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Schambereich: Über Sex sprechen
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eBook204 Seiten2 Stunden

Schambereich: Über Sex sprechen

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Über dieses E-Book

Exkursion ins Sumpfgebiet unserer Seele
Nach dem Erfolg von »Dry« schreibt Christine Koschmieder über Sex und Intimität. Persönlich, mutig und lustig erkundet sie die Körpererfahrungen, die sie und andere Frauen im Lauf ihres Lebens gemacht haben.
Gerade hat sie die Suchtklinik verlassen, da steht Christine Koschmieder vor einer neuen Herausforderung: Bisher hatte sie Sex meistens mit Hilfe von Alkohol. Aber wie lassen sich Intimität, Liebe und Sex ohne Betäubung erfahren? Und woher kommt ihre Angst vor Nähe eigentlich? Aus ihrer Biografie, aus unserer Kultur, oder ist sie einfach da? Mit 50 Jahren begibt sich Christine Koschmieder auf eine Exkursion ins »Sumpfgebiet unserer Seele«. Sie besucht Freundinnen, Ex-Lover und eine Sexualtherapeutin. Sie befragt sich und andere nach Nacktheit und Erregung, Grenzsetzung, Pornographie, OnlyFans und Selbstermächtigung. Sie folgt den Spuren, die ihre Beziehungen hinterlassen haben. Am Ende weiß ihr Kopf fast alles, aber ihr Körper noch nicht. Und dann fängt das eigentliche Abenteuer der Intimität an.
»Ich hatte Sex, und ich habe drei Geburten und zwei Abtreibungen hinter mir. Ich kenne also meinen Körper. Was ich allerdings bis heute nicht gut kann: körperliche Nähe herzustellen und eine Sprache dafür zu finden. Das will ich jetzt ändern.«
»Christine Koschmieder sucht nach einer Sprache für Sex, und dabei stellt sich heraus, dass es eigentlich um eine Sprache für (fast) alles geht, was wichtig ist. Eine mutige Memoir über das Verhältnis zum eigenen Körper, über die Angst vor Intimität, über Selbstbestimmtheit in Zeiten von OnlyFans und nicht zuletzt über die Frage, was Lust mit Vertrauen zu tun hat.«
»Man verlässt dieses Buch verändert, mit einem tieferen Blick auf sich selbst und zärtlicher gegenüber anderen.« Teresa Bücker
SpracheDeutsch
HerausgeberKanon Verlag
Erscheinungsdatum11. Okt. 2023
ISBN9783985680979
Schambereich: Über Sex sprechen
Autor

Christine Koschmieder

Christine Koschmieder, geb. 1972 in Heidelberg. Studium der Theater-, Medien- und Kommunikationswissenschaft und Postgraduate Studies Intercultural Communication and European Studies. Gründerin der Literaturagentur Partner + Propaganda. Autorin, Übersetzerin, Fundraiserin. Ihr Debütroman »Schweinesystem« war für den aspekte-Preis 2014 nominiert. Ihr autofiktionaler Roman »Dry« war im Handel und in der Presse ein Erfolg und begeisterte u.a. im Literarischen Quartett.

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    Buchvorschau

    Schambereich - Christine Koschmieder

    TEIL I|KARTIERUNG

    HOW I GOT HERE

    How had I wound up naked, and roasted like a half-done chicken, in a seedy dump in Paris? And where the hell was I going next?

    Erica Jong, Fear of Flying

    1973. Elisabeth und Wolfram finden Blau schöner als Rosa. Also werde ich im blauen Strampler durchs Dorf gefahren. Wer sich über den Kinderwagen beugt, dem entfährt, »ä Buu, wie schee«, ein Junge, wie schön. Nein, ein Mädchen, stellt meine Mutter klar. »Aa net schlimm.«

    Als ich neun oder zehn bin, höre ich zum ersten Mal den Vergleich von Brüsten mit einem Bügelbrett. Er kommt von meiner Mutter, und es sind ihre eigenen Brüste, über die sie spricht, und offensichtlich ist das nichts, was man sein will: Flach wie’n Bügelbrett. Die anderen zweidimensionalen Brüste, die ich sehe, sind auf der Titelseite einer Illustrierten. Genauer gesagt: Brüste, die ich nicht sehe. Weil meine Großmutter sie mit Leukoplaststreifen abgeklebt hat. Brüste, wenn sie flach oder abgebildet sind, sind nicht erstrebenswert.

    Als ich II oder 12 bin, will ein Mädchen in der Bravo von Dr. Sommer wissen, ob sie sich Sorgen machen muss, zu eitel zu sein, weil sie jedes Schaufenster, an dem sie vorbeikommt, als Spiegel benutzt. Ich weiß nicht mehr, was Dr. Sommer antwortet, aber bis zu diesem Moment wäre ich nie auf die Idee gekommen, mein Aussehen in einer Schaufensterscheibe zu überprüfen. Ab diesem Moment schon.

    Als ich 12 oder 13 bin, lese ich in der Bravo zum ersten Mal über Selbstbefriedigung. Und von Gegenständen, die Mädchen sich dazu einführen: Kerzen, Gurken, Möhren. Bis dahin wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir eine Kerze oder Gurke einzuführen. Ich finde den Duschbrausekopf aber auch danach viel besser geeignet. Oder wenn wir Heiraten spielen, uns nackt aufeinanderlegen und so lange aneinander reiben, bis wir zum Orgasmus kommen, von dem wir nicht wissen, dass er so heißt, und den wir voreinander zu verbergen versuchen, warum auch immer, Selbstbefriedigung hat uns niemand verboten. In mein Fünfjahrestagebuch im Postkartenformat, das nur fünf Zeilen für jeden Tag vorsieht (weswegen ich lange Worte abkürze), findet sich ab dem Jahr 1983 mehrmals wöchentlich der Eintrag »abends selbst befr.«.

    Mit 15 renne ich mit einer Flasche Erdbeersekt in der Hand durch die Gänge und rufe, »Die machen sich ihr Leben kaputt.« Wir sind auf Klassenfahrt, und die, das sind die anderen Mädchen aus meiner Klasse, und ihr Leben machen sie sich meiner Ansicht nach kaputt, weil sie nichts dabei finden, sich mit den Jungs zum Knutschen und Fummeln zu verabreden, obwohl sie gar nicht ineinander verknallt sind. Körperlichkeit und Sex ohne Liebe, das geht gar nicht. Glaube ich da noch.

    Mit 17 liege ich mit aufgeknöpftem Kleid und ohne Unterhose nachts am Strand von Monterosso. Ich erinnere mich an die Kieselsteinchen, die sich mir in den Rücken drücken, und frage mich, ob der Junge, mit dem ich den ersten Geschlechtsverkehr meines Lebens zu haben versuche, wohl merkt, dass ich noch einen Tampon drin habe.

    Ein paar Monate später liege ich nackt in einem Schlafsack auf dem Teppich vor dem Kamin im Haus meiner amerikanischen Gast-Eltern, und mein damaliger Boyfriend versucht, seinen Schwanz in mir zu verstauen. Ob uns das gelungen ist und wie wir uns dabei gefühlt haben, kann ich nicht mehr sagen, weil ich mich davor, wie so oft im späteren Leben, betrunken habe, um meine Scham und Versagensangst zu überwinden, ohne überhaupt sagen zu können, wofür ich mich eigentlich geschämt habe und worin meine Versagensangst bestand.

    Mit 24 kauere ich nackt auf einem Hocker in einem gekachelten Raum neben einem Heizkörper, und es riecht nach Kaffee. Eine Freundin, die bei der Geburt dabei ist, hat die Hebamme dazu gebracht, in der Schwesternküche Kaffee zu kochen und den Kaffeesatz in den Kreißsaal zu bringen. Der Kaffeesatz von frisch gebrühtem Kaffee soll einem Dammriss vorbeugen. Der Damm hält, und kurz darauf halte ich ein winziges Kind mit ziemlich blauen Fußsohlen im Arm.

    Mit 27 sitze ich auf einer Waschmaschine in Fulda, und der Mann, mit dem ich mein zweites Kind zeugen werde, steht mit heruntergelassenen Hosen vor der Waschmaschine, und sein Schwanz steckt in mir, und ob irgendeiner von uns zum Orgasmus gekommen ist, weiß ich nicht mehr, aber dass es wunderbar war, das weiß ich noch. Wenig später bin ich mit demselben Mann in das Dorf gefahren, in dem ich aufgewachsen bin, habe ihn mit an den Waldrand meiner Kindheit genommen und zu den Brombeerhecken meiner Kindheit, und hinter der Brombeerhecke haben wir uns ausgezogen und ins Gras gelegt und miteinander geschlafen, und auch das war sehr schön.

    Mit 29 gibt es nur noch ein sehr kleines Fenster für Sex, weil der Mann ein Nebennierenrindenkarzinom und kaum noch Lust auf Sex hat, außer wenn er seine monatliche Hormondosis bekommt, die an und für sich der Nebennierentätigkeit dient, aber nebenbei auch libidosteigernd wirkt.

    Mit 31 bin ich frisch verwitwet und Mutter zweier kleiner Kinder und betrunken am Rande der Besinnungslosigkeit, als ich mit einem Mann im Bett lande, mit dem mich nichts verbindet außer der gleichzeitigen Anwesenheit am selben Ort, und offensichtlich landen wir nicht nur im Bett, offensichtlich kommt es auch zu Geschlechtsverkehr, trotzdem muss ich mich in der Schwangerenkonfliktberatung nicht dafür rechtfertigen, warum ich die daraus resultierende Schwangerschaft nicht austragen werde.

    Mit 34 habe ich Sex mit dem Rücken im Türrahmen einer riesigen teilsanierten Altbauwohnung und bin froh, dass der Mann den Sex initiiert, weil wir sonst wohl nie welchen hätten, was nicht an meiner mangelnden Zuneigung oder Erregung liegt, sondern daran, dass ich Sex nie initiiere.

    Mit Anfang 40 bin ich mit einem Mann zusammen, mit dem ich die Scham und die Peinlichkeit verlernen will, wir sind radikal ehrlich, und ich kann ihm dabei zugucken, wie er sich selbst einen runterholt, und schicke ihm per Handy Fotos, auf denen ich mir Erdbeeren in die Vagina einführe. Beim Sex gucken wir uns in die Augen, und hinterher spüre ich das Sperma in meinen Schamhaaren und an der Oberschenkelinnenseite antrocknen, ich mag das Gefühl des Attachments, verbunden zu sein, markiert zu sein, gemeint zu sein.

    Ein halbes Jahr später liege ich nackt auf dem Fußboden, während der Mann, von dem ich mich gesehen gefühlt habe, seine Gürtelschnalle schließt und sagt, dass er nichts spürt, nicht mit mir schlafen kann. In den folgenden Wochen erweist sich seine radikale Ehrlichkeit als sehr perforiert und der Schwanz, den er dafür hasst, dass er nicht mit mir schlafen kann, als ehrlicher als er selbst.

    Ein Mann bietet mir eine Affäre an und erscheint zu unserer Verabredung im weißen Hemd und mit einer langstieligen Rose, nicht ahnend, dass mich jede konventionell romantische Geste abschreckt. Langstielige Rosen, Candle-Light-Dinner, stimmungsvolle Musik, alles, was sich als Taktik, als Zeichen einer geplanten Annäherung lesen lässt, erzeugt Abwehr in mir. Ich mag Kerzen. Blumen auch. Nur der Versuch, Romantik zu instrumentalisieren, der ist mir suspekt. Ein paar Monate später schließe ich mich mit dem Mann auf dem Streckenabschnitt zwischen Minden und Osnabrück auf der Zugtoilette ein, und wir versuchen, ganz unromantisch Sex zu haben. Was sich als akrobatisch nicht zu meisternde Herausforderung erweist. Aber verrucht fühlt es sich an.

    Mit einem anderen Mann lege ich mich auf der Frankfurter Buchmesse nackt in ein Hotelbett, ohne dass wir mehr tun, als den Arm umeinander zu legen. Und am nächsten Tag tun wir genau dasselbe gleich noch einmal. Erst zwei Wochen später schlafen wir auf einem Hotelboot in Prag miteinander, und mir bedeutet es sehr viel, nicht von Sex, den wir hatten, zu schreiben, sondern davon, dass wir miteinander geschlafen haben. Der Mann wird nicht lange bleiben, aber er wird mich auf eine Weise berührt haben, die macht, dass ich berührbar bleiben will. Weswegen ich mich kurz darauf nackt auf einen Tisch setze, mir eine Papiertüte über den Kopf stülpe, die Arme um die angewinkelten Knie schlinge und das Foto als Header für mein Facebook-Profil verwende.

    In den Jahren dazwischen sammle ich Know-How und Erfahrungen. Ich masturbiere vor dem aufgeklappten Laptop zur CrashPad-Series, einem queeren Porno-Format. Ich lasse mir bei OMGyes von anderen Frauen vorführen, wie sie masturbieren, wie sie zum Orgasmus kommen. Ich installiere eine Fruchtbarkeits-App und lerne die Konsistenz meines Zervixschleims zu lesen. Ich kauere bei einem Workshop zur weiblichen Ejakulation neben zwölf anderen Teilnehmer:innen über meinem Frotteehandtuch und stimuliere mit dem Zeigefinger mein Prostatagewebe. Ich suche nach Begriffen für weibliche Erregung und finde als Entsprechung für das, was im Englischen und bei Männern Boner heißt, vier mäßig überzeugende englische Slangbegriffe: Lady Boner, Swollen Lips, War Flute, Throbbing Clit. Meine kläglichen Versuche, sie ins Deutsche zu übertragen, machen die Sache nicht besser: Damenständer, Schwelllappen, Kriegstrommel und Clit-Alarm.

    Während ich diese Auszüge aus meiner Sexualität protokolliere, stelle ich fest, dass es Situationen gibt, bei denen mir das schwerer fällt als bei anderen. Und dass das an den Begriffen liegt. Begriffen, die ich in einer bestimmten Situation verwendet habe. Begriffe, die sich von denen unterscheiden, die ich heute dafür verwende. Mit welcher Selbstverständlichkeit ich Sex haben gesagt und damit ganz eindeutig (und ausschließlich) Geschlechtsverkehr mit Penetration gemeint habe. Wie ich mich gewundert habe, warum mein Jungfernhäutchen, an dessen Existenz ich damals noch geglaubt habe, nie gerissen ist. Dass ich Vulva schreiben will, was aber der historischen Wahrheit nicht gerecht wird. Was wir zu haben und zu kennen glaubten, war eine Scheide oder eine Vagina. Wie ich »selbst befr.« in mein Tagebuch schreibe und damit abkürze, dass ich mich selbst befriedigt habe, weil ich den Begriff »masturbieren« noch nicht kenne.

    Aber es sind ja nicht nur die Vorstellungen des Sichtbaren, Spürbaren und Greifbaren, die sich verändert haben. Es sind auch Bereiche hinzugekommen, für die keine Begriffe vorhanden waren, weil auch die Vorstellung davon zumindest in meiner Welt nicht vorhanden war. Ich meine damit Phänomene und Sachverhalte, für die wir keine Begriffe hatten, weil die Aspekte, Fragen und Gewissheiten, mit denen diese Begriffe sich befassen, in meiner Welt lange keine Sichtbarkeit hatten. Keinen Platz hatten. Nicht verhandelt wurden. Oder eben einfach: Gewissheiten waren. Und zwar Gewissheiten, die anzuzweifeln so lange keine Notwendigkeit bestand, bis sie als Ungewissheiten vor mir standen. In Gestalt einer Vierzehnjährigen, die darum bittet, einen OP-Termin für sie zu vereinbaren, weil ihre Schamlippen ihr nicht normal erscheinen. In Form einer lesbischen Sexszene, die ich in einen Roman hineingeschrieben habe, von der mir eine lesbische Freundin nachweist, dass die Szene der typischen Klischeevorstellung entspricht, die heterosexuelle Cisgender-Personen von lesbischem Sex haben. Als ergänzende Zeile in Social-Media-Profilen, auf denen immer mehr Menschen die Pronomina benennen, mit denen sie gekennzeichnet werden wollen. Als Stimme meiner Freundin Linda, die macht, dass mir am Telefon der männliche Vorname rausrutscht, unter dem ich sie vor 17 Jahren kennengelernt habe.

    Es hat sich viel geändert, seit meine Großmutter nackte Brüste auf den Titelseiten von Illustrierten mit Leukoplaststreifen überklebt hat und ich mich als Zwölfjährige gefragt habe, ab welcher Körpertemperatur die Kerze, die ich mir gerade eingeführt hatte, wohl zu schmelzen anfängt. Meine Tochter weiß mehr über Klitoris-Stimulatoren als ich, Vibratoren heißen Satisfyer und stehen in Drogerieregalen, und Bildschirme lassen sich nicht zensieren. Und trotzdem bleibt bei allen zurecht in Frage gestellten Gewissheiten, bei allem entlarvtem anatomischen Humbug, bei aller hilfreichen und notwendigen Dekonstruktion von Geschlechterstereotypen, unabhängig davon, wie einfach verfügbar der Zugang zu erregenden Bildern und Sex Education geworden ist, eine Konstante: die Scham.

    Jedes Mal, wenn ich mit anderen über Sexualität sprechen will, gerate ich an Grenzen, und zwar immer an den Stellen, die über darstellbare Techniken, anatomische, erotische und pornographische Abbildungen, Selbsterkundung und Dienstleistungen hinausgehen. Wenn wir uns dem Terrain annähern, das mit Nähe und Intimität zu tun hat. Für dieses Terrain gibt es keine allgemeingültige Landkarte, auf die wir zeigen und uns berufen können.

    Ich muss an die vielen unterschiedlich markierten und mit Legenden versehenen Karten in meinem alten Diercke-Weltatlas denken, den wir im Erdkundeunterricht verwendet haben, an Karten, die die geopolitische Ordnung von Orten und Staaten zu einem bestimmten Zeitpunkt abbilden: die DDR, die BRD, die Sowjetunion, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1848. Orte, Gebiete und Machtverhältnisse, die heute nicht mehr gültig sind, von denen es aber sinnvoll ist, sie und die Bedingungen ihres Zustandekommens zu kennen. So eine Karte möchte ich erstellen. Ich möchte meine eigene Sexualität kartieren und die Sexualität, in die sie hineinragt. Ich möchte mit dem Finger über die verschiedenen Gebiete dieser Landkarte reisen und an Orten und bei Themen verweilen, die mir wichtig erscheinen. Einige dieser Orte sind sehr intim und markieren meine eigenen Erfahrungen, und für einige Orte habe ich die Landkarten anderer zu Hilfe genommen, die über Sexualität, Scham und Aushandlungsprozesse nachdenken. Schließlich gibt es neben meiner Sexualität auch noch die erforschte Sexualität und die Sexualität der anderen.

    In der Deutschen Nationalbibliothek bestelle ich Bücher zu Sexualforschung und Kritischer Sexualwissenschaft. Ich befrage das Internet zu Intimität, Frigidität und Sexualität, gucke auf Netflix alle drei Teile von The Principles of Pleasure und das Biopic über Alfred Kinsey. Ich bitte meine Social-Media-Crowd um Lektüretipps zu Sex, Intimität und Scham. Ich lese mich von Erica Jong zu Annie Ernaux, von Esther Perel zu Katherine Angel, von Laurie Penny zu

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