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Meine Bar in Italien: Warum uns der Süden glücklich macht
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eBook118 Seiten1 Stunde

Meine Bar in Italien: Warum uns der Süden glücklich macht

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Über dieses E-Book

Pino schenkt in einer jener kleinen und unscheinbaren Bars aus, wie sie über ganz Italien verstreut sind. Wo man irgendwann den Betreiber persönlich kennt und auch seine Stammgäste. Pinos Bar wohnt jene Magie inne, die von Lebenslust, engen Freundschaften und lebensklugen Menschen erzählt. Denn Pino und seine Gäste verstehen etwas von dieser rätselhaften, komplizierten Sache, die wir Leben nennen.

Pinos Bar ist immer offen. Zu Weihnachten und Neujahr, Ferragosto und am Ostersonntag. Ab sechs Uhr morgens, wenn die ersten Fischer aus der Lagune zurückkommen und der Bäcker von nebenan schon sehnsüchtig auf seinen ersten Kaffee wartet. Bis tief in die Nacht, denn Pinos Gäste erzählen Geschichten über unvergessliche Begegnungen, über Zeit, Geld, Glück und Genuss – und geben uns, humorvoll und wie nebenbei, praktische Lebenslektionen, wie wir die schönsten Seiten dieser Welt entdecken können.Glück und Genuss – und geben uns, humorvoll und wie nebenbei, praktische Lebenslektionen, wie wir die schönsten Seiten dieser Welt entdecken können
SpracheDeutsch
HerausgeberKneipp Verlag
Erscheinungsdatum2. März 2023
ISBN9783990407097

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    Buchvorschau

    Meine Bar in Italien - Stefan Maiwald

    1. Arbeiten, anders gedacht

    Pino: Verloren in Colón

    Fangen wir bei Pino selbst an, dem Inhaber der Bar. Er ist 82 Jahre alt, hat volles weißes Haar, sehr breite Schultern und ist beeindruckende einen Meter neunzig groß. Sein Gesicht ist quadratisch, etwa so wie beim alten Herrn vom Disney-Hit »Up!«. Bloß lächelt Pino öfter. Er sperrt die Bar jeden Morgen um sechs Uhr auf, schiebt die Croissants in den Ofen und macht Kaffee für die ersten Kunden. Das Verb aufsperren ist übrigens typisch österreichisch, obwohl ich aus Norddeutschland stamme. Aber hier fangt ihr automatisch an, mit österreichischem Einschlag zu reden.

    Grado war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein armer Ort. Mit der Sommerfrische der adligen Wiener Familien hatte es sich nach dem Ersten Weltkrieg erledigt, denn Grado hatte zum k. u. k. Küstenland gehört und fiel danach an Italien. Der Tourismus kam mit Beginn des Zweiten Weltkrieges völlig zum Erliegen. Und auch im Jahr 1953 war die Fischerei für die Jugendlichen die einzig mögliche Einnahmequelle. Wer kein Boot hatte, musste bei einem Bekannten anheuern. Doch dann sah Pino in einer Triestiner Tageszeitung die Anzeige einer Reederei aus Hamburg: Man suchte Matrosen für die Schiffe, denn dort oben war das Wirtschaftswunder in vollem Gang. Er schrieb eine Bewerbung, bekam einen Brief mit einer Fahrkarte, setzte sich in den Zug und stieg 36 Stunden später in Hamburg aus. Mit gerade 16 Jahren bestieg er ein Frachtschiff, das nach Südamerika fuhr. Dann, mitten auf dem Atlantik, rammte sich der Chefkoch versehentlich ein Messer in den Bauch. Der Frachter musste in Madeira anhalten, um ihn in ein Krankenhaus zu bringen. Wer würde jetzt Smutje werden? Pino meldete sich, niemand hatte Einwände. Dass Italiener im Allgemeinen ganz gut kochen können, wusste man auch schon im Jahr 1953. Und so fuhr Pino mehr als zehn Jahre lang pfannenschwenkend zur See. Und lernte die Welt kennen.

    Na ja, vor allem lernte er Häfen, Piere, Docks, Kräne und Container kennen, wie er selbst sagt. Aber einmal schleppte ihn ein Offizier ins Nachtleben von Colón. Was genau dann nach dem Besuch in dieser zwielichtigen panamaischen Bar passierte, vor der man sie ausdrücklich gewarnt hatte, konnten sie nicht mehr rekonstruieren, aber am nächsten Tag wachten sie in irgendeiner anderen Kaschemme auf, blickten entsetzt auf die Uhr und stürzten zum Hafen. Zu spät, das Schiff hatte bereits abgelegt. Das war in einer Zeit ohne Mobiltelefone, und selbst Funkkontakt war für Privatleute unmöglich. Es half nichts: Sie nahmen ein Flugzeug, das sie nach Curaçao brachte, dem nächsten Hafen, und für den Flug ging beinahe das Jahresgehalt drauf. Der Offizier wurde degradiert, Pino war zum Glück noch minderjährig, für ihn blieb die verpasste Passage folgenlos, bis auf den teuren Flug. Und wahrscheinlich wollte der Kapitän nicht schon wieder einen Koch verlieren.

    Dann kam Pino zurück, hatte gute westdeutsche Mark kassiert und eröffnete die Bar, in der er jetzt gerade, als ich diese Zeilen schreibe, einem Gast einen Toast über den Tresen reicht.

    Er hätte sicher mehr aus seinem Leben machen können, würden jetzt viele meinen. Eine Karriere in Deutschland und noch mehr Mark verdienen. Das wäre doch der logische Schritt, oder?

    Doch Pino hatte immer nur eines im Sinn: zurück nach Grado kommen und sein eigenes Ding machen. Klein, aber abbezahlt. Seit mehr als 50 Jahren bewirtet er den Ort, natürlich helfen auch seine Töchter mit, und die dritte Generation steht auch schon bereit. Wenn seine Schicht zu Ende ist, setzt er sich zu einem der Tische hinzu und gönnt sich ein Glas Wein. Und dann blickt er auf eine seiner Töchter, groß gewachsen wie er, die immer wieder am Tisch vorbeischaut. Sein Blick drückt nicht nur Stolz aus, das wäre zu einfach gedacht. Nein, es ist der tief befriedigte Blick eines Mannes, der das letzte Stück eines 1000-Teile-Puzzles legt und dann das entstandene Bild bewundert.

    Was habe ich von Pino gelernt? Es ist noch keine Lektion fürs Leben, denn wir sind ja erst am Beginn des Buches. Aber vielleicht steckt ja auch in Pinos Bar selbst ein tieferes Geheimnis. Ich mag es, dabei zu sein, aber nicht dazuzugehören. Eher Beobachter als Protagonist zu sein. Ein bisschen Außenseiter – das fühlt sich gar nicht so schlecht an. Deswegen bin ich auch Stammgast in Pinos Bar, aber eben nicht am Stammtisch. Ich genieße die tägliche Theateraufführung. Für meinen Job kann es kaum einen besseren Platz geben. Meine Welt soll nie so ganz bis in den letzten Winkel erobert und verstanden werden, es braucht terra incognita, um den Zauber zu bewahren.

    Ich bewundere Pino, weiß aber, dass ich in der Zuschauerrolle besser aufgehoben bin. Hier bin ich Fremder und zugleich willkommen, nicht dabei und doch nicht ausgegrenzt.

    Und ihr? Seid ihr wirklich dort, wo ihr hingehört? Passt es bei euch auch?

    Ganz schön große Fragen, ich weiß. Aber seht es als Bestandsaufnahme zu Beginn unserer gemeinsamen Reise.

    Roberto und die Objektive

    Wenn Roberto, den alle nur Roby nennen, bei Pino auftaucht, fliegen ihm die Ciaos aus wirklich jeder Ecke und von jedem Tisch entgegen. Er ist ein Mensch, den alle gerne um sich haben. Ich glaube, das liegt erstens daran, dass er viele Dinge gut kann, die ihm jede Menge sozialen Kredit einbringen; dazu gleich mehr. Zweitens liegt es daran, dass Roby völlig mit sich im Reinen ist. Mir sagte mal ein Schriftsteller: »Letztlich gehören wir doch alle auf die Couch.« Auf Roby trifft das ganz bestimmt nicht zu. Er bestellt sich einen gespritzten Weißwein und klopft mir auf die Schulter.

    Es gibt Menschen, die ihr Leben dermaßen geschmeidig gestalten, dass man sofort mit ihnen tauschen möchte. Roberto ist so einer. Er gilt als einer der besten Köche in Grado, aber er denkt gar nicht daran, irgendwo in Festanstellung zu arbeiten. Das ist nicht sein Leben. Manchmal hilft er für ein paar Abende in den Restaurants von Grado aus, wie etwa an jenem dramatischen Augusttag vor ein paar Jahren, als der junge Küchenchef eines bekannten Restaurants in Grado unbedingt noch in die Diskothek nach Triest wollte, dort angetrunken in eine Schlägerei geriet und den Rest des Sommers im Krankenhaus aus einer Schnabeltasse trinken musste. Und manchmal lernt er in der Vorsaison neues Personal an, aber nur, wenn er es einrichten kann. Beim Schreiben dieser Zeilen sind von den 125 auf Tripadvisor bewerteten Restaurants in Grado die beiden bestbewerteten genau jene, in denen

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