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Sieben Tage
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eBook471 Seiten5 Stunden

Sieben Tage

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Über dieses E-Book

Das Buch nimmt den Leser mit auf die psychedelische und spannende Reise von Frank Marshall - auf der Suche nach seinem Leben und seinem eigenen Verstand - die ihn schliesslich in den kleinen Ort Mountains End führt, wo mit einem Kampf um Gut und Böse über sein Schicksal entschieden wird.

Der Beginn des fast endgültigen, unumgänglichen Endes der Geschichte. Er fühlte sich irgendwie benommen… Jeder einzelne Gedanke dröhnte in seinem Schädel. Die Tatsache dass es sich bei diesem Dröhnen in Wirklichkeit um unerträgliche Kopfschmerzen handelte, sollte ihm wohl nie bewusst werden. Dafür war er zu weit von der fühlbaren Realität entfernt. Man könnte seinen jetzigen Zustand am besten mit dem ausklingen eines Trips, sechs Uhr Morgens, nach einem Jefferson Airplane Konzert vergleichen. Vielleicht auch wie auf dem Höhepunkt eines Trips… Schließlich hatte sein Gehirn diese unerträglichen Schmerzen zu einem Dröhnen umgewandelt. Wäre er ein wenig klarer im Kopf gewesen hätte er sich wohl darüber Gedanken gemacht, ob ihm die Schmerzen oder das Dröhnen lieber wären. Er hätte sich eher für die Schmerzen, als für das komplett wahnsinnig machende Dröhnen… Wahnsinnig werden… Wahnsinn…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum28. Apr. 2014
ISBN9783844293210
Sieben Tage
Autor

Andreas Marti

Dr. theol. Andreas Marti ist Titularprofessor für Kirchenmusik an der Universität Bern. Er ist außerdem Organist und Kirchenchorleiter in Köniz nahe Bern.

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    Buchvorschau

    Sieben Tage - Andreas Marti

    DAS BUCH:

    Das Buch nimmt den Leser mit auf die psychedelische und spannende Reise von Frank Marshall - auf der Suche nach seinem Leben und seinem eigenen Verstand - die ihn schließlich in den kleinen Ort Mountains End führt, wo mit einem Kampf um Gut und Böse über sein Schicksal entschieden wird.

    Andreas Marti

    Sieben Tage

    Impressum

    Sieben Tag

    von Andreas Marti

    © 2014 Andreas Marti

    Alle Rechte vorbehalten.

    Autor: Andreas Marti

    Kontaktdaten: contact@siebentage-dasbuch.ch

    Verlag: Epubli, www.epubli.de

    ISBN: 978-3-8442-9321-0

    Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.

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    Ein ganz großes Dankeschön gilt meinem Bruder Michael. Ohne seine Unterstützung wäre dieses Buch nie zustande gekommen... Danke!

    Teil 1

    Frank

    Prolog

    Der Beginn des fast endgültigen, unumgänglichen Endes der Geschichte

         Er fühlte sich irgendwie benommen… Jeder einzelne Gedanke dröhnte in seinem Schädel. Die Tatsache dass es sich bei diesem Dröhnen in Wirklichkeit um unerträgliche Kopfschmerzen handelte, sollte ihm wohl nie bewusst werden. Dafür war er zu weit von der fühlbaren Realität entfernt. Man könnte seinen jetzigen Zustand am besten mit dem ausklingen eines Trips, sechs Uhr Morgens, nach einem Jefferson Airplane Konzert vergleichen. Vielleicht auch wie auf dem Höhepunkt eines Trips… Schließlich hatte sein Gehirn diese unerträglichen Schmerzen zu einem Dröhnen umgewandelt. Wäre er ein wenig klarer im Kopf gewesen hätte er sich wohl darüber Gedanken gemacht, ob ihm die Schmerzen oder das Dröhnen lieber wären. Er hätte sich eher für die Schmerzen, als für das komplett wahnsinnig machende Dröhnen… Wahnsinnig werden… Wahnsinn…

         Das Dröhnen ließ etwas nach. Langsam bildeten sich seltsame, farbige Umrisse. Er kam allmählich zu sich. Wo bin ich? stellte sich als den ersten Gedanken heraus, welchen sein Verstand formte. Er hielt das für eine gute Frage. Denn er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Seine Sicht war noch zu verschwommen um sich auch nur ein ungefähres Bild seiner Lage zusammenzureimen. Doch als er anfing auf die Geräusche um sich herum zu achten dämmerte es ihm allmählich.

         Klirren… Stimmen, Gelächter… Musik… Jetzt begriff er auch was ihn aus seiner Trance gerissen hatte. Es war das Geräusch das entstand, als die hübsche, blonde Bedienung das schwere Tequila Glas auf den alten Holztisch knallte, auf dem er »seine Augen ausruhte«, wie er sich eigentlich vorgenommen hatte. Die Erinnerung an die Tatsache das er nicht einschlafen, sondern nur »seine Augen ausruhen« wollte kam nicht allein. All die anderen Erinnerungen schossen wie ein heißer, stromgeladener Blitz in seinen Schädel zurück. Es waren zu viele auf einmal. Das Dröhnen wurde wieder stärker. Doch er erinnerte sich an alles. Daran, das er sich vor wohl weiß Gott wie vielen Minuten einen weiteren Tequila bestellt hatte. Den weiß Gott Wievielten…..

         Er erinnerte sich, diese Bar betreten zu haben… er erinnerte sich an diesen, seinen schrecklichsten Tag…. An diese… an seine schrecklichste Woche…

         Die Bedienung versuchte Ihn um das Geld für seinen weiß Gott wievielten Tequila zu bitten. Jedoch ohne Erfolg. Nach dem dritten Versuch öffnete sie, wie es ihre Art war, seine Brieftasche, nahm das benötigte Geld und etwas Trinkgeld, steckte es in ihre Brusttasche und ging davon.

         ….und erinnerte sich nicht nur an die Pistole in seinem Hosenbund, sondern auch an den Grund weshalb er sie mit sich trug. Seine Sicht verschärfte sich, und die Geräusche gingen von dem Gemisch aus Dröhnen und Stimmengewirr in klare Geräusche über. Geräusche wie sie wohl jeder nüchterne Mensch bei klarem Verstand, in dieser Bar gehört hätte. Klarer Verstand… Das wohl Einzige was er sich zu diesem Zeitpunkt sicher sein konnte, war das er nicht mehr bei klarem Verstand war…

         Die ganze Bar war in ein angenehmes, freundliches Licht getaucht. Die Tische mussten mindestens dreißig Jahre alt sein. Die Tischplatten machten den Eindruck als würden sie alle paar Jahre einen halben Zentimeter abgeschliffen. Er saß auf einem der alten, wackeligen Stühle an einem Tisch, nahe der großen, halb geöffneten Fensterfront. Er hatte diesen Platz mit der Aussicht auf wohltuende, frische Luft gewählt. Die Bar hatte zwar schon bessere Zeiten gesehen, war jedoch recht gut besucht. Die Leute gingen in diese Bar mit den alten, braunen, rauen Steinmauern um Leute zu treffen, zu trinken und zu feiern. Die Bedienung wirkte gestresst und machte ein Ges…

         …und er zog seine Pistole und richtete sie unter dem Tisch auf den Herrn, der gegenüber von ihm an seinem Tisch platz genommen hatte. Er empfand es als einen Segen dass er kurz zuvor etwas von seiner Klarheit zurück gewonnen hatte. Leicht überrascht dass er noch fähig war, seine Waffe derart schnell zu zücken, starrte er sein Gegenüber an. Vor einer Woche wäre er überrascht gewesen, wenn er überhaupt im Stande gewesen wäre eine Waffe zu zücken. Vor allem ethisch.

         »Guten Abend«, brach sein Gegenüber das Schweigen. Es war wie ein schmerzhafter Riss in seinen Gedanken. Eine klaffende Wunde, entstanden durch das bloße »Guten Abend« seines Gegenübers. Schließlich wurde er sich bewusst, was auf ihn zu kam. Er würde diesem Fremden, diesem älteren Herrn mit seinem klischeehaften schwarzen Anzug, dem Hut und diesem Stock gegenüber treten. Es war so vorausschaubar wie in einem schlechten Film. Sie würden nach Draußen gehen und seine Geschichte würde endlich ein Ende finden. Seine ganz eigene Schreckensgeschichte der letzten sieben Tage…

         »Wir haben noch eine Rechnung offen«, sagte der Fremde. Er nickte kaum merklich. Eine kurze Pause trat ein.

         »Ich glaube sie haben mich bereits erwartet«, fuhr der Fremde weiter, »sind sie bereit?«

    Er starrte den Fremden abschätzig mit seinen benommenen Augen an und ließ ein kaum hörbares, wahnsinniges Kichern verlauten.

         »Ob ich bereit bin? Die Frage ist, ob sie bereit sind.«, bellte er den Fremden verächtlich an. Er schnaubte. »Na gut. Ich wusste bereits worauf es hinausläuft, als sie sich an meinen Tisch setzten. Ich werde mich stellen. Aber das wird auch für sie der Beginn des fast endgültigen, unumgänglichen Endes werden.

    Klarheit

         Eine seltsame Klarheit erfasste seinen Verstand. Eine Klarheit die die Geschehnisse der letzten sieben Tage vor seinem geistigen Auge wie ein Film ablaufen ließ.

         Seine Erinnerungen begannen da, wo jede handelsübliche Geschichte beginnt. Am Anfang…

    Sonntag

         ...in diesem Fall an einem Sonntagabend.

         Er saß in seiner mit einer Galerie ausgestatteten Designer Wohnung, auf seinem ledernen Designer Sofa. Wofür er einen weiteren Teil seines beachtlichen Vermögens sinnlos verprasst hatte. Jetzt stand er da, dieser pechschwarze Klotz von Sofa. Dabei ahnte er noch nicht einmal, dass er bald froh sein würde, wenn er sich in Zukunft das Heineken, das er sich gerade in großen Schlücken einflößte, leisten konnte. Der Fernseher der das ansonsten in Dunkelheit gehüllte Wohnzimmer mit seinem Flimmern versuchte zu erhellen, spuckte nur Schrott aus. Das Flimmern wirkte hypnotisch auf ihn. Seine Augen wurden langsam Müde. Seine aufkommende Abwesenheit nutze er um spontan die letzten Jahre seines Lebens  Revue passieren zu lassen. Eigentlich konnte er sich nicht beklagen. Er hatte einen gut bezahlten Büro Job in einer renommierten, international agierenden Firma. Renommierte, international agierende Firma… In seiner Jugend hätte er Kopfschmerzen gekriegt, wenn ihm jemand mit vor Stolz aufgeblasener Brust erzählt hätte, dass er in einer renommierten, international agierenden Firma tätig sei. Jetzt war er Sechsunddreißig Jahre alt…

         »Doch eigentlich kann ich nicht klagen«, ermunterte er sich selbst. Er hatte  eine moderne, große Wohnung. Mit Galerie… Er hatte eine hübsche Frau die alles für ihn tun würde. Sie hatten sich auf einer Schickimicki Party, die sein Boss zum 25 Jährigen Jubiläum der Firma veranstaltet hatte,  kennen gelernt. Sie war damals kurz davor gewesen Abteilungsleiterin der Abteilung für Arbeits- und Unfallversicherung zu werden. Er dagegen war einer der Typen, die zu den Klienten reisten und alles versuchten um einen möglichen Versicherungsbetrug aufzudecken. Heute ist er der Leiter dieser Abteilung.

         Eine menge Leute in seinem näheren Umfeld glaubten ihm fehle noch eine süße Tochter oder einen immer strahlenden Jungen.  Doch er war auch ohne Kinder glücklich. Glücklicher…    …als mit Kindern. Mit seinem Job hätte er gar keine Zeit für so ein Balg.

         »Zu was bin ich mutiert?« fragte er sich selbst.

         Um Punkt 23:00 Uhr riss ihn der aggressive Klang der Titelmelodie der Elf Uhr Nachrichten aus seinen Gedanken. Gelähmt versuchte er die bunten Bilder von sinnlosem Krieg, Verderben, dem dummen, lauen Gesäusel von gewissen Staatsoberhäuptern und den neusten Skandalen über irgendwelche Schöne und Reiche in sich aufzusaugen.

         Er ließ seinen Blick zu dem Designer Couchtischchen wandern. Schließlich ließ er seinen Blick auf einem in Folie eingeschweißten Kärtchen ruhen. Er griff nach seinem Führerausweis und betrachtete ihn. Auf der Karte war sein Foto, direkt daneben sein Name: Frank Marshall.

         Frank… Was zum Teufel hat meine Mutter geritten, mir den Namen Frank zu geben. Frank Marshall… Wenn ich den erwische, der sie auf diese bekloppte Idee gebracht hat…

         Darunter stand seine Adresse, die verriet dass Frank in Los Angeles, CA wohnhaft war.

         Er seufzte schwer. Die Müdigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Frank durfte gestern erst seinen Führerschein wieder abholen. Vor drei Monaten wurde ihm der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer entzogen. Gleich nach einer weiteren Büroparty. Diese verdammten Büropartys…

         Ein Gefühl, ein scheinbar unkontrollierbares Gefühl stieg in ihm empor. Es war warm und tat gut. Es ist das Gefühl, das man in Aussicht auf etwas wirklich Gutes empfindet. Eine Art Vorfreude. Er begann es zu fassen. Dieses Gefühl, das sich auf diesen einen Gedanken beschränkte, der sich mehr und mehr in einen regelrechten Drang entwickelte. Er musste in den Wagen steigen. Er musste fahren, gleiten… Durch die Straßen von L.A. geistern

         Das automatische Garagentor öffnete sich gemächlich. Zu gemächlich...

         Der Motor seines 250 PS Saab Kabriolett lief bereits. WRROMM ließ der Motor kraftvoll verlauten. WROMM. Frank spielte mit dem Gaspedal. Endlich glaubte er dass das Tor weit genug offen stünde und gab Gas. Mit quietschenden Reifen raste er aus der Tiefgarage und entfloh in die schwüle Nachtluft.

         Was tue ich hier? Ich fahre mit hundert Sachen durch L.A…Was sonst…

         Er bog, nein, er schleuderte seinen Wagen um die Ecke. Wohltuendes Adrenalin strömte durch seinen Körper. Er versuchte es bis in die hintersten Ecken seines Körpers zu verteilen. Der Wind zerzauste seine 180 Dollar Frisur. Als er jung war, wäre es ihm egal gewesen. Deshalb war es ihm jetzt auch egal. Er überquerte eine Brücke und bog danach nach rechts in die Hauptstraße ein. Die Häuser zogen so schnell an ihm vorbei, das in dem Moment wo sie auftauchten, sie bereits wieder einer unwirklichen, entfernten Vergangenheit angehörten.

         »Verdammt«, fluchte Frank als er die Anzeige von seinem Tank sah. Wie lange lief er bereits auf Reserve…? Er wollte nichts riskieren und hielt Ausschau nach der nächsten Tankstelle. Ich will nichts riskieren? Und das sagt ein Mensch der mit hundert Sachen durch L.A. rast?

         Nach etwa fünf Minuten Fahrt… er beschränkte sich jetzt auf Tempo fünfzig  …fand Frank schließlich eine dieser 24-Stunden Tankstellen. Er fuhr auf das Gelände und parkte seinen Saab neben einer Zapfsäule. Ein Mitarbeiter der Tankstelle kam auf ihn zugeeilt. Er trug eine hellblaue Arbeitskleidung mit Orangen Streifen auf den Schultern und braune, schmutzige Hosen. Seine zerzausten Haare bescherten dem etwa zwanzig Jährigen ein etwas heruntergekommenes und überarbeitetes Erscheinungsbild. Auf seinem blauen Hemd war ein ovaler, weißer Sticker mit roter Umrahmung angebracht. Darauf war der Name Habib gestickt. Frank war sich sicher dass das nicht der Name des ansonsten recht amerikanisch wirkenden jungen Mannes war. Wahrscheinlich hatte er das Hemd eines ehemaligen Mitarbeiters übernommen.

         Frank stieg aus seinem Wagen und wunderte sich, dass um diese Zeit noch eine Bedienung anwesend war. Habib stellte ihm eine Frage. Woraufhin Frank so etwas wie Volltanken murmelte. Scheisse. Diese Beleuchtung muss heller sein als sonst. Franks Augen hatten Mühe sich an das grelle Licht der Tankstellenbeleuchtung zu gewöhnen. Er ging Richtung Tankstellenshop.

         »Sesam öffne dich«, befahl Frank und die Glastüren glitten kaum hörbar beiseite. Er konnte sich ein selbstbewunderndes Lächeln nicht verkneifen.

         Das gesamte Tankstellengelände machte auf ihn einen sehr sterilen Eindruck. Das einzige Unsterile war Habib. Frank kaufte sich eines dieser mit Konservierungsmittel vollgestopften Tankstellen Sandwichs und eine Schachtel Zigaretten. Der Verkäufer hinter der Theke, laut Namensschild Paul, sah aus als hätte der Verwesungsprozess bei ihm bereits eingesetzt. Paul versuchte durch seine Brille mit den fünf Zentimeter dicken Gläsern seinen neuesten Kunden zu erkennen. Er musterte Frank mit offenem Mund. Schließlich gab Paul die Höhe des Wuchers bekannt, der sich auch auf dem Kundendisplay der hochmodernen Kasse präsentierte. Frank bezahlte wortlos und verließ den Shop.

    Ahhrg............

         Frank brach völlig unerwartet vor dem Shop zusammen. Er verlor für kurze Zeit sein Bewusstsein. Als er zu sich kam drehte sich die ganze Welt um ihn herum. Sein Schädel dröhnte. Frank wusste nicht, dass das Dröhnen während der nächsten Tage nicht mehr aufhören würde. Frank hat nicht gewusst dass das der Beginn des fast endgültigen, unumgänglichen Endes war…

    Montag

         Es war Punkt Zwölf Uhr Mitternacht. Frank lag am Boden und versuchte verzweifelt einen klaren Kopf zu kriegen. Einen klaren Gedanken zu fassen… Sich zusammen zu reißen…  …und aufzustehen. Er nahm alle Kraft zusammen und erhob sich.

    Er fühlte sich irgendwie benommen. Verunsichert über das gerade Geschehene begab sich Frank in Richtung Auto. Er näherte sich mit leicht verschwommener Sicht der Zapfsäule, andauernd gegen das mangelnde Gleichgewicht ankämpfend. Als er das Rauchen verboten Schild sah schnaubte er und steckte sich eine von den vorhin gekauften Zigaretten an. Die Suche nach einem Feuerzeug blieb erfolglos.

         »Bitte sehr«, hauchte ihm eine weibliche Stimme in den Nacken. Eine etwa dreißigjährige rothaarige Frau streckte ihm ein zerknittertes Briefchen hin. Ihre Augen trafen sich für eine lange Zeit. Frank nahm dankend das Streichholzbriefchen an sich und rang sich zu einem etwas aufgesetzt wirkenden Lächeln durch. Er zündete unbeholfen die Zigarette an. Die Frau war bereits auf der anderen Seite der Zapfsäule bei ihrem eigenen Wagen angelangt, als er ihr das Briefchen zurückgeben wollte.

         »Behalten sie sie«, antwortete sie ihm, »bis dann Steve.«

         »Steve??« wunderte sich Frank, »mein Name ist nicht Steve.« Doch sie war längst davon gebraust. Der Name Steve durchbohrte eisig seinen Körper. Steve… er kannte keinen Steve. Doch der Name ließ ihn erschaudern. Irgendetwas Unheilvolles war mit dem Namen Steve verbunden. Und er würde bald erfahren was…

         Frank saß in seinem Kabriolett und atmete tief durch, bevor er sich an die Weiterfahrt machte. Er startete den Motor, legte einen Gang ein und gab Gas.

         Waren es die Benzindämpfe? Überarbeitung… Übermüdung…? Doch seine Überlegung wurde von scheinbar wichtigeren Gedanken verdrängt. Er konnte sich nicht helfen. Aber dass ihn die Frau von vorhin Steve genannt hatte beschäftigte ihn mehr, als die Tatsache dass er ohne wirklichen Grund zusammengebrochen war. Steve…

         Frank entschied sich schließlich, einfach umzukehren. Die Vorstellung an sein warmes, weiches Bett mit seiner Frau Sarah daneben übertrumpfte selbst die Gedanken an Steve.

         Schließlich bog Frank in seine Straße ein. Als er die Einfahrt herauf fuhr betätigte er die Fernbedienung zu dem Garagentor. Doch nichts geschah. Er versuchte es ein weiteres Mal. Verdammt. Wieso muss man bei diesem scheiß Ding einmal die Woche diese gottverdammten Batterien wechseln…? Seine Laune schien von Sekunde zu Sekunde schlechter zu werden.

         Frank legte den Rückwärtsgang ein und trat das Gaspedal durch. Er riss das Lenkrad herum und brachte schließlich den Wagen mit einem unsanften Bremsmanöver zum stehen. Erst jetzt als das Dröhnen in seinem Schädel wieder lauter wurde, bemerkte er, dass es die ganze Zeit nie ganz weg gewesen war. Er schwang sich aus dem Kabriolett, ohne sich die Mühe zu machen die Tür zu öffnen oder das Verdeck zu schließen.   

         Er öffnete das wie immer quietschende Gartentor. Wann hatte er es das letzte Mal benutzt? Normalerweise kam er nie zu Fuß nach Hause. Deshalb machte Frank immer von der Tür Gebrauch, die von der Tiefgarage direkt ins Treppenhaus führte. Er bewegte sich, immer noch etwas benommen, auf seine Haustür zu. Frank kramte nach seinem Schlüssel und ließ ihn in dem Moment wo er ihn zu fassen kriegte zu Boden fallen. Er hob ihn auf und presste ihn, die Hand zu einer Faust geballt, in seine Handflächen. Frank stand vor der Haustüre und wollte sie gerade aufschließen, als eine weitere Welle dieses Dröhnens Besitz von seinem Schädel – Besitz von seinem Verstand – ergriff. Er versuchte das Dröhnen abzuschütteln und steckte seinen Schlüssel in das Schlüsselloch. Doch als er Ihn bis zur Hälfte in das Loch gesteckt hatte, ging es nicht mehr weiter. Der Schlüssel passte nicht. Der verfluchte Schlüssel will nicht passen. Habe ich mich im Haus geirrt? Nein, ich erkenne doch meine eigene Haustür…!! Ich kenne diesen alten zerbrochenen Blumentopf mit der verdorrten Pflanze, die Sarah letzten Sommer mit nach Hause gebracht hatte. Er kannte diese alte, verrottete Fußmatte mit dem kaum noch lesbaren Willkommensschriftzug. Die Matte, auf der bereits dutzende von Bekannten, Verwandten und Hausierern gestanden hatten um ihren Schmutz abzuladen. Gott… Was ist hier los?

         Er ging um den Wohnblock herum, zur Treppe die runter in die Waschküche führte. War die Batterie doch nicht leer…? Trotz dieses Gedankens wurde er mit jeder Stufe die er nahm zuversichtlicher, dass bei dieser Tür sein Schlüssel passen würde. Das Schloss der Vordertür ist bloß verklemmt. Ich darf nicht vergessen morgen den Schlüsseldienst anzurufen. Verdammt! Sein Schlüssel wollte auch an der Hintertür nicht passen. Jetzt ganz ruhig bleiben. Träume ich? Wahrscheinlich einer dieser Träume, irgendwo zwischen Trancezustand und wach sein. Frank hielt inne, schaltete ab. Er wusste nicht wie lange er so da stand. Doch eine plötzliche Idee riss ihn abrupt aus seinen Gedanken. Seiner Idee folgend hastete er die Treppe hinauf, ging um das Gebäude zur Vordertür.

         Frank suchte die Chromstahlabdeckung nach der Klingel mit dem Namen Marshall, seinem Namen, ab. Er würde klingeln. Sarah würde ihm mit dem Summer die Tür öffnen und alles würde sich aufklären. Sarah hätte wie immer eine völlig plausible Erklärung bereit. VERFLUCHT. Frank war nicht im Stande die gewünschte Klingel zu finden. Die Welt um ihn fing an sich zu drehen. Der letzte Versuch einen klaren Kopf zu behalten ging schief. Das ganze kann nicht war sein. Es muss sich um einen Traum handeln…

         »Sarah!« rief Frank. Er bewegte sich ein paar Schritte von der Fassade weg, um seine Wohnung besser überblicken zu können. Frank beobachtete die Fenster. Doch nichts geschah. Er nahm noch mal alle Kraft zusammen und schrie zum wiederholten Mal: »Sarah!«

         Nicht dass Frank wirklich eine Reaktion erwartete. Doch er musste es noch einmal versuchen.

         »Sarah!!«  

    Das Dröhnen in seinem Kopf wurde lauter. Und lauter… lauter…

         Er torkelte geistesabwesend zu seinem Wagen. Nachdem Frank sich wieder in seinen Saab geschwungen hatte, saß er hinter dem Steuer auf den Ledersitzen des Kabrioletts. Er begann zu zittern. Seine Atmung wurde unregelmäßig. Irgendetwas war geschehen. Er suchte nach dem Schlüsselloch. Nach zwei, drei Versuchen glitt der Schlüssel in den Schlitz. Der Wagen startete und der Motor heulte auf. Frank raste hinaus in die Nacht…

         Wind… Abgasgeruch… Erinnerungen… Gute Erinnerungen… Verwirrung…. Traum…? Motordröhnen… Dröhnen… Aber hauptsächlich… Verwirrung…

         Frank bog nach rechts ab. Er war am Ziel. Quer auf dem Bürgersteig brachte er den Wagen zum stehen.

         Er ging an Bäumen vorbei. Überquerte eine feuchte Wiese und einen schmalen Gehweg. Er hielt immer auf sein Ziel zu. Bis er schließlich bei der Parkbank ankam.   Ein fassungsloser Frank ließ sich schwer darauf nieder und schloss seine Augen. Es muss eine plausible Erklärung geben. Es gibt immer eine logische Erklärung… Immer… Grenzenlose Erschöpfung überkam ihn. Es wurde immer schwieriger sich wach zu halten. Morgen. Morgen würde alles besser sein. Vielleicht war morgen alles vorbei. Vielleicht wachte er morgen zufrieden und erleichtert neben Sarah auf. Und alles war wirklich nur ein Traum gewesen… Oder zumindest würde er wieder einen besseren Überblick über die ganze Situation gewinnen. Er würde eine Lösung suchen… Und schließlich eine Lösung finden……

         Etwa um 7:30 morgens öffnete Frank langsam seine Augen. Die ersten Sonnenstrahlen blendeten ihn. Er blinzelte verschlafen in das grelle Licht. Sein Rücken schmerzte von der Nacht auf der Parkbank. Frank richtete sich langsam auf und gähnte herzhaft. Er fühlte sich wohl. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Die Erinnerungen an gestern Abend waren langsam wieder zurückgekehrt. Jedoch waren sie in etwa so klar, als würde er sich am Tag nach einer alkoholdurchtränkten Party versuchen an die letzte Nacht zu erinnern. Sogar die Kopfschmerzen und das leichte Dröhnen stimmten mit dem Vergleich überein.

         Jedoch war sich Frank sicher dass alles nicht so schlimm war. Er schaute auf seine Uhr. In dreißig Minuten musste Frank bei der Arbeit sein. Er konnte schlecht am ersten Tag der Woche zu spät zur Arbeit erscheinen. Nach Feierabend würde er einfach nach Hause fahren, und alles wäre wie immer. Sarah würde ihn nach ihrem freien Tag herzlich empfangen und ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund geben. Und alles wäre in Ordnung. Mit abwesendem Blick beobachtete er eine Zeitlang eine Gruppe von Kindern, die auf dem Weg zur Schule waren.

         Langsam wurde Frank klar, dass er sich beeilen musste. Es blieben ihm nur noch fünfundzwanzig Minuten bis zum Arbeitsbeginn. Allein der Weg von hier zu seinem Büro dauerte zwanzig Minuten.

         Als er sich schließlich zügig auf den Weg machte erinnerte sich Frank an sein unglücklich geparktes Auto. Es war wahrscheinlich schon längst abgeschleppt worden. Er müsste den Bus nehmen. Dann der Strafzettel von der Polizei und die Rechnung des Abschleppdienstes… Er schlug sich diese Gedanken aus dem Kopf und hoffte einfach dass der Wagen noch dastand. Wie durch ein Wunder befand sich der Saab tatsächlich noch an derselben Stelle wo er ihn abgestellt hatte. Zufrieden öffnete er die Tür und setzte sich hinein. Sogar das Autoradio war noch da. Trotz geöffnetem Verdeck und obwohl er sich in L.A. befand. Heute ist mein Glückstag!

         Als sich Frank auf der Hauptstraße im allmorgendlichen Stau befand bemerkte er, dass er schlecht in dieser Aufmachung im Büro erscheinen konnte. Jeans und ein leicht verschmutztes blaues Shirt. Unter normalen Umständen wäre er trotz dem Zeitmangel nach Hause gefahren und hätte sich umgezogen. Doch Frank hatte Angst davor nach Hause zu fahren und zu entdecken dass alles noch genau so war wie letzte Nacht. Sein Schlüssel würde nicht passen, der Garagentoröffner würde nicht funktionieren. Und weder sein Namensschild an der Klingel, noch Sarah wären auffindbar. Tief im Inneren wusste er dass er sich vorhin etwas vorgemacht hatte. Er wusste dass der Gedanke dass wieder alles so wie früher ist, eine bloße Illusion war. Früher… Wie lang ist früher her?

         Frank versuchte möglichst schnell zu dem Kleiderladen seines Vertrauens zu gelangen, wo er immer seine Anzüge kaufte. Das war der Vorteil wenn man über einen so vielstelligen Kontostand verfügte. Er konnte es sich leisten, einfach einen neuen Anzug zu kaufen. Nach etwa zehn Minuten und diversen Abkürzungen war er schließlich am Ziel angelangt. Jetzt musste sich Frank beeilen.

         Seit fünf Jahren kaufte Frank immer denselben Anzug. Weshalb die Suche nach einem passenden Modell nicht allzu lange dauern sollte.

         Er stand nun an der Kasse. Frank hatte erwartet, dass ihn die hübsche Kassiererin wie immer anlächelte und fragte wie es ihm ginge. Doch sie schien ihn gar nicht zu erkennen. Deshalb machte er den ersten Schritt und begrüßte sie freundlich.

         »Hi Sharon. Wie geht’s ihnen heute?« fragte er sie. Wie immer mit dem Versuch seiner Stimme einen charmanten Ton zu verleihen. Doch Sharon warf ihm nur einen genervten Blick zu. Erkennt sie mich nicht?

         »Sharon? Ich bin’s, Frank.« Sharon rollte mit den Augen und würdigte ihn keines Blickes.

         »Ich kenne sie nicht, und sie kennen mich nicht. Also lassen wir doch diesen Blödsinn. Wollen sie nun bezahlen? Ansonsten muss ich sie bitten zu gehen«, fauchte sie Frank an. Sein Kiefer klappte nach unten, und er starrte sie sprachlos an. Ohne ein weiteres Wort zückte er eine seiner zahllosen Kreditkarten und streckte sie ihr hin. Sie nahm sie sichtlich erleichtert entgegen und ließ sie durch den Schlitz des Kartenlesers gleiten. Das Gerät ließ ein abweisendes Geräusch verlauten. Sharon legte ihre Stirn in Runzeln. Der erste Versuch war scheinbar fehlgeschlagen. Auch der Zweite führte zum selben Resultat. Wieder erklang dieses Geräusch. Das Dröhnen in Franks Schädel wurde wieder lauter.

         »Es tut mir Leid, Sir. Aber mit ihrer Kreditkarte scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Ich setze mich mit der Kreditkartengesellschaft in Verbindung. Haben sie bitte etwas Geduld…«

         Doch Frank hatte ihr kaum zugehört. Unsicher ging er ein paar Schritte rückwärts in Richtung Eingangstüre. Er starrte Sharon weiterhin wortlos an. Das erste Mal, seit er heute Morgen erwacht war, überkam ihn so etwas wie Furcht. Es fühlte sich wie eine Art Prüfungsangst an. Seine Magengegend verkrampfte sich. Die anderen Kunden im Laden wurden jetzt auch aufmerksam auf Frank. Der Laden zog hauptsächlich Kunden eines etwas gehobeneren Standes an. Manche schüttelten verständnislos mit dem Kopf. Andere fingen an miteinander zu flüstern, ohne den Blick von der Szene die sich ihnen darbot abzuwenden. Frank vernahm ein schwaches »Sir, alles in Ordnung mit ihnen…« von der Kassiererin. Die Welt um Frank herum fing sich an zu drehen. Das Dröhnen schmerzte in seinem Schädel. Es fühlte sich an, als wäre irgendetwas in seinem Kopf gefangen, wofür unmöglich ausreichend Platz vorhanden war. Als hätte er die Erinnerungen und Gedanken von zwei Menschen gleichzeitig in seinem Kopf. Sein Schädel schien zu bersten. Sir? Sir…

         Frank beschleunigte seine Schritte, immer noch rückwärts gehend. Auf seinem rechten Arm verweilte der 200 Dollar Anzug. Die Stimmen und alle anderen Geräusche um ihn herum wurden immer undeutlicher und schienen sich zu entfernen. Sir… … bezahlen… Sie müssen den Anzug bezahlen…. Hier lassen… Siiiiiir…

         Doch Frank war nicht im Stande auf die Rufe der Kassiererin zu reagieren. Sicherheitsdienst… Ein uniformierter, in die Jahre gekommener Sicherheitsbeamte wandte sich von dem angeregten Gespräch das er mit einer Stammkundin führte ab und ging auf Frank zu. Er musste gehen. Frank musste gehen. Das war das einzige was Frank wusste. Und er ging. Er rannte. Er rannte zu seinem Wagen. Ihm blieb nichts anderes übrig als sich in sein Auto zu schwingen und Vollgas zu geben. Der Saab machte einen Schlenker und geriet fast auf die Gegenfahrbahn. Franks Atmung fing wieder an verrückt zu spielen.

         »Komm runter, Frank! Komm runter!« schrie er sich selbst an. Die Sonne blendete ihn mitten ins Gesicht und er holte das Brillenetui mit seiner Sonnenbrille aus dem Handschuhfach. Als Frank die Klappe wieder schließen wollte entdeckte er ein zweites, älteres Brillenetui. Er hielt kurze Zeit inne und vollführte einen weiteren Schlenker. Fast hätte er nicht gemerkt dass die Ampel auf Rot stand. Frank vollführte nahezu eine Vollbremsung. Die Autos hinter ihm taten es ihm gleich. Ein alles andere als freundliches Hupkonzert begann. Frank holte das zweite Brillenetui aus dem Handschuhfach und zog einen Joint heraus. Der Konsum von Marihuana war das einzige was aus seiner Jugendzeit und seinem damaligen »ich« übrig geblieben war. Als er noch wild gewesen war, rauchte er drei bis vier von den Dingern - pro Tag. Heute war es einer, alle drei bis vier Monate. Er hatte sich angewöhnt, dass wenn ihm alles zu viel wurde, er hinauf zum Griffith Park fuhr, wo er ganz L.A. überblicken konnte.

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