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Der Ökonomikus: Roman
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eBook200 Seiten3 Stunden

Der Ökonomikus: Roman

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Über dieses E-Book

Als der 50-jährige Peter Pistorius, Chef einer Industrie in Süditalien, mitten in der Nacht erwacht, glaubt er sich am Ende. So startet er seinen Arbeitstag in der deutschen Konzernzentrale, an dem nichts ist wie immer. Wir begleiten ihn bei seinem "Hauen und Stechen", seinem Kampf gegen Intrigen, Verdächtigungen und Missgunst. Aufrecht halten ihn ein paar Mitstreiter, die Liebe zu seiner Frau, Ausbrüche in die ländliche Umgebung, seine Erinnerungen ans Meer und seine Pläne für eine bessere Zukunft, bis er ausgebeutet um Mitternacht den Heimweg antritt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. März 2020
ISBN9783347028746
Der Ökonomikus: Roman

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    Buchvorschau

    Der Ökonomikus - Manfred Müller

    Er wacht auf. Er hört eine Stimme, die ihn ruft von fern, leise, ein Hauch, aber eindringlich, in einer langgezogenen Endung verhallend:

    „Peter Pistorius!"

    Er lauscht in die Dunkelheit. Da ist nichts, niemand. Er hört nur ein leichtes Rauschen in seinen Ohren. Es war eine weibliche Stimme, ein warmer Sopran, sanft, aber nicht lockend, eher mahnend. Was hat er getan? Er ist alarmiert:

    Was will man von ihm?

    „Wo bin ich überhaupt?"

    Mit Schrecken fühlt er, dass er nicht weiß, wo er sich befindet. Er schwebt, auf dem Rücken liegend, im Dunkeln, im Nirgendwo. Angst überkommt ihn, fühlbar in der Brust, atemberaubend. Er spürt, wie ihm die Kontrolle über sich entgleitet. Er muss sich zusammenreißen, sich im Griff haben. Er kontrolliert sich immer selbst, hat sich im Griff: Seine Bewegungen, seinen Puls, seine Körperausscheidungen, seine Gefühle, seine Ideen, seine Pläne, seine Kleidung, sein Aussehen, seine Körperhaltung, seinen Gesichtsausdruck, seine Redeweise, sein Wollen, sein Denken, seine Schritte. In einer Endlosschleife gehen ihm diese Kontrollobjekte durch den Kopf, als wären sie ihm Sprossen einer Leiter, auf der er emporsteigt, hinaus aus diesem Zustand. Aber jetzt ist da nichts mehr, was er kontrollieren könnte. Er ist vollkommen ausgeleert. Er ist nicht mehr. Ist er mit seinem Sein am Ende? Jetzt, in der Zeit zwischen zwei Herzschlägen wird ihm etwas zustoßen, etwas noch nie erlebtes. Er fühlt eine sich nähernde, unbekannte Bedrohung, um sich, in sich. Er sollte sein Gesicht schützen, zumindest das Gesicht, mit beiden Händen. Er hat keine Arme mehr! Wo sind, um Gotte Willen, seine Arme geblieben?

    „Herr, hilf mir, lass mich nicht fallen, halte mich!" Sein Flüstern, wie Watte, im so schwer beweglichen Mund, ein Hauch in die Stille. Lang oder nur für Sekunden glaubt er, schwerelos zu sein, gefühllos, zu entschwinden: Wohin? Er hat seinen Körper verloren; er ist nur noch Denken. Irgendwann – ist er inzwischen bewusstlos gewesen oder nur einfach eingeschlafen - irgendwann fühlt er, in seinem Rücken, eine Unterlage, fest, aber nachgiebig in den Schultern und am Po; auch eine Zudecke fühlt er und seine Kleidung: T-Shirt und Boxershorts, die er unvermittelt mit den Händen ertastet, die er verloren glaubte.

    Er liegt in einem Bett, ausgestreckt auf dem Rücken! Im Hotel? Das darf nicht sein! Wieso ist er schon wieder im Hotel oder in seiner Wohnung, aber in welcher von beiden? Er erinnert sich nicht an einen Flug. Wie ist er hierhergekommen? Was für ein Tag ist heute? Er findet keine Antworten. Das Rauschen in seinen Ohren wird heftig, pochend, scharf pochend auch sein Herz, Unruhe verbreitend. Hat er schon alles hinter sich oder steht ihm noch dieser schwere Brocken bevor? Er ist nicht bereit; er ist nicht gefasst, ihm fehlt jegliche Struktur! Dieses ständige Hin- und Herfliegen macht ihn noch ganz verrück! Nicht nur die Flüge von der Kälte in die Wärme, von der Feuchte in die Trockenheit, schlagartig, sondern auch die ständige Hast, den Terminen hinterherzurennen. Schon immer hat er befürchtet: Eines Tages wird er die Orientierung gänzlich verlieren, wird sich selbst nicht mehr finden, oder ist es soweit? Jetzt? Hier, in diesem Bett?

    „Lost in Translation"!

    Was ist mit der Präsentation? Wie ist sie gelaufen? Er hat nicht die geringste Erinnerung an ein Auftreten, nur einen wilden Gedankenstrom im Kopf! Er versucht, wenigstens einen Gedanken zu erhaschen, festzuhalten. Zuerst wollte er doch diese Präsentation machen, dann den Versuch, sie zu überzeugen oder zu überreden oder sie müde zu schwatzen, bis sie - wie so oft - alles abnickten, um ihn loszuwerden, um sich aus der Verantwortung zu stehlen, in der Hoffnung, er wird es schon richten, wie so oft! Sie lassen ihn allein, wie immer, fast immer.

    „Sie machen das schon; wir setzen unser volles Vertrauen in sie, Herr Pistorius."

    Und er kann wieder einmal zusehen, wie er aus der Sache heil herauskommt; und falls nicht: Rübe ab! Ihm ist bei diesen Gedanken, als würde ihm sein einziger Halt, die Unterlage, unter seinem Rücken, weggezogen, als fiele er, rückwärts, immer schneller, in ein Loch, in einen Abgrund. wie in eine Bewusstlosigkeit, die mit Rauschen und Klingen in den Ohren einsetzt, den Schädel leert, als würde er dann zerspringen wollen, um sich schließlich im Nichts zu verlieren. Warum ist es so dunkel um ihn? Er zieht seine Arme unter der Decke hervor. Sie sind da und funktionieren! Mit beiden Händen tastet er um sich, auf eine kühle, glatte Bettdecke. Dann berührt er einen Arm, rechts an seiner Seite, feste, warme Haut: Sie ist da! Sie liegt neben ihm! Ein tiefes, befreiendes Aufatmen hebt und senkt seinen Brustkorb: Es kann nur sie sein. Er hat nichts mit einer anderen Frau zu tun. So hat er keinen Zweifel: Es ist Susanne. Also ist er in seinem eigenen Bett. Er ist zu Hause, daheim, und Wärme durchströmt ihn. Jetzt weiß er auch: Es ist Montag! Er ist gestern zurückgekommen, am Sonntag, dieses Mal so spät, nicht am Freitag, wie üblich, weil sie ihm die Präsentationsmappe nicht rechtzeitig, zum gewohnten Abflug, fertiggestellt hatten. Er ist nicht im Hotel oder in seiner anderen Wohnung. Er hat noch alles vor sich. Er muss in die Zentrale. Heute hat er einen wichtigen Termin beim Vorstand; er darf, er muss, er will seine Idee zur Rettung seiner Firma vortragen. Er muss antanzen, er darf!

    Mit den Fingerspitzen streicht er über ihren warmen Arm, der ihn gerettet hat, aus seiner Verlorenheit, streicht bis zur Handfessel und zurück zum Ärmelansatz ihres Nachthemds, das er gesehen hat, als sie nach ihm ins Schlafzimmer kam und sich, stehend im Bett, wie kleine Kinder ins Bett steigen, an seine Seite fallen ließ, wobei das Bettgestell beängstigend aufstöhnte.

    Nun erinnert er alle Einzelheiten ihres Zusammenseins. Er hält sie fest, um sich, mit zunehmender Erleichterung, zu vergewissern, dass er wirklich da ist: Sie haben sich „Gutenacht" gesagt, beide schon im Bett; schläfrig waren sie, nach der langen, aber so wohltuenden Unterhaltung, bis tief in die Nacht. Er hat sich im Bett, an ihrer Seite, aufgestützt auf den rechten Ellbogen, über sie gebeugt und ist mit dem Zeigefinger über ihre schweren Augenlider, über ihren kurzen, feinen Nasenrücken und über ihre seltsamen, in ihrem Verlauf für ihn unergründlichen, Lippen gestreift. Sie lächelte, mit geschlossenen Augen, und ist mit diesem Lächeln eingeschlafen. Sie schläft meistens schnell ein, oft schon, während sie sich noch ins Bett kuschelte.

    Es gelingt ihm nie, ihren Mund auf Anhieb zu zeichnen, wenn er ein Porträt von ihr machen will, in ruhigen Stunden, die so selten geworden sind. Ihre Oberlippe ist schmal geschwungen und die Unterlippe kurz und voll, was ihrem Gesicht eine scheue Heiterkeit verleiht; entweder gerät ihm ihr Mund zu lustig oder zu streng; beides ist sie nicht. Er zeichnet viel zu wenig. Er hat seine Leichtigkeit und Treffsicherheit verloren. Er hat keine Zeit und, schlimmer noch, keine innere Ruhe. Es ist traurig, womit er seine Zeit verplempern muss und seine eigentliche Bestimmung, seine wirkliche Lebensaufgabe brach liegen lässt. Das wusste er schon als Junge, dass er für die Kunst bestimmt ist. Das spürt er jetzt noch, wenn er einmal ein Bild zustande bringt: Diese tiefe Befriedigung, diese Erfüllung, dieses Ankommen bei sich selbst. In seiner ganzen Arbeit erlebt er das nie. Auch wenn er mal ein scheinbar unlösbares Problem löst, wenn schwere Aufgaben erfolgreich erledigt sind, erwartet er allenfalls ein Wort der anderen. Zu sich sagt er nur: Geschafft, mehr nicht! Aber jetzt ist es zu spät, sich an solche Träume hinzuhängen. Das Malen bringt nichts ein. Sein Vater hat ihn mit dem Satz gequält:

    „Ich kann nicht zulassen, dass du verhungerst". Als Junge hat er sich oft gesehen, wie er verhungert, genauer, wie er verhungert ausschaut. Aber er hat trotzdem gezeichnet und gemalt, während seine Freunde auf der Straße Fußball spielten. Als eine Galeristin seine große Tuschezeichnung kaufte - er war erst vierzehn Jahre alt - war für ihn endgültig klar: Er muss Maler werden, und zeichnend und malend und schreibend wird er durch die Welt ziehen. Seinem übermächtigen Gefühlsleben muss er, mit seiner kreativen Kraft, die ein Lehrer ihm zugesprochen hat, Ausdruck verleihen. Aber seinem Vater rührte seine Zwänge und Träume nicht: Er, der Feingliedrige, der Traumtänzer, sollte Starkstromelektriker werde, weil der Vater Elektroingenieur war. Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn er sich damals durchgesetzt hätte? Damals war das unmöglich, gegen dieses donnernde Diktat anzugehen:

    „Solange du deine Beine unter meinen Tisch stellst, hast du das zu machen, was ich sage." Wie wäre alles gekommen, wenn er damals schon davongelaufen wäre und nicht erst so viel später?

    Susanne hätte er dann nicht getroffen, oder doch? Sie waren ja für einander bestimmt. Der Himmel hätte sie sicher auf einem anderen Weg zusammengeführt. Bei allen wichtigen Dingen im Leben hat der Himmel seine Hand im Spiel; vielleicht bei allen Dingen, denn alles hängt ja von allem ab, glaubt er. Zufälle gibt es nicht!

    Er erinnert sich weiter: Nach seinem nächtlichen Fingerspiel in ihrem Gesicht hatte er die Nachttischlampe gelöscht, seine Hand auf sie gelegt, und so ist auch er eingeschlafen.

    Jetzt erst bemerkt er, dass er seine Augen fest zusammengepresst hält. Daher die Dunkelheit! Sie schmerzen ihm. Auch seine Stirn schmerzt; sie ist stark gerunzelt und schweißnass. Er glättet sie, indem er, immer noch ausgestreckt auf dem Rücken, versucht, seinen Kopf zu leeren von diesem unaufhörlichen Gedankenstrom. Er atmet in langen, weichen Zügen aus und ein. Er hört dem Atmen zu.

    „Ich werde geatmet", flüstert er, und seinen, nunmehr klar ausgesprochenen Worten, lauscht er nach, wie sie in die Stille eindringen und versinken. So entspannt sich sein Gesicht. Er öffnet seine Augen. Er sieht, einen dünnen Lichtstrahl, durch einen Spalt im Rollladen, ins Zimmer fallen, quer über sein Bett, über ihren Arm, über ihre zerwühlte Bettdecke und sich dahinter verlieren. Schemenhaft beleuchtet ein feiner Schimmer den Raum. Er weiß, dass eine Straßenlaterne ihr Licht durch das, zu dieser Jahreszeit durchsichtige Blattwerk, auf ihre Hauswand wirft und ihr Schlafzimmer hell beleuchten würde, wenn sie nicht die Jalousie herunterließen, was er gestern etwas nach lässig gemacht hat.

    Ihr Arm liegt so nah bei ihm, dass er sich nicht gänzlich zu ihr hinwenden kann ohne Gefahr zu laufen, sie aufzuwecken. Er möchte sie umfassen, ihre Ruhe und Wärme aufnehmen, ohne ihren Schlaf zu stören. Ihr Kopf liegt auf der Seite, ihm zugewendet, halb unter der Zudecke verborgen. Er sieht ihre dunklen Haare, die über ihrem Gesicht und dem weißen, aber jetzt fahlen Kopfkissen verteilt sind, in dunklen Schlangenlinien, kaum wahrnehmbar, im Dämmer des Raums.

    Er liegt also auf dem Rücken, seine Hand noch immer auf ihrem Arm, seinen Kopf ihr zugewandt, und fühlt sich zerschlagen, unausgeschlafen, kraftlos, mutlos. Im ist, als wäre er einem schweren Anfall entkommen oder hätte ihn durchgemacht, bewusstlos oder am Rand der Bewusstlosigkeit. Wie kann er da heute antanzen, Kraft, Optimismus, Durchsetzungsvermögen, Entschlossenheit, was sie von ihm erwarten, ausstrahlen? Er tastet nach dem Wecker. Mit der linken Hand fährt er der Nachttischkanten entlang, ohne seinen Kopf zu drehen, findet mit den Fingerspitzen die Tischplatte. Er stellt die Uhr immer in ihr vorderes Dreieck. Auf diesem Weg kann er sie blind greifen. Mit einem Blick auf die Leuchtziffern stellt er fest, dass noch drei Stunden, bis zum Aufstehen, verbleiben. Dies befriedigt ihn zunächst. Um ausgeruht aufstehen zu können. müsste er jetzt sofort einschlafen. Aber er fühlt sich in einem unruhigen, aufgewühlten Wachzustand, so als wäre in ihm alles durcheinandergeraten: Sein Herz, seine Lunge, alle Organe und Blutbahnen und Zellen und Säfte und würden in einem wilden Getümmel ihre alten Positionen und Arbeitsplätze suchen.

    Nein, heute kann er überhaupt nicht aufstehen! Den ganzen Tag oder zumindest lange muss er so liegen, ihrem beruhigenden Atmen zuhören und ihren warmen Arm festhalten und sich an sie schmiegen, später und sie umfassen mit seinem linken Arm, sobald sie sich auf die Seite legt. Wer oder was könnte ihn zwingen zum Aufstehen, zum Antanzen, zum Präsentieren? Immer ist er parat gewesen, so selbstverständlich und zuverlässig einsatzbereit. Sie sind verwöhnt, er ist immer da. Heute kommt er einfach nicht. Er ist krank. Es gibt keinen Ersatzmann. Sie brauchen ihn. Wie oft dachte er, heute feuern sie dich. Wie oft ging er in die Firma, am Morgen und wusste nicht, ob er am Abend noch dazugehörte. Aber jetzt sind bessere Zeiten. Er hat sich genug geplagt. Er hat eine sichere Position erreicht. Sie sind auf ihn angewiesen. Er ist unersetzlich. Er ist sein eigener Herr, der heute leider verhindert ist!

    Er nimmt seine Hand von ihr, dreht sich zu ihr auf die Seite, so nahe zu ihr, dass er den Geruch ihrer Haare, warmes Fett und Lavendel, aufnimmt ohne ihren Arm, mit dem Körper, zu berühren, legt seine Hand auf ihre Bettdecke, fühlt ihren flachen Körper, der sich sanft hebt und senkt, im Zweiertakt ihres Nachtlieds, und wartet in dieser Lage, bis sie sich umwenden würde und schläft während des Wartens ein.

    Kurze Zeit danach, so glaubt er, schreckt ihn das Schrillen des Weckers auf. Wieder liegt er auf dem Rücken, lang ausgestreckt. Er dreht sich auf die Seite und wuchtet sich mit beiden Armen seitwärts aus dem Bett. Diesen Trick hat ihm einmal eine Therapeutin gezeigt, zur Entlastung der Wirbelsäule. Er bleibt an der Bettkante sitzen. Er sitzt zusammengesunken, mit rundem Rücken. Seine nackten Beine frieren. Er versucht sein Morgengebet. Schlaftrunken und im Nachklang seiner wirren Nachtgedanken, geraten ihm die gewohnten Sätze durcheinander:

    „Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Lasst uns froh sein und ihn preisen! Vater unser im. Um 7.15 Uhr muss er los. Herr, vergib uns unsere Schuld. Welche Schuld? Wollte er nicht liegenbleiben? Unsinn! Wie auch wir vergeben unseren Schuldigem. Da gibt es genug. Der Schlimmste ist Klausmann. Der wird heute auch dabei sein. Wenn er ihn schon sieht, durchströmen ihn Hass und Angst und so etwas wie Zuneigung, obendrein, alles gleichzeitigt. Es ist seine riesige Gestalt, die lässt ihn so überlegen auftreten und seine Hochnäsigkeit. Tatsächlich hat er wenig im Kopf. Hat er ihn doch einmal vertraulich gefragt:

    „Sag mal Pistorius, wir im Vorstand reden immer von Umsatzrendite. Was halten Sie davon?"

    Er hatte es ihm erklärt, obwohl er seinen Ohren nicht traute, was er da gehört hatte. Es ist eines der simpelsten Kennzahlen der Betriebsführung! Der andere sagte, er habe sich das schon so gedacht, aber er wollte das nochmal von einem Fachmann hören. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Bergler wird ihm vielleicht wieder die Leviten lesen, dem Klausmann, auf seine unnachahmlich freundliche Art. Er hat ihn wohl richtig eingeschätzt. Er hat eine besondere Fähigkeit, andere für sich arbeiten zu lassen und das für sein eigenes Werk auszugeben. So verlangte er von ihm ein Exposee, das er auf keinen Fall unterschreiben sollte, damit er es noch in die passende Form bringen könne, wie er vorgab. Aber er hat diese seine Ausarbeitung, im Vorstandsprotokoll entdeckt, unverändert, im Original, mit der Unterschrift vom Klausmann.

    Was für ein Durcheinander in seinem Kopf! Er muss noch einmal anfangen:

    „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Aber wenn er um 9.30 Uhr Termin hat, und eine Viertelstunde vorbereiten will, dann muss er um 8.30, sicherheitshalber, um 8.15 losfahren und nicht um 7.15! Oder hat er seinen Termin um 8.30 Uhr? Er hat doch gestern ausgerechnet, dass er um 6 Uhr aufstehen wird. Herr, steh mir bei! Er muss seine Aufzeichnungen nochmal durchsehen."

    Mit

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