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Supernova: Tödliche Lügen
Supernova: Tödliche Lügen
Supernova: Tödliche Lügen
eBook403 Seiten5 Stunden

Supernova: Tödliche Lügen

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Über dieses E-Book

Die 18-jährige Leyla Dean lebt das unscheinbare Leben einer vorbildlichen Schülerin. Sie ist mit einem loyalen Freundeskreis, einer fürsorglichen Familie und ihrem hingebungsvollen Freund Luke beschenkt.
Als sie jedoch den Geburtstag ihrer besten Freundin feiern möchte, erschüttert ein mysteriöses Ereignis ihre Welt, welches im weiteren Verlauf als "Supernova" betitelt wird.
Nachdem sie ahnungslos in einem Lager aufwacht, welches die überlebenden Menschen aufgenommen hat, begibt sie sich unversehens auf die Suche nach ihrer Familie und ihren Freunden.
Dabei wird sie mit rätselhaften und erschütternden Ereignissen konfrontiert, weshalb sie beginnt, die vorherrschende Hierarchie in dem Lager zu hinterfragen.
Nach einiger Zeit findet sie eine ihrer Freundinnen Tony und überzeugt sie, zusammen mit deren Freund Tobi zu fliehen.
Gemeinsam wollen sie herausfinden, wo sich Leylas kleiner Bruder Tommy aufhält, da er sich nicht in demselben Lager befindet.
Nach ihrer erfolgreichen Flucht sind die Freunde in der ausgestorbenen Außenwelt zunächst auf sich alleine gestellt und versuchen ihren Verfolgern aus dem Lager zu entkommen.
Während ihrer Reise werden sie von einer fremden Menschengruppe abgefangen, welche sich als Widerstandsgruppe entpuppt. Ihr Ziel ist es, dem wahren Grund der Supernova nachzugehen. Unvermittelt schließen sich Leyla und ihre Freunde der Gruppe an, wobei die Protagonistin den attraktiven, aber kühlen Ashton kennenlernt.
Zusammen beschließen sie das Überlebenslager aufzusuchen, in dem Tommy sich aufhält, und die anderen Überlebenden über die wahren Gründe ihrer Gefangenschaft aufzuklären.
Jedoch steht die Lüftung des Geheimnisses um die Supernova nicht nur im Weg der Liebe, sondern dreht sich auch um Leben und Tod.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Juli 2022
ISBN9783756234875
Supernova: Tödliche Lügen
Autor

Lena Reichert

Lena Reichert ist Studentin und wohnt in München. Sie spricht vier Sprachen und bereist gerne die Welt, was ihrer Begeisterung für die Literatur zugute kommt. Mit 17 Jahren hat sie bereits ihr erstes Buch "Supernova - Tödliche Lügen" verfasst.

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    Buchvorschau

    Supernova - Lena Reichert

    Kapitel 1

    6 Tage vor der Supernova

    „Leyla, da bist du ja! Oh mein Gott, ich muss dir was erzählen!"

    Ich nehme mürrisch meine Kopfhörer heraus, damit ich die Stimme identifizieren kann, von der das gerade kam. Es ist Montagmorgen und ich hatte noch keinen Kaffee. Und meine Freunde wissen eigentlich, dass man mich um diese Zeit lieber noch nicht anspricht.

    Dennoch sehe ich Tony grinsend auf mich zukommen, während sie eine ihrer violetten Strähnen um den Finger zwirbelt, was sie einige Jahre jünger aussehen lässt. Wie kann man denn an einem frühen Morgen, noch dazu an einem Montag, so euphorisch sein?

    Sie setzt sich gegenüber von mir auf den freien Platz in der Bahn und schaut mich erwartungsvoll an.

    „Erzähl schon, bevor ich es mir noch anders überlege und lieber weiter Musik höre."

    Sie überhört meinen genervten Tonfall.

    „Also…ich war ja am Wochenende bei Sam zu Hause…und er hat mich endlich gefragt, ob wir unsere Beziehung öffentlich machen wollen…und wie soll ich sagen, ich bin ganz offiziell nicht mehr Single!" Sie betont jedes einzelne Wort, während sie mich mit ihren weißen Zähnen breit angrinst, was meine Laune schlagartig verbessert.

    Doch tatsächlich überrascht mich diese Nachricht, weil ich eigentlich gedacht habe, dass Sam zu der Art von Jungen gehört, die keine richtigen Beziehungen eingehen wollen. Er ist aber trotzdem von der guten Sorte.

    „Bist du dir sicher, dass er das ernst meint mit dir?", entgegne ich also.

    „Sonst hätte er mich nicht gefragt, oder?", antwortet Tony, anscheinend enttäuscht von meiner Reaktion.

    „Tut mir leid, du hast recht, natürlich freue ich mich für dich, lass dich knuddeln!" Sie wirft sich in meine Arme und nachdem ich mich von ihr wieder löse, höre ich jemanden neben mir sich räuspern.

    „Da wird man ja schon fast eifersüchtig."

    Luke beugt sich zu mir hinunter und gibt mir einen Guten-Morgen-Kuss.

    „Guten Morgen, Babe", lächle ich ihn an, als er sich neben mich setzt und meine Finger mit seinen verschränkt.

    „Na hoffentlich werden Sam und ich nicht so ein kitschiges Pärchen wie ihr, das ist ja nicht auszuhalten. Aber dass ihr nach zwei Jahren Beziehung immer noch ausseht wie frisch verliebt, bewundere ich." Tony schaut uns grinsend an, was mein Freund und ich nur mit einem Lachen erwidern. Tatsächlich sind wir schon fast zwei Jahre zusammen, dabei fühlt es sich an, als hätten wir uns eben erst kennengelernt. Es ist manchmal kaum zu fassen, wie schnell die Zeit vergeht.

    Als wir kurz darauf an der Schule ankommen, sehen wir auch schon Sam, Loo und Tobi und begrüßen alle mit motivierenden Worten, wie „Willkommen zurück in der Hölle."

    Die Raily-High, mein zweitliebster Ort nach Friedhöfen, um die ich immer einen großen Bogen mache. Nur, dass ich die Schule nicht meiden kann, weshalb ich zumindest versuche das Beste daraus zu machen und sie einfach hinter mich zu bringen.

    Wir machen uns durch die langen, von Schülern überströmten, Korridore auf den Weg zum Unterricht. Heute steht bei mir eine wichtige Physikklausur an, allerdings bin ich gut darauf vorbereitet und mache mir wenig Sorgen. Man könnte fast meinen, ich sei eine Streberin. Zumindest bezeichnen mich meine Freunde als eine, ich meinerseits hasse diese Bezeichnung. Ist es so abwegig, gut Noten haben zu wollen, um anschließend das Leben finanzieren zu können, von dem man träumt? Ich kann schließlich nichts dafür, dass sich unsere Gesellschaft an Leistungen misst.

    Doch auf dem Weg zum Klassenzimmer wird mir auf einmal ganz schwindlig und ich lege mir eine Hand an den Kopf. Am besten ich werde jetzt auch noch krank, dann würde ich am Nachmittag nicht mit Luke in die Stadt gehen dürfen. Hervorragend.

    Aber nach ein paar Schlücken Wasser geht es mir wieder besser und betrete gemeinsam mit Loo den Klassenraum, in dem unser Physiklehrer Mr. Pilansky bereits die Prüfungsbögen ausgeteilt hat. Die Nervosität der Schüler scheint ihm zu gefallen, da er sich lässig in seinen Stuhl am Pult fallen lässt und uns erwartungsvoll angrinst.

    Als wir uns nach zwei nervenzerreißenden Stunden alle zusammen in der Mittagspause zum Essen treffen, müssen Sam und Loo komischerweise auch gestehen, dass sie kurz vor der Prüfung Anzeichen von Übelkeit hatten.

    „Lag sicher an der Nervosität", versuche ich sie zu beruhigen.

    „Babe, wie lief es bei dir?", fragt mich Luke darauf, der soeben eine Präsentation in Biologie halten musste. Ich bin wirklich froh, dass ich jenes Fach abwählen konnte.

    „Ganz gut, und bei dir? Lass mich raten, du hast erst gestern angefangen dich für dein Referat vorzubereiten."

    „Vorgestern. Aber ich glaube, ich habe es ziemlich vergeigt…"

    „Mal wieder", witzele ich woraufhin ich mir einen leichten Schlag gegen die Schulter einfange.

    „Okay Leute, wir sehen uns dann morgen, Tony und ich gehen später noch ins Einkaufszentrum", ergreift Sam das Wort. Ich schmunzle Tony mit hochgezogenen Augenbrauen an und verabschiede mich von den beiden mit einem Kuss auf jede Wange. Ist bei uns eine Art Tradition.

    Loo ergreift die Gelegenheit der Redepause. „Ich hoffe doch sehr, dass ihr euch das Wochenende frei genommen habt. Schließlich brauchen wir etwas, worauf wir uns freuen können, nicht?" Das hatte ich vor lauter Stress fast vergessen: Meine beste Freundin wird am Samstag auch 18, bedeutet wir können endlich zusammen in die angesagteren Clubs hier in Philadelphia gehen. Die anderen sind noch zu jung, aber so sind wir dann immerhin zu zweit.

    „Was planst du denn Schönes?", frage ich schließlich.

    „Lasst euch überraschen…", erwidert sie augenzwinkernd.

    „Was denkst du, sollen wir Loo schenken?", frage ich meinen Freund, als wir nach der Schule zusammen in der Stadt im Café sitzen und einen Cappuccino trinken. Mein erster Kaffee des Tages, endlich.

    „Weiß nicht so ganz, ist doch deine beste Freundin. Aber vielleicht irgendetwas aus Schokolade? Sie kann ohne das Zeug nicht leben", meint er.

    „Haha. Nicht so kreativ gleich. Ich dachte eher an so etwas wie ein Fotoalbum. Du weißt schon, weil ich sie seit der ersten Klasse kenne, da wäre doch eine Sammlung an Bildern echt schön", schlage ich vor.

    „Gute Idee, aber du machst es. Das wäre mir zu viel Aufwand."

    „Alles klar, Faulpelz, dann bezahl du mal die Getränke und ich gehe nach Hause und fange an. Wir sehen uns morgen!"

    Ich gebe ihm beim Gehen einen kurzen Kuss und mache mich auf den Weg nach Hause.

    1 Tag vor der Supernova

    Der Rest der Woche vergeht ziemlich ereignislos und langweilig, wie immer. Als es dann endlich Freitag ist, kann ich es kaum erwarten nach Hause zu kommen und mich ins Bett zu legen.

    „Leyla, es gibt Mittagessen!", ertönt es von unten.

    „Komme gleich!", rufe ich zurück. Eigentlich habe ich heute aus irgendeinem Grund keinen Hunger, aber ich schlendere trotzdem nach unten.

    „Wo ist denn Tommy?", frage ich unten angekommen meine Eltern, als ich merke, dass mein kleiner Bruder nicht am Esstisch sitzt.

    „Er hat sich irgendetwas eingefangen. Etwas geht anscheinend gerade rum, mir ging es die letzten Tage auch nicht sonderlich gut", antwortet mir meine Mutter mit besorgtem Blick.

    „Komisch…", murmele ich vor mir hin.

    „Wie war dein Schultag so, Ley?" Ein Spitzname, den ich nicht mehr hören kann, aber mein Vater besteht immer noch darauf ihn zu verwenden. Er kommt gerade aus der Küche und sieht mich liebevoll an, aber ich merke, dass er müde ist. Die Falten an seiner Stirn lassen ihn mit einem Mal viel älter aussehen.

    „Normal, wie immer. Habe meinen Mathetest rausbekommen. Volle Punktzahl."

    „Wir sind so stolz auf dich, das weißt du, oder?", loben mich meine Eltern wie im Chor, als hätten sie diesen Satz schon geübt. Ich höre ihn jedes Mal, wenn ich etwas Vorbildliches mache. Mich langweilt ihre Reaktion mittlerweile. Nicht, dass ich nicht stolz auf meine Leistungen wäre, aber auf mich wirkt das so, als würden sie mich auf meine Noten reduzieren.

    „Was gibt es zu essen?", frage ich also, um das Thema zu wechseln.

    „Spinatlasagne natürlich. Es ist Freitag", antwortet meine Mutter begeistert. Das lässt mich dann doch vergessen, dass ich eigentlich nichts essen wollte, und sogar der Frust verfliegt.

    Nach zwei ausgiebigen Portionen Lasagne und einem Eis als Nachtisch, schreibe ich meinen Freunden, um sie zu fragen, ob sie Lust hätten etwas zu unternehmen. Schließlich ist Wochenende.

    „Wie wäre es mit dem neuen Club um die Ecke? Wir sollten ihn einweihen und man darf schon mit 16 rein", bekomme ich von Sam zurück. Alle stimmen ihm zu und wir verabreden uns für den Abend. Trotzdem mache ich mich jetzt schon fertig, weil Loo vorher noch zu mir kommt, damit wir zusammen dorthin fahren können.

    Wenig später klingelt es auch schon an der Tür und kurz darauf öffne ich diese meiner weinenden besten Freundin, die total aufgelöst aussieht.

    „Loo, was ist los? Ist etwas passiert? Ich nehme sie in die Arme, während sie sich schluchzend an mich lehnt. „Komm mit, lass uns erstmal hochgehen und dann erzählst du mir alles in Ruhe, in Ordnung? Sie nickt auf den Boden schauend, und nachdem ich sie oben angekommen eine Weile getröstet habe, fängt sie an zu reden.

    „Weißt du Leyla, ich bin einfach viel zu überfordert mit Allem. Meine Eltern wollen sich trennen. Der Druck in der Schule. Ich habe solche Zukunftsängste. Und morgen werde ich einfach schon 18, dann bin ich erwachsen. Muss mein Leben in die eigene Hand nehmen und Verantwortung übernehmen, obwohl ich noch nicht mal dazu in der Lage bin meine Wäsche richtig nach Farben zu sortieren, verstehst du? Die Probleme zu Hause und in der Schule machen mich wirklich fertig…", die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus.

    „Loo, mein Schatz, mach dir doch keine Sorgen über Dinge, die du noch gar nicht beeinflussen kannst. Das Alter 18 ist auch nur eine Zahl. Schau mich an, ich bin seit zwei Monaten volljährig und immer noch genauso tollpatschig wie früher. Und ja, das mit deinen Eltern tut mir wirklich leid, aber dafür sind doch deine Freunde immer für dich da", beruhige ich sie.

    „Du hast ja recht. Ich bin so froh, dass ich dich habe. Was würde ich nur ohne dich machen…"

    „Kein Problem. Und schau hier – es ist noch ein bisschen Schokolade übriggeblieben."

    „Okay, wow, du bist echt die Beste", lächelt sie mich aus feuchten Augen an.

    „Ich weiß doch, wie du wieder glücklich wirst."

    Am Abend treffen wir uns schließlich mit den anderen vor dem neuen Club.

    „Diese Bruchbude wird also unser neuer Ort zum Feiern?" Sam schaut sich forschend das Gebäude an.

    „Drinnen ist es sicher ansprechender", sagt daraufhin seine neue Freundin.

    Tatsächlich ist es von drinnen viel moderner als man durch den äußeren Anblick vermutet. Wir gehen an einer staubigen Glasvitrine vorbei.

    „Die haben hier Waffen? Seid ihr sicher, dass das der richtige Ort ist? Sieht mir eher nach einem Geheimsitz des Überwachungsdienstes aus", werfe ich erstaunt ein.

    „Ja, das Gebäude wurde im letzten Krieg als Waffenlager benutzt. Anscheinend ist das so eine Art Attraktion und Erinnerung an den Sieg, weshalb sie die hier ausstellen." Typisch Tobi, er weiß mal wieder über alles Bescheid. Immerhin ist er nicht einer von diesen Typen, die ständig ihr Maul aufreißen, sondern er meldet sich nur zu Wort, wenn es um Wissenswertes geht.

    „Na das kann nur gut gehen", antworte ich schließlich. Mein Blick wandert zum Türsteher, welcher für seine Größe ziemlich furchteinflößend wirkt, und als wir alle an ihm vorbeigehen, stürmen Tony und ich direkt auf die Tanzfläche.

    Wir feiern die halbe Nacht lang durch. Und genau das ist der Grund, weshalb ich so gerne ausgehe, man kann einfach alles vergessen und man selbst sein, ohne sich um den Alltag zu sorgen.

    Tag der Supernova

    Am nächsten Morgen wache ich mit leichten Kopfschmerzen – muss wohl daran liegen, dass ich zu wenig Schlaf hatte – auf, doch die sind sofort vergessen, als mir einfällt, dass heute Loos Geburtstag ist. Ich rufe sie an und trällere übertrieben hoch „Happy Birthday" ins Handy.

    „Und genau so habe ich mir meinen Geburtstagsmorgen vorgestellt", lacht sie in den Hörer.

    „Übrigens, wegen der Überraschung: Wir treffen uns heute Abend im Autokino und schauen zusammen unseren Lieblingsfilm an, der läuft heute!" Tomb Raider. Ich liebe dieses Mädchen.

    Gegen Nachmittag mache ich mich also auf den Weg und hole unterwegs noch Luke ab.

    „Guten Abend, schönes Fräulein, ich hoffe doch sehr ich habe die Ehre neben Ihnen im Auto zu sitzen, während wir den Film schauen." Er grinst mich breit an, sodass seine Grübchen zum Vorschein treten.

    „Aber natürlich, werter Herr."

    Dort angekommen rasen uns Sam und Tony entgegen und hinter ihnen schlendert Tobi hervor. Natürlich gehen wir als erstes zu den Imbissbuden und holen uns Pommes und Popcorn.

    „Wo ist eigentlich Loo?", frage ich in die Runde.

    „Genau hier bin ich!", höre ich im selben Moment von hinten.

    Freudig gratulieren wir ihr alle nochmal zum Geburtstag, als die anderen anfangen die Geschenke überreichen.

    „Oh Mist, ich habe meins im Auto vergessen. Wartet kurz, ich hole es schnell", fällt mir da ein. Ich hatte das Fotoalbum im Laufe der Woche angefertigt und kann es kaum erwarten, es Loo zu überreichen. Es stecken zwölf Jahre Freundschaft dahinter.

    Auf dem Weg zum Parkplatz überfällt mich mit einem Mal wieder der Schwindel, der mich bereits am Montag überrascht hatte.

    Ich sollte echt mehr schlafen und gesünder essen , rede ich mir selbst ein.

    Doch er lässt nicht nach und schließlich wird mir auch noch schlecht. Ehe ich einen klaren Gedanken fassen kann, krümme ich mich vor Übelkeit und muss mich kurz hinsetzen, um nicht zu stolpern.

    Da durchbricht ein lautes Fiepen die Stille.

    Eine Druckwelle durchströmt meinen Körper und lässt mich augenblicklich meine Ohren zuhalten.

    Ich drehe mich gerade noch um und sehe mehrere Menschen zu Boden gehen, doch in diesem Moment wird mir schwarz vor Augen.

    Kapitel 2

    Ich höre nur verzerrte Stimmen. Mein Kopf dröhnt, als die Geräusche um mich herum immer lauter werden und sich in mein Bewusstsein drängen.

    „Die Patientin scheint stabil zu sein", höre ich in näherer Umgebung. Plötzlich werde ich am Arm gepackt und ich spüre eine Nadel meine Haut eindringen. Stöhnend öffne ich die Augen und versuche meine Sicht an das helle Licht zu gewöhnen.

    „Wo bin ich? Keine Antwort. „Ich habe gefragt, wo ich bin!, wiederhole ich lauter mit kratziger Stimme.

    „Sie sind in Sicherheit, Ms. Dean." Eine Frauenstimme. Ich schaue mich mühevoll um und stelle fest, dass sie einer ernst aussehenden Frau gehört. Ihr Haar ist zu einem strengen Knoten gebunden und sie trägt eine Brille, die sie sicher einige Jahre älter wirken lässt.

    „Woher kennen Sie meinen Namen? Was ist passiert und wo sind meine Freunde?", reime ich mir aus meinen Erinnerungsfetzen zusammen.

    „Hören Sie, junges Fräulein, ich denke es wäre besser, wenn Sie erst einmal wieder gesund werden, bevor wir uns um die Antworten kümmern." Ich schaue sie entsetzt an und will gerade protestieren, als meine Augenlider schwer werden und mich eine gewaltige Müdigkeit überfällt.

    Dieses Mal wache ich alleine auf. Das Dröhnen in meinem Kopf hallt nur noch leicht nach, weshalb ich mich erleichtert aufrichte. Das Zimmer, in dem ich mich befinde, erinnert mich an eines im Krankenhaus. Mein Bett steht neben einem Fenster, wobei es eher aussieht, wie ein Kerkerfenster, weil es von einem Gitter umschlossen ist und ich nur Sicht auf eine kahle Wand habe. Ich will rausgehen, dieses Zimmer scheint mich durch seine Enge verschlingen zu wollen, aber als ich versuche die Tür zu öffnen bewegt sie sich kein Stück. Panik breitet sich in mir aus und ich hämmere gegen den weißen Stahl, bis nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Klinke hinunter gedrückt wird.

    „Ms. Dean, beruhigen Sie sich!" Es ist die Frau mit der Brille.

    „Können Sie mir nun bitte sagen, was passiert ist und wo ich bin?"

    „Aber natürlich. Willkommen im Überlebenslager. Wie fühlen Sie sich?" Ich überhöre ihre letzte Frage.

    „Im Überlebens- was?" Soll das ein Scherz sein oder haben sich die Ärzte dieses Krankenhauses diesen Namen überlegt, um besonders gut dazustehen?

    „Wir nennen es das Überlebenslager . Keine Sorge, wir sind da, um zu helfen. Bald kommt der Chefarzt vorbei und erklärt Ihnen, was passiert ist. Ihre Mundwinkel zucken nach oben, ein Hauch von gespielter Freundlichkeit breitet sich über ihrem Gesicht aus. „Warten Sie so lange hier. So als ob ich eine andere Wahl hätte. Während ich mich also wieder hinlege, zermartere ich mir das Hirn darüber, wo die anderen sind und ob es ihnen gut geht. Sie würden bei mir sein, wenn ihnen nicht auch etwas geschehen wäre. Erneut spüre ich die Galle meinen Magen hinaufkriechen, als sich meine Erinnerungen langsam zusammenfügen. Schließlich habe ich auch andere Menschen auf dem Parkplatz gesehen, die ebenfalls zusammengesackt sind. Sollte ich vielleicht einfach hinausmarschieren und meine Familie suchen? Das bringt aber auch nichts, da ich nicht einmal weiß, wo ich bin.

    Zumindest funktioniert mein Verstand noch.

    Um mich zu beruhigen halte ich an dem fest, was mir die Frau gesagt hat: dass sie uns, oder zumindest mir, versuchen zu helfen und ich nicht auf mich alleine gestellt bin, sondern dass meine Fragen beantwortet werden können. Trotzdem frage ich mich, wen die Frau mit „wir" gemeint hat.

    Eine gefühlte Ewigkeit später klopft es an der Tür. Ich springe sofort auf und rufe „Ja!", als ein älterer Herr hereinkommt. Seine grauen Haare sind zerzaust und sein Kittel sieht nicht gebügelt aus. Er sieht freundlich aus, gegenüber zu seiner Mitarbeiterin, die wahrscheinlich jetzt schon einen Hass auf mich hat, obwohl wir uns noch nicht mal richtig kennengelernt haben. Wie tragisch.

    „Guten Morgen, Leyla, ich bin Dr. Henks. Wie fühlst du dich?"

    „Guten Morgen? Wie lange habe ich denn geschlafen?"

    „Du bist seit einer Woche hier", lautet die Antwort.

    Perplex muss ich feststellen, dass ich anscheinend mein Zeitgefühl verloren habe.

    Ich antworte ihm nach einer kurzen Pause dennoch auf seine Frage. „Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, was passiert ist. Er räuspert sich und zeigt auf einen Stuhl neben meinem Bett. „Darf ich?

    „Ist schließlich nicht mein Zimmer." Er lacht kurz auf und nimmt schließlich Platz, während ich mich an die gegenüberliegende Wand lehne.

    „Ich denke, ich fasse es kurz zusammen. Im Prinzip weiß niemand genau, was passiert ist. Wir nennen es Supernova."

    Komischerweise muss ich bei diesem Namen an meinen Physiklehrer denken. Davon habe ich schonmal etwas gehört, man nennt so das Phänomen, wenn Sterne oder Planeten sich ihrem Existenzende zuneigen und schließlich in einer Supernova explodieren.

    „Wen meinen Sie mit wir?"

    „Die Gesellschaft, um genau zu sein."

    „Wie bitte?"

    „Lass es mich erstmal erklären, Leyla." Mir ist wird erst jetzt bewusst, dass er mich schon die ganze Zeit duzt. Aber ich sollte wirklich den Mund halten, sonst sitzen wir hier noch bis morgen.

    „Diese Supernova hat dazu geführt, dass jegliche Art von Technik ausgefallen ist. Anscheinend handelt es sich um eine Art radioaktive Strahlung, welche sich zusätzlich auf die Menschen ausgewirkt hat."

    Ich mustere ihn mit großen Augen, als wäre er verrückt geworden.

    Am liebsten würde ich laut loslachen, aber irgendetwas an ihm gibt den Eindruck wieder, dass er die Wahrheit sagt.

    „Unzählige Menschen wurden bewusstlos aufgefunden und in die Überlebenslager transportiert, die in jeder größeren Stadt aus dem Notstand heraus errichtet wurden und mit einem Notgenerator betrieben werden. Du befindest dich in dem Lager von Philadelphia." Das bedeutet, meine Freunde und Eltern sind hoffentlich auch hier, schießt es mir sofort durch den Kopf.

    „Alle anderen…sie haben es nicht geschafft. Wir wissen nicht, was die Strahlung mit uns angestellt hat. Bis dies erforscht wurde, verlässt niemand die Lager, außer das Expeditionsteam." Ich warte immer noch auf den Moment, in dem er mir sagt, dass das alles nur ein Witz ist und er mich nur auf den Arm genommen hat. Doch er schweigt und schaut mich aus ernsten braunen Augen an, als würde er erforschen wollen, wie ich mit der Situation zurechtkomme. Als hätte er mir gerade von einer schlechten Schulnote erzählt.

    „Sie wollen mir allen Ernstes erklären, dass gerade so etwas wie eine Atomexplosion geschehen ist und die halbe Menschheit gestorben ist? Auch wenn ich anscheinend eine Woche lang im Koma lag, funktioniert mein Kopf noch hervorragend."

    „Das will ich nicht bezweifeln. Glaub mir, uns ist es genauso schwer-gefallen, mit der Situation zurechtgekommen. Wir, die Gesellschaft, hatten Glück, da wir uns schnell erholt haben und Rettungsteams für die Überlebenden zusammengestellt haben. Jetzt ist unsere Aufgabe die verwirrten Patienten aufzuklären und ihnen so gut wie nur möglich zu helfen." Für die eben genannten Ereignisse scheint Dr. Henks ziemlich ruhig auf mich zu wirken, was mich fast noch mehr beunruhigt als die Tatsache, dass er mir gerade von einem halben Weltuntergang berichtet hat.

    „Warum sollte ich Ihnen glauben? Und wo sind meine Freunde und meine Eltern? Woher kennen Sie überhaupt meinen Namen?" Die Verzweiflung ist aus meiner Stimme deutlich herauszuhören.

    „Wir konnten die Datenbanken aller Bürger und Bürgerinnen retten, daher können wir alle identifizieren."

    Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich ihn erwartungsvoll an, da auch aus dieser einzelnen Antwort nicht viel schlauer werde.

    „Meinst du nicht, du hast für heute genug Antworten bekommen? Wir wollen alle Patienten schützen und ihnen die aktuelle Lage in kleinen Häppchen beibringen, damit sie sie besser verarbeiten können."

    „Sie machen wohl Witze, ich will sofort wissen, wo meine Freunde sind!"

    Ich schreie fast, was ich nicht beabsichtigt hatte.

    „Tut mir leid, du hast recht. Du solltest erfahren, wie es ihnen geht. Tony geht es gut, sie hat ebenfalls schon nach dir gefragt und weiß, dass du auch hier bist. Sie hat auch nach deinen anderen Freunden gefragt. Sam, Tobi und…Lisa?"

    „Loo", verbessere ich ihn energisch.

    „Richtig. Wir haben leider noch keine Informationen über sie erhalten. Entweder wurden sie noch nicht gefunden, in ein anderes Lager gebracht, oder…" Er braucht den Satz nicht zu beenden, ich weiß, was folgt. Weil ich nicht darüber nachdenken will, frage ich also, ob er etwas über meine Eltern weiß.

    „Leyla…ich muss dir…muss dir leider mitteilen…, er gerät ins Stottern. „Sie haben es nicht geschafft. Es tut mir leid.

    Die Welt scheint still zu stehen.

    Mein Kopf verarbeitet die Information, die ich gerade erhalten habe. Ich habe mich verhört. Das kann nicht wahr sein. Ich träume das alles nur. Wach auf. Ich beiße mir auf die Zunge, doch schmecke Blut und spüre den Schmerz.

    Nein, nein, nein.

    Ich sehe, wie Mr. Henks Lippen Worte formen, doch ich höre keinen Ton.

    „Wie ist es passiert?" Meine Stimme ist schwach, es ist beinahe ein Flüstern.

    „Sie wurden vor einigen Stunden in eurem Haus tot aufgefunden. Mr. und Ms. Dean. Sie wurden bereits mit den anderen Opfern verbrannt, um Infektionskrankheiten zu vermeiden, falls die Opfer der Supernova ansteckend sind, da, wie gesagt, noch nicht erforscht wurde, was geschehen ist."

    Die erste Träne rollt über meine Wange. Zunächst ist es ein leises Schluchzen, das ich wahrnehme, welches sich zu einem hysterischen Weinen entwickelt, als ich merke, dass es von mir stammt. Ich sehe den Chefarzt hinter einem verschwommenen Schleier den Raum verlassen, während ich an der Wand zusammensacke.

    Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber es ist bereits dunkel geworden, wobei ich nicht genau weiß, ob ich mir das nur einbilde, da meine Aussicht aus dem Fenster nicht gerade viel hergibt. Ich sollte aufstehen und duschen gehen, falls das möglich ist.

    Absurder Gedanke.

    Zudem habe ich ewig nichts mehr gegessen. Doch ich habe keine Kraft, ich fühle mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Trotzdem überwinde ich mich dazu aufzustehen – ich sitze immer noch am Boden – und zur Tür zu gehen, die, wie sich herausstellt, dieses Mal nicht verschlossen ist. Ich muss mich ablenken. Ich gehe hinaus und schaue mich auf den menschenleeren Gängen um. Dieses Gebäude hat etwas von einer Irrenanstalt. Weiße Wände, an denen Türen aneinandergereiht sind. Nur die Fenster sind anders, vor jedem ist ein Gitter und sie bieten keinen Ausblick nach draußen, sondern nur auf kalte Wände. Vermutlich befinden wir uns unter der Erde. Ich gehe zu einem Tresen, der sich gegenüber meinem Zimmer befindet. Mein Blick fällt auf eine junge Frau mit roten Haaren, die sie in einem Pferdeschwanz trägt und sich gerade über einige Unterlagen beugt. Ich räuspere mich.

    „Entschuldigung, wie kann ich Ihnen helfen?" Ihre Freundlichkeit scheint aufgesetzt zu sein.

    „Ich würde gerne wissen wo die Duschen sind und ob ich etwas zu essen haben könnte", erkundige ich mich.

    „Die Essenszeiten sind bereits vorbei, Frühstück gibt es morgen früh um 7 Uhr. Die Duschzeiten sind abends von 19 bis 20 Uhr, du hast Glück, es ist erst kurz vor 8. Ich schicke dir gleich eine Pflegerin vorbei, sie wird dich hinbegleiten. Ist das da dein Zimmer?" Ich nicke, sprachlos aufgrund von dem, was sie mir gerade gesagt hat. Es gibt Vorschriften über die Essenszeiten und Duschzeiten? Immer mehr entwickele ich das Gefühl gefangen anstatt umsorgt zu sein. Trotzdem gehorche ich lieber und warte in meinem Zimmer. Ich bin zu kraftlos, um das Ganze zu hinterfragen, als mich schließlich die streng aussehende Frau von heute Morgen abholt. Mich überrascht es nicht wirklich, aber ich versuche nichts zu sagen und Blickkontakt mit ihr zu vermeiden, damit ich schnell duschen und ihre Anwesenheit hinter mich bringen kann. Wie sich herausstellt heißt sie Sabine, zumindest verrät mir das ihr Namensschild. Sie bringt mich zu den engen Duschkabinen und kommt komischerweise mit rein.

    „Könnte ich vielleicht etwas Privatsphäre haben?", frage ich rhetorisch.

    „Selbstverständlich. Ich warte vor deiner Kabine. Du hast 5 Minuten." Ich sage nichts, froh darüber endlich ungestört das Wasser über meinen Körper fließen zu lassen. Es fühlt sich gut an, ich versuche alles, was mir an diesem Tag widerfahren ist, abzuwaschen. Doch es funktioniert nicht. Nicht weinen. Nicht weinen.

    Ich sage es mir immer wieder, ich will keine Schwäche zeigen – vor allem nicht vor Sabine. Ich muss an etwas anderes denken. Tony. Ihr geht es gut. Ich nehme mir vor, sie morgen zu suchen.

    „Fertig", sage ich und daraufhin wird mir ein Handtuch gereicht, in welches ich mich einwickele. Zurück in meinem Zimmer gehe ich zu einem Schrank, der mir noch gar nicht wirklich aufgefallen ist. Ich öffne ihn und finde ein graues weites T-Shirt, welches ich mir zum Schlafen überziehe. Ich hatte Angst vor dem Einschlafen, da ich genau wusste, dass wieder die schrecklichen Gedanken in meinem Kopf kreisen würden.

    Ich denke an meine Eltern. An Loo. An die anderen. An mein Leben, das sich von dem einen auf den anderen Moment drastisch verändert hat. Ich werde nie wieder das Leben führen können, was ich bis jetzt geführt habe. Eigentlich sollte mich dieser Gedanke beunruhigen und ich sollte wegen meines Verlustes wieder weinen. Doch merkwürdiger Weise fühle ich nichts.

    Ich muss erstmal alles verarbeiten und mir ist einfach noch nicht klar, was geschehen ist. Mit diesem Gedanken versuche ich mich zu beruhigen, doch gleichzeitig bin ich froh darüber, nichts fühlen zu müssen. Damit gebe ich mich meinem ersehnten Schlaf hin.

    Ein schrilles Geräusch reißt mich aus meinem tiefen Schlaf. Für einen Moment vergesse ich, wo ich gerade bin und muss mich erst orientieren, als mich die Realität wie ein Schlag trifft. Es war also wirklich kein Traum. Ehe ich in Selbstmitleid versinken kann wird auch schon meine Tür aufgerissen.

    „Aufstehen, Ms. Dean! Als hätte mein Morgen nicht schon grausam genug angefangen, steht nun auch noch Sabine an meinem Bettende und mustert mich mit ermahnendem Blick. „In 30 Minuten gibt es Frühstück. Wenn Sie vorher noch duschen wollen, müssen Sie sich beeilen. Ich erinnere mich an den Vorabend.

    „Nein Danke, ich verzichte.", antworte ich noch etwas schläfrig.

    „Dann ziehen Sie sich an und ich zeige Ihnen das Gebäude, damit Sie sich in Zukunft zurechtfinden." Als müsste ich wissen, wie hier alles aufgebaut ist. Mir würde es reichen, wenn ich wüsste, wo die Kantine und die Duschen sind. Und die anderen Patienten.

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