Jasmin und Jade: Schicksalhafte Flucht - Eine Liebe in den Wirren des Zweiten Weltkrieges
Von Cara Maier und Sarah Rubal
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Über dieses E-Book
Cara Maier
Cara Maier kommt in den 1970-er Jahren als Tochter eines Architekten und einer ehemaligen Akrobatin zur Welt. Die unterschiedlichen Weltanschauungen ihrer Eltern und die daraus entstehenden Spannungen in der Familie sind sehr einprägsam für sie. Durch den Vater kommt sie zu ihrem ursprünglichen Beruf, die Bautechnik. In der zweiten Lebenshälfte wird der Ruf nach kreativer Verwirklichung immer lauter und so ist nach jahrelanger Arbeit dieser Roman entstanden.
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Buchvorschau
Jasmin und Jade - Cara Maier
1. Die Sturmnacht
Empelde, Juli 1941
Weiße Blitze zucken am Horizont dieser schwülen heißen Sommernacht. Wie ein Wegweiser erhellen sie mit ihrem stroboskopartigen, grellen Licht die ländliche Gegend vor der Stadt Hannover. Jedes Mal, wenn ein Blitz ein bizarres Abbild der ländlichen Gegend zeichnet, sind die Bomber ein Stück näher.
Durch diese unheilvolle Nacht kämpft sich eine junge Frau, vor sich die Bomben, die auf die Stadt fliegen, hinter ihr das aufziehende Unwetter, schwarz und bedrohlich. Das Korn steht hoch am Feld und Maria plagt sich einen Weg durch die Ähren, die sich auf dem nassgeschwitzten Kleid und in den schwarzen Locken verfangen. Doch Maria bemerkt das kaum, zu schwer das Kind, das sie trägt, und die Schmerzen der Wehen, die in immer kürzeren Abständen kommen.
»Dieses Kind! Welche unheilvolle Nacht hat es sich für seine Geburt ausgesucht!«, schreit die Mutter schmerzerfüllt in die Nacht. Eine weitere Verwünschung bleibt ihr im Halse stecken, als eine weitere Wehe sie überrollt.
Wieder blitzt es vor Maria auf, und die Bomber, die durch die Schwärze geflogen sind, heben sich nun vor den Gewitterwolken ab. Ihr klopft das Herz bis zum Halse. Mit der Angst in der Brust duckt sich Maria kurz zwischen den Ähren und setzt sich wieder in Bewegung. Das Kind drückt in ihrem Leib, und Maria weiß, dass sie es ohne ihre Hebamme nicht schaffen wird.
Unerlässlich fliegen die feindlichen Bomber Angriffe auf das nahe Hannover und die Einschläge trommeln gemeinsam mit dem Donner eine dumpfe unheilvolle Melodie, nur unterbrochen von den verzweifelten Schreien Marias: »Ich verfluche dieses Kind und jenen Mann, der es gezeugt hat!«
Jeder Schritt wird zur Qual. Aber Maria sieht bereits das dunkle Gebäude, die Umrisse, kaum von der nächtlichen Umgebung unterscheidbar. Hoffentlich ist die Hebamme auch da. Wenn nicht – das Kind will kommen – mit oder ohne Hilfe.
Doch da! Am Horizont ein schwaches Licht! Der schwache Kerzenschein lässt Hoffnung in der jungen Frau aufkeimen, Anna, die Hebamme hat wohl ahnend, dass jemand in dieser Nacht ihre Hilfe benötigt, eine Kerze ins Fenster gestellt. In diesem Moment wird Marias Körper wieder von einer heftigen Wehe erfasst. Der heftige Schmerz scheint ihre Füße zu lähmen. Schmerzerfüllt krümmt sie sich zusammen und sackt auf die Knie. Beide Hände krallen sich in die rote, staubige Erde. So verharrt sie, bis der Höhepunkt der Wehe verebbt ist. Die Ähren, die nun höher als ihr Kopf aufragen, versperren ihr die Sicht auf den schwachen Kerzenschein, und sie meint völlig die Orientierung zu verlieren. Mit letzter Kraft stemmt sie sich auf die Beine.
»Es können doch nur noch wenige Schritte sein!«, denkt sie verzweifelt.
Angestrengt sucht Maria nach der Lichtquelle, doch Schweiß und Tränen verkleben ihre Augen und machen es ihr schwer, die kleine Flamme in der Dunkelheit auszumachen. Instinktiv schlägt sie eine Richtung ein und schafft es langsam, einige Schritte weiter durch die kratzigen Ähren, als sie mit dem Fuß unvermittelt gegen einen harten Widerstand stößt. Nicht gefasst auf das plötzliche Hindernis kann sie das Gleichgewicht nicht mehr finden und stürzt hart auf die ausgedörrte Erde.
Das flackernde Licht der Kerze im Fenster der Hebamme ist das Letzte, was sie sieht. Dann wird alles schwarz.
Dunkelheit umfängt sie. Niemand weiß, wie lange sie da liegt. Doch da spürt sie, benebelt von ihren Schmerzen, wie zwei starke Hände sie packen. Doch sie kann sich nicht wehren. Erneut wird alles schwarz um sie, als eine tiefe, süße Ohnmacht die werdende Mutter für kurze Zeit von ihren Qualen zu erlösen scheint.
»Los! Hilf mit! Na los! Wach auf! Dein Kind will kommen! Wach auf!«
Die vertraute Stimme der Hebamme holt Maria aus dem Dunkel zurück.
»Was ist passiert? Wo bin ich?«, stöhnt Maria.
»Volker hat dich wenige Meter vor meinem Haus gefunden, du hattest das Bewusstsein verloren«, erklärt Anna kurz und bemerkt, dass Maria erneut die Augen verdreht und kurz davor ist, wieder ohnmächtig zu werden.
»Maria, bleib hier! Bleib wach! Du musst jetzt mithelfen, sonst bist du und dein Kind verloren!« Mit einem lauten Klatsch landet Annas Hand in Marias Gesicht. »Du wirst dich jetzt zusammenreißen, und dieses Kind hier und jetzt zur Welt bringen! So wie es reingekommen ist, so kommt es wieder raus!«
»Nein – ich kann nicht mehr!«
»Doch meine Liebe – strenge dich an!«
Maria schluchzt laut auf: »Es tut so weh!«
»Ich kann das nicht!«, heult Maria verzweifelt. »Kannst du mir nicht irgendetwas gegen diese verdammten Schmerzen geben?«, fleht sie ihre Hebamme an.
»Maria, du hast gewusst was dich erwartet, das ist schließlich nicht dein erstes Kind! Geh mir jetzt nicht drauf!«
»Ich will nicht mehr«, weint Maria. Wieder verschwimmt ihr Blick, und sie will einfach nur noch loslassen, sich gehen lassen, um den Schmerzen zu entgehen, die mit jeder Wehe wie ein heißer Pfeil durch ihren Bauch schießt.
»Deine Tochter Christa braucht dich! Los! Streng dich an! Pressen! Los!«
»Christa, mein süßer kleiner Engel«, schießt es Maria durch den Kopf, »ich muss mich anstrengen! Sie braucht mich doch!«
Der Gedanke an ihre Erstgeborene verleiht ihr die Kraft weiterzumachen.
Unausweichlich rollt die neue Wehe heran, doch Maria lässt sich dieses Mal von den Schmerzen nicht überwältigen. Nach einem tiefen Atemzug presst sie noch einmal mit all ihrer Kraft.
Und endlich - nach schier unendlichen Wehen und Qualen ertönt endlich ein kleiner zarter Schrei eines kleinen Mädchens.
»Es ist ein Mädchen«, sagt Anna beruhigend und legt die Kleine in Marias Arme. Erschöpft lächelt Maria das kleine Wesen an.
»Wie soll sie heißen?«
»Regina Mona« flüstert Maria entkräftet.
»Regina Mona«, wiederholt die Hebamme, »das ist ein starker Name für ein starkes Mädchen! Hans wird sich sicher auch über den Familienzuwachs freuen!«
»Hans! Oh, mein Gott. Hans darf nie erfahren, dass er nicht der Vater ist«, denkt Maria aufgeregt. Soll sie dem wahren Vater von dem Kind erzählen? Niemand, niemand sonst darf Bescheid wissen.
Hans, ihr Mann ist verarmt. Die meisten jungen Männer, die zuvor auf den Höfen gearbeitet haben, mussten in den Krieg ziehen. Jene Männer, die hiergeblieben sind, sind meist zu alt oder anderwärtig körperlich beeinträchtigt und daher auch für die harte Arbeit am Feld nicht tauglich. Deshalb verwahrlost auch der Hof von Hans auch, seit all die kräftigen Knechte an der Front sind. Die Felder wollten bestellt und die Schweine, Pferde und Hühner ausreichend gefüttert werden. Er sieht sich somit täglich mit den zahlreichen körperlichen Arbeiten zunehmend überfordert. Ganz gleich, an welchem Ende er mit der Arbeit anfängt, bleiben am anderen Ende des Hofs zig andere Arbeiten unerledigt. Diese unzufriedenstellende Situation nagt auch an seiner Laune, die sich somit zunehmend verschlechtert.
Maria erkannte als Erste, dass sie es ohne fremde Hilfe nicht schaffen würden. Der Hof wirft zu wenig Erträge ab, um die kleine Familie zu ernähren. Die Schweine wurden vom Militär beschlagnahmt. Die Erinnerung an diesen Tag zerreißt Maria immer noch das Herz.
Ohne Vorankündigung tauchten Soldaten auf dem Hof auf. Mit knappen groben Worten gaben sie den beiden zu verstehen, dass sämtlich Schweine für die Versorgung der deutschen Wehrmacht beschlagnahmt sind. Widerstand würde mit einer Kugel in den Kopf geahndet werden. Im Krieg gelten andere Gesetzmäßigkeiten und die Gerechtigkeit ist das erste Opfer.
Maria durchfährt ein kalter Schauer bei den Gedanken. »Meine beiden Mädchen haben etwas Besseres verdient«, denkt sie.
Doch soll Maria das hohe Risiko eingehen, und sich hilfesuchend an die Familie des wahren Vaters von Regina wenden?
Der Skandal wäre gewaltig! Eine willkommene Abwechslung für die kleine Dorfgemeinschaft, die in diesen wirren und entbehrungsreichen Kriegsjahren für jeden Skandal, der von den täglichen Verbrechen ablenkt, dankbar wäre.
Maria muss einen Weg finden, trotzdem die Hilfe dieser einflussreichen und wohlhabenden Familie zu erbitten, damit sie und ihre beiden Töchter nicht verhungern müssen. Darüber denkt sie schon seit einer Weile nach.
Hunger, dauernd dieser Hunger, Maria will nie wieder Hunger erleiden. Auch ihren Mädchen soll das erspart bleiben. Koste es, was es wolle.
Auch wenn sie Reginas wahren Vater und somit auch seine Familie über die Geburt seiner Tochter in Kenntnis setzen muss. Seine Familie wird alles dafür tun, dieses Geheimnis zu wahren, die Angst vor dem Skandal, dem Gerede der Leute und dem Gespött ist zu groß. Ja, sie würden alles dafür tun, dieses Geheimnis zu wahren. Und genau das wird Maria und ihren Töchtern das Überleben sichern. Essen und Kleidung und etwas Geld, alles, was eine verzweifelte junge Familie in den Wirren des Krieges benötigt, um zu überleben. Ja, sie werden überleben!
In diesem Moment erreicht das Unwetter seinen Höhepunkt. Endlich beginnt auch Regen auf das staubige, vertrocknete Land zu fallen. Er bringt Erleichterung und Hoffnung. Auch die Flieger sind verstummt und mit ihnen der entfernte Bombenschlag über der Stadt. Mit dem beruhigenden Prasseln des Regens und ihrem soeben geschmiedeten Plan, der Maria das Überleben sichern wird, fällt sie endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Wissend, dass sich Anna in dieser Nacht sorgfältig um das Neugeborene kümmern wird.
In dieser Nacht kehrt für kurze Zeit Ruhe ein. Ruhe für Hannover und die kleine Stadt Empelde und ihre Bewohner. Und mit ihnen auch für Maria und ihre Familie.
2. Wenzhou
Juli 1941
»Wo ist sie?! Wo ist dieses verwöhnte Balg?!«, hallt es wütend durch die Dienstbotenküche des Sommerpalastes der Familie Shu. Die beleibte Köchin läuft mit ungelenken Schritten der kleinen Essensdiebin nach, die unter den großen Tisch mit den gebratenen Garnelen auf Gemüse hindurchgehuscht ist, doch kaum, dass Beate die Tafel umrundete, muss sie stehen bleiben und mit den Händen auf den Oberschenkeln gestützt Luft holen. Sie wischt sich mit dem Küchentuch, der in dem Bund ihrer Hose steckt, über ihre Stirn und ihre erhitzten Wangen.
Ja, sie muss sich eingestehen, dass sie durch das gute Leben hier in Wenzhou mehr als eine rundliche Hüfte bekommen hat. »Ich bin fett«, denkt sie bei sich, was ihre Laune keineswegs aufhellt. Ihre Wut auf die freche Mai Ling wird von Neuem entfacht. »Ich werde dich schon erwischen!«, brüllt sie dem Kind in die große Halle nach und fuchtelt mit dem Küchentuch, obwohl Mai Ling sie längst nicht mehr sehen kann. »Irgendwann …«, murmelt sie etwas kleinlaut, als ein Stechen in der Brustgegend sie zusammenfahren lässt.
Beate hält sich die Stelle und holt noch mal tief Luft. »Dieses blöde Seitenstechen.
Ich muss einfach abnehmen. Das geht doch so nicht weiter mit mir.«
Schließlich wendet sie sich wieder der leckeren Gemüsepfanne mit Garnelen zu. Eigentlich wollte sie dazu noch einen feinen Schinken schneiden, doch die kleine Diebin ist ihr zuvorgekommen und hat den Leckerbissen doch glatt vor ihrer Nase geklaut. Bevor die Wut wieder in ihr hochsteigen kann, probiert sie beherzt einen Löffel der guten Pfanne und lächelt zufrieden. Es schmeckt vorzüglich.
»Das wird der Herrin munden. Hoffentlich bringt es sie in bessere Stimmung«, denkt sich Beate. Denn sie hat keine Energie mehr, eine weitere Mahlzeit wegzukippen und wieder von vorn zu beginnen, weil es der Hausherrin bereits vom Geruch schlecht wird und sie wieder den gesamten Sommerpalast zusammenschreit. Sie braucht endlich die neue Küchenhilfe!
Mai Ling ist der beleibten Köchin spielend entkommen. In einer günstigen Sekunde hat sie den Schinken vom Küchentisch geangelt und ist damit davongelaufen. Fast tut es ihr leid, dass Beate schnaufend hinter ihr her gebrüllt hat, zu dick, um ihr nachzurennen. Aber ihr hochrotes Gesicht sah zu lustig aus.
Nun hockt Mai Ling hinter dem Vorhang aus roter und goldener Seide im Schreibzimmer ihres Vaters und beißt zufrieden ein großes Stück des Schinkens ab. Didi sitzt neben ihr am Boden und winselt, um auch ein Stück der Beute abzubekommen. So reißt sie ein