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EINE FRAU WIE WACHS: Drei Kriminal-Romane in einem Band!
EINE FRAU WIE WACHS: Drei Kriminal-Romane in einem Band!
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eBook513 Seiten7 Stunden

EINE FRAU WIE WACHS: Drei Kriminal-Romane in einem Band!

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Über dieses E-Book

Man hat Emily vor Dan Moran gewarnt, aber sie schlug alles in den Wind. Denn für diesen Fremden, den sie eines Nachts in ihrem Zimmer versteckt hatte, ging sie jedes Risiko ein. Und dabei hatte sie viel zu verlieren: eine angesehene Familie, ein reiches Erbe und die Liebe des erfolgreichsten Mannes der Stadt. All das opferte sie bedenkenlos für Moran, einen entlaufenen Häftling. Denn sie glaubte als einzige an seine Unschuld...

Die verblichene Mrs. Hanson ist noch warm, als ihr Mann sie findet. Das Halsband, das sie trägt, ist ihm neu: ein Nylonstrumpf. Die zukünftige Mrs. Hanson hat andere Dinge am Hals: einen erschossenen Sträfling, einen geplünderten Tresor und natürlich die Polizei. Auch das kann tödlich sein...

Fünf nagelneue Tausend-Dollar-Scheine überzeugen Privatdetektiv Tom Doyle aus Chicago, dass er einem langjährigen Freund helfen muss, der in Central City ein Vergnügungslokal besitzt. Noch kennt er seinen Auftrag nicht, als er am Flughafen von Central City mit zwielichtigen Gestalten in ziemlich handgreifliche Berührung kommt...

Day Keene (eigentlich Gunard R. Hjertstedt; geboren am 28. März 1904 in Chicago; gestorben am 9. Januar 1969 in Studio City, Los Angeles, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Insgesamt veröffentlichte er ungefähr 200 Kurzgeschichten und etwa 50 Romane, zum ganz überwiegenden Teil Detektivgeschichten.

Der vorliegende Band enthält die Romane Eine Frau wie Wachs (1959), Sarg mit fließendem Wasser (1956) und Wenn der Sarg passt (1952).

Der Apex-Verlag veröffentlicht Eine Frau wie Wachs in seiner Reihe APEX NOIR, in welcher Klassiker des Hard-boiled- und Noir-Krimis als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum12. Jan. 2021
ISBN9783748771227
EINE FRAU WIE WACHS: Drei Kriminal-Romane in einem Band!

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    Buchvorschau

    EINE FRAU WIE WACHS - Day Keene

    Das Buch

    Man hat Emily vor Dan Moran gewarnt, aber sie schlug alles in den Wind. Denn für diesen Fremden, den sie eines Nachts in ihrem Zimmer versteckt hatte, ging sie jedes Risiko ein. Und dabei hatte sie viel zu verlieren: eine angesehene Familie, ein reiches Erbe und die Liebe des erfolgreichsten Mannes der Stadt. All das opferte sie bedenkenlos für Moran, einen entlaufenen Häftling. Denn sie glaubte als einzige an seine Unschuld...

    Die verblichene Mrs. Hanson ist noch warm, als ihr Mann sie findet. Das Halsband, das sie trägt, ist ihm neu: ein Nylonstrumpf. Die zukünftige Mrs. Hanson hat andere Dinge am Hals: einen erschossenen Sträfling, einen geplünderten Tresor und natürlich die Polizei. Auch das kann tödlich sein...

    Fünf nagelneue Tausend-Dollar-Scheine überzeugen Privatdetektiv Tom Doyle aus Chicago, dass er einem langjährigen Freund helfen muss, der in Central City ein Vergnügungslokal besitzt. Noch kennt er seinen Auftrag nicht, als er am Flughafen von Central City mit zwielichtigen Gestalten in ziemlich handgreifliche Berührung kommt...

    Day Keene (eigentlich Gunard R. Hjertstedt; geboren am 28. März 1904 in Chicago; gestorben am 9. Januar 1969 in Studio City, Los Angeles, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Insgesamt veröffentlichte er ungefähr 200 Kurzgeschichten und etwa 50 Romane, zum ganz überwiegenden Teil Detektivgeschichten.

    Der vorliegende Band enthält die Romane Eine Frau wie Wachs (1959), Sarg mit fließendem Wasser (1956) und Wenn der Sarg passt (1952).

    Der Apex-Verlag veröffentlicht Eine Frau wie Wachs in seiner Reihe APEX NOIR, in welcher Klassiker des Hard-boiled- und Noir-Krimis als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

    1. EINE FRAU WIE WACHS (Moran's Woman)

    Erstes Kapitel

    Der Vierte Juli versprach heiß und wolkenlos zu werden. Schon bei Tagesanbruch war vereinzelt Knallerei zu hören, die hie und da von der betäubenden Explosion einer Salutsalve unterbrochen wurde. Das junge Völkchen von Hewitt, weiß oder farbig, begann mit seinem Vorrat an Feuerwerkskörpern herumzuexperimentieren.

    Gegen acht Uhr hatte Doktor Mason bereits drei leichtere Verbrennungsfälle verarztet und zwei Tetanusspritzen verabreicht. Sam Farney, der Inhaber des Drugstores am Marktplatz, musste seinen Laden eine halbe Stunde früher öffnen, um vier Tuben Heilsalbe zu verkaufen.

    Als dann um neun Uhr - zur Feier des Tages zwei Stunden später als sonst - der vergitterte Lastwagen mit den vier Straßenkehrern aus dem nahe gelegenen Sträflingslager durch das Lagertor rollte und über die schattengesprenkelte Landstraße in Richtung Stadt ratterte, war die Temperatur bereits auf sechsunddreißig Grad im Schatten gestiegen. Alle waren sich darüber klar, dass ihnen ein besonders heißer Feiertag bevorstand.

    Das Farmervolk war schon in aller Frühe mit Auto oder Pferdegespann im Wäldchen eingetroffen. Gegen Viertel nach zehn, als das allerletzte der rot-weißen Fähnchen tun die provisorisch errichtete Tribüne drapiert war und die in Schweiß gebadeten Organisatoren des amerikanischen Frontkämpferverbandes die letzten Details der Parade ausgeklügelt hatten, war das Thermometer auf glatte achtunddreißig Grad geschnellt. Ein paar Leute, vorwiegend Kinder, hatten sich ins Wasser verzogen.

    Die Hitze nahm einem den Atem. Aber das dunkle schlammige Wasser des Sees und die langen grauen Moosflechten, die von den hohen Eichen herabbaumelten, gaben dem Wäldchen einen Hauch von Kühle.

    Anders in der Innenstadt. In Hewitt herrschte die Hitze erbarmungslos. Der Teer schmolz in Bläschen zwischen den roten Ziegeln des Straßenpflasters. Die Palmen auf dem Gerichtsvorplatz ließen in der Sonne trübselig die ausgedörrten Wedel hängen. Kaum ein Geschäftsmann, abgesehen von denen, die Feuerwerkskörper oder Eis verkauften, machte sich die Mühe, seinen Laden zu öffnen. Auf den Parkbänken hockten die alten Männer so regungslos wie Gipsfiguren. Die Straßen lagen ausgestorben bis auf den Reinigungstrupp, der den Abfall aus den Hinterhöfen der Geschäfte unter dem scharfen Blick eines bewaffneten Aufsehers hervorkehrte.

    Vom Wetter her war es ein Tag wie jeder andere. Aus drei Gründen jedoch sollte dieser Unabhängigkeitstag den Leuten aus dem Verwaltungsbezirk Apalachicola im Gedächtnis haften bleiben.

    Erstens wurde die First National Bank von Hewitt, die an einem gesetzlichen Feiertag eigentlich hätte geschlossen bleiben sollen, um achtundsiebzigtausend Dollar beraubt Und ihr Kassierer, Harry Miller, ermordet.

    Zweitens wurde am Nachmittag des gleichen Tages May Arnold, die dreißigjährige Frau des Zahnarztes Edmund Arnold, dessen Praxis im Thayer-Hochhaus lag, an einem Ort, wo sie nichts zu suchen hatte, splitternackt und halb tot aufgefunden. Eine unbestimmte Anzahl Männer hatte sich wiederholt verbrecherisch an ihr vergangen. Ihr Begleiter, Jack Hayes, der neue Fußballtrainer an der Oberschule, erlag später seinen Verletzungen.

    Drittens, und das war das einschneidendste Ereignis für die Gemeinde als solche, gelang zum ersten Mal in der Geschichte des Verwaltungsbezirks ein Massenausbruch aus dem Sträflingslager ein paar Meilen vor der Stadt. Indes die meisten der achtzig Sträflinge umgehend wieder eingefangen und zurück ins Lager gebracht wurden, konnten zwei von ihnen, Goldjunge Moran und Orin, Taylor, die beide eine längere Strafe absitzen mussten, entkommen.

    Das also war der Vierte Juli in Hewitt, Kreishauptstadt des Verwaltungsbezirks Apalachicola.

    Zweites Kapitel

    Der Nachmittag blieb weiterhin warm. Emily Hewitt, zwischen Honoratioren und ihren Gattinnen auf der fahnengeschmückten Tribüne im Wäldchen eingezwängt, fühlte sich äußerst unbehaglich. Noch nie im Leben hatte sie sich so gelangweilt.

    Die hohe weiße Halsbinde ihres Reitanzugs erstickte sie fast. Ihre Reithosen waren zu eng. Sie hatte das Gefühl, in einer Pfütze zu sitzen. Der langatmige Redner, der Geruch der schwitzenden Menge, vermischt mit dem Bratfischdunst, verursachten ihr Übelkeit. Sie schwor sich - wie an jedem vierten Juli - im nächsten Jahr den Sommer über zu verreisen.

    Allerdings glaubte sie, als eine Hewitt eine gewisse Stellung wahren zu müssen. Einer ihrer Vorfahren väterlicherseits war Gouverneur des Staates gewesen. Hewitt war nach ihm benannt worden. Ein anderer Hewitt war Justizminister gewesen. Sie schien also in einer Sackgasse zu stecken. Wenn eine gesellschaftliche Stellung und Vermögen Vorteile boten, so waren auch genug Pflichten damit verbunden.

    Sie war eine hübsche rotblonde Frau und mit ihren dreiundzwanzig Jahren seit zwei Jahren Witwe. In der Gemeinde wirkte sie für verschiedene Wohltätigkeitseinrichtungen. Sie war ehemalige Präsidentin der Junioren-Liga und Direktorin des Early Memorial Krankenhaus-Komitees. Sie beschaffte Geldmittel, half in der Tageskrippe für farbige Kinder und war eine anerkannte Mäzenatin des Alice-Mapleton-Heims für ledige Mütter.

    Während der Redner endlos weiter leierte, fächelte sie sich heftig, doch ohne Erfolg, mit einem Stück Pappe Luft zu.

    Auch die Aussicht auf den Abend war wenig verlockend. Für die Auserwählten fand im Country Club der Jahresball mit anschließendem Feuerwerk statt. Die chronischen Trinker würden etwas tiefer als sonst ins Glas schauen, der übliche Prozentsatz Ehebrecher würde sich etwas früher in die Büsche schlagen. Ed Arnold würde sich wie immer mit dem verkehrten Mann anlegen. Auf dem Heimweg würde ihr dann Hi Thayer wahrscheinlich wieder einen Heiratsantrag machen. Sie hielt in der Menge nach Hi Ausschau. Vermutlich diskutierte er wie gewöhnlich über Politik. Und dann zu Hause würde sie ihn - um ihr Gewissen zu beschwichtigen, weil sie sich nicht entscheiden konnte und Hi solange hinhielt - hineinbitten und ihm gestatten, sie nach oben in ihr Schlafzimmer zu tragen.

    Zum vierten oder gar schon zum fünften Mal? Emily war leicht verlegen. Nicht bei dem Gedanken, mit Hi ins Bett zu gehen, sondern weil es ihr so wenig bedeutete, dass sie sich noch nicht einmal erinnern konnte, wie oft es schon geschehen war.

    Sie fächelte sich etwas schneller Luft zu. Andererseits war es mit Everett das gleiche gewesen. Sie hatte sich so viel von der Ehe versprochen und so wenig bekommen. Falls die Psychologin aus dem Frauenclub recht damit hatte, dass in jeder Frau eine schlafende Tigerin steckte, die nur der richtige Mann wecken konnte, dann hatte das leidenschaftliche Getue der beiden Männer, die sie bisher besessen hatten, ihr kaum ein klägliches Miauen entlocken können.

    Lange nachdem Hi befriedigt nah Hause marschiert war, lag sie dann meist schlaflos, lauschte den Grillen und Ochsenfröschen im Sumpf und fragte sich, was bei ihr wohl nicht stimmte oder ob sie überhaupt eine normale Frau war. Wenn doch nur einmal ein Mann sie ohne dieses kindische Herumgefummel richtig genommen hätte, vielleicht hätte sie dann ein wenig Geschmack an der Sache bekommen.

    Jane Vinson, Richter Vinsons Frau, rückte ihren Stuhl näher und flüsterte: »Mein Gott, wie lange will er noch quasseln?«

    »Keinen Schimmer«, flüsterte Emily zurück.

    Die Nachricht vom Bankraub und Harry Millers Tod erreichte die Festwiese im Wäldchen kurz nach drei Uhr. Anfangs, ja sogar noch Monate später, herrschte einige Verwirrung über die Einzelheiten des Überfalls. Nur ein einziger wusste, wie viele Männer eingedrungen waren und wie sie aussahen: Harry Miller. Und Harry Miller war tot.

    Sogar der Zeitpunkt des Überfalls war unbekannt. Es konnte zu einer x-beliebigen Zeit am Vormittag oder in den frühen Nachmittagsstunden passiert sein. Mit Sicherheit wusste man nur, dass die Stahlkammer geplündert worden war und dass Sam Harris, der Inhaber der Tankstelle Ecke Fünfte und Jackson Street, der um z Uhr 55 in der Bank einen Fünfzigdollarschein wechseln wollte, Mr. Miller mit drei Kugeln in der Brust und zwei im Hinterkopf auf dem Boden ausgestreckt vorfand. Angesichts der Tatsache, dass den ganzen Tag über Feuerwerkskörper explodiert waren, konnte man noch nicht einmal die Zeit genau festlegen, zu der die Schüsse abgegeben worden waren. Nicht einmal die Tattergreise auf den Parkbänken hatten sie gehört; und selbst wenn, so hatten sie nicht darauf geachtet.

    Kein Gedanke natürlich, mit den Festlichkeiten jetzt noch weiterzumachen. Kurz nach dem ersten Sirenengeheul, das die Ankunft von Sheriff Cronkite ankündigte, der Bezirksstaatsanwalt Hi Thayer und zwei Hilfssheriffs, die zum Wäldchen abkommandiert gewesen waren, abholen kam, verkrümelten sich die Farbigen in der Menge. Die Farmer packten ihre Körbe, stiegen in ihre Wagen und folgten kurz darauf.

    Emily tat es um Harry Miller aufrichtig leid, aber sie war erleichtert, dass der Redner abbrechen musste. Sie zupfte sich die durchnässten Reithosen von der feuchten Haut ab und gesellte sich zu Sally Playford, Jane Vinson und May Arnold in den Schatten der immergrünen Eiche, wo der Frauenverein einen Erfrischungsstand aufgeschlagen hatte.

    »Wie grässlich für die arme Vi«, sagte sie voll Mitgefühl. »Ich habe sie erst neulich im Club gesprochen, und sie strahlte vor Glück. Sie meinte, dass ihnen das Baby, nachdem sie sich erst so lange Zeit damit gelassen hatten, jetzt eine völlig neue Lebenseinstellung gab, wie ein ganz neuer Anfang. Und nun ist Harry tot.«

    May Arnold wollte wissen, wo der Sheriff gewesen war.

    »Im Bett, wahrscheinlich«, ließ sich Jane Vinson vernehmen. »Jeder weiß, dass er zu alt für den Job ist. Er hätte sich schon vor Jahren pensionieren lassen sollen.« Sie versuchte, nicht gar zu besserwisserisch zu sein. »Ich habe ja schon immer gesagt, dass so was kommen musste, dabei möchte ich wetten, dass Tod Harry hundertmal davor gewarnt hat, die Bank nach Kassenschluss offen zu halten. Besonders, wenn er allein war.«

    May Arnold linste auf ihre Armbanduhr. »Na ja, jetzt ist Harry schlauer. Und nun, wenn ihr nichts dagegen habt, mache ich mich besser auf die Socken. Ich habe Ed versprochen, ein paar Einkäufe für ihn zu erledigen.«

    Emily fragte sich, wem sie damit wohl noch etwas vormachen wollte. Sie an Mays Stelle hätte etwas mehr Diskretion walten lassen. In der Stadt wusste jeder, mit Ausnahme von Ed selbst, dass sie eine Affäre mit Jack Hayes hatte. May hätte wenigstens den neuen Fußballtrainer der Oberschule dazu überreden können, einen weniger auffallenden Wagen zu fahren. Es war verblüffend, wie leuchtend sich Zinnoberrot von den graubraunen Baumstümpfen der Kiefern, die die Landstraßen säumten, abhob.

    Als May fort war, rümpfte Sally Playford die Nase. »Einkäufe machen - so, so.« Sie zupfte an dem Oberteil ihres Kleides, das ihr am Körper klebte. »Lass es dir von mir gesagt sein, eines Tages oder eines Nachts wird Ed sie noch mal in flagranti erwischen. Und dann wird es ihr so schlecht gehen wie dem armen Harry.«

    »Zweifellos«, stellte Jane Vinson fest. »Aber May glaubt wohl, dass es die Sache wert ist. Was hat uns noch diese Psychologin aus Miami letztes Jahr erzählt? Ihr wisst doch, über die Tigerin...«

    Emily lächelte schief. »Dass in jeder Frau eine Tigerin steckt, die nur der richtige Mann wecken kann.«

    »Wenn ihr mich fragt, so ist das ein Haufen Schleichwerbung für die Männer«, vertraute ihnen Sally an. »Ich persönlich bin vollauf damit zufrieden, nur ein Kätzchen zu sein. Vielleicht ist es nicht so amüsant, aber doch entschieden sicherer!«

    Emily lachte. Langsam strebte sie durch die Hitze ihrem Auto zu. Das Ganze schien ihr Ansichtssache. Es hing davon ab, wieviel eine Frau vom Leben erwartete. In gewisser Hinsicht beneidete sie May Arnold. May hatte etwas gefunden, was sie nie kennengelernt hatte.

    Bei ihrer Ankunft im Wäldchen hatte sie ihr cremefarbenes Kabriolett mit dem Pferdeanhänger im Schatten geparkt, doch inzwischen hatte es die weiterwandemde Sonne erreicht. Glücklicherweise war sie umsichtig genug gewesen, Ben zu bitten, Lady gleich nach Hause zu reiten. Wenn sie das versäumt hätte, wäre die Stute, die sie in der Parade geritten hatte, jetzt in einer schlimmen Verfassung. Die Ledersitze fühlten sich scheußlich heiß an. Sie schnitt eine Grimasse und fuhr das Auto mit Anhänger in den Schatten. Sie stieg aus, legte ihre maßgeschneiderte Reitjacke ab und befreite sich von der Halsbinde, während sie wartete, bis sich der Sitz abgekühlt hatte.

    In Reithosen, Stiefeln und dünner Seidenbluse fühlte sie sich körperlich wohler, aber ihre melancholische Stimmung hielt an. Eine lange ermüdende Woche lag hinter ihr: als erstes ihr zweimonatliches Pensum als Helferin für die Kinderkrippe. Dann das Herumkutschieren für das Mütterheim. Kein großer Erfolg. Je mehr Geld man auftrieb, um ihnen zu helfen, desto mehr Mädchen kamen in Schwierigkeiten; so sah es jedenfalls aus.

    Falls man mit der Feier frühzeitig Schluss machte - und so war es - hatte sie versprochen, beim Krankenhaus vorbeizufahren und mit dem Verwalter über die dringend benötigten neuen Röntgeneinrichtungen zu sprechen. Der Aufsichtsrat würde diese Riesenausgabe niemals billigen. Das wusste sie jetzt schon. Es musste wieder darauf hinauslaufen, dass sie einen Scheck ausschrieb, um das Leben eines Haufens rotnackiger Hinterwäldler zu retten, die sie nicht kannte und die sie einen feuchten Kehricht angingen. Nur weil sie Geld hatte. Nur weil sie eine Hewitt war.

    Sie lehnte sich gegen die Wagentür. Alles schien so sinnlos. Der kommende Abend würde den Tag nur fortsetzen. Die gleichen Gesichter, die gleichen Stimmen. Vielleicht sollte sie Hi doch heiraten? Vielleicht konnte ein Kind ihrem Leben einen Sinn geben, so wie Vi Miller es von sich und Harry behauptet hatte.

    Hi würde eines Tages ein hohes Tier im Staat sein. Nominierung und Wahl zum Posten des Bezirksstaatsanwaltes waren nur die erste Sprosse der politischen Karriere, die er zu erklimmen hoffte.

    Emily erwog die Angelegenheit. Gewiss, Hi war zehn Jahre älter als sie. Aber dreiunddreißig war noch kein Alter. Und er war bestimmt nicht hinter ihrem Geld her. Hi besaß mehr Vermögen als sie. Wenn er ihr doch nur mehr bedeutet hätte. Vielleicht hätte es geklappt, wenn er sich nicht immer wie so ein verdammter Gentleman aufgeführt hätte.

    Sie strich über den Ledersitz. Er hatte sich mittlerweile abgekühlt. Sie stieg ein, zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in den wolkenlosen Himmel.

    Ja. Eine Heirat mit Hi Thayer konnte eine teilweise Lösung ihres Problems sein. Zumindest brauchte sie sich dann nicht ständig zu langweilen. Sie hätte dann wenigstens ein oder zwei Kinder gehabt, die ihre Tage ausfüllten. Andererseits schienen Geschirrspülen, Windelwaschen und Nachwuchs kein allzu großer Ausgleich für ein unbefriedigtes Leben. Man hätte doch annehmen sollen, dass jeder Frau das Recht auf ein wenig Tigerinnengebrüll zustand.

    Mit einem Seufzer ließ sie den Motor an und fuhr in Richtung Stadt. Nicht alle Festteilnehmer waren nach Hause gegangen. Vor der Bank drängte sich eine größere Menge sowie drei Streifenwagen der Ortspolizei und zwei Wagen der Staatspolizei. Emily kam zu dem Schluss, dass sie nicht in der Haut der Bankräuber stecken wollte, wenn und falls man sie einfing. Harry Miller war einer der beliebtesten Männer im Bezirk gewesen. Sie überlegte, ob sie anhalten sollte, ließ es dann aber sein. Es gab nichts für sie zu tun, und Hi würde ihr sowieso alle Einzelheiten berichten, wenn er sie zum Ball im Country Club abholte.

    Sie fuhr durch die Stadt zum Krankenhaus, das am anderen Ende lag. Nackt bis zum Gürtel und ohne Kopfbedeckung, die gebräunten Oberkörper vor Schweiß glänzend, arbeiteten vier der Sträflinge des Gefangenenlagers in der Spätnachmittagssonne auf dem Krankenhausgelände. Ein schmerbäuchiger, schwerbewaffneter Aufseher im Khaki-Anzug, der im Schatten einer Bougainvillea hockte, ließ sie nicht aus den Augen.

    Dass Lagersträflinge innerhalb der Stadtgrenzen arbeiteten, war Emily ein Dom im Auge. Und nicht nur ihr, sondern auch einigen anderen Bürgern von Hewitt. Seit seinem Amtsantritt hatte Sheriff Cronkite ständig Männer aus dem Sträflingslager herangezogen, um Müll abzufahren und die öffentlichen Anlagen und das Wäldchen instand zu halten: zum Rasenmähen, Bewässern und Beschneiden. Der Sheriff behauptete nicht ohne Logik, dass die Steuern damit niedrig gehalten würden. Das stimmte. Nichts im Gesetz sprach gegen solche Praktiken. Nun, vielleicht ließ der Sheriff jetzt, nachdem die Bank ausgeraubt und Harry Miller ermordet worden war, von dieser Gewohnheit, ehe einer seine Häftlinge ausbrach und in seinem Drang nach Freiheit ein noch abscheulicheres Verbrechen beging.

    Emily bedachte den bewaffneten Aufseher im Vorbeifahren mit einem direkten Blick. Als sie den Viermanntrupp passierte, musste sie achtgeben, um nicht einen Sträfling, der einen Schubkarren voll Strauchwerk zu einem wartenden Laster schob, umzufahren. Dabei übersah sie die große Harke, die, mit den Zähnen nach oben mitten auf dem schmalen Fahrweg lag. Der Holzstiel polterte gegen die Unterseite des Cadillacs, und mit einem Zischen bohrten sich die Metallzähne in ihren rechten Hinterreifen.

    Der Aufseher war verärgert. »Verdammt und zugenäht«, fluchte er, als er sich aufrappelte und aus dem kühlen Schatten des Gesträuchs hervortrottete. »Wer von euch Mistkerlen hat die Harke hier in der Auffahrt liegenlassen?«

    Einer der Sträflinge, ein blonder Junge von knapp zwanzig, sagte scharf: »Halt dein Mundwerk ein bisschen im Zaum, Murphy. Wir sind in Damengesellschaft.«

    Die anderen drei Sträflinge hatten ihre Arbeit unterbrochen und bestaunten Emily mit unverhohlener Bewunderung, als sie ausstieg und den Schaden untersuchte. Sie starrte zurück. Keinem von ihnen sah man den Sträfling an. So tiefgebräunt und mit ihrem militärischen Haarschnitt hätten sie eine Gruppe anständiger Studenten sein können, die sich ihr Studium verdienten.

    Der Aufseher spuckte einen Strahl Tabaksaft aus. »Tut mir leid, Miss, dass das passiert ist.«

    Der Fettwanst stank nach Whisky. »Das sollte es Ihnen auch«, erwiderte Emily hitzig. »Was soll das, diese Männer am vierten Juli arbeiten zu lassen? An einem gesetzlichen Feiertag!«

    Der Fette wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Nicht für diese Jungs, Miss. Dies sind die Unverbesserlichen. Alles Knastschieber auf lange Zeit. Und wenn der Captain mir sagt, lass sie schuften, dann lass ich sie eben schuften.«

    Der Blonde, der die Ausdrucksweise des Aufsehers missbilligt hatte, zwinkerte Emily zu. »Immerhin können sie uns nicht unterschieben, dass wir die Bank geknackt haben. Aber das ist wohl die einzige Schandtat, die sie uns nicht angehängt haben.«

    Emily ertappte sich dabei, wie sie sein Lächeln gegen ihren Willen erwiderte. Dieser Junge konnte nicht schlecht sein, zumindest nicht durch und durch schlecht. Nicht mit diesen himmelblauen Unschuldsaugen.

    Der Aufseher verpasste ihm einen Fausthieb und trat ihn ohne Leidenschaft. »Warst schon den ganzen Tag reif dafür, Moran. Steh jetzt auf und wechsle den Reifen für die Dame. Noch eine unverschämte Bemerkung, und ab geht's morgen in den Schwitzkasten mit dir.«

    »Jawohl, Sir«, versetzte der blonde Bursche mit gemimter Ehrerbietung.

    Unter den wachsamen Blicken des Aufsehers und seines drohenden Karabiners kam Moran auf die Füße, zog den Zündschlüssel aus der Zündung, schloss den Kofferraum auf und hob mit müheloser Anmut das Reserverad heraus.

    Emily sagte genauso hitzig wie vorher: »Das war völlig unnötig! Sie hatten keinen Grand, ihn zu schlagen. Ich werde Sie sowohl dem Sheriff wie dem Bezirksstaatsanwalt melden.«

    Den Fettwanst erschütterte das nicht. »Tun Sie das, Miss. Die kennen Moran. Wir haben ein paar üble Typen im Straflager, aber er ist der schlimmste. Jetzt halten Sie sich besser 'n bisschen zurück, ehe er es noch mit 'nem Trick versucht.«

    Trotzig blieb Emily neben ihrem Auto stehen, während der blonde Junge den Wagen hochwuchtete und das defekte Rad abmontierte. Er war einer der bestgebauten Männer, die ihr je begegnet waren. Sein Bronzekörper war schlank, aber muskulös und strahlte elementare Kraft aus. Arm- und Schultermuskeln bewegten sich leicht bei der Arbeit. Der Blutfleck auf seinen aufgeschlagenen Lippen schien ihr wie eine Entweihung seiner scharf geschnittenen Gesichtszüge.

    Emily reichte ihm ihr Taschentuch. »Da. Sie wischen sich besser den Mund ab.«

    Moran nahm es gelassen. »Danke. Wie kommt's, dass Sie keine Angst vor mir haben, Miss Hewitt?«

    »Wieso - sollte ich?«

    Morans flüchtiges Lächeln war ansteckend. »Nein.«

    »Woher wissen Sie, wie ich heiße?«

    Statt den Schlüssel zu benutzen, schraubte Moran die Radschrauben mit den Fingern fest. »Oh, ich hab' Sie hier und da schon gesehen. Ich weiß sogar, wo Sie wohnen. In dem weißen Kolonialbau dort, mit den vielen Säulen davor, drüben am anderen Ufer.«

    »Stimmt«, nickte Emily.

    Der Aufseher schubste Moran mit dem Gewehrkolben. »Kümmere dich um den Reifen, Moran. Du hast kein Recht, mit der Dame zu schwatzen.«

    Moran ignorierte ihn und lächelte zu Emily hoch. »Wissen Sie was, Miss Hewitt?«

    »Ja?«

    »Sie sind hübsch. Sehr hübsch.«

    »Ich warne dich, Moran«, knurrte der Aufseher.

    Der Junge starrte sie immer noch bewundernd an. Der Hunger nach einer Frau stand so deutlich in den offenen blauen Augen, dass Emily unbehaglich zumute wurde und sie einen Schritt zurückwich. Sie fühlte sich plötzlich nackt; ihr war, als ob der Junge nach ihr greifen wollte.

    Moran drehte sich zu dem Aufseher um. »Mich warnen, wovor? Weil ich die Wahrheit sage?« Sein Blick kehrte zu Emily zurück. »Weil ich lieber mit einem hübschen Mädchen ins Bett gehen möchte, anstatt in einer stinkenden Baracke mit achtzig anderen Kerlen zu schlafen?«

    Der Aufseher schlug wieder auf ihn ein, diesmal mit dem Gewehr, und stieß den großen Burschen vom Wagen fort.

    »Ich hab' dich gewarnt, du obszönes Schwein.« Er machte ein Zeichen mit dem Kopf. »Komm mal einer von euch her, lass den Wagenheber runter und tu den Reifen zurück in den Kofferraum.« An Emily gewandt fügte er hinzu: »Und Sie machen besser, dass Sie hier wegkommen, Miss. Es ist nicht richtig und normal für 'nen jungen Mann zu wissen, dass er jahrelang ohne Frau sein muss. Sie wissen, wie ich's meine. Das macht sie irgendwie gehässig. Und der Sonnyboy hier hat noch 'n langes Ende abzureißen.«

    Emily zwang sich zu der Frage: »Wie lange?«

    Der Aufseher behielt Moran im Schussfeld, als der verdrießlich aufstand und dahin zurückkehrte, wo er seine Sense hatte fallen lassen. »Bei dem kann man von Glück reden, dass er für zehn bis zwanzig Jahre eingebuchtet ist.« Er spie wieder einen Strahl Tabaksaft in den Oleanderbusch. »Und wie's aussieht, wird er die Strafe voll absitzen.«

    Emily langte nach ihrer Handtasche auf dem Wagensitz. Der feiste Aufseher schüttelte den Kopf. »Die dürfen kein Geld annehmen, Miss. So jung und hübsch, wie Sie nun mal sind«, meinte er freimütig, »tun Sie denen und mir den größten Gefallen, wenn Sie jetzt einsteigen und weiterfahren. Sie wissen, was ich meine...«

    »Ja, ich verstehe«, sagte Emily.

    Sie stieg ein und schlug die Tür zu. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie nur mit Mühe den Schlüssel in das Zündschloss brachte. Als sie in den Rückspiegel sah, hätte sie um Morans willen heulen können. Der blonde Junge rührte sich nicht vom Fleck. Er lehnte sich auf den langen Stiel seiner Sense und zerknüllte das parfümierte Taschentuch, das sie ihm gegeben hatte, in der Hand.

    Lange, nachdem er außer Sicht war, verfolgte sie noch der Ausdruck seiner Augen. Es spielte keine Rolle, was er verbrochen hatte. Es war einfach nicht fair, dass er die besten Jahre seines Lebens damit zubringen sollte, öffentliche Anlagen sauber zu halten, Gräben auszuheben und Müll aus Hinterhöfen zu kehren.

    Es kam ihr wie Verschwendung vor.

    Drittes Kapitel

    Ben wartete auf der vorderen Veranda, als Emily endlich nach Hause kam. Ihre Niedergeschlagenheit hatte sich nicht gelegt. Wie vorausgesehen, hatte sie einen Scheck für die neue Röntgeneinrichtung ausgestellt, sogar einen höheren, als sie es sich eigentlich leisten konnte. Wenn d's Bibelwort stimmte, dass Geben seliger als Nehmen war, dann musste sie sehr selig sein. Es hatte den Anschein, dass sie ständig die Gebende war, ohne dass jemand einmal etwas für sie tat.

    Der Stallknecht machte sich Sorgen wegen des Füllens, das am Morgen zur Welt, gekommen war, und Emily ging durch die hereinbrechende Nacht zu den Ställen. Das Wetter war immer noch heiß und feucht. Nachtnebel zog vom Fluss her auf, und das Atmen fiel schwer.

    Als ihr Vater noch lebte, hatte er Gespannpferde gezüchtet und sie mit gutem Profit verkauft. Aber als er und ihre Mutter vor fünf Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, hatte sie den größten Teil des Stalls losgeschlagen. Jetzt waren die wenigen Pferde, die sie sich zu ihrem Vergnügen hielt, ihre einzige Familie.

    Das neugeborene Füllen lag auf der Seite in der Box. Emily kniete sich hin und tastete es überall ab. Soweit sie feststellen konnte, fehlte dem Fohlen nichts, außer dass es Hunger hatte. Sie befahl dem Stallknecht, ihm auf die Füße zu helfen. Er gehorchte. Da torkelte das Fohlen, nachdem es einen Augenblick steifbeinig auf seinen staksigen, viel zu langen Beinen balanciert hatte, sanft von Emily geführt durch die Box und begann, an der Stute zu säugen.

    Emily wischte sich die Hände ab und schnippte die Strohhalme von ihrer Reithose. Man brauchte Fohlen oder einen Mann eben nur in die richtige Richtung zu schubsen, dachte sie.

    Bessie wartete in der Spülküche auf sie. Die Haushälterin war ungehalten. »Schön spät kommst du heim! Jetzt aber marsch nach oben und raus aus den Reithosen! Und bade und zieh dich um, damit du hübsch bist, wenn Mister Hi dich abholen kommt. Du wirst den Mann noch so lange hinhalten, bis er dir davonläuft.«

    »Ja, Bessie«, murmelte Emily lammfromm.

    Sie konnte sich nicht an eine Zeit erinnern, in der Bessie sie nicht herumkommandiert hätte. Die matronenhafte Negerin hatte sie in ihre Obhut genommen, als sie ungefähr so alt wie das Fohlen gewesen war. Bessie schimpfte ständig an ihr herum. Andererseits liebte die Frau sie innig. In Bessies Augen war sie unfehlbar.

    »Los jetzt!«

    »Schon gut, Bessie.«

    Trotz aller dem Nachtwind geöffneten Fenster war es unerträglich heiß in den hohen Räumen. Emily ging erschöpft durch die Halle und die breite geschwungene Treppe in den ersten Stock hinauf. Dies war der letzte Sommer, den sie in Hewitt verbrachte; nächstes Jahr wollte sie am liebsten nach Alaska reisen!

    Bessie hatte ihr das Badewasser eingelassen. Sie streifte die Kleider ab, ließ sie in einem Haufen auf dem Boden liegen und stieg in die Wanne. Das Wasser war lauwarm und parfümiert. Es tat ihrer Haut wohl, verbesserte jedoch nicht ihre Laune. Sie lehnte sich in der Wanne zurück und betrachtete ihren Körper. Ihr Busen war wohlgeformt und fest; die Beine lang, mit schmalen Fesseln. Eigentlich keine üble Figur. Eine Verschwendung, sie nur dem Krankenhaus, dem Frauenverein, der Juniorenliga und der Kinderkrippe zugutekommen zu lassen.

    Sie drückte sich tiefer in die Wanne und seifte sich ab. Ironischerweise war der einzige Lichtblick dieses Tages, das einzig Ungewöhnliche, ihr Zusammentreffen mit dem Sträfling gewesen. Der Hunger in seinen Augen machte sie immer noch verlegen. Immer noch spürte sie Morans Blick über ihre Figur gleiten, der kühn und voller vertraulicher Bewunderung gewesen war. Sie stellte sich vor, in seinen Armen zu liegen, und war leicht schockiert über den Gedanken. Nette Mädchen, das heißt, Mädchen aus ihren Gesellschaftskreisen, dachten nicht an solche Sachen. Oder doch?

    Sie stieg aus der Wanne, frottierte sich ab und schlüpfte in saubere Unterwäsche. Auch das Anziehen half nicht viel. Ihre Wangen glühten, ihr war fiebrig heiß.

    Sie öffnete das Flügelfenster in ihrem Zimmer und trat auf die obere Veranda hinaus. In den süßlichen Duft von Geißblatt und Jasmin mischte sich der stechende Geruch von verbranntem Pinienholz. Sie sah sich um und entdeckte das Feuer. Tausendmal konnte man den Hinterwäldlern predigen, dass diese Art Abbrennen gefährlich war, jedes Jahr zündeten sie das Buschwerk von neuem an. Sie behaupteten, das verschaffe ihnen besseres Weideland für ihr Vieh. Das Feuer schien klein und in der Nähe des Sträflingslagers zu liegen. Vielleicht verbrannte das Wachpersonal dort auch Müll.

    Emily kehrte in ihr Zimmer zurück, um sich zu schminken und anzukleiden. Aber stattdessen warf sie sich über ihr Bett, drückte das Gesicht in die Kissen und weinte. Sie schluchzte immer noch, als Bessie ins Zimmer kam.

    »Bitte, Kleines«, bat die Frau, »wein doch nicht.« Sie betrachtete das Foto des abgestürzten Lieutenant Hubbard. »Alles wird schon gut werden. Du kannst doch nicht ewig um ihn trauern. Das Leben gehört den Lebenden.«

    Emily setzte sich auf und trocknete sich die Augen am Saum des Kopfkissenbezugs. Bessie war eine Idiotin. Sie weinte nicht um ihren Mann. Bei seinem Tod hatte sie lediglich Erleichterung empfunden. Wenn er den Düsenjäger nicht besser gemeistert hatte als seine ehelichen Pflichten, war es kein Wunder, dass er auf die Nase gefallen war.

    »Was du brauchst, Kleines«, bemerkte Bessie weise, »ist ein Mann.«

    »Nichts einfacher als das.« Emily stand auf und trat an den Ankleidetisch. »Morgen hängen wir ein Schild draußen an den Zaun: Junge Stute sucht Hengst

    Bessie tätschelte sie leicht. »Pssscht, sag' nicht solche Sachen!«

    Emily war zerknirscht. »Tut mir leid.«

    Fertig angezogen saß sie auf der unteren offenen Veranda, als Hi Thayer kam, um sie in den Country Club abzuholen.

    Thayer warf seinen Hut in einen Sessel und beugte sich zu ihr herunter, um sie zu küssen. »Erzähl mir nur nicht, du bist wieder unartig gewesen, und jetzt lässt dich Bessie nicht ins Haus.«

    Emily lachte. »Nein. Ich habe nur nachgedacht. Wie wär's mit einem Drink?«

    Thayer ließ seine stattliche Länge in einen Sessel sinken. »Blendende Idee. Einen großen. Und unverdünnt.«

    Emily schenkte an der Rollbar zwei Gläser ein. »Hast du den Raubüberfall bearbeitet?«

    »Den ganzen Tag. Das heißt, den ganzen Nachmittag.«

    »Gibt's was Neues?«

    »Noch nicht.« Thayer streckte die Beine von sich. »Wer das Ding auch gedreht hat, er war ziemlich smart. Da es Feiertag war und die Bank eigentlich geschlossen hätte sein sollen, wissen wir noch nicht einmal den Zeitpunkt der Tat. Und bis jetzt haben wir keine Menschenseele auftreiben können, die irgendeinen Fremden in der Stadt gesehen hat.« Er zuckte die Achseln. »Aber es waren ja auch alle draußen im Wäldchen.«

    »Vielleicht war es ein Einheimischer?«

    »Das glauben wir allmählich auch.« Thayer nahm Emily den Drink ab, den sie ihm eingegossen hatte. »Herzlichen Dank.« Er leerte das Glas mit einem Zug. »Und jetzt, wenn es dir nichts ausmacht, gehen wir in den Club.«

    »Triffst du dich dort mit jemandem?«, fragte Emily.

    »Nein. Aber ich bin hungrig.« Als Thayer sie die paar Schritte zur halbkreisförmigen Auffahrt hinunterführte und ihr in seinen Wagen half, erkundigte er sich: »Und wie ist's dir ergangen?«

    Emily strich sich den weiten Rock des Abendkleides glatt. »So la-la. Als ich vom Wäldchen kam, hatte ich eine Reifenpanne im Krankenhaus.«

    »Wie kam denn das?«

    »Ich bin über eine Harke gefahren. Ein Sträfling aus dem Lager hatte sie verkehrt herum liegen lassen.«

    »Haben sie dir den Reifen gewechselt?«

    »Ja. Ein blonder Bursche namens Moran.«

    »Das sieht ihm ähnlich«, bemerkte Thayer trocken.

    »Kennst du ihn?«

    »Ich habe ihn hinter Gitter gebracht. Er hat zehn bis zwanzig Jahre vor sich und noch Glück, dass es nicht lebenslänglich ist.«

    »Was hat er ausgefressen?«

    »Einen Mann beim Pokerspiel umgelegt. Vor ungefähr sechs Monaten. Als du in New York warst.«

    Emily ertappte sich dabei, wie sie Moran verteidigte. »Ist das denn so schlimm, einen Mann beim Pokern umzubringen?«

    »Ja, wenn du die Spielhölle dabei mit der Waffe in der Hand ausnimmst. Von Rechts wegen hätte er auf den elektrischen Stuhl gehört.«

    »Hatte er schon früher was verbrochen?«

    »Ja, und nicht zu knapp. Scheckfälschungen, Raub, Einbruch und Notzucht.«

    »Das glaube ich nicht!«

    »Ich kann beim Gericht vorbeifahren und dir sein Register zeigen.«

    »In seinem Alter?«

    »Oft sind die Jungen die schlimmsten. Moran ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten, noch ehe er aus der Grundschule war.«

    Emily suchte nach einer Entschuldigung für ihn. »Er muss aus einem zerrütteten Elternhaus stammen.«

    »Nein, aus einer guten Familie in Charleston.«

    »So hört er sich aber gar nicht an.«

    »Nein. Aber er ist aalglatt und scharf wie eine frischgeschliffene Rasierklinge«, meinte Thayer. »Außerdem ein verdammt gutaussehender Bursche, das muss ich ihm lassen. Bei seiner Verhandlung saßen zwei Frauen unter den Geschworenen. Es stand auf Messers Schneide, ob sie ihn verurteilen oder ihm ihre Telefonnummer geben wollten.«

    Emily merkte, dass ihr der Kopf wehtat. Hoffentlich legte sich das nach dem Essen. Unmöglich, dass sie sich so in Moran geirrt haben sollte. Trotz seiner anzüglichen Bemerkungen schien er solch ein ordentlicher, sympathischer Junge zu sein.

    In der Bar des Country Club stießen sie auf die bekannten Gesichter. Nur die übliche forcierte Fröhlichkeit fehlte fast ganz. Jeder hatte Harry Miller gern gemocht, und allen tat seine Witwe leid.

    Emily versuchte, ihre Stimmung zu heben, indem sie drei Cocktails hintereinander hinunterkippte. Doch sie vertieften nur ihre Depression und das Gefühl der Sinnlosigkeit. Ihr kam die phantastische Vorstellung, dass sie, Hi und die anderen eleganten Männer und Frauen nur Ameisen waren, die ziellos auf einem Tennisball herumkrabbelten. Immer im Kreis herum.

    Das Essen war gut, aber sie hatte keinen Appetit. Als der Kellner ihnen den Kognak brachte, sah sie von ihrem Glas auf und stellte fest, dass Hi sie beobachtete.

    »Ein bisschen wacklig auf den Beinen?«

    »Mir geht's nicht so gut«, gab sie zu. Sie hätte gern hinzugefügt, dass sie allein sein wollte, konnte aber nicht unhöflich sein.

    »Soll ich dich nach Haus bringen?«

    »Dafür wäre ich dir dankbar. Schließlich sehe ich ein Feuerwerk nicht zum ersten Mal.«

    Wortlos fuhren sie durch die schwüle Hitze zurück. Das große Haus am Fluss lag im Dunklen. Gewöhnlich endeten die Festlichkeiten zum Unabhängigkeitstag erst lange nach Mitternacht, und Ben und Bessie, die noch nicht mit Emilys Rückkehr rechneten, waren zu einer religiösen Veranstaltung gegangen.

    Seltsamerweise wollte Emily jetzt, da sie zu Haus war, nicht allein sein. »Komm mit hinein, Hi«, bat sie.

    Immer noch schweigend folgte ihr Thayer den Pfad hinauf zur Veranda und setzte sich neben sie auf die Hollywoodschaukel. »Was ist los, Liebling?«

    »Ich weiß nicht«, gestand Emily. »Es ist... Na ja, ich bin so durcheinander.«

    »Hat es etwas mit uns zu tun?«

    »Ja.«

    »Was Gutes oder was Schlechtes?«

    »Was Gutes, glaube ich.«

    Thayer zog sie zu sich auf den Schoß, und sie küssten sich, während die Insekten um sie herumsummten. Emily nahm sein Gesicht in beide Hände. Der Druck seiner Lippen auf den ihren gefiel ihr. Sie liebte den Geruch von Männlichkeit an ihm, mochte seine kraftvollen Arme. Vielleicht, wenn sie ihn heiratete und sich bemühte, ihm eine gute Frau zu sein, würden sich mit der Zeit ihre Sinne entflammen und ihr die Erfüllung bringen.

    »Wir können nach oben gehen, wenn du willst«, flüsterte sie. »Ben und Bessie kommen erst in ein paar Stunden zurück.«

    »Nein«, flüsterte Thayer an ihren Lippen.

    »Warum nicht?«

    »Wir sind schon zu oft oben gewesen.« Er packte sie an den Schultern. »Himmel, Emily, begreifst du nicht? Ich liebe dich. Ich will dich heiraten. Ich will Kinder mit dir haben!«

    Emily klammerte sich an seine Kraft. Warum auch nicht? Wenn sie Hi heiratete und Kinder bekam, war sie wenigstens nicht mehr einsam. Und es gab immer noch die Chance, dass sich das andere dann von selbst einstellen würde. »Also gut«, sagte sie schlicht.

    Seine Arme schlossen sich fester um sie. »Also gut - was?«

    »Ich will dich heiraten, Hi. Bald«, fügte sie hinzu. »Morgen früh. Sobald wir die Lizenz bekommen können.«

    Thayer brüllte zwei Worte: »Heil und Segen!«

    Dann machte er sich an ihrem Rock zu schaffen.

    Emily war leicht belustigt. »Ich dachte, du wolltest nicht nach oben?«

    »Das will ich auch nicht«, sagte er lakonisch und

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