Das geraubte Glück: Dr. Norden Extra 163 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Die schnelle Limousine raste über die nachtschwarze Fahrbahn. Die Scheinwerfer spiegelten sich auf dem regennassen Asphalt, als sie der Leitplanke in einer Kurve bedrohlich nahe kam. Noch einmal fing sich der metallic blaue Wagen, doch in der nächsten Biegung geriet er erneut ins Schlingern. Der verzweifelte Versuch des Fahrers, ihn wieder in den Griff zu bekommen, scheiterte. Mit schreckgeweiteten Augen erfaßte die Beifahrerin, wie sie die Leitplanke mit einem entsetzlichen Geräusch durchbrachen und direkt auf einen Baum zurasten. Merkwürdigerweise spielte sich das Geschehen vor ihren Augen in Zeitlupe ab, was ihm jedoch nichts von seinem Schrecken nahm. Nach einem schier unendlichen Augenblick erreichte der Wagen den Baum. Mit einem ohrenbetäubenden Lärm bohrte er sich in den dicken Stamm. Das letzte, was sie registrierte, war die splitternde Windschutzscheibe und ein unerträglicher Schmerz, der ihr die Luft zum Atmen nahm. Dann wurde es Nacht um sie. Mit einem Schrei erwachte Juliane Sewald. Sie atmete heftig, und die braunen Locken klebten ihr an der schweißnassen Stirn, als sie sich verwirrt umblickte. Sie mußte sich erst einmal in der Wirklichkeit zurechtfinden, ehe sie sich langsam beruhigen konnte. Mit zitternden Händen zog sie sich die Bettdecke, die in der Hitze des Traums heruntergerutscht war, bis übers Kinn und gemahnte sich, tief durchzuatmen. Das, wovor sie sich insgeheim so sehr gefürchtet hatte, war eingetreten: die Alpträume waren wieder da! Während Juliane die Übungen machte, die ihr ihr Therapeut erklärt hatte, um der Panikattacken Herr zu werden, bahnte sich ein vorwitziger Sonnenstrahl den Weg durch eine Ritze im Vorhang und tanzte lustig auf dem Holzfußboden. Das Fenster des kleinen Apartments war gekippt, so daß der Wind den Vorhang sanft bewegte, als wolle er mit dem Lichtschein spielen. Noch immer hatte sich Juliane unter der Decke verkrochen, doch ihre Blicke folgten dem aufmunternden Spiel des Sonnenlichts. Endlich war es ihr gelungen, und auch der Schweiß auf ihrer Stirn war getrocknet. Sie warf einen Blick auf den Wecker, der neben dem Krankenbett stand und erschrak.
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Buchvorschau
Das geraubte Glück - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Extra
– 163 –
Das geraubte Glück
Patricia Vandenberg
Die schnelle Limousine raste über die nachtschwarze Fahrbahn. Die Scheinwerfer spiegelten sich auf dem regennassen Asphalt, als sie der Leitplanke in einer Kurve bedrohlich nahe kam. Noch einmal fing sich der metallic blaue Wagen, doch in der nächsten Biegung geriet er erneut ins Schlingern. Der verzweifelte Versuch des Fahrers, ihn wieder in den Griff zu bekommen, scheiterte. Mit schreckgeweiteten Augen erfaßte die Beifahrerin, wie sie die Leitplanke mit einem entsetzlichen Geräusch durchbrachen und direkt auf einen Baum zurasten. Merkwürdigerweise spielte sich das Geschehen vor ihren Augen in Zeitlupe ab, was ihm jedoch nichts von seinem Schrecken nahm. Nach einem schier unendlichen Augenblick erreichte der Wagen den Baum. Mit einem ohrenbetäubenden Lärm bohrte er sich in den dicken Stamm. Das letzte, was sie registrierte, war die splitternde Windschutzscheibe und ein unerträglicher Schmerz, der ihr die Luft zum Atmen nahm. Dann wurde es Nacht um sie.
Mit einem Schrei erwachte Juliane Sewald. Sie atmete heftig, und die braunen Locken klebten ihr an der schweißnassen Stirn, als sie sich verwirrt umblickte. Sie mußte sich erst einmal in der Wirklichkeit zurechtfinden, ehe sie sich langsam beruhigen konnte. Mit zitternden Händen zog sie sich die Bettdecke, die in der Hitze des Traums heruntergerutscht war, bis übers Kinn und gemahnte sich, tief durchzuatmen. Das, wovor sie sich insgeheim so sehr gefürchtet hatte, war eingetreten: die Alpträume waren wieder da!
Während Juliane die Übungen machte, die ihr ihr Therapeut erklärt hatte, um der Panikattacken Herr zu werden, bahnte sich ein vorwitziger Sonnenstrahl den Weg durch eine Ritze im Vorhang und tanzte lustig auf dem Holzfußboden. Das Fenster des kleinen Apartments war gekippt, so daß der Wind den Vorhang sanft bewegte, als wolle er mit dem Lichtschein spielen. Noch immer hatte sich Juliane unter der Decke verkrochen, doch ihre Blicke folgten dem aufmunternden Spiel des Sonnenlichts. Endlich war es ihr gelungen, und auch der Schweiß auf ihrer Stirn war getrocknet. Sie warf einen Blick auf den Wecker, der neben dem Krankenbett stand und erschrak. Schon nach neun Uhr. Da mußte sie sich beeilen, wenn sie noch ein Frühstück wollte! Entschieden richtete sie sich im Bett auf und schlug die Decke zurück. Obwohl der Unfall bereits über zwei Jahre her war, kostete es sie immer noch Überwindung, ihre dünnen Beine zu betrachten, die wie tot auf der Matratze lagen. In einer vagen Hoffnung betastete sie die Oberschenkel, doch wie jeden Morgen spürte sie nicht das Geringste. Seufzend zog sie sich den Rollstuhl heran, der neben dem Bett stand, stemmte sich mit einem Kraftakt nach oben und ließ sich auf die Sitzfläche gleiten. Geschafft! Die erste Hürde des Tages war genommen. Jetzt würde alles leichter gehen. Juliane war entschlossen, sich von den Schrecken des Traums nicht einschüchtern zu lassen und rollte ins Bad, um sich zurechtzumachen.
Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild, als sie schließlich fertig angezogen und geschminkt war. Als ihr die Ärzte nach dem Unfall unmißverständlich klargemacht hatten, daß sie nie mehr wieder würde gehen können, hatte sie sich in einer Trotzreaktion vorgenommen, ihre Behinderung durch umwerfendes Äußeres auszugleichen. Manchmal kostete es Juli, wie sie von ihren besten Freunden genannt wurde, einige Überwindung, sich aufzuraffen, sich schick zu kleiden und zu schminken. Doch wenn es dann geschafft war, fühlte sie sich gleich viel wohler. Die täglichen Übungen an verschiedenen Geräten taten ihr übriges, um ihr den Anschein zu geben, als säße sie nur zum Spaß in diesem Rollstuhl. Natürlich waren die langen Beine, die einmal ihr Stolz gewesen waren, dünner geworden, denn selbst das beste Training konnte es nicht verhindern, daß die Muskeln abbauten, aber das ließ sich durch weite Hosen gut kaschieren.
Als Juliane die Tür des Apartments öffnete, schlug ihr die frische, klare Januarluft entgegen. In der Nacht war es klirrend kalt gewesen, doch es lag kaum Schnee, so daß die gepflasterten Wege frei waren und sie allein zum Speisesaal fahren konnte. Sie genoß den blauen Himmel, von dem die blasse Wintersonne strahlte. Ihre Wangen waren rot, als sie die Tür des Restaurants aufstieß, in dem auf der Insel der Hoffnung das Frühstück serviert wurde.
»Guten Morgen, Frau Sewald!« wurde sie sofort freundlich von Dr. Johannes Cornelius begrüßt. »Haben Sie gut geschlafen?« Ohne viel Aufhebens davon zu machen, übernahm er die Führung des Rollstuhls und brachte sie an ihren Platz.
Juliane genoß die Selbstverständlichkeit, mit der ihre Behinderung hier behandelt wurde und lächelte Dr. Cornelius strahlend an.
»Leider nicht. Diese Alpträume rauben mir noch den letzten Nerv. Dabei dachte ich, diese Phase der Vergangenheitsbewältigung läge hinter mir. Als wäre ich mit meiner Behinderung nicht schon gestraft genug!« Sie versuchte, ihre Stimme unbeschwert klingen zu lassen, doch vor Johannes konnte sie ihre wahren Gefühle nicht verbergen.
»Sie müssen sich nicht verstellen. Es ist wichtig, daß Sie ihrem Kummer und Ärger über Ihr Schicksal Luft machen. Sonst überwinden Sie dieses Trauma nie!« erklärte er ernst.
»Ihr Ärzte seid Euch wohl immer einig! Mein Therapeut sagt das auch«, lächelte Juliane anzüglich. Gerade an diesem strahlenden Tag wollte sie den dunklen Gedanken keine Macht über sich und ihre Stimmung geben.
»Dann wird es wohl richtig sein. Aber jetzt genießen Sie erst einmal das Frühstück. Wann beginnt denn Ihr Programm?«
»Die Physiotherapie ist heute erst am Nachmittag, danach steht eine Stunde Psychologie auf dem Programm. Ich habe also genügend Zeit, diesen herrlichen Wintertag zu genießen. Ein Spaziergang scheint mir da genau richtig.« Sehnsüchtig wanderte ihr Blick durch die großen Fensterscheiben in den von Reif überzuckerten Park.
»Eine gute Idee. Wie wäre es, wenn meine Tochter Fee Sie dabei begleiten würde? Sie wartet schon seit Tagen auf eine Gelegenheit, sich mit Ihnen in Ruhe zu unterhalten.«
»Sagen Sie Ihr, daß ich mich sehr freue!« Dankbar schaute Juliane zu dem Arzt auf. Er war ungemein sensibel und erahnte ihre Stimmungen, ohne daß sie viel zu reden brauchte. Ein Gespräch mit Fee Norden war genau das Richtige an so einem Tag.
Während sie frühstückte, überlegte sie, wie oft sie seit ihrem Unfall schon auf der Insel der Hoffnung gewesen war. Waren es fünf oder gar schon sechs Aufenthalte? So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht erinnern. Die erste Zeit nach dem Unfall, den ihr Mann Carsten verschuldet und unverletzt überlebt hatte, war wie im Traum vergangen. Juliane konnte sich an fast nichts erinnern, was in den ersten Monaten nach dieser schrecklichen Erfahrung mit ihr geschehen war. Erst durch ihren ersten Aufenthalt auf der Roseninsel war sie langsam wieder ins Leben zurückgekehrt. Hier hatte man es verstanden, ihren Lebensmut wieder zu wecken. Immer, wenn sie sich entmutigt und schwach fühlte, kehrte sie hierhin zurück. Carsten liebte sie zwar auf eine fürsorgliche, zärtliche Weise und versuchte sein Menschenmögliches, um seine Schuld gutzumachen, aber alles konnte er einfach nicht auffangen. Wenn Juliane ehrlich war, genoß sie das Alleinsein auf der Insel ungemein, mußte sie doch dort weitgehend selbständig sein, während ihr zu Hause Carsten und ihre inzwischen sechzehnjährige Tochter Kira so viel wie möglich abzunehmen versuchten.
»Guten Morgen, Frau Sewald. Ich habe gehört, daß Sie heute spazierengehen wollen. Darf ich Sie begleiten?« Die warme Stimme Fee Nordens unterbrach Julianes Gedanken, und erfreut betrachtete sie die Arztfrau. Sie trug bereits eine warme Jacke und Handschuhe, und ihre außergewöhnlichen violetten Augen blitzten unternehmungslustig.
»Gern. Ich trinke nur schnell meinen Kaffee aus.« Hastig nahm Juli einen Schluck aus der Tasse und verzog dann das Gesicht. »Igitt, er ist kalt. Ich habe mal wieder zu lange geträumt. Das passiert mir hier immer wieder.«
»Das muß an der besonderen Atmosphäre liegen, die die Roseninsel ausstrahlt. Der Geist wird geradezu aufgefordert, sich auszuruhen.«
»Das haben Sie schön gesagt. Aber jetzt ist keine Zeit zum Träumen. Ich ziehe nur schnell meinen Mantel an, und dann können wir starten.« Doch plötzlich hielt Juliane inne. »Wird Ihre Familie Sie nicht vermissen?«
»Keine Sorge«, lachte Fee vergnügt. »Die fünf Trabanten haben hier genügend Möglichkeiten, sich sinnvoll zu beschäftigen.« Gerade in diesem Moment stürmten Jan und Dési mit Anneka im Schlepptau durch den Speisesaal auf der Suche nach ihrer Großmutter Anne Cornelius. Trotz der Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegten, verhielten sie sich rücksichtsvoll und leise den Patienten gegenüber.
»Was für eine schöne Familie«, lächelte Juliane verklärt. »Ich habe leider nur eine Tochter, und die war eigentlich nicht geplant, auch wenn ich es niemals bereut habe, sie doch bekommen zu haben. Sie müssen wissen, daß ich damals noch sehr jung