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Maigret und der Samstagsklient
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eBook157 Seiten1 Stunde

Maigret und der Samstagsklient

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Über dieses E-Book

Maigret freut sich auf den Feierabend am Boulevard Richard-Lenoir, doch statt der Quiche Lorraine seiner Frau wartet ein Mann auf ihn. Keineswegs ein Unbekannter: Seit Wochen drückt er sich jeden Samstagabend am Quai des Orfèvres herum und verlangt, den Kommissar zu sprechen. Doch der Bittsteller ist stets verschwunden, bevor Maigret Zeit für ihn findet. Auch am Boulevard Richard-Lenoir zögert er eine Weile, bevor er mit der Sprache herausrückt: Er plant, seine Frau und deren Liebhaber umzubringen. Zwei Tage später ist der »Samstagsklient« wie vom Erdboden verschluckt.
SpracheDeutsch
HerausgeberKampa Verlag
Erscheinungsdatum25. Nov. 2021
ISBN9783311702818
Maigret und der Samstagsklient
Autor

Georges Simenon

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Liège, ist der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, mit einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und über 150 Erzählungen), seine Rastlosigkeit und seine Umtriebigkeit bestimmten sein Leben: Um einen Roman zu schreiben, brauchte er selten länger als zehn Tage, er bereiste die halbe Welt, war zweimal verheiratet und unterhielt Verhältnisse mit unzähligen Frauen. 1929 schuf er seine bekannteste Figur, die ihn reich und weltberühmt machte: Kommissar Maigret. Aber Simenon war nicht zufrieden, er sehnte sich nach dem »großen« Roman ohne jedes Verbrechen, der die Leser nur durch psychologische Spannung in seinen Bann ziehen sollte. Seine Romane ohne Maigret erschienen ab 1931. Sie waren zwar weniger erfolgreich als die Krimis mit dem Pfeife rauchenden Kommissar, vergrößerten aber sein literarisches Ansehen. Simenon wurde von Kritiker*innen und Schriftstellerkolleg*innen bewundert und war immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. 1972 brach er bei seinem 193. Roman die Arbeit ab und ließ die Berufsbezeichnung »Schriftsteller« aus seinem Pass streichen. Von Simenons Romanen wurden über 500 Millionen Exemplare verkauft, und sie werden bis heute weltweit gelesen. In seinem Leben wie in seinen Büchern war Simenon immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«, was sie in ihrem Innersten ausmacht, und was sich nie ändert. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

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    Buchvorschau

    Maigret und der Samstagsklient - Georges Simenon

    1

    Manche Bilder prägen sich uns grundlos ins Gedächtnis ein, obwohl wir sie kaum bewusst wahrgenommen haben und sie sich auf nichts Bedeutendes beziehen. So sollte Maigret noch Jahre später Minute für Minute, Geste für Geste jenes ereignislosen Spätnachmittags am Quai des Orfèvres mühelos rekonstruieren können.

    Da war zunächst einmal die schwarze Marmoruhr mit den Bronzeverzierungen, auf die sein Blick gefallen war, als sie sechs Uhr achtzehn anzeigte, was bedeutete, dass es kurz nach halb sieben war. In zehn anderen Büros am Quai des Orfèvres, beim Chef ebenso wie bei den anderen Abteilungsleitern, standen die gleichen Uhren zwischen mehrarmigen Kerzenständern, und auch sie gingen seit undenklichen Zeiten nach.

    Warum war ihm dieser Gedanke gerade heute und an keinem anderen Tag gekommen? Kurz fragte er sich, wie viele Behörden und Ministerien ein gewisser F. Ledent, dessen Signatur in schöner Kursivschrift auf dem weißen Zifferblatt stand, einst mit diesen Uhren beliefert hatte, und er malte sich die Mauscheleien, Intrigen und Bestechungsaffären aus, die einem so wichtigen Geschäft vorausgegangen sein mussten.

    Nach dem Stil seiner Uhren zu urteilen, war F. Ledent schon seit einem halben, vielleicht sogar einem ganzen Jahrhundert tot.

    Die Lampe mit dem grünen Schirm brannte, denn es war Januar. Auch sie glich den anderen Lampen im Gebäude.

    Lucas stand vor Maigret und schob die Dokumente, die dieser ihm nacheinander gereicht hatte, in eine gelbliche Aktenmappe.

    »Soll Janvier noch im Crillon bleiben?«

    »Nicht mehr lange. Schick jemanden hin, der ihn noch heute Abend ablöst.«

    In den Luxushotels an den Champs-Élysées hatte es eine Serie von Juwelendiebstählen gegeben, und seitdem ließ man jedes einzelne unauffällig überwachen.

    Maigret drückte mechanisch auf einen Klingelknopf. Gleich darauf öffnete der alte Joseph, der Bürodiener, die Tür.

    »Niemand mehr für mich?«, fragte der Kommissar.

    »Nur noch die Verrückte …«

    Das war nicht wichtig. Schon seit Monaten erschien sie zwei- bis dreimal pro Woche am Quai des Orfèvres und schlich sich, ohne ein Wort zu sagen, in den Warteraum, wo sie zu stricken begann. Nie hatte sie sich angemeldet. Am ersten Tag hatte Joseph sie gefragt, wen sie zu sprechen wünsche.

    Sie hatte ihn verschmitzt, fast spöttisch angelächelt und geantwortet:

    »Kommissar Maigret wird mich rufen, wenn er mich braucht …«

    Joseph hatte ihr einen Anmeldezettel gereicht. Sie hatte ihn in einer so regelmäßigen Handschrift ausgefüllt, die an die einer Klosterschülerin erinnerte. Sie hieß Clémentine Pholien und wohnte in der Rue Lamarck.

    An jenem Tag hatte der Kommissar Janvier angewiesen, sie zu empfangen.

    »Hat man Sie vorgeladen?«

    »Kommissar Maigret weiß Bescheid.«

    »Hat er Ihnen eine Vorladung geschickt?«

    Sie lächelte; trotz ihres Alters war sie klein und zierlich.

    »Eine Vorladung ist nicht nötig.«

    »Haben Sie ihm etwas zu sagen?«

    »Vielleicht.«

    »Er ist im Augenblick sehr beschäftigt.«

    »Das macht nichts. Ich kann warten.«

    Sie hatte bis sieben Uhr abends gewartet und war dann gegangen. Wenige Tage später hatte man sie wieder gesehen, mit demselben zartlila Hut, derselben Strickarbeit, und wieder hatte sie sich in den Warteraum mit der Glaswand gesetzt.

    Für alle Fälle hatte man Erkundigungen eingeholt. Sie hatte lange ein Kurzwarengeschäft im Montmartre geführt und bezog eine stattliche Rente. Ihre Neffen und Nichten hatten mehrmals versucht, sie in die Nervenklinik einweisen zu lassen, aber jedes Mal hatte man sie mit der Begründung weggeschickt, dass sie nicht gefährlich sei.

    Wo hatte sie Maigrets Namen aufgeschnappt? Sie kannte ihn nicht vom Sehen, denn er war mehrmals an dem Glaskäfig vorbeigegangen, als sie dort saß, und sie hatte ihn nicht erkannt.

    »Nun, mein lieber Lucas, machen wir Schluss für heute.«

    Sie machten früh Feierabend, vor allem für einen Samstag. Der Kommissar stopfte sich eine Pfeife und holte Mantel, Hut und Schal aus dem Wandschrank.

    Er ging an dem Glaskäfig vorbei, das Gesicht vorsichtshalber abgewandt. Als er auf den Hof kam, umgab ihn ein gelblicher Nebel, der sich im Lauf des Nachmittags über Paris gelegt hatte.

    Er hatte es nicht eilig. Den Mantelkragen hochgeschlagen, die Hände in den Taschen, ging er um den Palais de Justice herum und unter der großen Uhr hindurch zum Pont-au-Change. Als er die Mitte der Brücke erreichte, hatte er das Gefühl, dass ihm jemand folgte, und er drehte sich unvermittelt um. In beide Richtungen waren viele Fußgänger unterwegs. Wegen der Kälte gingen fast alle schnell. Er war sich fast sicher, dass ein dunkel gekleideter Mann etwa zehn Meter hinter ihm plötzlich auf dem Absatz kehrtmachte.

    Maigret dachte nicht weiter darüber nach. Vielleicht hatte er sich geirrt.

    Wenige Minuten später wartete er an der Place du Châtelet auf seinen Bus. Er fand einen freien Platz auf der Plattform, wo er seine Pfeife weiterrauchen konnte. Hatte sie wirklich einen besonderen Geschmack? Er hätte es schwören können. Vielleicht lag es am Nebel und der Beschaffenheit der Luft. Ein sehr angenehmer Geschmack.

    Er dachte an nichts Bestimmtes, träumte vor sich hin, während er vage die hin und her schwankenden Köpfe der anderen Fahrgäste betrachtete.

    Bald darauf war er wieder auf dem Gehweg, am fast menschenleeren Boulevard Richard-Lenoir und sah von Weitem die Lichter seiner Wohnung. Er ging die vertraute Treppe hinauf, sah die Lichtstreifen unter den Türen, hörte gedämpfte Stimmen und Radiomusik.

    Wie gewöhnlich öffnete sich die Tür, bevor er den Knauf berührt hatte. Madame Maigret stand im Gegenlicht und legte geheimnisvoll einen Finger auf die Lippen.

    Er blickte sie fragend an und versuchte, an ihr vorbeizusehen.

    »Es ist jemand da …«, flüsterte sie.

    »Wer?«

    »Ich weiß nicht. Er ist seltsam.«

    »Was hat er gesagt?«

    »Dass er dich unbedingt sprechen muss.«

    »Was hältst du von ihm?«

    »Ich weiß es nicht, aber er hat eine Fahne.«

    Es gab Quiche Lorraine zum Abendessen, wie ihm der Duft verriet, der aus der Küche strömte.

    »Wo ist er?«

    »Ich habe ihn ins Wohnzimmer geführt.«

    Sie nahm ihm Mantel, Hut und Schal ab. Die Wohnung erschien ihm weniger hell als sonst, aber das bildete er sich wahrscheinlich nur ein. Schulterzuckend öffnete er die Tür zum Wohnzimmer, in dem seit gut einem Monat ein Fernsehapparat den zentralen Platz einnahm.

    Der Mann stand im Mantel, den Hut in der Hand, in einer Ecke. Er wirkte eingeschüchtert und wagte kaum, den Kommissar anzublicken.

    »Entschuldigen Sie, dass ich zu Ihnen nach Hause gekommen bin«, stammelte er.

    Maigret hatte sofort seine Hasenscharte bemerkt. Er war froh, dem Mann endlich gegenüberzustehen.

    »Sie waren schon am Quai des Orfèvres, um mich zu sehen, nicht wahr?«

    »Ja, mehrmals.«

    »Sie heißen … Warten Sie … Planchon.«

    »Ja, Léonard Planchon.«

    Und noch kleinlauter wiederholte er:

    »Entschuldigen Sie …«

    Sein Blick schweifte durch das kleine Wohnzimmer und blieb an der halb geöffneten Tür hängen, so als wollte er sofort wieder davonlaufen. Wie oft war er schon zum Quai des Orfèvres gekommen und wieder gegangen, ohne den Kommissar gesprochen zu haben?

    Fünfmal mindestens. Immer samstagnachmittags. Sodass man ihn schließlich den Samstagsklienten genannt hatte.

    Es erinnerte Maigret ein bisschen an die Geschichte mit der Verrückten. Wie die Zeitungen zieht die Kriminalpolizei alle möglichen merkwürdigen Leute an, und man lernt sich schließlich kennen; die Gesichter werden vertraut.

    »Zuerst habe ich Ihnen geschrieben«, murmelte er.

    »Setzen Sie sich.«

    Durch die Glastür sah man den gedeckten Tisch im Esszimmer, und der Mann warf einen Blick dorthin.

    »Sie wollen jetzt essen, nicht wahr?«

    »Setzen Sie sich«, wiederholte der Kommissar mit einem Seufzer.

    Da kam er einmal früh nach Hause und würde trotzdem spät zu Abend essen. Schade um die Quiche! Und die Nachrichten im Fernsehen! Seit einigen Wochen hatten sich seine Frau und er angewöhnt, beim Essen fernzusehen, und sich sogar dafür umgesetzt.

    »Sie sagen, Sie haben mir geschrieben?«

    »Mindestens zehn Briefe.«

    »Von Ihnen unterschrieben?«

    »Die ersten waren nicht unterschrieben. Ich habe sie zerrissen. Die anderen auch. Dann habe ich mich entschlossen, Sie aufzusuchen.«

    Auch Maigret bemerkte die Alkoholfahne, aber sein Gesprächspartner war nicht betrunken. Nervös, ja. Er verschränkte die Finger so fest ineinander, dass die Knöchel weiß hervortraten. Erst allmählich wagte er, den Kommissar anzusehen, und sein Blick war beinahe flehend.

    Wie alt mochte er sein? Schwer zu sagen. Er war weder jung noch alt und sah so aus, als wäre er nie jung gewesen. Fünfunddreißig?

    Auch seine soziale Herkunft war nicht leicht zu bestimmen. Seine Kleidung war schlecht geschnitten, aber von guter Qualität, und seine sehr sauberen Hände waren die eines Arbeiters.

    »Warum haben Sie die Briefe zerrissen?«

    »Ich hatte Angst, Sie könnten mich für verrückt halten …«

    Er hob den Blick und fügte mit Nachdruck hinzu:

    »Ich bin nicht verrückt, Herr Kommissar. Ich bitte Sie, halten Sie mich nicht für verrückt.«

    Solche Beteuerungen waren fast immer ein schlechtes Zeichen, und dennoch war Maigret schon halb überzeugt. Er hörte seine Frau in der Küche hin und her gehen. Wahrscheinlich hatte sie die Quiche aus dem Ofen genommen, die jetzt wohl ohnehin verkocht war.

    »Sie haben mir also mehrere Briefe geschrieben. Dann sind Sie zum Quai des Orfèvres gegangen. An einem Samstag, wenn ich mich nicht täusche?«

    »Das ist mein einziger freier Tag.«

    »Was sind Sie von Beruf, Monsieur Planchon?«

    »Ich bin Malermeister und habe ein kleines Geschäft. Wenn es gut läuft, beschäftige ich fünf bis sechs Gesellen. Sie können sich denken, wie das ist.«

    Wegen der Hasenscharte war es schwer zu sagen, ob er schüchtern lächelte oder eine Grimasse schnitt. Seine Augen waren von einem sehr hellen Blau, und sein blondes Haar hatte einen rötlichen Schimmer.

    »Ihr erster Besuch war vor etwa zwei Monaten. Sie haben auf den Anmeldezettel geschrieben, dass Sie mich persönlich sprechen wollen. Warum?«

    »Weil ich nur Ihnen vertraue. Ich habe in der Zeitung gelesen …«

    »Gut! Aber an jenem Samstag sind Sie, statt zu warten, nach zehn Minuten wieder gegangen.«

    »Ich hatte Angst.«

    »Wovor?«

    »Ich dachte, Sie würden mich nicht ernst nehmen oder mich von meinem Vorhaben abbringen.«

    »Am Samstag drauf sind Sie wiedergekommen.«

    »Ja.«

    Maigret war an jenem Tag mit dem Chef und zwei anderen Abteilungsleitern in einer Besprechung gewesen. Als er eine Stunde später zurückgekehrt war, hatte er den

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