Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Baccara Spezial Band 16
Baccara Spezial Band 16
Baccara Spezial Band 16
eBook525 Seiten6 Stunden

Baccara Spezial Band 16

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

JENE NACHT AM ECHO LAKE von AMANDA STEVENS
Ihre Nichte ist spurlos verschwunden! Rae muss sofort an jene Schicksalsnacht vor fünfzehn Jahren am Echo Lake denken, die für zwei Mädchen verhängnisvoll endete. Damals gab sie Tom die Schuld. Inzwischen ist er Sheriff – und genau der Mann, den Rae jetzt dringend braucht …

STIRB, WENN DU MICH LIEBST von JANIE CROUCH
„Du. Bist. Nicht. Mehr. Allein. Okay?“ Wie gern würde Bree dem sexy Deputy Tanner Dempsey glauben und sich beschützt fühlen. Aber was Tanner nicht weiß: Seit Jahren wird Bree gnadenlos von einer IT-Organisation gejagt, die sie töten will. Und Tanner auch, wenn er im Weg steht …

WER BIST DU WIRKLICH, GINNY? von RITA HERRON
Ein neuer Name, eine neue Identität. Aber ist das genug Tarnung, um den Killer ihrer Schwester zu überführen? Reese weiß es nicht. Doch mit der Hilfe des Ermittlers Griff Maverick muss sie es riskieren. Auch wenn Griff nie erfahren darf, wer sie wirklich ist …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum11. Feb. 2022
ISBN9783751510455
Baccara Spezial Band 16

Ähnlich wie Baccara Spezial Band 16

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Erotik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Baccara Spezial Band 16

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Baccara Spezial Band 16 - Janie Crouch

    Amanda Stevens, Janie Crouch, Rita Herron

    BACCARA SPEZIAL BAND 16

    IMPRESSUM

    BACCARA SPEZIAL erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA SPEZIAL, Band 16 2/2022

    © 2020 by Marilyn Medlock Amann

    Originaltitel: „Without a Trace"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    in der Reihe: INTRIGUE

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Nele Marie Mastracchio

    © 2019 by Janie Crouch

    Originaltitel: „Calculated Risk"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    in der Reihe: INTRIGUE

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Susanne Weißgerber

    © 2020 by Rita B. Herron

    Originaltitel: „Protective Order"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    in der Reihe: INTRIGUE

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Ivonne Senn

    Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 2/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751510455

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

    Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

    AMANDA STEVENS

    Jene Nacht am Echo Lake

    Wie ein Fluch lasten auf Sheriff Tom Brannon die Ereignisse am Echo Lake vor fünfzehn Jahren, die zwei Mädchen zum Verhängnis wurden. Nun wird die Nichte der schönen Rae Cavanaugh vermisst. Rae gibt Tom schon lange die Schuld daran, dass ihre Schwester damals verschwand – und doch ist sie die Einzige, die er begehrt …

    JANIE CROUCH

    Stirb, wenn du mich liebst

    Eine junge Frau, die versucht, im Supermarkt Babynahrung zu klauen – Deputy Tanner Dempsey macht nur seinen Job, als er die zarte Bree Daniels anspricht. Aber in ihren Augen sieht er nackte Angst. Er will ihr und ihren kleinen Zwillingen helfen. Doch damit beginnt für ihn ein albtraumhafter Kampf gegen sehr mächtige Feinde …

    RITA HERRON

    Wer bist du wirklich, Ginny?

    Irgendetwas stimmt nicht mit der hübschen Journalistin Ginny Bagwell, die angeblich über Feuerteufel recherchiert. Griff Maverick, Ermittler bei Brandstiftungen, spürt genau, dass es Ginny um etwas anderes geht. Sie fragt ihn über einen Mordfall an einer jungen Frau in der Stadt aus und dreht sich ständig um. Als sei sie auf der Flucht vor jemandem …

    Jene Nacht am Echo Lake

    1. KAPITEL

    Ein Blutmond hatte über den Nadelwäldern von East Texas gehangen, als die drei Mädchen verschwunden waren. Die alten Leute in Belle Pointe hatten es für ein Omen gehalten. Tom Brannon fand, dass es schlicht und ergreifend Pech gewesen war. Er hatte seine Taschenlampe vergessen, als er aus dem Haus gerannt war. Im spärlichen Licht der Mondfinsternis hatte er kaum etwas gesehen, als er sich am Ufer des Sees vorangekämpft hatte. Er hatte gehofft, dass er die drei Mädchen nach seiner Suche sicher im Zimmer seiner Schwester vorfinden würde.

    Fünfzehn Jahre waren seitdem vergangen, doch Tom überkam immer noch ein Schauer, wenn sich der Mond rötlich färbte und vom See der Duft der Nadelbäume herübergeweht wurde. Er stand gerade vor der Polizeistation und sah zum Himmel hinauf. Er sollte nicht über den Mond nachdenken. Es gab Wichtigeres, um das er sich kümmern musste. Haushaltskürzungen, steigende Kriminalitätsraten und der Stapel an Beschwerden, der jeden Tag größer zu werden schien. Es gab immer etwas zu tun. Die Arbeit als Sheriff auf dem Land fand niemals ein Ende.

    Er musste unwillkürlich an seine Schwester Ellie denken, die abgeschieden am Echo Lake lebte. Er hatte sie einmal gefragt, ob sie nicht einsam war. Sie hatte nur geschnaubt und gemeint, alles andere als das Leben am See würde sie verrückt machen. Außerdem war sie nur zwanzig Minuten von der Stadt entfernt, und dort fand sie genug Gesellschaft. Sie wirkte glücklich, aber Tom fragte sich, ob sie immer noch Albträume hatte und sich unter dem Bett oder in ihrem Schrank versteckte, bis die Monster verschwunden waren. Er fragte nicht nach. Sie standen sich zwar nahe, aber es gab Dinge, über die sie nicht sprachen. Drei Mädchen waren in der Blutnacht in dem verlassenen Krankenhaus verschwunden, und Ellie war die Einzige, die noch sie selbst war. Sich deshalb schuldig zu fühlen, machte vieles schwer. Tom wusste das nur zu gut.

    Vielleicht brachte der Mond ihn dazu, oder er machte sich zu viele Sorgen, aber er musste nach ihr sehen und ihre Stimme hören, um sich zu beruhigen. Aber er hätte früher anrufen müssen, denn gerade lief ihre Radio-Show Midnight on Echo Lake, die sie in ihrem Studio hinter dem Haus produzierte. Er könnte in ihrer Show anrufen und über Bigfoot oder Aliens reden, die angeblich in der Nähe des Sees in den Wäldern gesichtet worden waren. Das würde sie bestimmt freuen, auch wenn sie ihn später zurechtweisen würde, weil er sich über ihre Hörer lustig gemacht hatte.

    Manche Dinge kann man nicht erklären, würde sie ihm sagen. Manche Menschen brauchen eine Möglichkeit, über ihre Erfahrungen zu sprechen, ohne dass man sich über sie lustig macht.

    Manche Leute sind einfach verrückt, würde Tom erwidern.

    Vielleicht war er eine dieser Personen. Den ganzen Abend über hatte er ein ungutes Gefühl verspürt. Er glaubte nicht an Vorahnungen, aber er vertraute auf seine Instinkte. Irgendetwas ging hier vor sich. Es lag etwas im Wind, auch wenn er hoffte, dass es nur ein sommerlicher Sturm war.

    „N’Abend Sheriff."

    Tom sah seinen neuen Angestellten über den Parkplatz auf sich zu kommen. Er blickte aus Reflex auf die Uhr. Das Department arbeitete in Sechs-Stunden-Schichten. Tom arbeitete seit sechs Uhr morgens … er hatte zwei Schichten durchgearbeitet.

    „Du bist aber früh dran, bemerkte er. „Gute Angewohnheit.

    „Ja, Sir", antwortete der junge Mann mit einem ernsten Nicken. Billy Navarro hatte vor Kurzem seinen Abschluss bei der East Texas Police Academy gemacht und war so motiviert, dass Tom sich an sich selbst vor zehn Jahren erinnert fühlte. Sein Vater hatte bereits dreißig Jahre als Sheriff von Nance County gearbeitet, als Tom dazugekommen war. Er hatte ein Jahr lang unter ihm gearbeitet, bis Porter Brannon im Schlaf einen Herzinfarkt erlitten hatte. Tom hatte danach neun Jahre unter dem Nachfolger seines Vaters gearbeitet und sich vom einfachen Streifenbeamten zum Ermittler und schließlich zum Sheriff hochgearbeitet, bis er vor zwei Jahren das Amt des Sheriffs für die gesamte County übernommen hatte.

    Die Wahl zum Sheriff war unschön und äußerst persönlich verlaufen. Tom war von seinem Wahlgegner und anderen Leuten in der Echo Lake Star angegriffen worden. Alles an ihm war durch den Dreck gezogen worden, von seinem Alter bis hin zu seiner Seriosität. Zwischendurch hatte er sich gefragt, wieso er überhaupt in die Fußstapfen seines Vaters hatte treten wollen. Am Ende hatte er die Wahl knapp gewonnen, was seinen Rivalen, den Cavanaughs, nicht gefallen hatte. Er vermutete, dass sich die Feindschaft zwischen ihnen und seiner Familie bis zur nächsten Wahl nicht verbessern würde.

    „Vorsicht vor dem Blutmond", murmelte Billy neben ihm.

    „Was hast du gerade gesagt?"

    „Das hat meine Oma gemeint, als ich losgegangen bin. Billy trat von einem Fuß auf den anderen. „Was ist das für eine Verabschiedung?

    „Das ist nur ein altes Märchen. Halte einfach Augen und Ohren offen, dann wird alles gut."

    Tom würde einem Anfänger niemals sagen, dass es hier in Belle Pointe und der ländlichen Umgebung anders war, Streife zu fahren, als in den unsicheren Straßen der Großstädte. Er wollte, dass Billy konzentriert blieb. Nance County war ländlich, hatte aber dennoch Probleme mit drogenbezogenen Straftaten. Immer häufiger fanden sich Meth-Dealer in verlassenen Häusern auf dem Land, wo sie die Droge in großen Mengen produzierten. Über die Verbindung zur Interstate konnten sie das Meth schnell verteilen. Es war ein großes, schnelles Geschäft. Synthetisches Marihuana und Fentanyl sowie die üblichen Problemdrogen Kokain und Heroin waren Tom hier auch schon untergekommen.

    Billy sah in den Himmel. „Ich weiß, dass es nur ein Aberglaube ist, aber irgendetwas liegt heute in der Luft, findest du nicht auch?"

    Tom spürte es ebenfalls, aber er wollte Billy nicht noch mehr verunsichern. Er zuckte daher mit den Schultern, um seine eigenen unangenehmen Vorahnungen loszuwerden und drehte sich zur Tür. „Statik in der Luft, sagte er nur. „Es kommt ein Sturm auf uns zu.

    „Der Himmel ist strahlend blau."

    „Noch, sagte Tom. „Mit wem bist du heute Abend unterwegs?

    „Naomi Clutter."

    „Das ist gut, sie ist hart im Nehmen. Es gibt niemand Besseren. Wenn ihr Probleme haben solltet, kannst du dich auf sie verlassen, aber ich erwarte dasselbe von dir."

    „Ja, Sir."

    Tom ging wieder hinein. Auf dem Weg zu seinem Büro, das sich an der Front des Gebäudes befand, begegnete ihm kaum jemand. Er sah durch die hohen Fenster auf die Straße hinaus. Er hatte das Büro seines Vaters nur wenig verändert. Der Schreibtisch war noch derselbe. Die Plastikstühle standen schon seit Jahrzehnten am selben Platz. Selbst die Bilder und Urkunden an den Wänden brachten ihre eigenen Erinnerungen mit sich. Tom hatte das Büro zuerst anders einrichten wollen, um ihm eine persönliche Note zu verleihen, aber er hatte nie die Ruhe dafür gefunden. In letzter Zeit hatte er kaum Zeit für sich selbst gehabt. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann er das letzte Mal mit einer Frau ins Kino oder essen gegangen war. In dieser Stadt war er von lauter Menschen umgeben und in den letzten Monaten doch zu einem Einsiedler wie seine Schwester geworden.

    Er rieb sich die Stirn, um die Kopfschmerzen loszuwerden, die mit der Erschöpfung gekommen waren. Vor ihm lag Papierkram auf dem Schreibtisch. Er holte sich einen Kaffee und schlug den letzten Finanzbericht auf. Die Stunden vergingen, und ohne Pause arbeitete er bis Mitternacht durch. Dann stand er auf, um sich die Beine zu vertreten.

    Als er wegen des vermissten Mädchens angerufen wurde, sah er gerade aus dem Fenster hoch zum Mond.

    Rae Cavanaugh stellte den Geschirrspüler an, wischte über alle Arbeitsflächen und stellte bei der Kaffeemaschine den Timer für den nächsten Morgen. Sie hasste es, so spät noch Hausarbeiten zu erledigen, aber sie war nach dem Abendessen vor dem Fernseher eingeschlafen, weil es so ruhig und friedlich gewesen war. Sie hatte sich zu lange keine Pause mehr gegönnt, und ein wenig Entspannung war ihr gerade recht gekommen.

    Ihre Nichte Sophie hatte sie schließlich geweckt. Sie hatte Rae eine gute Nacht wünschen wollen und war danach in ihr Zimmer gegangen. Sonst dröhnte immer noch Musik durch die Tür, aber an diesem Abend schien Sophie ruhiger zu sein. Vielleicht hatte sie sich ja etwas eingefangen oder sie hatte Streit mit ihrem Freund. Bei einem Teenager war das schwer zu sagen.

    Sie überlegte, ob sie hinaufgehen und nachfragen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Sie war zu müde, um sich mit Sophies Stimmungsschwankungen auseinanderzusetzen, und sie wollte ihr außerdem etwas Raum lassen. Das war schließlich der Sinn des Besuchs auf unbestimmte Zeit gewesen … Sophie und ihren Eltern eine kleine Auszeit zu verschaffen.

    Rae hatte sofort gewusst, dass etwas schlecht lief, als ihr Bruder sie um Hilfe gebeten hatte. Er wusste einfach nicht mehr weiter, hatte er gesagt. Jackson hatte so etwas noch nie zuvor zugegeben, besonders nicht vor seiner Schwester. Seit ihrer Kindheit waren sie bittere Rivalen gewesen, und es hatte nicht geholfen, dass ihr Vater Rae offenbar vorzog. Er hatte ihrem Bruder aber die Leitung der Cavanaugh Industries überlassen. Rae leitete den Finanzvorstand, was bedeutete, dass sie die Buchhaltung war, nur unter einem besseren Namen. Damit und mit der Pflege ihres Vaters hatte sie schon genug zu tun. Doch dann war Sophie zu ihr gekommen. Nichts an der Situation war ihre Schuld. Rae schob es ausschließlich auf ihren Bruder und ihre Schwägerin. Diese hatten die Dinge aus dem Ruder laufen lassen. Sophie hatte immer alles bekommen bis auf Aufmerksamkeit und feste Regeln. Jetzt waren ihre Eltern am Ende ihrer Weisheit, weil Sophie unabhängiger sein wollte und Jackson leider zu spät bewusst geworden war, dass seine Prinzessin alles andere als lieb und nett war.

    Rae schenkte sich ein Glas Wein ein und setzte sich in den Garten. Sie betrachtete den Mond, trank aber nichts. Was für eine seltsame Nacht. Sie fühlte sich unbehaglich, aber nicht, weil sie sich mit Jackson gestritten oder Ungereimtheiten in der Buchhaltung gefunden hatte. Selbst die Klage einer benachbarten Ranch hatte sie nicht beunruhigt. Das würde sich schon alles klären lassen.

    Doch heute Abend konnte Rae nichts mehr daran ändern. Ihr Vater würde sich um die Klage kümmern. Er wusste, wie man mit so etwas umging und am Ende sogar besser dastand als vorher. Er und Jackson verbrachten zahllose Stunden mit den hauseigenen Anwälten und diskutierten über Vorgehensweisen und passende Zeugen. Rae wurde dabei natürlich außen vorgelassen, aber sie hatte nichts dagegen. Falls etwas schieflief, wusste sie von nichts.

    Rae sah zum Zimmer ihrer Nichte hoch. Es war dunkel, doch sie konnte den Schein des Laptops sehen.

    Ich sollte auch ins Bett gehen, dachte sie. Sie goss das Glas Wein, das sie nicht angerührt hatte, in der Küche in die Spüle und sah noch einmal durch das Fenster zum Mond hoch, bevor sie nach oben ging. Auf dem Weg schaltete sie das Licht aus und horchte an Sophies Tür. Sie konnte leise Musik und Sophies Stimme hören, die klang, als würde sie sich mit jemandem unterhalten. Doch Rae klopfte nicht an. Ich lasse ihr lieber ein wenig Privatsphäre.

    Im Schlafzimmer ließ sie sich angezogen auf das Bett fallen und legte einen Arm über die Augen. Sie würde gleich wieder aufstehen und sich bettfertig machen, aber sie wollte zuerst einen Moment dösen. Sie wollte ihren Bruder vergessen, der gerade mit Freunden auf einem Tauch-Abenteuer war und seine Frau Lauren, die Freunde in New Orleans besuchte. Ohne die eigene Tochter konnten beide nämlich tun und lassen, was sie wollten. Rae wollte ihnen den Spaß ja gönnen. Sie wollte den Egoismus und die fehlenden Fähigkeiten als Eltern nicht verurteilen. Ich war ja selbst nicht besser, als Mum gestorben ist, gerade bei Riley.

    Die schöne, schlaue und warmherzige Riley. Raes zwei Jahre jüngere Schwester. Das Mädchen, das in der schicksalhaften Nacht vor fünfzehn Jahren in die verlassene Klinik gegangen war und danach nie wieder gesehen wurde.

    Riley hatte mit ihrer besten Freundin Jenny Malloy bei einer Freundin übernachtet. Doch Ellie Brannons Eltern hatten wegen eines Notfalls wegfahren müssen, und Tom war beauftragt worden, sich um sie zu kümmern. Er war damals sechzehn gewesen, genauso alt wie Rae. Alt genug, um nicht feiern zu gehen, während er ein Auge auf die Mädchen haben sollte. Sie waren vierzehn gewesen und hätten es auch besser wissen müssen. Aber sie hätten unter Toms Aufsicht sicher sein sollen.

    Rae hatte es mit den Jahren hingenommen, dass ihre Gefühle hinsichtlich Tom Brannon bestenfalls irrational und schlimmstenfalls bösartig waren. Alte Wunden heilten nun mal langsam.

    Rae rollte sich auf die Seite, zog ihr Kissen an sich und sah aus dem Fenster. Genau wie vor fünfzehn Jahren war heute Blutmond. Sie wollte nicht darüber nachdenken … weder an Riley, noch wie sehr Rae sie immer noch vermisste.

    Als sie einschlief, war das Letzte, woran sie dachte, trotzdem Rileys Lächeln, und das Letzte, was sie hörte, war Rileys verzweifelter Schrei nach Hilfe.

    Sophie spielte mit dem Gedanken, die Taschenlampenfunktion ihres Handys anzuschalten, aber um den See herum wohnten ein paar Leute. Über ihr schien schwach die Mondfinsternis, sodass sie kaum sah, wohin sie trat. Sie wollte zu der Ruine, die früher einmal eine psychiatrische Klinik gewesen war und nun verlassen am Flussufer stand.

    Das Gebäude war schon immer gruselig gewesen, aber nach dem Verschwinden der drei Mädchen war es noch düsterer geworden. Sophie war noch gar nicht auf der Welt gewesen, als ihre Tante verschwunden war. Ellie Brannon war irgendwann zurückgekommen und Jenna Malloy auch … zumindest körperlich, aber Riley Cavanaugh war spurlos verschwunden. Nun befand sich Sophie auf dem Weg dorthin.

    Sie hatte keine Angst. Nicht wirklich. Im Mondlicht konnte sie am Rand des Sees die Stümpfe von Zypressenbäumen und am Ufer schwach Farn erkennen. Sophie fand, dass es in der Stadt unheimlichere Orte gab. Trotzdem warf sie immer wieder einen Blick über ihre Schulter.

    Ihre Tante Rae hatte tief geschlafen, als Sophie sich aus dem Haus geschlichen hatte. Da sie ihren Führerschein erst in ein paar Monaten bekommen würde, war sie mit dem Fahrrad bis zur Brücke über den See gefahren und hatte es darunter zurückgelassen. Den Rest des Weges musste sie zu Fuß gehen. Vor sich sah sie jetzt den Schornstein des alten Heizraums über den Baumwipfeln. Nun war sie doch nervös, denn es wirkte gespenstisch.

    Hinter ihr knackte etwas. Sophie riss den Kopf herum und sah in den Wald hinein, doch bis auf den Farn und das Wasser bewegte sich nichts in der leichten Brise. Vor ihrem Gesicht schwirrte eine Mücke herum. Sophie verscheuchte sie. Ich hätte Insektenspray mitbringen sollen, dachte sie.

    Sie verharrte kurz, dann machte sie sich wieder auf den Weg. Direkt vor ihr lag die alte Klinik … drei Stockwerke hoch, kaum mehr als zerfallender Backstein und eingeschlagene Fenster.

    Sophie atmete tief ein, dann kämpfe sie sich durch das Unkraut und die Büsche voran, bis sie in einem der bogenförmigen Eingänge stand. Sie holte ihr Handy aus der Tasche und schaltete die Taschenlampenfunktion ein. Sie war schon oft hier gewesen, aber niemals nachts. Sie kannte die Bahren und Rollstühle, die im Gebäude herumstanden, den offenen Fahrstuhlschacht und die vergitterten Abschnitte im dritten Stockwerk. Mit dem Licht fuhr sie über das Graffiti von Bibelsprüchen und die Bilder von Dämonengesichtern an der Decke.

    Der Prediger. So war der Patient genannt worden, der aus einer selbst gebauten Kanzel heraus gepredigt hatte, als die Klinik schon lange geschlossen und die Patienten einfach sich selbst überlassen worden waren. Manche von ihnen waren in umliegende Dörfer gebracht worden, hieß es, aber Sophie vermutete, dass es nur eine Legende war.

    Dann spielen wir jetzt!

    Sie wanderte von Raum zu Raum und ließ ihr Licht über die Wände gleiten. Sie suchte nach einem Zeichen, das sie ins nächste Level führen würde. Das Dach war teilweise eingestürzt, und Sophie konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie das Gebäude über ihr zusammenbrach und sie unter einem Schotterhaufen dunkler Geheimnisse und vergessenen Leids begrub. Würde Rae sich die Schuld geben? Oder ihre Eltern? Würde es ihnen überhaupt etwas ausmachen?

    Waren das leise Schritte hinter ihr? Diese Vorstellung verursachte ihr eine Gänsehaut. Sophie drehte sich langsam um. Der Lichtstrahl traf kurz auf eine Silhouette, die aber sofort davonschoss.

    Sophie schluckte, und ihr Atem ging schneller. „Prediger?, fragte sie leise. „Bist du das?

    Rae schrak hoch. Irgendetwas hatte sie geweckt. In ihrem Traum hatte jemand an die Haustür gehämmert. Einen Moment lag sie lauschend da, aber sie konnte nur einen Ast hören, der gegen das Fenster kratzte.

    Sie stand auf und hielt abrupt inne. Sie war sich sicher, dass sie ihre Schlafzimmertür geschlossen hatte, doch nun stand sie offen, als hätte jemand sie aus dem Flur heraus beobachtet.

    Das war doch verrückt. Wenn Sophie etwas von ihr gewollt hätte, wäre sie hereingekommen, hätte das Licht eingeschaltet und Rae geweckt. Das Mädchen war so subtil wie ein Vorschlaghammer. Rae musste unwillkürlich daran denken, wie still Sophie gewesen war, als sie nach Hause gekommen war. Irgendetwas war vorgefallen, und Rae bereute es jetzt, nicht nachgefragt zu haben.

    Sie ging zu Sophies Zimmer. Immer noch war Musik zu hören. Vielleicht war Sophie ja noch wach und brauchte ein offenes Ohr. Rae klopfte sanft an. Als niemand antwortete, klopfte sie lauter. Sie hatte erwartet, dass Sophie die Tür abgeschlossen hatte, aber Rae konnte sie einfach öffnen. Sie sah das übliche Chaos. Auf Sophies Bett stand ihr Laptop, aus dem die Musik kam. Das Fenster war offen, und eine leichte Brise wehte hinein. Nur das Licht des angrenzenden Badezimmers erleuchtete das Zimmer. Rae trat ein und rümpfte die Nase. Nasse Handtücher waren in eine Ecke geworfen worden, und um den Spiegel herum lagen Kosmetikprodukte verteilt. Sophie war nirgendwo zu sehen.

    Raes Herz schlug schneller. Das war noch kein Grund zur Sorge. Sophie war wahrscheinlich in der Küche und holte sich etwas zu essen. Rae sah zuerst im Badezimmer nach und ging dann nach unten. Doch Sophie war weder im Wohnzimmer noch in der Küche. Auch nicht im unteren Badezimmer, auf der Veranda oder in der Garage. Sie war unauffindbar.

    Immer ruhig bleiben. Vermutlich traf sie sich heimlich mit ihrem Freund.

    Trotz der späten Uhrzeit rief sie bei ihm zu Hause an. Sein Vater versicherte ihr, dass Dylan in seinem Zimmer war, nachdem er um kurz nach zehn Uhr nach Hause gekommen war. Rae bestand darauf, persönlich mit Dylan zu sprechen, und sein Vater willigte schließlich ein. Er gab Dylan das Telefon, und dieser schwor, Sophie das letzte Mal gesehen zu haben, als er sie um zehn Uhr zu Hause abgesetzt hatte.

    Rae setzte sich auf die Veranda und rief dann jeden an, der ihr einfiel, doch keiner von Sophies Freunden hatte sie gesehen. Wie hatte sie verschwinden können, ohne dass Rae es bemerkte? Sie hatte schließlich einen leichten Schlaf.

    Mach dir keine Sorgen. So spät ist es noch nicht. Es war gerade kurz nach Mitternacht. Während der Woche musste Sophie da zwar schon längst zu Hause sein, aber sie hielt sich ja auch sonst nicht an Regeln. Rae versuchte noch ein weiteres Mal, Sophie anzurufen, und schrieb ihr außerdem eine ganze Reihe von Nachrichten.

    Wo bist du?

    Langsam mache ich mir Sorgen. Ruf mich an, sobald du das hier liest. Ich will nur wissen, dass es dir gut geht.

    Sophie, ruf mich an! Sofort! Ich meine es ernst!

    Ich werde nicht böse, ich verspreche es, aber ruf mich bitte an. Ich mache mir große Sorgen um dich.

    Sophie, bitte ruf mich an.

    Ich habe Angst um dich.

    Irgendwann ging Rae wieder in Sophies Zimmer. Sie sah sich den Laptop genauer an, ging Sophies Schränke durch und suchte überall nach einem Hinweis darauf, wo Sophie abgeblieben sein könnte. Irgendwann ging sie zum Auto und fuhr ziellos durch die Stadt.

    Als sie wieder nach Hause kam, konnte sie nicht länger ruhig bleiben. Sophie war zwar erst seit wenigen Stunden verschwunden und hatte Ähnliches auch schon bei ihren Eltern getan, aber nun war Rae für sie verantwortlich.

    Sie ließ sich auf Sophies Bett fallen und verschickte weitere Nachrichten, während sie den Laptop durchsuchte. Zu guter Letzt wählte sie eine Nummer, von der sie niemals erwartet hätte, sie heute Nacht anzurufen.

    Tom hätte mitten in der Nacht alles erwartet, aber keinen Anruf von Rae Cavanaugh. Er sah sofort auf die Uhr, als er das Klingeln hörte. Er hätte schon vor einer Stunde nach Hause fahren sollen, aber die Entscheidung zu bleiben, war offenbar richtig gewesen. Ein Anruf der Cavanaughs wäre allerdings zu jeder Uhrzeit an sein Handy oder nach Hause weitergeleitet worden. Sie waren eine mächtige Familie, und das ließen sie ihn auch gern wissen.

    Er vermutete, dass ihr Anruf mit dem Rabauken zu tun hatte, der heute Abend in Schwierigkeiten geraten war und nun über Nacht in einer Zelle saß. Tom hatte keine Lust auf Streitereien, aber es machte keinen Unterschied, ob er Raes Zorn jetzt oder erst am Morgen über sich ergehen lassen würde. Er hatte eine dicke Haut, was die Cavanaughs betraf.

    „Sheriff Brannon", meldete er sich aus Gewohnheit und erwartete sofort eine Erwiderung.

    „Hier ist Rae Cavanaugh."

    Sie hörte sich außer Atem an und sogar besorgt. Tom runzelte die Stirn. „Was kann ich für dich tun, Rae?"

    „Sophie ist verschwunden."

    Sofort überkam ihn wieder das ungute Gefühl. „Sophie?"

    „Meine Nichte, die Tochter von Jackson. Sie wohnt momentan bei mir. Sie ist um zehn nach Hause gekommen und um Mitternacht habe ich nach ihr gesehen, und sie war nicht in ihrem Zimmer. Danach habe ich alle angerufen, die mir eingefallen sind … ihre Freunde und ihren Freund Dylan. Aber niemand hat sie gesehen, Tom. Er hatte sofort vor Augen, wie sie das Telefon umklammerte, als es aus ihr heraussprudelte. Sie schwieg einen Moment und klang danach gefasster. „Ich weiß, wir haben in der Vergangenheit unsere Schwierigkeiten gehabt, aber ich wusste nicht, wen ich sonst anrufen soll. Ich weiß nicht, was ich noch machen kann. Ich habe schon überall gesucht. Sie geht nicht ans Telefon und antwortet nicht auf Nachrichten. Ich muss immer wieder an die Nacht denken, als …

    „Warte, warte, unterbrach er sie. „Du meintest, sie ist um zehn nach Hause gekommen, und jetzt ist es kurz nach Mitternacht. Sie ist also seit ungefähr zwei Stunden weg. Viele Teenager schleichen sich davon.

    „Ich weiß. Ich rede mir die ganze Zeit ein, dass sie nur bei Freunden ist, aber ich habe mit allen gesprochen, und niemand hat sie gesehen."

    „Vielleicht ist sie ja bei jemandem, den du nicht kennst."

    „Das mag sein, sie lebt noch nicht lange bei mir. Aber Tom, nun hörte er ihre Sorge, „ich habe etwas auf ihrem Laptop gefunden. Sie hat Dutzende Bilder von der alten Klinik gespeichert. Ich glaube, sie hat sie selbst gemacht. Vielleicht ist sie …

    „Eigentlich wollte ich gerade nach Hause gehen, aber ich kann gern noch eine Runde fahren und mich dort umschauen."

    „Ich komme mit!"

    „Du solltest besser dableiben, falls sie nach Hause kommt."

    „Ich hinterlasse ihr eine Nachricht und nehme mein Handy mit. Ich kann nicht hier herumsitzen und nichts tun, sonst werde ich verrückt."

    Er seufzte leise. „In Ordnung, aber wenn du vor mir da bist, warte an der Brücke, ja? Du gehst nicht ohne mich weiter."

    „Tom …"

    „Was?"

    Sie zögerte. „Willst du es gar nicht sagen?"

    „Was soll ich sagen?"

    „Dass es meine Schuld ist. Ich bin schließlich für sie verantwortlich."

    „Finden wir sie erst einmal und bringen sie nach Hause."

    Tom legte auf und sagte einem Deputy Bescheid. Eine Streife würde an der Brücke auf sie warten. Sie konnten sich gemeinsam den Weg durch den Wald suchen. Wahrscheinlich war das Mädchen nur irgendwo auf einer Party, aber bei vermissten Kindern ließ Tom es nicht darauf ankommen.

    Als er zu seinem Auto ging, konnte er nicht anders, als einen Blick zum Himmel zu werfen. Der Mond war hinter einer Sturmfront verschwunden.

    2. KAPITEL

    Raes Auto stand bereits am Straßenrand, als Tom beim See ankam. Er rief nach ihr.

    „Hier unten!"

    Mit der Taschenlampe in der Hand hangelte sich Tom zum See hinunter. Auf den Steinen und der lockeren Erde rutschte er mehr, als dass er lief. Rae stand am Ufer und sah unter die Brücke. Als er sie im Taschenlampenlicht betrachtete, machte sein Herz einen Sprung.

    „Gut, dass du auf mich gewartet hast."

    „Ich habe ihr Fahrrad gefunden", sagte sie über die Schulter hinweg und deutete mit dem Licht ihrer Taschenlampe unter die Brücke.

    „Bist du dir sicher, dass es ihres ist?"

    „Ja, sie hat es mitgebracht, als sie bei mir eingezogen ist."

    „Wann war das?"

    „Vor drei Wochen, sagte sie und zögerte dann kurz. „Sie hatte Ärger zu Hause.

    „Ärger?"

    „Das Übliche. Jackson gefallen ihre Freunde nicht, ihr Kleidungsstil und ihr Musikgeschmack. Und du weißt ja, wie gern sich Teenager das anhören. Sophie ist nicht einfach, und mein Bruder ist nicht besonders geduldig und mitfühlend. Sie brauchten alle mal eine Pause."

    „Und du hast ihnen ausgeholfen?"

    „Wie man es bei der eigenen Familie eben macht, ja."

    „In guten Familien." Als Tom sich umsah, fiel sein Taschenlampenlicht wieder auf Rae. Sie war auf das Fahrrad konzentriert. Die zerzausten, hellbraunen Haare fielen über ihren Rücken, und auf ihrer Nase konnte er ein paar Sommersprossen erkennen. Ihre Kleidung war zerknittert. Sie war bestimmt in Eile aufgebrochen. Aber selbst jetzt hatte sie etwas Anziehendes an sich. Rae hatte schon immer gut ausgesehen, ihr Temperament hatte ihm allerdings weniger gefallen. In der Highschool war sie immer gereizt, misstrauisch und im Wettstreit mit anderen gewesen. Riley war die Nette gewesen. Bis heute tat es Tom weh, an sie zu denken.

    Er ging nun mit betont ruhiger Stimme seine Routinefragen durch. „Ihr hattet keinen Streit?"

    „Nein. Eigentlich sind wir sogar ganz gut klargekommen."

    „Eigentlich?"

    „Wie du schon sagest, sie ist jung und meine einzige Erfahrung mit anderen Teenagern war bisher …"

    Riley.

    Tom wusste, was sie hatte sagen wollen. Raes und Rileys Mutter war früh gestorben. West Cavanaugh hatte erneut geheiratet und die Kinder in der Obhut vieler Babysitter und Hausmädchen aufwachsen lassen. Rae hatte sich um Riley gekümmert. Sie war so beschützend gewesen, dass Riley oft zu Toms Schwester geflohen war, damit sie mal durchatmen konnte.

    Tom fragte sich, ob Rae manchmal daran zurückdachte, wenn sie nicht schlafen konnte.

    Ein Motorengeräusch erklang, und kurz darauf stießen Billy Navarro und Naomi Clutter zu ihnen. Tom erklärte ihnen alles, dann gingen sie in Richtung der alten Klinik. Bei jedem Schritt sagte sich Tom, dass es zu früh war, um sich ernsthaft Sorgen zu machen. Teenager verschwanden manchmal, besonders wenn sie aus einem schwierigen Haushalt kamen. Er kannte Sophies Eltern zwar nicht gut, aber er hatte genug mit Jackson zu tun gehabt, um zu wissen, dass er ein Arsch sein konnte. Seine Frau schien die anspruchsvolle Sorte Ehefrau zu sein.

    Aber das war gerade egal. Hauptsache, wir finden Sophie.

    Der Himmel war klar, und die Mondfinsternis ließ den See silbern glänzen, sodass die umliegenden Wälder noch dunkler und dichter wirkten. Niemand sagte etwas. Tom konnte nicht anders, als an die Nacht vor fünfzehn Jahren zu denken, in der er allein am Seeufer entlanggerannt war.

    „Deine Schwester lebt hier irgendwo, nicht wahr?", fragte Rae.

    „Ja, am anderen Ende der Brücke."

    „Ich habe mir ihre Show ein paar Mal angehört. Sie hat eine beruhigende Stimme, aber die Anrufer sind schon seltsam, sagte Rae. „Von wo aus rufen die an, und meinen sie das alles ernst?

    „Ab und zu erlaubt sich jemand einen Scherz, aber die meisten brauchen einfach ein offenes Ohr. Zumindest sagt Ellie mir das immer."

    „Ich sehe sie nicht oft in der Stadt. Wie geht es ihr?"

    „Gut so weit. Sie ist sehr beschäftigt und hat gern ihre Ruhe."

    Rae erschauderte. „Ich würde da draußen verrückt werden."

    „Eure Ranch liegt auch abgeschieden", warf Tom ein.

    „Das ist etwas anderes. Da sind immer Leute. Mein Vater, die Haushälterin oder Aushilfen. Es ist wie eine kleine Stadt. Wir sind eine der letzten großen Ranches in der Umgebung."

    Rae sah auf den See hinaus. „Ich habe gehört, dass man mitten in der Nacht, wenn es ruhig ist, die Schreie der früheren Patienten hören kann. Ich glaube eigentlich nicht daran, aber wenn man hier steht, kann man sich vieles einbilden."

    „Wahrscheinlich sind das die Pfauen der Thayers, meinte Tom. „Sie laufen frei herum, seitdem Mrs. Thayer gestorben ist.

    Billy und Naomi kletterten vor ihnen die Eindämmung hinauf. Tom bot Rae gar nicht erst Hilfe an. Sie kletterte selbstsicher hinauf und wartete auf ihn. Oben angekommen sahen alle zur Ruine hinüber.

    Von den wenigen unbeschädigten Fenstern wurde das Mondlicht reflektiert und ließ den Ort wie etwas Lebendiges wirken. Er konnte sich nur zu gut geisterhafte Figuren hinter den zerbrochenen Fensterscheiben vorstellen. Mit einem Kopfschütteln erinnerte er sich daran, dass es nur eine Art Monster wirklich gab: Menschen.

    „Wir gehen hinten herum", sagte Naomi.

    Tom nickte und drehte sich zu Rae um. „Bist du dir sicher, dass du nicht lieber hier warten willst?"

    „Nein, ich will mit hineingehen. Wenn Sophie dich allein sieht, erschreckt sie sich vielleicht."

    „In Ordnung, aber bleib in meiner Nähe und pass auf, wo du hintrittst, ich traue dem Gemäuer nicht. Ein falscher Schritt und das ganze Ding bricht zusammen."

    „Das steht schon seit Jahrzehnten. Es hat sogar Tornados überlebt."

    Sie gingen durch einen der Torbögen und beleuchteten die Graffitis an den Wänden.

    „Ich habe mich immer gefragt, wie es hier drin aussieht. Es ist noch grusliger, als ich erwartet habe, flüsterte Rae. Sie sah sich das Bild an der Decke an. „Was ist das?

    „Das ist der Prediger. Tom leuchtete auch auf das Fresco des Dämons. Die Augen schienen durch das Mondlicht beinahe zu leuchten. „Du warst noch nie hier drin? Das überrascht mich. Ich dachte, das ist eine Art Mutprobe.

    „Ich habe nie bei so etwas mitgemacht, und nachdem Riley verschwunden ist … Sie machte eine Pause. „Ich stand oft davor, habe mich aber nie hineingetraut. Nach der Schule bin ich immer im Wald herumgewandert und habe nach ihr gerufen. Selbst als ich wusste, dass sie schon lange weg war. Ich habe mir vorgestellt, wo sie war, was sie durchlebt haben muss und wie sie um Hilfe gerufen hat.

    Tom hörte das Zittern in Raes Stimme. Er hatte in dieser Nacht auch Angst gehabt. Solche Angst, dass er nicht klar hatte denken können. Er hatte gewusst, dass das Gebäude unsicher war, aber nicht, dass es noch andere Gefahren gab. Auf einmal hatte er leise Schritte gehört und einen Schlag auf den Kopf bekommen. Er war auf die Knie gefallen und beim nächsten Schlag ohnmächtig zusammengebrochen.

    Am nächsten Morgen war er unten am Ufer aufgewacht. Das Blut war in seinem Haar und auf seiner Kleidung getrocknet. Sein Angreifer hatte wohl gedacht, dass er tot war, und ihn die Eindämmung heruntergerollt. Tom hatte seine Schwester mit dem Gesicht nach unten im Wasser treiben sehen. Bis heute wusste keiner, warum sie nicht ertrunken war. Tom hatte sie wiederbelebt und bis zu seinem Auto getragen.

    Trotz achtzehn Stichen und einer Woche Krankenhausaufenthalt gab er sich immer noch die Schuld, die anderen nicht gerettet zu haben, auch wenn er tief im Innersten gewusst hatte, dass es für Riley und Jenny zu spät gewesen war.

    Rae erstarrte neben ihm und deutete auf die zerbrochenen Fliesen zu ihren Füßen. „Tom, sieh mal da." Er kniete sich hin.

    „Ist das Blut?"

    Er berührte den Fleck. „Ja, und es ist noch frisch, aber es ist nicht viel. Lies nicht zu viel hinein." Zu spät. Er hörte Raes schnellen Atem, als sie wild mit der Taschenlampe umher schwenkte.

    „Sophie! Bist du hier? Ich bin es, Rae. Antworte mir! Er hörte sie scharf einatmen. „Ich habe etwas gesehen!

    Tom stand auf. „Wo?"

    Sie deutete zur Treppe. „Da oben war jemand. Ein Mann. Ich glaube, er hat uns beobachtet."

    „Bleib hier."

    Tom entsicherte seine Waffe und ging vorsichtig die Treppe hinauf. Er leuchtete den langen Flur entlang. Rechts und links standen Türen offen. Überall lag Schutt herum.

    „Sophie?, rief er. „Bist du hier? Ich bin Sheriff Brannon. Ich bin mit deiner Tante hier. Wir wollen nur wissen, ob es dir gut geht. Mit der Waffe in der rechten und der Taschenlampe in der linken Hand ging er den Flur entlang und leuchtete in jeden Raum hinein. Plötzlich hörte er Schritte auf der Treppe. „Rae, bist du das?"

    „Ja, ich komme hoch."

    Er widersprach ihr gar nicht erst. „Pass aber auf, der Boden ist morsch."

    Tom hörte Rae hinter sich, drehte sich aber nicht um. In einer

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1