Mit ADHS und Freude durch den Schulalltag
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Über dieses E-Book
Claudia Reinicke beschreibt die Symptomatik und die Ursachen von ADHS alltagstauglich und ohne Grundsatzdiskussion. Sie stellt die möglichen Reaktionen auf den Prüfstand und zeigt, welche Elemente sich sinnvoll anwenden lassen. Richtschnur ist eine lösungsorientierte Kommunikation, die ein effektives und freudvolles Lernen erleichtert.
Die Autorin zeigt, wie man Probleme in Ziele umwandelt und so aus der ständigen Suche nach Fehlern ein Entdecken von vielen kleinen Erfolgen wird. Als hilfreiches Werkzeug entpuppt sich die Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP): Sie reduziert den Stress und stärkt den Selbstwert bei allen Beteiligten. Übungen zur Selbstreflexion und zur Selbstfürsorge unterstützen Lehrer und Erzieher beim Führen von Klassen bzw. Gruppen wie bei der persönlichen Gesunderhaltung.
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Buchvorschau
Mit ADHS und Freude durch den Schulalltag - Claudia A. Reinicke
1Woran erkenne ich, dass ein Kind AD(H)S haben könnte?
Das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom kann laut DSM IV mit einer hyperaktiven Ausprägung (ADHS) auftreten, sich im impulsiven Typus zeigen oder nur als Aufmerksamkeitsstörung (ADS) daherkommen.
Die drei Hauptmerkmale des AD(H)S sind
Aufmerksamkeitsprobleme,
Impulsivität und
Hyperaktivität.
Ich möchte an dieser Stelle nicht die in diagnostischen Manualen beschriebenen Symptomlisten aufzählen. Diese können Sie im Anhang nachlesen. Für eine Diagnose müssen nicht alle drei der Hauptmerkmale vorhanden sein. »Nur« aufmerksamkeitsgestörte Kinder erhalten die Diagnose »ADS«. Ich verwende im Text der Einfachheit halber das Kürzel ADHS, womit Kinder mit und ohne Hyperaktivität gemeint sind.
Je nach Subtypus erkennen Sie vor allem hyperaktive Kinder z. B. im Grundschulalter an einem andauernden Bewegungsdrang. Zappeln, mit dem Stuhl kippeln, spontanes Aufstehen und Herumlaufen, sehr auffälliges, geräuschintensives, wild wedelndes Sichmelden gehören u. a. dazu. So ein Kind wird auch bei der Aufforderung »Wir gehen jetzt los!« womöglich nicht gehen, sondern losrasen. Bei dieser besonderen Art des Gehens rempelt das Kind unzählige Male andere sorglos Herumstehende an – ohne wirkliche Absicht.
Die impulsiven Kinder quatschen Ihnen immer dazwischen, stellen unzählige, scheinbar überflüssige Fragen, da die Antwort quasi gerade erklärt wurde, stehen einem fast auf den Zehenspitzen, wenn sie mit einem reden, umarmen oft Menschen, denen man diese Geste ohne eine gewisse Distanzlosigkeit nicht entgegenbringen würde, reagieren oft unglaublich schnell, aber nicht unbedingt angemessen auf eine neue Situation. Arglos bringen sie sich oft in Gefahr – in der festen Annahme, der Menschheit einen guten Dienst zu tun. So wird sich ein Kind ohne ADHS sicherlich dreimal überlegen, ob es sinnvoll ist, einen aufgeplatzten gelben Müllsack, dessen Inhalt sich durch das Vorbeifahren der letzten Autos gerade auf einer vierspurigen Stadtstraße zu verteilen beginnt, von der Fahrbahn aufzuheben und die verstreuten Plastikmüllteile wieder einzusammeln. Das ADHS-Kind hat vielleicht in diesem Moment nur den Gedanken »Umweltverschmutzung!«, checkt kurz die Verkehrssituation (behauptet es hinterher jedenfalls), sammelt das herumfliegende Zeug ein und trägt den Sack zur Schule, um ihn dort unter schwer verständlichen, weil verwirrenden Erklärungen ordnungsgemäß zu entsorgen. Niedergeschlagen nimmt das Kind dann nur zur Kenntnis, dass nicht alle Personen uneingeschränkte Begeisterung für sein Umweltbewusstsein äußern, sondern immer wieder sogar eher schimpfend etwas von »Gefahren« erzählen.
Bei den Kindern mit deutlich eingeschränkter Aufmerksamkeit fällt Ihnen auf, dass diese immer wieder zu vergessen scheinen, was sie gerade gehört haben. Manchmal ist man sich auch nicht sicher, ob sie einen überhaupt gehört haben. Wenn andere reden, schalten sie meist »schnell ab« und versinken, je nach motorischer Konstitution, wie weggetreten in sich selbst oder widmen sich einer anderen Gegebenheit. Manche vermeintliche Ablenkung – wie mit dem Radiergummi in der Hand spielen, den Kugelschreiber an- und ausknipsen oder ein in der Nähe stehendes Murmelspiel in Bewegung versetzen – dient dabei oftmals lediglich der Stimulation, um nicht ganz abzuschalten. Manche träumen und scheinen nie bei der Sache zu sein. Oft hält man sie für dümmer, als sie sind, weil sie oft von Fragen überrascht sind und nicht antworten können. Sie können ihre Aufmerksamkeit einfach nicht ausrichten. Sie können auch beim selbst gewählten Sportwettkampf am Start stehen und denselben verpassen, weil sie gerade ein bekanntes Gesicht im Zuschauerraum ausfindig gemacht haben, dem sie erfreut zublinzeln. Sie machen ebenso viele Schusselfehler, wie hyperaktive Kinder, aber bei ihnen zweifelt man eher am Intellekt, weil sie sich nicht so aktiv am Geschehen beteiligen. Und das Gedächtnis schlägt ihnen auch ein Schnippchen, wenn sie etwas gezielt reproduzieren sollen.
ADHS-Kinder vergessen genauso oft, ihre Hausaufgaben in das dafür vorgesehene Heft einzutragen, wie ihre Eltern an die wöchentliche Auszahlung des Taschengeldes zu erinnern. Sie kommen auch mit gepacktem Ranzen in die Schule, wenn angesagt und eingeschrieben wurde, dass am nächsten Tag ein kleiner Rucksack mit Vesper und Federmäppchen genügt, weil ein Zooausflug ansteht. An den anderen Tagen ist selten vollständig das Benötigte in der Schultasche. Mühevoll erledigte Hausaufgaben bleiben zu Hause liegen, der Beutel mit Schwimmsachen wird im Bus, wenn nicht sogar schon an der Bushaltestelle vergessen, weil das Einsteigen in den Bus so überraschend kam. Wichtige Gegenstände wie Schlüssel, Brille, Zirkel, Geldbeutel, Fahrkarte werden immer gesucht und selten gleich gefunden. Das rechtzeitige Absenden von Bewerbungsunterlagen wird genauso »verpeilt« wie die fristgerechte Abgabe der ausgeliehenen Schulbücher, ohne die das Abschlusszeugnis nicht vergeben wird.
Ich finde die Kinder am spannendsten, die die gesamte Bandbreite der Auffälligkeiten mit sich führen: hyperaktiv, impulsiv und mit beeinträchtigter Aufmerksamkeit – da können Sie alle Besonderheiten auf einmal genießen. Diese Kinder vergessen nicht nur, sie reagieren auch noch so schnell mit einer unerwarteten Alternative, dass einem das Leben mit ihnen nie langweilig wird. Sie können kaum ruhig auf einem Stuhl sitzen, stehen immer wieder ungefragt auf, quatschen immer dazwischen, beantworten Fragen, bevor sie fertiggestellt sind, überhören oft das Wesentliche – vor allem, wenn gerade auf Verhaltensregeln aufmerksam gemacht wird. Haben sie die Regeln allerdings erst einmal internalisiert, rufen sie sie oft stur ab, auch wenn die Situation diesmal eine ganz andere ist. Sie scheinen oft genau das Gegenteil von dem zu tun, was der Lehrer ansagt. Ihre Arbeitsmaterialien neigen dazu, immer dort zu verweilen, wo sie gerade nicht benötigt werden, soweit sie nicht sogar verloren gegangen sind.
Die zur Verfügung stehende Zeit einzuschätzen ist für diese Kinder oft bis ins Erwachsenenalter ein Buch mit sieben Siegeln und eine Unfähigkeit, die sie immer wieder in höchste Not bringt. Denn ganz gleich, ob es morgens der Bus ist, der sich nach einem Fahrplan richtet, oder eine Klassenarbeit, die überraschenderweise nach 45 Minuten beendet werden soll, den »ADHSler« überrascht das immer wieder