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eBook284 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Der Mensch misst Dingen, Umständen und Zuständen Bedeutungen zu. Menschen können abwägen, beurteilen und ermessen. Manny nicht. Menschen empfinden Angst oder Freude. Manny handelt, entscheidet und reagiert völlig emotionslos, gemäß seinen Programmierungen. Manny erkennt Leben und Nichtleben. Manny ist ein gigantischer Computer und dient ausschließlich der Überwachung.

Jenseits unserer Zeit

Eine Welt in einer anderen Zeit. Ein gigantischer Rechner überwacht alle Ereignisse an jedem Ort und zu jeder Zeit. Jeder legal geborene Mensch trägt ein Chip in sich, der ihm direkt nach seiner Geburt implantiert wird. Dieser Datenfluss ermöglicht die lückenlose Kontrolle des Individuums.

Es herrscht strikte Geburtenkontrolle, denn Leben bedeutet Energie, und die vorhandene Energie wird nur den offiziell Berechtigten zugewiesen. Der Besitz von Energie bedeutet gleichsam Macht. Die größte Macht besitzt, wer über die meiste Energie verfügt. Ein Mann verfügt über die meiste Energie und dieser Mann regiert.

Die Stimulation des Traumempfindens ermöglicht Reisen in die Virtualität, die sich zuvor selektieren lassen. Plötzlich wird eine Leiche in einer dieser virtuellen Welten gefunden und wirft eine Menge Fragen auf. Gegenstände existieren in der Virtualität nicht. Tote Personen schon gar nicht.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Nov. 2023
ISBN9783384025791
iRule
Autor

Lutz Spilker

Lutz Spilker wurde am 17.2. des Jahres 1955 in Duisburg geboren. Bevor er zum Schreiben von Büchern und Dokumentationen fand, verließen bisher unzählige Kurzgeschichten, Kolumnen und Versdichtungen seine Feder. In seinen Veröffentlichungen befasst er sich vorrangig mit dem menschlichen Bewusstsein und der damit verbundenen Wahrnehmung. Seine Grenzen sind nicht die, welche mit der Endlichkeit des Denkens, des Handelns und des Lebens begrenzt werden, sondern jene, die der empirischen Denkform noch nicht unterliegen. Es sind die Möglichkeiten des Machbaren, die Dinge, welche sich allein in der Vorstellung eines jeden Menschen darstellen und aufgrund der Flüchtigkeit des Geistes unbewiesen bleiben. Die Erkenntnis besitzt ihre Gültigkeit lediglich bis zur Erlangung einer neuen und die passiert zu jeder weiteren Sekunde. Die Welt von Lutz Spilker beginnt dort, wo zu Beginn allen Seins nichts Fassbares war, als leerer Raum. Kein Vorne, kein Hinten, kein Oben und kein Unten. Kein Glaube, kein Wissen, keine Moral, keine Gesetze und keine Grenzen. Nichts. In Lutz Spilkers Romanen passieren heimtückische Morde ebenso wie die Zauber eines Märchens. Seine Bücher sind oftmals Thriller, Krimi, Abenteuer, Science Fiction, Fantasy und selbst Love-Story in einem. »Ich liebe die Sprache: Sie vermag zu streicheln, zu liebkosen und zu Tränen zu rühren. Doch sie kann ebenso stachelig sein, wie der Dorn einer Rose und mit nur einem Hieb zerschmettern.«

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    Buchvorschau

    iRule - Lutz Spilker

    Kapitel 1 – Die Bilder im Kopf

    Dieser süßliche Geruch von fauligem Obst mischte sich mit dem modrigem Gestank, der vom Wind über das Land getragen wurde und von den Meeren herüberzog. Es roch immer so. Die feinsalzige Brise Küstenluft kannte niemand mehr. Als schwimmende Abfallhalden gigantischen Ausmaßes waberten die Gewässer mit den Gezeiten daher und stanken ekelerregend.

    Die Strände glichen menschenleeren Wüsten. Die Luft war trüb, alles flirrte vor den Augen und die Atmosphäre roch bestialisch. Dieses Draußen wurde ausgesperrt, es wurde nicht mehr gebraucht. Es war wie alles andere auch zerfallen. Der Zahn der Zeit nagte an allem und zersetzte es. Diese Welt nahm sich eine Auszeit und erholte sich. Alles veränderte sich und Zeit schien nur noch für den Chronisten eine Rolle zu spielen – für die Evolution nicht. Das Leben existierte zwar, aber die Entwicklung des Menschen sollte noch nicht wieder passieren. Nichts war da, was eine lebensfreundliche und bewohnbare Zone überzeugen würde, die Schöpfung musste sich erneuern. Es vergingen viele Millionen Jahre.

    Das Leben fand seinen Weg zurück

    Schon immer waren diese Gefühle der Begleiter des Menschen und das blieben sie ein Leben lang. Sie haben ihn stets beherrscht, als wären sie sein vorgeschriebener Weg gewesen.

    Sie entstanden direkt in dem Augenblick nach der Geburt eines jeden Menschen, in dem mit der Durchtrennung der Nabelschnur scheinbar der Befehl zur Isolation und zum Alleinsein ertönte. Plötzlich schien dem Menschen bewusst geworden zu sein, dass er von diesem Moment an auf sich gestellt war und sich dieser Zustand nie mehr ändert. Niemand würde ihn wieder freiwillig ernähren, niemand würde ihn wieder wärmen, niemand würde ihn beschützen und niemand schenkte ihm irgendwann wieder bedingungslose Zuneigung. Ohne fremde Unterstützung bliebe er lebensunfähig. Diese Schutzlosigkeit machte ihn zur leichten Beute. Niemandem könnte er etwas entgegensetzen. Er benötigte dringend Hilfe. Diese Gewissheit gebar die Angst und der in dieser Sekunde entstandene Kleinmut vermochte der Mensch sein restliches Leben nicht mehr abzulegen. Diese ebenso unmotivierte, wie auch unbeschreibliche Furcht hielt somit schon vor vielen Millionen von Jahren Einzug in sein Erbgut.

    Bedürfnisse machten sich bemerkbar und forderten Beachtung. Vorlieben und Abneigungen bestimmten die ersten Eindrücke und der Ekel gesellte sich in die Runde der Urinstinkte. Das Gewissen drängte sich in den Tagesablauf und prägte vorherrschende Stimmungen und die Ahnung schwebte über allem. Aus einer Besorgnis wuchs eine Befürchtung und diese gipfelte in Argwohn.

    Etwas war da. Es war offensichtlich schon immer da. Es nahm offenbar schon immer einen Logenplatz ein, denn die Zukunft ereignete sich bereits in der Vergangenheit.

    Die erste Menschheit entwickelte sich also bereits vor etwa 17 Millionen Jahren, währte etwa 8 Millionen Jahre und existierte dann nicht mehr. So wurde es überliefert und gelehrt. Ob die damalige Zivilisation den Planeten verließ und anderswo neue Kolonien errichtete, blieb unbekannt. Hätte sich die damalige Menschheit in technologischer Hinsicht entsprechend weit entwickelt, läge diese Vermutung allerdings sehr nahe. Aber nur die Veranlagungen blieben als Hinterlassenschaft im Menschen und erweckten mit jedem Zweifel diesen unergründlichen Verdacht an etwas bereits vorher Vorhandenes.

    Kapitel 2 – Neubeginn

    In einer anderen Welt – In einer anderen Zeit

    Einst waren es noch vier Gebieter, die wie Fürsten über ihre Reiche und ihre Untertanen herrschten. Und das war noch gar nicht so lange her.

    Atugo war der Herrscher über das ›Land unter dem Wasser‹ und Pasilos befehligte das ›Obere Land‹. Das ›Kleine Land‹ unterstand der Gewalt von Semian. Flächenmäßig war zwar das Land unter dem Wasser das größte, aber darum wurde es nicht begehrenswerter. Land zu besitzen und zu regieren war jedermanns oberster Wunsch. Die Herrscher kamen in ihrer Macht den Gebietern der früheren Antike gleich. Auch sie fühlten sich gottgleich. Sie waren ebenso gnadenlos wie barmherzig, gerecht wie bewegt und neutral wie befangen. Doch ihr Wort galt und allein ihr Blick war Befehl. Sie wurden geliebt und sie wurden gehasst und oftmals beides zur gleichen Zeit.

    Reichtum wurde in Zeit gemessen und reich war, wer große Mengen von Zeit besaß. Gordius war der reichste und mächtigste Mann des gesamten Planeten. Er war der Herrscher des ›Großen Landes‹ und handelte bereits damals mit Zeit. Seine Gelehrten fanden eine Möglichkeit, die im Nichts befindliche Zeit zu separieren und sich ihrer zu bemächtigen. Zeit war das Seltenste und somit kostbarste überhaupt. Es war flüchtig und vergänglich und lediglich das Nichts bevorratete sie.

    Nach und nach fielen auch die anderen Reiche in Gordius Hand. Sodann wurde er zum mächtigsten Herrscher. Weiterhin umgab er sich mit den fähigsten Forschern, den weisesten Denkern und den kühnsten Ingenieuren. Er schuf das Fundament zur Herrschaft über den gesamten Planeten. Antalus Vater Kardus festigte diese Macht und mehrte das Gut. Er gab das Zepter stolz an seinen Nachkommen weiter. Sein einziger Sohn war Antalus. Antalus wurde somit zum alleinigen Herrscher des Planeten. Sein Wort musste lediglich durch die Senatoren des Magistrats genehmigt werden. Das permanente Wohlwollen des Magistrats erzielte Antalus durch die Bereitstellung von Lebensenergie aus dem Nichts. Es gestaltete sich für die Senatoren wie eine nicht enden wollende Verjüngungskur – wie ein Jungbrunnen. Sie lebten lang und Antalus besaß die ständige Mehrheit. Er herrschte.

    Antalus wählte sich Madras zum Weib. Ray war sein einziger männlicher Nachkomme und soll ihn einmal beerben. Hel war nicht mehr da. Sie verschwand eines Tages spurlos. Wahrscheinlich geriet sie ins Nichts oder wurde von einer unbekannten Macht verschlungen. Seither glaubte Antalus an die Macht der Zeit und untersagte jedem Familienmitglied strengstens den Kontakt zu einer VJ. Nur er selbst nutzte sie.

    Kapitel 3 – Das Nichts

    Das Nichts war die Zeitzone zwischen dem Hier und dem Da. Dort hinzugelangen war niemandes Absicht. Es war ein Versehen, eine Unachtsamkeit, ein Fehltritt – es war aber auch eine beabsichtigte Störung. Der Reisende betrachtete das Auftreten einer möglichen Störung nicht als halsbrecherisches Wagnis, denn der Angelegenheit wurde nie der Charakter eines Abenteuers zugemessen. Die Chance ins Nichts zu geraten war derart gering, dass sich niemand damit beschäftigte.

    Wer sich mittels VJ (Virtual Journey) in eine andere Welt begeben wollte und ein Opfer dieser Störung wurde, landete im Nichts. Das Nichts selbst ernährte sich ausschließlich von Zeit und gewährte kein Zurück. Das Nichts war ein Gefängnis, welches jeden Insassen lebenslänglich beherbergte. Der vom Leben getrennte, zeitlose Körper, löste sich selbst vollständig auf. Im Nichts existierte somit nur Leben, kein Tod. Zeit bedeutete Leben.

    Das Nichts akzeptierte nur Leben. Nur Lebende konnten reisen und nur Lebende besaßen Zeit, die ihnen mit ihrer Geburt geschenkt wurde. Einmal ins Nichts geratene Personen blieben dort. Von ihnen hörte man nichts mehr, sie galten vom Moment des Bekanntwerdens ihres Verschwindens als vermisst. Niemand wusste, was mit ihnen passierte und niemand wusste, was ihnen jemals widerfuhr. Übrig blieb nur die Erinnerung.

    Trotz größtmöglicher Schutzmaßnahmen gelang es immer wieder, der zentralen Steuerung ein Störprogramm zuzuführen, welches nur die Aufgabe besaß, die Reisenden des VJ ins Nichts zu leiten. Es wurde sogar vermutet, dass diese Störung von oberster Stelle, oder zumindest mit Billigung der Verantwortlichen geschah, zumal lediglich ihrerseits davon profitiert werden konnte. Nirgendwo anders wurde außerhalb einer Geburt Zeit produziert – nur im Nichts. Und nirgendwo anders – als während der Startphase des VJ – ergaben sich die Möglichkeiten einer gezielten Umleitung. Es war demnach kein Zufall, dass die Weltenbummler des VJ genau dort eintrafen, wo sie gleichsam erwartet wurden.

    Es war der Augenblick. Die kurze Weile, die in jedem Moment entstand und kaum, dass sie zu existieren schien, schon wieder verschwand. Diese eine Dauer zog eine nächste ständig mit sich. Dazwischen befand sich vermeintlich nichts. Jedenfalls nichts, was sich fassen oder messen ließ. Es bewegte sich nicht. Es stoppte und es beschleunigte nicht, weil es bloß da war. Es pulsierte nicht und es verbrauchte sich nicht selbst. Aber niemand konnte genau bestimmen, wo es war. Ob es sich dabei um eine mögliche Zukunft oder eine bereits passierte Weile handelte, war auch niemandem bekannt. Wahrhaft war, dass es existierte.

    Das Nichts war also der Ort zwischen dem Jetzt und Hier und einem Dort. Das Dort musste somit existieren. Es wurde vom Reisenden bei jedem Beginn in eine VJ konkret definiert. Der Zentralrechner bot sich somit als unbestechliches Alibi an, zumal er ständig über den virtuellen Aufenthaltsort jeder Person informiert war. Das Bewusstsein eines VJ-Weltenbummlers hielt sich – ähnlich eines Traumes – also immer dort auf, wo sich die Virtualität der Person auch befand. Das Nichts besaß keinen Eingang und keinen Ausgang – es war kein architektonisch konzipierter Raum. Das Nichts war eine niemandem bekannte Dimension, welche den Start- und den Zielpunkt einer Zeitreise verband. Es war der Ort dazwischen. Man konnte ihn nicht willentlich aufsuchen oder ihn betreten und man konnte ihn nicht wahrnehmen. Wer nie in der Zeit reiste, sich demnach nie der Möglichkeit einer Konfrontation mit der Störfunktion auslieferte, besaß auch nie die Gelegenheit das Nichts kennenzulernen. Im Nichts existierten keine Positionen, keine Richtungen, keine Schwerkraft und vor allem keinerlei spürbares Zeitempfinden.

    Seit wann es das Nichts gab und wie es entstand, war unbekannt. Wahrscheinlich existierte das Nichts bereits seit Anbeginn der Zeit und wurde erst durch die VJs wiederentdeckt.

    Das Nichts speicherte Zeit. Im Nichts existierte allerdings mehr Zeit, als das Nichts zum Selbsterhalt benötigte. Das Nichts in irgendeiner Art und Weise zu benutzen oder zu verwenden, war lediglich einer Person gelungen. Dem Nichts die darin gespeicherte Zeit zu entnehmen, um sie anderweitig zu verwenden, vollführten auch Antalus Wissenschaftler. Bei ihm konnten Menschen Zeit kaufen.

    Kapitel 4 – iRule

    Die reale Welt wurde bloß verlassen, um sich in einer virtuellen Umgebung zu vergnügen. Dort warteten keine Aufgaben auf niemanden, dort musste niemand pünktlich sein und dort musste niemand irgendwelchen Pflichten nachkommen. Alles diente der Erholung, der Befriedigung individueller Wünsche und letztlich der Kurzweil. Niemandem war es möglich, sich unbefugt in eine virtuelle Welt zu begeben oder sich in einer solchen Umgebung anonym aufzuhalten.

    Der Reisende lernte nichts Neues und nichts Unbekanntes kennen, wenn er es nicht verfügte. Jeder behielt seine Sprache, seine Kultur und seine Gewohnheiten. Die einzige Grenze in der Virtualität war das eigene Ich. Nichts war dem Reisenden in der Virtualität mehr möglich als das, was er in der Realität ebenso vermochte. In vielerlei Hinsicht existierten keine Verbote in der künstlichen Welt. Niemand konnte illegitimes bewerkstelligen. Niemand konnte verletzt und nichts konnte beschädigt werden und niemals kam etwas abhanden.

    Zu jeder Zeit war es jeder Person gestattet virtuelle Welten zu besuchen. Dazu wurde sich bloß einer einzigen Vorrichtung bedient. Eigentlich sah dieses Möbel wie ein bequemer Sessel aus, der zum gemütlichen Verweilen einlud und das sollte genau so sein. Oft wurden nämlich viele Stunden der Entspannung, der Unterhaltung, oder der Zerstreuung darin verbracht. Dieses Sitzmöbel bot lediglich einer Person Platz und wurde als Startposition für jede Virtual Journey (VJ) verstanden.

    Dem Kopf bot sich ein Polster als Ruhefläche und eine weitere Unterlage gestattete es, die Beine entspannt abzulegen. Links und rechts zeigten sich Lehnen, deren obere Fläche nicht nur zur Ablage der Arme und Hände, sondern auch als sogenannter Hunter diente.

    Einem, der sich im Hunter befindenden Arme, wurden mittels einer bioelektronischen Methode Informationen durch die Haut übermittelt, welche die geforderte VJ auslöste. Diese Bescheide gelangten über die Nervenbahnen direkt ins Gehirn und veranlassten dort die erforderlichen Bedingungen. Hierbei wurde sich derselben Vorgehensweise bedient, die Menschen auch einen Traum erleben ließen.

    Nur innerhalb dieses Vorgangs war es möglich eine Fehlinformation zu übermitteln, durch die der Reisewillige ins Nichts gelangen konnte. Die jeweilige Dauer einer VJ bestimmte das sicherheitsbedingte Limit von 150 Minuten. Dann löste Manny automatisch den Autoreturn aus. Eine erneute VJ war im direkten Anschluss an eine soeben beendete jederzeit möglich. Die zurückbleibende Erscheinung wurde Trägheit genannt. Die Trägheit war sozusagen das Phantom der reisenden Person. Es war eine nicht anfassbare Darstellung, die sich über die Transparenz unaufhörlich auflöste. Bis zum kompletten Verschwinden der Trägheit würden exakt 150 Minuten vergehen. Erfolgte also kein Autoreturn binnen dieser Zeit, bliebe die Person in der VJ oder sie wäre ins Nichts geraten.

    Da die Chance ins Nichts zu geraten zwar bekannt war, jedoch nicht als potenzielle Gefahr betrachtet wurde, nahm sie jeder in Kauf. Niemand machte sich darüber Gedanken. Es barg keine wissentlichen Nachteile in sich. Es war weder mit körperlichen Einbußen, noch mit anderen, spürbaren Verlusten oder Einschränkungen verbunden und somit hinzunehmen. Prinzipiell konnte sich der Reisende lediglich in eine parallele Welt oder in die Vergangenheit begeben, zumal dann erst dort die aktuell gehabte Gegenwart zur tatsächlichen Zukunft geriet, aber nicht so empfunden wurde. Reisen in eine mögliche Zukunft waren vom Zentralrechner nicht zu realisieren. Das Verweilen in einer der angebotenen Parallelwelten war der überwiegende Wunsch der Reisenden. Meistens setzte eine solche Tour die zuletzt getätigte Reise fort und schloss fast nahtlos an den bestehenden Aufenthalt an.

    Zur Abgleichung der personenspezifischen Daten scannte eine Technik die Fingerabdrücke und den zur Einleitung sämtlicher Handlungen geäußerten Begriff iRule ein. Die Deckungsgleichheit der Stimme bestach als untrüglicher Identifikator.

    Verließen diese Daten den Toleranzbereich und zeigten nicht die – mit den jeweils hinterlegten Mustern – erforderliche Übereinstimmung, stoppte das gesamte Unterfangen auf der Stelle. Um wieder alle Funktionen zu aktivieren, musste der Benutzer den nur ihm bekannten Code eingeben und entsperrte dadurch die Blockade. Bei Manipulationsversuchen, zu häufigen Fehlfunktionen aufgrund eigenen Verschuldens oder anderen, widerrechtlichen Handlungen, wurden sämtliche Funktionen umgehend und dauerhaft gesperrt.

    Sämtliche Übermittlungen wie auch Versorgungen, passierten über verschlüsselte Verbindungen, die sich außerhalb des akustischen oder optischen Wahrnehmungsbereichs verhielten.

    Kapitel 5 – Manny, wo bin ich

    Es herrschte strikte Geburtenkontrolle. Jedweder menschlicher Nachwuchs musste bereits während einer Schwangerschaft offiziell deklariert werden. Illegale Geburten (IBs) durfte es daher nicht geben. Jeder Person wurde direkt nach seiner Geburt ein Chip implantiert und damit war sie datentechnisch erfassbar. Der Datenchip lieferte dem Zentralrechner jederzeit sämtliche Vital- und Verhaltenswerte. Auf diese Weise beobachtete der Zentralrechner auch gesundheitliche Mängel und konnte lebensbedrohlichen Beschwerden potenziell begegnen. Niemand kannte es anders, warum es als völlig selbstverständlich praktiziert wurde.

    Der Chip wurde vom Hunter völlig berührungslos durch die Haut implantiert und zirkulierte nach diesem Vorgang in der Blutbahn. Dort sammelte der Chip alle relevanten Informationen und bereitete sie für einen Abruf vor. Die abgerufenen Bio-Daten wurden von Manny mit anderen vorliegenden Daten verglichen und entsprechend agiert.

    Die Abfrage der Geo-Daten passierte auf ähnliche Weise.

    Unentwegt wurde Atemluft produziert und der Atmosphäre zugeführt. Natürliche Sauerstoffproduktionen fanden so gut wie nicht mehr statt. Die Atmosphäre wurde permanent überwacht. Überall befanden sich Detektoren, Sensoren, Sonden, Mikrofone und Scanner. Nicht nur die Qualität der Atemluft war der Grund der Überwachung, sondern jede Person sollte auch zu jeder Zeit über die Gewissheit einer maximalen Sicherheit verfügen.

    Jede Person benötigte pro Tag eine gewisse Menge Energie und jede Person stellte an sich eine bestimmte Menge von Energie dar. Diese Energie wurde erfasst und im EEE (Erfassung und Überwachung zur Einhaltung der Energie) als Gesamtzahl optisch dargestellt. Sie erschien auf einer übergroßen Anzeigetafel und durfte ohne entsprechende Genehmigung nicht überschritten werden. Diese Zahl gab also gleichsam die aktuelle Bevölkerung auf dem Planeten an. Unerlaubtes Leben erzeugte eine Überschreitung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten und stellte infolgedessen eine Bedrohung für die gesamte Menschheit dar. Neues menschliches Leben wurde also nur dann erlaubt, wenn eine bestimmte Menge von Menschen verstarb, Energien frei wurden und demnach neu verfügt werden konnten. Zur Billigung neuen Lebens bedurfte es sehr häufig derartiger Gegebenheiten. Unterschreitungen des Energiereservoirs stellten neues Leben in Aussicht, doch Überschreitungen bedeuteten allgemein Gefahr.

    Jegliche Abweichungen der Ressourcen von Sauerstoff und Trinkwasser stellten sich stets als lebensbedrohlicher Zustand für die gesamte Bevölkerung dar und wurden allein daher nicht geduldet. Die Notwendigkeit einer konsequenten Überwachung der Geburten wurde bereits von Gordius erkannt. Er sah ebenfalls, dass die Bedrohung der Menschheit lediglich von ihr selbst ausging und niemals von außen erfolgen würde. Mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten wurde die Überwachung der Lebensenergie vom Zeitpunkt der Geburt bis hin zum Tode eines jeden Menschen ständig verbessert.

    Allerorts waren sämtliche Böden mit Kontakten versehen. Somit bekam der Zentralrechner, der inoffiziell Manny genannt wurde, ständig neue Informationen über den konkreten Aufenthaltsort jeder einzelnen Person. Verbalisierte Äußerungen, die mit iRule begannen, initiierten Manny und waren persönliche Mittelungen oder Bestellungen. Jegliche Art von Warenoder Dienstleistungsanforderungen passierten über Manny, der zur Identifikation mit dem Begriff iRule aktiviert werden musste. Erst dann standen codierte Übermittlungsebenen zur Verfügung und erst dann präparierte sich Manny auf einen Individualvorgang.

    Kapitel 6 – Schichtwechsel

    Dem VJ’ler bot sich jede erdenkliche Möglichkeit, doch – als gäbe es nur einen Punkt in der Virtualität – zog es ihn nach der Stadt Artec und dort besuchte er das Unterhaltungszentrum namens Lazy.

    Die Beschäftigung im Lazy war einerseits sehr anspruchsvoll, doch andererseits recht anstrengend. Dort schon einmal gearbeitet zu haben bedeutete jedenfalls etwas Besonderes und darum galt eine Anstellung als sehr begehrt. Häufige Personalwechsel waren die Folge des täglich hohen Besucherandrangs, denn das Lazy war nicht bloß irgendein Freizeitspaß. Es war das trendigste Vergnügungscenter in der gesamten virtuellen Welt. Wer das Lazy nicht kannte, besaß entweder noch keinen Sessel, war also noch nicht alt genug oder war von Manny dauerhaft gesperrt worden.

    Ray war nicht nur Antalus Sohn, sondern auch für das Personal in der Virtualität zuständig. Mit neuen Mitarbeitern verabredete er sich gern im Lazy, weil es dort am meisten zu tun gab und er direkt vor Ort zeigen konnte, um was es ging.

    Wahrscheinlich sah ihn dort jeder zum ersten Mal: den Tamtam. Er sah aus wie ein fingerloser Handschuh und ließ sich auch so tragen. Die Innenfläche dieses hautfarbenen Kleidungsstücks zeigte dann jedoch, dass er mehr war, als bloß ein gewöhnliches Accessoire. Er war ein Kommunikator. Im Grunde genommen handelte es sich um ein gewöhnliches Sprechfunkgerät, das ähnliches eines Handschuhs getragen wurde, aber unauffällig blieb. Der Benutzer eines Tamtams sprach einfach in die Innenhandfläche und konnte sich auf diese Weise sehr komfortabel mit jedem voreingestellten Empfänger unterhalten. Eingehende Verbindungswünsche wurden an einer Vibration erkannt, die sich individuell einstellbar gestaltete. Ein Tamtam musste nicht ein- oder ausgeschaltet werden. Es aktivierte, beziehungsweise deaktivierte sich über eine Bio-Erkennung des Chips. Eine unautorisierte Benutzung wurde somit gänzlich ausgeschlossen.

    Ronny, dem Neuen in der Runde, schärfte Ray auch ein, dass die Zufriedenheit jedes einzelnen Besuchers oberste Priorität besaß, denn nur so wäre ein Wiederkommen gewährleistet und der Ruf des Centers, sowie der Stadt, blieben anstandslos. Ray tat alles, um das Wohlgefallen der Besucher im Sinne seines Vaters herzustellen. Das verstand Ronny sofort. Allen in der virtuellen Welt beschäftigten Personen, wies Manny einen speziellen Status zu, der sich insbesondere auf die Aufenthaltsdauer auswirkte. Das Lazy kannte keine Ruhezeiten. Es stand den Besuchern jederzeit zur Verfügung. An der Bar im Lazy wurde auch Alkohol ausgeschenkt. Der Konsum von Alkohol wirkte sich in der Virtualität genauso aus, wie in der Realität. Auch in diesem Fall wurden die entsprechenden Gehirnregionen stimuliert, welche die entsprechende Wirkung aktivierte. Manny wachte über die jeweils konsumierte Menge und der Hunter erwies sich einmal mehr als unabdingbar.

    Auf der linken Seite der Eingangsebene erstreckte sich eine schier endlose Bar. Die davor fest montierten Hocker waren ständig besetzt. Auch dazwischen standen und drängelten Leute. Sie gehörten zu

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