie denn?«, stöhnte Steve. »Jeder meiner Schützlinge trampelt darauf herum. Du genauso. Eigentlich müsste ich jetzt meinen nächsten Pflegling bekommen, während du wie die Motte vom Licht von der Kathedrale dort angezogen werden solltest, aber nein, du begaffst lieber die Gegend!« Steve deutete an ihr vorbei, zu einer riesigen Kirche, auf die Dutzende Menschen mit schlurfendem Gang wie degenerierte Zombies zusteuerten. »Dort wirst du das Buch deines Lebens finden und …«

    »Buch meines Lebens?«

    »Ja, alles was in deinem Leben passiert ist, steht da drin. Bücher über jedes Leben, das jemals gelebt wurde und derzeit gelebt wird, aufbewahrt in der Kathedrale.«

    »Also kann jeder darin lesen?«

    »Theoretisch schon.«

    »Habt ihr noch nie was von Datenschutz gehört?«

    Steve fuhr sich durch die Haare und zerrte daran. »Vor dem himmlischen Gericht gibt es keinen Datenschutz, irgendwie müssen die ja festlegen, wohin du gehörst.«

    Melyn schnaubte. »Überall auf der Welt verhängen sie Strafen in Trillionenhöhe, wenn man nur einen Mail-Empfänger falsch eingibt, und ihr setzt euch einfach darüber hinweg.«

    Steve begann, sich die Stirn zu reiben. Er sollte mal nicht so tun, als hätte er es unfassbar schwer. Sie war schließlich an ihrem Hochzeitstag gestorben, weil er nicht aufgepasst hatte!

    »Ich werde dich jetzt verlassen«, fauchte der inkompetenteste Bodyguard der nördlichen Hemisphäre. »Diesmal für immer. Es warten andere Aufträge auf mich. Sollten wir verdammt viel Pech haben, schaffst du es in den Himmel und darfst den ›ewigen Freuden‹ frönen.« Steve lachte bitter. »Die bedeuten übrigens, dass du im Himmel entweder was mit Verwaltung machst oder irgendwelchen Deppen auf der Erde die Hand hältst, bis sie den Löffel abgeben.«

    »Deine Nächstenliebe ist wirklich entzückend. Es wundert mich, dass Überbevölkerung bei dieser Einstellung überhaupt noch ein Problem ist«, spottete Melyn. »Ich kann nicht behaupten, dass du mir irgendetwas gehalten hast, dafür ist aber während des Crashs neben mir eine weißhaarige Frau aufgetaucht und hat mir die Hand gegeben. Ich war ja schon immer gegen den Handschlag – es ist ein völlig bescheuerter Brauch, bei denen Männer Frauen entweder die Finger zerquetschen oder sie so lasch halten, dass man sich fragt, wie sie sich mit dem toten Fisch einen runterholen und …«

    Steve ergriff ihren Arm und bugsierte sie in Richtung der Straße, stellte sie mit dem Gesicht zu der Kathedrale und legte Melyn die Hand auf den Rücken, um ihr einen Stoß zu geben. »Stell dich dem Gericht und sieh, was das Leben nach dem Tod für dich bringt. Nur tu mir den Gefallen und lauf mir nie wieder über den Weg.«

    »Da bin ich ja in hundert Jahren nicht dran.« Gut, sie gab es ja zu. Eigentlich diskutierte sie nur, weil sie so nervös war. Himmlisches Gericht klang recht schwerwiegend, und wer wollte schon freiwillig in die Hölle? Gut aussehende Teufel waren bestimmt nur die Erfindung irgendeines Marketing-Directors.

    »Das kann dir ziemlich egal sein, du hast jetzt alle Zeit der Welt«, behauptete Steve. »Nur besondere Ausnahmen dürfen sich in der Reihenfolge beim Himmlischen Gericht vordrängeln.«

    »Was muss man denn da für ein Sonderfall sein?«, fragte Melyn.

    »Wenn man mit einem der Höllenfürsten geschlafen hat«, knurrte Steve.

    »Du klingst ja so, als hättest du mit dem Höllenfürsten geschlafen. Was ist passiert? Hat er dich am nächsten Tag nicht angerufen?«

    Melyns Schutzengel platzte nicht nur im übertragenen Sinne vor Wut, er löste sich mit einem ohrenbetäubenden Knall in einer weißen Wolke auf, bevor sie nachfragen konnte, warum er Höllenfürst in der Mehrzahl erwähnt hatte.

    Schön. Dann ging sie eben mit den anderen. Irgendwie kam es ihr vor, als wäre sie die Einzige, die halbwegs ihre Gedanken beisammenhatte. Die grau getünchte Masse stierte mit leeren Blicken vor sich hin und wankte zielstrebig auf das Kirchenportal zu. Das wurde mit Sicherheit eine extrem lahme Veranstaltung. Aber hatte sie nicht alle Zeit der Welt? Dann hatte sie die auch für das Jüngste Gericht. Mit ein wenig Glück fand sie vorher einen Weg hier raus. Sie war nie ein Freund davon gewesen, Tatsachen kampflos zu akzeptieren, und zur Hölle – sie hatte fünf Jahre lang auf Bradleys Heiratsantrag gewartet. Sie würde sich den schönsten Tag im Leben bestimmt nicht von ihrem Tod ruinieren lassen!

    Kapitel 2

    Teufel haben es nicht leicht

    »Seit meiner Geburt habe ich mein Leben unserem Herrn und seinem Sohn Jesus verschrieben. Jeden Tag senkte ich das Haupt voller Demut vor Gott, stellte all meine Kraft, meine Taten und meine Gedanken in seinen Dienst. Keine Verführung gab es, der ich nicht widerstand, so schwöre ich es, sonst soll mich sein Zorn treffen, wie er einst das Volk Edom traf …«

    Der schwafelnde Pfaffe war kein Prüfling für das himmlische Gericht, sondern ein wandelnder Mordanschlag auf Talans Nervenkostüm. Bestünden die Wände des Anhörungszimmers nicht aus Wolken, Talan würde sich daran den Schädel einschlagen. Diese monotone Stimme, die geheuchelte Bescheidenheit konnte sogar einen Teufel dahinraffen!

    Der Geist des Priesters fingerte an seinem Kollar und schwadronierte weiter: »Der Herr prüfte mich oft und war mir gnädig. Aus seiner Güte schöpfte ich meine Kraft, immer wieder voranzuschreiten und den Menschen Hoffnung zu geben, in seinem Namen, damit sie sehend wurden angesichts seiner Barmherzigkeit …«

    »Ist ja gut«, winkte Talan ab. »Wir haben es kapiert. Du hast bei den Predigten eifrig die Gläubigen zu Tode gelangweilt und bist ständig mit deinem Klingelbeutel durch die Gemeinde gezogen. Hast du überhaupt nichts Spannendes zu bieten? Mord, Erpressung, Raub?«

    »Niemals«, rief der Pastor empört aus. »Ich habe mir nie etwas widerrechtlich angeeignet. Ich stehe im Dienst der Kirche, unseres Herrn. Ich widme mich ihm seit über sechzig Jahren, und sobald Spendengelder hereinkamen, gab ich sie für die Bedürftigen aus. Wir haben jeden Donnerstag einen Scrabble-Abend veranstaltet und …«

    Talan drehte sich zu dem Engel um, der neben ihm saß und mit einem dämlichen Grinsen dem Gewäsch gelauscht hatte. »Nimm ihn zu dir in den Himmel. Sein Fegefeuer mutiert bei dem Geschwafel sonst zu einem Waldbrand in Kalifornien.«

    Viktor runzelte die Stirn. »Das ist überhaupt nicht möglich.«

    »Hast du aus Australien nichts gelernt? Viele süße Koalas sind verbrannt, nur weil Shytan nicht genügend Kaffee intus hatte und aus Versehen den falschen Knopf gedrückt hat.«

    »Aus Versehen … Als ob dein Bruder irgendwas aus Versehen macht.« Der geflügelte Wichtigtuer rückte die Brille zurecht und betrachtete Talan missmutig. »Wir müssen erst in das Buch seines Lebens sehen.«

    »Kein Bedarf.« Was sollte in der Schwarte schon stehen? Wie viele Omas der auf die Wange geküsst hatte?

    Erneut maß ihn Viktor, als wäre es ein verfluchtes Sakrileg, diesen öden Schinken nicht durchzuackern. Betont langsam blätterte er die Seiten durch. Wenigstens hielt der Kleriker den Mund und sah dem Engel stumm dabei zu. Auch Seelen konnten offenbar schwitzen, denn auf der blassen Stirn des Pfaffen bildeten sich dicke Schweißtropfen.

    Endlich sah der elysische Staubwedel auf und warf seinem Klienten einen Blick über den Brillenrand zu. Das Lächeln auf Viktors Lippen war so beifällig, dass Talan langsam bereit war, sich im Weihwasser zu ertränken, Hauptsache, er kam hier endlich weg.

    »Menschen wie dich sollte es öfter geben, dann hätten unsere Schutzengel ein sehr viel ruhigeres Leben und die Hölle wäre überflüssig. Innerhalb kürzester Zeit wären wir gewisse hochnäsige Idioten los.« Viktor lächelte süffisant in Talans Richtung. »Nichts für ungut.«

    »Ohne die angeblich hochnäsigen Idioten würdet ihr euch, in Selbstherrlichkeit versunken, permanent bei den Proben des himmlischen Chores einen runterwedeln. Trotz der dicken Brillengläser würdest du deine Palme allerdings sowieso nicht finden und dann eine fremde erwischen.« Talan grinste schief. »Nichts für ungut.«

    Viktors Gesicht färbte sich puterrot, selbst auf seinem Hals bildeten sich dunkle Flecken. »Deine Beleidigungen …«

    »… sind außerordentlich erfrischend, oder?«, ergänzte Talan munter. »Die gehören zum Unterhaltungsprogramm.«

    »Ich will kein Unterhaltungsprogramm. Ich will lediglich die Seelen zuteilen«, zischte Viktor.

    »Dann solltest du diesen Deppen endlich in den Himmel beordern, sonst wird das nichts.«

    Der Bibelprediger hatte die gesamte Zeit mit offenem Mund zugehört, doch als sich Viktors wütender Blick ihm zuwandte, schloss er ihn schnell und verbeugte sich sogar. Noch ein Stück weiter und seine Nase versank in den Wolken, die den Boden des Raumes bildeten. Mit einem Fingerschnippen verwandelte Talan das strahlende Gewölk in grünlich schimmernden Dunst, der nach verfaulten Eiern stank.

    Noch während der Kleriker ächzend zurückzuckte, setzte Viktor wieder sein unerträglich würdevolles Lächeln auf. »Dein Platz ist im Himmel.«

    Ging doch!

    Dieser elendig langweilige Kirchendiener war darüber offenbar so erleichtert, dass er den Schwefel prompt vergaß und sich erneut so tief verbeugte, dass er beinahe vornüberfiel, mit dem Gesicht in den heimeligen Geruch der Hölle. »Ich danke Euch, gütiger Herr«, näselte er erstickt.

    »Ich bin nicht der Herr. Ich bin lediglich der Zuständige für die Seelenverteilung«, erwiderte Viktor und grinste so bescheiden, dass Talan zu glucksen begann.

    Viktor warf ihm einen strafenden Blick zu und deutete schließlich mit der Hand scheinbar wahllos auf die Wände. »Geh, mein Sohn, und tritt ein in die paradiesischen Sphären.«

    »Mit Freuden werde ich meine Dienste auch in diesem Dasein anbieten und mit all meiner zur Verfügung stehenden Kraft …«

    Talan ließ dem Pfaffen aus dem Nichts einen Lavastein auf den Fuß fallen. Das Gekreische war nur unwesentlich besser als das Gewäsch, aber im Namen der drei teuflischen Brüder, irgendwann war auch mal gut.

    Der Priester humpelte eilig durch die Wolkenwand und war, der Hölle sei Dank, verschwunden. Talan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Sind wir endlich fertig?«

    »Das war gerade mal der zweihundertste«, erwiderte Viktor pikiert. Er warf einen Blick auf seine Liste. »Wir haben noch mindestens dreihundertfünfzig vor uns, und es kommen ständig neue dazu.«

    »Wir sollten ein Sterbestopp verhängen«, brummte Talan.

    Wo zum Henker war sein Bruder? Über die Seelen zu urteilen war nämlich Shytans Job! Talan war für die Bestrafungen zuständig und nicht für das Aussieben derer, denen er buchstäblich Feuer unter dem Hintern machen durfte. Aber weil der holde Herr unauffindbar war, musste Talan mal wieder einspringen. Shytan wusste genau, dass er das hasste! Man hörte sich einen Klienten (Shytan bestand auf dieser schwachsinnigen Bezeichnung.) nach dem anderen an, las sich durch deren dröges Leben, und man durfte nicht mal auslosen, ob man die Seele anschließend in die Hölle steckte, zum Spuken zurück auf die Erde schickte oder sie der ewigen Ödnis des Reiches der geflügelten Pisser – kurz Himmel – aussetzte. Nein, dafür gab es Kriterien und Richtlinien! Eine weitere Stunde diesen Mist und er würde dahinsiechen, als hätte man ihm den Schierlingsbecher gereicht. Er konnte sich bereits jetzt kaum auf seinem Stuhl halten und rutschte zentimeterweise nach unten.

    »Setz dich ordentlich hin!«, fauchte Viktor.

    Talan glitt betont langsam weiter. Er musste die Füße in den flauschigen Boden stemmen, um nicht gänzlich den Abflug zu machen. Dabei starrte er Viktor provokant an. Dessen Federn hingen über den (natürlich reinweißen) Chefsessel hinaus und verliehen ihm den Charme eines explodierten Straußes weißer Callas. Viktor presste die Lippen aufeinander, als müsse er sich mit aller Kraft einen Kommentar verkneifen, und schließlich drückte er den Rücken durch.

    Bevor er den Mund aufmachen konnte, sagte Talan: »Ich wette, du hast dir nicht nur einen Stock in den Hintern geschoben, um so steif zu sein, sondern gleich einen ganzen Mammutbaum.«

    »Kannst du nicht einmal mit mir reden, ohne mich zu beleidigen?«

    Talan wiegte den Kopf. »Lass mich kurz überlegen … Nein.«

    Bedauerlicherweise war Viktor der Erwachsenere von ihnen und wusste, dass jegliches Widerwort eine ewige Diskussion nach sich zog. Er warf Talan einen verächtlichen Blick zu und tippte auf die Liste. »Die Nächste ist Melyn Fraser.«

    Normalerweise trat bei der Nennung des Namens die Seele unverzüglich ein, und das tödlich langweilige Spiel begann von vorn. Aber nichts geschah. Talan erwischte sich, wie er erwartungsvoll auf die Schäfchenwolken starrte.

    Viktor räusperte sich. »Melyn Fraser.«

    Gäbe es hier Stecknadeln, könnte man sie fallen hören. Keine Seele erschien.

    »Vielleicht hat sich der Stock in deinem Darm jetzt bis zum Mund vorgearbeitet, dass du nuschelst«, mutmaßte Talan.

    »Melyn Fraser«, brüllte Viktor plötzlich.

    Talan musste sich an den Armlehnen seines Stuhles festhalten, um nicht herunterzufallen.

    »Wo ist der zuständige Schutzengel?«, maulte Viktor in den Raum hinein. Keine Sekunde später materialisierte sich ein Mann in einem Holzfällerhemd vor ihnen.

    Ehe Talan fragen konnte, ob Karo-Hemden ernsthaft wieder en vogue waren, schnarrte Viktor: »Steve, wo ist Melyn Fraser?«

    Der Schutzengel glotzte ihn fassungslos an wie ein zurückgebliebenes Schaf. »Ist sie nicht da?«

    Talan ließ den Blick ausführlich durch den dunstigen Raum schweifen. »Also, wenn sie sich nicht gerade unter Viktors Frauenrock …«

    »Das ist eine Toga!«, brummelte Viktor, aber Talan hob einfach die Stimme, um ihn zu übertönen.

    »… versteckt, dann offenkundig nicht.«

    »In die tiefsten Güllegruben der Hölle mit diesem Weib!«

    Steves Aufschrei kam so unvermittelt, dass Talan tatsächlich den letzten Rest Halt auf seinem Stuhl verlor und zu Boden krachte. Unter den fassungslosen Blicken der Engel schob er sich in den Schneidersitz. »Ich würde ja deinen Wunsch erfüllen«, ächzte Talan. »Aber dazu müsste sie hier auftauchen.«

    »Sie ist die personifizierte Pest«, fluchte Steve. »Sie macht immer das Gegenteil von dem, was man ihr sagt.«

    Er ballte die Fäuste, Viktor runzelte die Stirn, Talan hingegen rieb sich die Hände. Eine flüchtige Seele einzufangen klang nach Abwechslung. Womöglich sprang er etwas zu motiviert auf; er wartete auch nicht auf die beiden geflügelten Lemminge, sondern marschierte einfach durch die Wand in die Geisterwelt. Diese Melyn ließ er sich definitiv nicht entgehen.

    Kapitel 3

    Nur mal schnell Bücher holen

    Gott, war das unübersichtlich hier.

    Melyn war eine ganze Weile durch die Straßen gestromert, bevor sie sich entschlossen hatte, den anderen Seelen in die Kathedrale zu folgen. Nun starrte sie in dem Kirchenschiff nach oben. Über drei Etagen führten schmale Wendeltreppen mit kunstvoll verzierten Geländern zu Emporen, vollgestopft mit Bücherregalen. Auch im Erdgeschoss bogen sich die Bretter unter den zahlreichen Werken. Die Regale standen eng beieinander, und die grauen Menschen ergossen sich regelrecht in die Zwischenräume. Nur in die unterirdischen Etagen ging niemand. Die Treppe hinunter war mit purem Gold überzogen, an ihrem Fuß war es so dunkel, dass man von oben nicht erkennen konnte, was dort unten verborgen lag.

    Eine Weile sah Melyn dem Treiben zu. Sie beobachtete eine Frau, die ein kleines Mädchen an der Hand hielt. Als sie zwischen den Regalen wieder hervorkamen, umklammerten sie jeweils ein Buch. Im Gegensatz zu den Besuchern und der Kathedrale selbst strahlten die Bücher umso farbenfroher. Das der Mutter leuchtete in einem satten Blau, ihre Tochter trug einen schmalen weinroten Band. Sie stellten sich in die Schlange vor einer Kabine, die am Ende jeder Regalreihe stand, verschwanden schließlich in ihr und – solange Melyn auch wartete – kamen nicht mehr heraus.

    »Suche das Buch deines Lebens und empfange das Urteil des ehrwürdigen Gerichts«, faselte es plötzlich hinter ihr.

    Melyn drehte sich um und sah sich einer hageren Gestalt gegenüber, die sie um einen Kopf überragte. Sein Schädel war bis auf ein Büschel weißen Haares auf der Stirn kahl. Sein Gesicht entstellten unzählige Muttermale und eine wulstige Narbe auf der rechten Wange. Er trug eine formlose, schwarze Kutte und starrte sie aus wässrigen grauen Augen an.

    »Eigentlich suche ich den Ausgang«, erwiderte Melyn.

    »Den Weg zum ehrwürdigen Gericht findest du mit dem Buch deines Lebens.«

    Was, zum Teufel, hatten die alle nur mit den Wälzern?

    »Wer bist du?«, fragte sie neugierig.

    »Der Wächter der Bibliothek.«

    Hach, wie pathetisch. Ob der die Leben stalkte, die er hier bewachte? Vielleicht saß der Kerl ja jeden Abend in einem gemütlichen Sessel, mit einer Tasse Tee und krümelte unzählige Seiten mit Schokolade und Keksen voll. Ob er noch eine Mitbewohnerin brauchte?

    »Wenn ich ehrlich bin, sehe ich mich nach dem Weg zurück auf die Erde um. Ich heirate heute.«

    Der Blick des Kuttenmannes blieb ausdruckslos. »Suche das Buch deines Lebens und empfange das Urteil des ehrwürdigen Gerichts.«

    »Das kann ich in fünfzig Jahren immer noch machen.«

    »Suche das Buch deines Lebens und empfange das Urteil des ehrwürdigen Gerichts.«

    »Eigentlich wollte ich morgen einen Serienmarathon mit ›The Big Bang Theory‹ einlegen.«

    »Suche das Buch deines Lebens und empfange das Urteil des ehrwürdigen Gerichts.«

    »Weißt du, du hast schon sehr viele Warzen. Ich kann dir ein Mittel dagegen empfehlen.«

    »Suche das Buch deines Lebens und empfange das Urteil des ehrwürdigen Gerichts.«

    Wenn man sie fragte, tickte hier niemand so richtig sauber. War der Mann überhaupt echt? Oder war er ein Androide? Konnte man bei ihm einen Stecker ziehen? Melyn spähte hinter ihn, aber sie sah kein Kabel. Vielleicht war ja eine seiner Warzen ein Reset-Knopf? Offensichtlich hatte sich da was aufgehängt und er sagte immer wieder den gleichen Mist auf. Sie drückte mit dem Zeigefinger auf die Hautwucherung auf seiner Nase, da sprang er wie von der Tarantel gestochen zurück. Den defekten Roboter konnte sie damit wohl ausschließen.

    »Wie kannst du es wagen, den Hüter der Bibliothek zu berühren?«, fauchte ebenjener und fuhr sich durchs Gesicht. »Wieso ist dein Geist so rege? Und …«

    »Melyn!«

    Mist, die Stimme gehörte eindeutig ihrem nicht sonderlich stressresistenten Schutzengel.

    »War ein Wahnsinnsgespräch«, warf Melyn dem Bibliothekshüter eilig an den Kopf und wirbelte herum. Sie stürzte wahllos in den nächstbesten Gang und rauschte an zigtausend Büchern vorbei, so schnell es ihr Kleid zuließ. Herr im Himmel, wenn sie das nächste Mal heiratete, wählte sie einen Rock mit A-Linie und keinen im Meerjungfrauenstil. Sie sah darin zwar fantastisch aus, aber die nötige Schrittweite für gepflegte Verfolgungsjagden war nicht gegeben. Sie trippelte mehr, als dass sie rannte!

    Das Ende des Korridors kam in Sicht, sie sah die Außenmauer auf sich zukommen und schlüpfte in einen Quergang. Sie könnte schwören, ihr Herz hämmerte. Doch als sie die Hand auf die Brust presste, war da nichts. Bevor sie sich allzu viele Gedanken darüber machen konnte, hörte sie Steves donnernde Stimme.

    »Es wird Zeit für dein Urteil!«

    Sie wollte keine übermäßige Kritik an dem Schutzengel üben, aber als Motivator war er untauglich. Sie pfiff auf das Urteil. Sie wollte nicht in den Himmel oder in die Hölle. Sie wollte in die St Mary Cathedral in Edinburgh, genau genommen vor den Altar und neben Bradley! Es musste doch von hier einen Weg zurück geben! Es gab immer einen. Selbst in einer Einbahnstraße konnte man den Rückwärtsgang einlegen.

    Melyn hörte ein Rauschen, als würde eine Horde Tauben die Bibliothek überfallen, und sah hoch. Steve schwebte über den Bücherborden, seine breiten Flügel schimmerten strahlendweiß, und sie spürte den Zug der aufgewirbelten Luft. Der Engel könnte in diesem Augenblick vom Cover eines Fantasy-Romans stammen, allerdings ein jugendfreier, sonst würde Steve sie jetzt als halbnackter, geflügelter Highlander verfolgen.

    Sie duckte sich, als er sich wie ein betrunkener Schmetterling um die eigene Achse drehte und sein Blick in ihre Richtung schweifte. Zwei Seelen gingen an ihr vorbei, Melyn sprang zwischen sie und passte sich ihrem gemächlichen Tempo an.

    »Warum, zum Teufel, sind die alle grau?«, hörte sie Steve fluchen. »Achtet auf das Brautkleid.«

    Melyn hatte keine Ahnung, mit wem er sprach. Wer auch immer es war, er half ihr bestimmt nicht, und Steve hatte recht: Das Kleid mochte zwar so grau sein wie der Rest der Seelen, trotzdem war es nicht sonderlich unauffällig. Sie tappte mit den beiden vergeistigten Toten weiter, aber die bogen in unterschiedliche Richtungen ab. Blöder Mist.

    Steve schwebte noch immer über den Regalen, als etwas am Ende der Kirche seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen schien. Er entfernte sich von ihr.

    Melyn angelte in ihrem Rücken nach dem verdammten Reißverschluss und verrenkte sich beinahe den Arm, als sie ihn hinunterzog. Beim Betreten der Kathedrale hatte sie einen Mann, lediglich mit einem ausgebeulten Elefantenrüssel-Tanga bekleidet, gesehen. Mit Sicherheit ein Sexunfall. Und wie viele Menschen starben auch in der Dusche? Es war also weniger auffällig, hier halbnackt herumzumarschieren als in dem Brautkleid. Ein kleiner Moment der Wehmut erfasste sie, als sie es auf den Boden sinken ließ. Sie hatte die schönste Braut sein wollen, die Bradley sich wünschen konnte, stattdessen suchte sie nun einen Ausgang aus dem Totenreich.

    Sie stieg aus dem vielen Stoff. Wenigstens konnte sie jetzt schneller laufen.

    »Warte, ich habe da hinten einen Schleier gesehen«, rief Steve.

    Oh verflixt, den Schleier hatte sie völlig vergessen. Melyn duckte sich und huschte von einer Regalreihe zur nächsten und bog schließlich wahllos in einen Gang ein, der sie hoffentlich von Steve wegführte. Der Schutzengel flatterte nicht mehr wie eine aufsässige Motte im Kirchenschiff herum. Verflucht, wo war er? Gerade bog sie um eine Ecke, als vor ihr ein Mann auftauchte.

    »Hallo, Schmuckstück«, begrüßte er sie.

    Die gute Nachricht: Es war nicht Steve. Die schlechte: Er roch nach Schwefel, und wenn er nicht an Verdauungsproblemen litt, stammte er wohl direkt aus der Hölle. Dann verbargen aber seine Schuhe hervorragend den Pferdefuß, zwischen dem grauen Shirt und dem Bund seiner Jeans lugte auch kein buschiger Schwanz hervor. Es war ein großgewachsener Mann mit einer geraden Nase, sanften Gesichtszügen, und sein Haar war rot wie Feuer. Es fiel glatt über seine Schultern, und sie konnte keinerlei Gehörn darunter entdecken. Ob es so weich war, wie es aussah?

    »Du bist die Erste, die mir zur Begrüßung an den Haaren zieht«, spottete der Kerl.

    Melyn ließ schnell die Hand sinken und trat zurück, bis sie mit dem Rücken an ein Regal stieß. Seine blauen Augen gefielen

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