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Denn niemand ist ohne Schuld
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eBook142 Seiten1 Stunde

Denn niemand ist ohne Schuld

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Über dieses E-Book

Ein Amoklauf - erzählt aus vier Perspektiven.

Die letzten Wochen vor dem Abitur. Für Philipp beginnt ein ganz normaler Tag. Er wird sich irgendwie Geld beschaffen müssen, vielleicht ein paar Kinder abzocken, Omas bestehlen und sich mit Mitschülern prügeln. Und er hofft natürlich, damit durchzukommen. So wie immer. Aber dann trifft Philipp eine falsche Entscheidung und die Gewalttätigkeit in seinem Leben gewinnt endgültig die Oberhand. Seine Schwester, seine Eltern, seine Lehrer und die Mitschüler können nur noch tatenlos zusehen, wie Philipp auch ihr Leben für immer verändert. Oder hätte jeder von ihnen vielleicht doch die Chance gehabt, Philipp zu beeinflussen oder zu stoppen?

Ein aktueller und brisanter Roman über Jugendgewalt und ihre Folgen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum4. Apr. 2019
ISBN9783743827479
Denn niemand ist ohne Schuld

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    Buchvorschau

    Denn niemand ist ohne Schuld - Thomas Gotthardt

    Phil – Die Welt ist ungerecht und ich passe mich an

    Guten Morgen, Phil! Hoch mit dir, Schlafmütze!

    Ich starre auf mein iPhone, das mich gerade durch das Brummen der eingehenden Whatsapp-Nachricht geweckt hat. Eva. Sie scheint heute Morgen gute Laune zu haben. Ich überlege nur eine Sekunde und entscheide dann, ihr nicht zu antworten. Da mein Wecker erst in zehn Minuten klingelt, lege ich das Handy auf den Boden, in der Hoffnung, dass Eva eins und eins zusammenzählen kann. Aber natürlich hat sie auch gesehen, dass ich die Nachricht gelesen habe. Ich mache die Augen zu und versuche, nicht an Eva zu denken, was mir allerdings echt schwer fällt, da ich zurzeit immer an sie denke. Wir gehen seit der Achten in die gleiche Klasse, aber eigentlich nehme ich sie erst jetzt, in der Zwölften, so richtig wahr. Das liegt, wie ich vermute, einmal daran, dass wirklich alle Jungs aus unserer Stufe hinter ihr her sind, und natürlich, dass sie in einigen Kursen neben mir sitzt und das irgendwie auch noch toll findet. Und mir gefälltʼs auch, muss ich zugeben. Werde heute mal auf Tuchfühlung gehen.

    Der Wecker reißt mich aus meinen Eva-Träumen. Wieder mal eine dieser Nächte, in der ich beschissen geschlafen habe. Wie so oft in letzter Zeit. Keine Ahnung, an was das liegt. Vielleicht am kommenden Abi-Stress. Obwohl ich gar keinen Stress verspüre. Noch nicht, jedenfalls. Meine Noten sind herausragend, meine Selbstkontrolle gerade in Ordnung (mehr aber auch nicht), das Verhältnis zu meiner Schwester optimal und das zu meinen Eltern normal. Also alles bestens. Eigentlich. Bis auf meine Probleme. Aber derjenige, der keine Probleme hat, der werfe den ersten Stein. Kann aber sein, dass ich ihn fange und zurückwerfe. Und ich versprechʼs – ich treffe.

    Ich quäle mich aus dem Bett, schnappe mir meine Klamotten, die ich mir gestern Abend noch zurechtgelegt habe, und schlurfe ins Bad. Auf dem Gang treffe ich meinen Dad.

    »Guten Morgen Phil!«

    »Morgen!«

    »Ciao! Bis heute Abend!«

    »Bis denne.« Jeden Morgen der gleiche Dialog. Ich stehe auf und mein Vater verlässt das Haus. Schraubt am Band Autos zusammen. Und das seit Jahren. Immer die gleiche Uhrzeit. Immer Guten Morgen und dann Ciao. Abends ist es mit der Konversation meistens nicht viel besser. Ich gebe aber zu, dass das an mir liegt. Brauche abends einfach meine Ruhe und entziehe mich deshalb den Fragen meiner Eltern immer durch die konsequente Flucht in mein Zimmer. Ich glaube, sie haben es schon lange aufgegeben, mir Geheimnisse über mein Leben zu entlocken. In dem Punkt kann ich nämlich sehr verschlossen sein. Und in meiner Schwester Melle habe ich eine Verbündete, die mir nicht in den Rücken fällt und irgendwelche News aus der Schule, die mich betreffen, unseren Eltern erzählt. Da kann ich mich total auf sie verlassen. Und sie sich natürlich auch auf mich. Geht auch gar nicht anders, denn sonst würde hier ziemlich schnell mein Kartenhaus zusammenbrechen.

    Im Bad brauche ich fast zwanzig Minuten, nachdem ich vor einem halben Jahr angefangen habe, mich nass zu rasieren. Das stieß bei den Damen des Hauses natürlich nicht auf Gegenliebe, da ich, ihrer Meinung nach, das Bad unnötig blockiere. Was soll’s. Manchmal muss ein Mann eben tun, was ein Mann tun muss. Als ich den Spruch an einem Wochenende am Frühstückstisch rausgehauen habe, verschluckte sich Melle fast an ihrem Müsli vor Lachen und meine Mutter meinte, dass sie den Spruch im Zusammenhang mit Rasieren noch nie gehört hätte. Ich fand ihn passend und mein Vater nickte anerkennend, obwohl er überzeugter Trockenrasierer war. Das Herumgemansche am Morgen würde ihm viel zu lange dauern. Wo wir wieder beim Badblockieren wären.

    Nach dem Bad gibt es Frühstück, das mir meine Mutter richtet und dann wieder ins Bett kriecht. Sie arbeitet auf der Gemeinde und fängt erst um halb neun an. Ich brauche morgens was im Magen, sonst würde ich die Bus- und Bahnfahrt zur Schule wahrscheinlich nicht überleben. Meistens gibt es was mit Nutella, selten Müsli, Wurst oder Käse nie. Mein Zuckerhaushalt muss morgens gleich den nötigen Pegel erreichen.

    Dann mache ich mich auf die Socken. Vorher strecke ich noch den Kopf zu Melle rein. Schläft. Ich flüstere einen Abschiedsgruß und schließe ihre Tür wieder ganz leise, damit ich sie nicht wecke. Sie hat heute erst zur dritten Stunde Schule und darf noch etwas länger schlafen, die Glückliche.

    Der Ablauf meines Morgens steht fest. Sechs Minuten zu Fuß bis zur Bushaltestelle, zwölf Minuten mit dem Bus zum Bahnhof in die nächste Stadt und dann mit der S-Bahn in die City, Haltestelle Stadtmitte. Anschließend U-Bahn und noch mal fünf Minuten zu Fuß zum Hartmann-von-Aue-Gymnasium. Und das nun schon seit fast neun Jahren. Inklusive Ehrenrunde in Klasse 8, die ich mir auch gründlich erarbeitet hatte. Meine Eltern und meine Lehrer sind damals schier verzweifelt, aber mir war es egal. Damals.

    Ich verzichte heute auf eine Jacke. Mein Hoodie ist warm genug und außerdem ist Frühling. Man muss die Sonne auch ein bisschen provozieren.

    Eine Minute bevor der Bus kommt, erreiche ich die Haltestelle. Da um diese Uhrzeit nicht viel los ist, geht es ohne Gedränge durch die Vordertür in den Bus. Freundlich grüße ich den Busfahrer, der meinen Gruß erwidert und wieder gelangweilt nach vorne schaut. Man kennt sich schließlich seit Jahren.

    Im Bus starre ich auf mein iPhone. Der Klassen-Chat ist schon in vollem Gange. Ich beteilige mich aber nicht, sondern lese nur mit. So früh am Morgen habe ich nämlich noch keinen Bock auf Lehrer-Bashing. Nach dem fünften Fuck Dr. Schmid, unser Chemielehrer und gleichzeitig mein Lieblingslehrer, betätige ich die Bildschirmsperre und schaue mich um. Die üblichen Verdächtigen sitzen im Bus, wie eh und je. Alle meistens am gleichen Platz. Ich auch. Stammplatz. Vierte Reihe rechts. Zwei Reihen vor mir die große Brünette. Vielleicht 25. Zu alt, verdammt! Steigt zwei S-Bahn-Stationen vor mir aus. Sekretärin oder so, was die immer für Klamotten anhat. Daneben, aber über dem Gang, der 45-jährige Typ, mit Mütze, Brille und immer im Spiegel lesend. Quetscht sich in den Sitz auf dem Radkasten, obwohl er da eigentlich überhaupt keinen Platz hat. Verrenkt sich die Glieder und liest und liest. Hinten im Bus sitzt dann noch der Lausbub. Den nenn ich so, seit ich einmal neben ihm gesessen bin, weil echt nichts anderes frei war. Schwerer Fehler! Mich juckt es schon, wenn ich den jetzt nur sehe. Total verfilzte Haare und ich will echt nicht wissen, was auf dem alles lebt. Planet Lausbub. Ich hab mal aus sicherer Entfernung beobachtet, wie sich so ein mega-hübsches Mädel neben den gesetzt hat. Ich wollt ihr noch was zurufen und sie warnen, dass das einen Grund hat, dass der Sitz neben ihm frei ist und alle anderen lieber stehen, aber es war zu spät. Na ja, sie ist nach zwei Haltestellen wieder ausgestiegen. Ich glaube sie hat gar nicht gemerkt, wie der sie immer von der Seite angegafft hat. Der hat sein Glück wahrscheinlich gar nicht fassen können. Ich mach auf jeden Fall immer einen großen Bogen um ihn. Will schließlich nicht an irgendeiner schon längst ausgerotteten Krankheit zugrunde gehen.

    Und dann gibt es natürlich jede Menge Leidensgenossen. Fahren aber alle nicht so weit wie ich. Hab noch keinen gesehen, der von hier in die City reinfährt. Bin halt ein Exot. Außer es fährt Melle mit. Ich nenn sie Melle, weil Melanie ist irgendwie total out. Melle gefällt mir und ihr auch. Hat sich bei uns in der Familie auch so durchgesetzt. Sie ist drei Jahre jünger als ich und verdammt hübsch. Hab meinen Eltern versprechen müssen, auf sie aufzupassen. Heute muss sie es alleine in die Schule schaffen. Aber, kein Problem. Heimwärts fahren wir wieder zusammen. Und hier im Bus gab es noch nie Probleme. Sind alle noch viel zu müde.

    So, jetzt sind wir da. Ich sehe im Vorbeifahren auf die Bahnhofsuhr. Scheiße! Wir sind mal wieder spät dran. Da in einer Minute die S-Bahn kommt, stehe ich schon mal auf und kämpfe mich zur hinteren Tür durch, was nicht allen passt. Sollte heute aber nicht zu spät kommen. Schreiben Mathe. Die Tür geht auf und das Gedränge beginnt. Jetzt hat es auch der Letzte begriffen, dass es zeitlich eng wird. Ich schaff es gerade noch, einen Typen zwischen mich und Lausbub zu drücken. Das hätte mir noch gefehlt, dass der mich jetzt kontaminiert. Da ist die hintere Treppe und ich steige die erste Stufe runter und bekomme von hinten mit voller Wucht einen Stoß. Die letzten beiden Stufen segel ich runter, fliege durch die offene Tür und ramme die Brünette auf dem Gehweg. Ging durch die Vordertür wohl doch schneller. Gemeinsam gehen wir zu Boden und sortieren unsere Körperteile.

    »Sorry, nicht meine Schuld. Mich hat jemand gestoßen.« Ich rapple mich hoch und berühre, nicht ganz zufällig, mit meiner linken Hand ihr freigelegtes Knie. Oh Mann! Am liebsten würde ich mich auf sie werfen. Stattdessen helfe ich ihr auf die Beine.

    »Schon gut. Kein Problem.« Sie lächelt mich kurz an und fängt dann auf ihren hohen Hacken an zu rennen, da die S-Bahn schon im Bahnhof steht. Tja, da sollte ich auch mal lieber los.

    »Sorry, hey! War keine Absicht.« Ein Typ hinter mir hält mich fest. Gott sei Dank nicht Lausbub. Aber ich will eigentlich nur weg.

    »Danke, Alter, mit der wollte ich schon lange mal ins Gespräch kommen.«

    Ich reiß mich von ihm los und renn ebenfalls über die Straße, die Treppe runter, den Tunnel entlang, die nächste Treppe rauf und dann – Vollbremsung. Vor mir geht die beschissene S-Bahn-Tür zu und ich komme zu spät zur Matheklausur. Durch das Türfenster sieht mich die Brünette und lächelt mich heute schon zum zweiten Mal an. Okay, das war es wert. Komm ich halt zu spät. Morgen früh im Bus muss ich die mal fragen, ob sie irgendwelche Wunden von unserem Aufeinandertreffen davongetragen hat. Ich habe jedenfalls eine große Wunde. Mein Herz wurde gerade rausgerissen und fährt jetzt in der S-Bahn spazieren.

    »Shit, doch zu

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