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Eine Nacht. Immerhin.
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eBook176 Seiten2 Stunden

Eine Nacht. Immerhin.

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Über dieses E-Book

Ein Mann auf der Flucht. Wer jagt ihn und warum?
Ein Unfall. Eine Tote. Bei näherem Hinsehen entwickelt sich der harmlose Fall jedoch komplizierter als gedacht. Ein weiterer mysteriöser Todesfall. Was verbindet die Opfer?
Ein schräger Schnüffler. Eine ehrgeizige Polizistin. Ermittlungen in Sackgassen. Politische Blockaden.
Abgründe tun sich auf. Überraschungen warten auf die Ermittler.
Lassen sich die Hintergründe klären? Und wer blickt am Ende noch durch?
Der erste Fall des Berliner Hobby-Detektivs Finlo Halbe führt ihn u.a. weit in den Westen der Republik.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. Sept. 2021
ISBN9783347400245
Eine Nacht. Immerhin.
Autor

Gerhard Sauer

1957, Sauerländer, lebt in Berlin und der Uckermark; beruflich ist er zurzeit angestellt in einer Verwaltung in Düsseldorf. Sauer war viel im Politikbetrieb unterwegs, wo Reden und Artikel schreiben lange das tägliche Brot war. Mittlerweile schreibt er lieber Romane und Reiseberichte, sowie hin und wieder Gedichte. Erschienen sind bisher - Das Grüne Kleid – Ein Heimatroman ( 2019) - Eine Nacht. Immerhin / Kriminalroman (2021) - Der Kopf muss ab/ Kurzgeschichtensammlung (2021). Die "Unterwegsbetrachtungen - Strauße, wilde Würste und ein Dom" erscheinen im Januar 2023.

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    Buchvorschau

    Eine Nacht. Immerhin. - Gerhard Sauer

    1

    Oostduinkerke-an Zee/Belgien, Dezember

    Regen rinnt an den Fenstern der Kusttram herunter. Böiger Wind peitscht immer neue Schauerstaffeln heran. Dunkelgraue Wolken hängen tief über Meer, Strand und Land. Die Dämmerung setzt jetzt kurz vor Winteranfang bereits am frühen Nachmittag ein. Ein Tag wie geschaffen für Depressionen. Die Küstenstraßenbahn von Oostende nach De Panne stoppt mit einem Ruck kurz vor der Kreuzung in der Mitte des Badeortes Oostduinkerke-an Zee. Zischend öffnet sich die Tür. Ein Mann klappt seinen Mantelkragen hoch, setzt seinen Hut auf, zieht ihn tief in die Stirn. Mit professionellem Blick checkt er blitzschnell von links nach rechts die oberen Stockwerke der Häuser gegenüber, weiter huscht sein Blick diagonal über die Häuserfront nach links unten und zurück nach rechts an den Eingängen entlang. Er entspannt sich, nimmt seine Tasche in die Hand, will die drei Stufen aus der Bahn hinuntersteigen, um die Straße zu überqueren. Auf der untersten Stufe hält er inne. Ein Auto überholt die Bahn vorschriftswidrig rechts und schießt an ihm vorbei. Er seufzt. Er ist müde. Seit Tagen hat er kaum geschlafen. Das Gefühl unendlicher Nacht hat ihn umschlungen. Er atmet tief durch und tritt auf die ‚Albert I Laan‘, stakst drei Schritte über große Pfützen bis aufs Trottoir. Dicht an den Gebäuden entlang geht er ein paar Meter in Fahrtrichtung bis zur Ecke des ‚Astridplein‘, wendet sich dort mit einem Blick über die Schulter nach rechts. Der Regen kommt ihm jetzt fast waagerecht vom offenen Meer entgegen. Seinen Hut mit der linken Hand festhaltend trägt er in der anderen Hand seine Tasche. Der Mantel ist schon nach der der kurzen Strecke komplett durchnässt, er tropft. An der rechten Ecke des 'Astridpleins', dort wo der ‚Zeedijk‘ auf den Platz trifft, steigt er zwei Stufen hoch, schiebt mit der Schulter die Tür einer Kneipe auf. ‚t’Zand‘ blinkt ihm in bunten Farben entgegen. Schön belgisch bunt, denkt er beim Eintreten amüsiert, durchquert den Gastraum an der langen, einladenden Theke vorbei, setzt sich, ohne Mantel und Hut abzulegen, an einen der Tische im hinteren, von außen nicht einsehbaren Bereich, stellt die Tasche zwischen seine Füße, atmet noch einmal tief durch. Er spürt die Wärme, die von den Heizkörpern abgestrahlt wird. Ein schwach vernehmbarer Duft nach frittierten Pommes wabert durch den Raum. Musik plätschert unaufdringlich, irgendein aktueller Schlager. Ein paar Minuten vergehen.

    Eine Frau ist unauffällig zu ihm herangetreten, spricht ihn an.

    „Goden avond, mijn heer!" (Guten Abend, mein Herr!)

    Er schreckt kurz auf, schaut ihr in die Augen, nimmt seine Kopfbedeckung ab, schüttelt sich, lächelt.

    „Goden avond!" (Guten Abend!)

    „Will U wat bestellen?" (Möchten Sie etwas bestellen?)

    „Een biertje, alstublieft. Een Westvleeteren triple!" (Ein Bier, bitte. Ein Westvleeteren triple.)

    Mit einem tiefen Seufzer schiebt er „Ich brauch jetzt etwas Starkes!", mehr zu sich selbst, hinterher. Endlich legt er auch den triefnassen Mantel ab und hängt ihn an die Garderobe in der Nähe der Heizung.

    Es ist nicht viel los in dem Tearoom, die Bestellung wird prompt ausgeführt, das Bier auf den Tisch gestellt, ein Schälchen mit Erdnüssen hinzugereicht. Er lächelt die nicht mehr ganz junge, aber herrlich blonde Bedienung wiederum an.

    „Dank u well!" (Danke sehr!)

    Sie lächelt zurück.

    „Alstublieft! Gezondheit!" (Bitte schön! Gesundheit!)

    Der Mann hebt das Glas an den Mund, nimmt zwei, drei große Schluck Bier, setzt das Glas wieder ab, nimmt ein paar Erdnüsse. Hier war er schon mal. Vor dreißig Jahren. Vielleicht auch vierzig. Er hat sich erinnert. Kaum ein Mensch kann wissen, dass er sich hier auskennt. Er schaut sich um. Alles ruhig. Nichts Verdächtiges. Vor den Scheiben toben sich Sturm und Regen aus, normalerweise kann man von hier aus den breiten Strand überblicken. Doch mittlerweile ist es stockdunkel geworden. Das Licht der wenigen Straßenlaternen dringt kaum noch durch. Sie haben ihren Kampf um die Vorherrschaft offensichtlich aufgegeben. Das Wetter draußen hört man zwar, sieht aber nichts. Wie in einem Kokon, eine kleine und für den Moment auch heile Welt. Jetzt muss ihm nur noch eine Lösung einfallen, wo er heute Nacht schlafen kann ohne Datenspuren von online-booking oder Kreditkartenabrechnungen zu hinterlassen.

    „Mag het iets anders zijn?" (Darf es sonst noch etwas anderes sein?)

    Sie hat gerade einen anderen Tisch abgeräumt und kommt auf dem Weg zur Theke wieder an ihm vorbei. Sie schaut ihm in die Augen. Ganz langsam nickt er und seine Augen leuchten auf. Und ob! Das ist DIE Lösung. Er lächelt sie an. Sie bemerkt seine Entspannung, lächelt auch. Der Mann atmet auf. Endlich Ruhe finden. Und sie hat so süße Grübchen.

    *

    Es ist Nacht. Die Jagd wird weitergehen. Dies ist nicht das Ende. Aber ein Ruhepunkt im Tunnel. Er dreht sich unter der warmen Decke um und sucht ihre Nähe. Eine Nacht. Immerhin.

    2

    Düsseldorf, Juli des gleichen Jahres

    Schrage spürte ihre Lippen, den zarten Druck auf seinem Mund, den süßen Geschmack, das wohlige Kribbeln im Bauch - obwohl er sie seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Geschweige denn geküsst. Tagträume überkamen ihn in letzter Zeit immer häufiger. Ein Blick aus dem Fenster genügte, um ihn fortzutreiben. Abzuschweifen, sich wegzuträumen. Weg vom Geschwafel und der alltäglichen Wichtigtuerei in diesen Räumen. Er sah das gegenüberliegende Hochhaus. Das war zwar ebenfalls bevölkert von dieser ihn umgebenden beamteten Labermischpoke. Dort aber spiegelte sich jetzt am späten Vormittag immerhin die Sonne in der Fassade. Sich abhebend vom blau-weißen Himmel glänzte das rautenartige Glas- und Stahlgebilde über den stumpfen Grausinn hinweg. Träume. Gedanken an die unerreichbare Angebetete. Und Wünsche. Heiße Wünsche.

    Eine Stimme erreichte sein Ohr.

    „…und deshalb bin ich, um es noch einmal deutlich zu unterstreichen, ganz und gar der Auffassung, dass …" –

    Wieder eine dieser Floskeln, Füllfloskeln, die ihn nach all den Jahren anwiderten. Noch eine halbe Stunde war zu absolvieren, dann würde er den Laptop zuklappen und die Laufschuhe schnüren. Das hatte er sich vorgenommen, seit er sie kennengelernt hatte. Fitter werden, abnehmen. In der Mittagspause würde er ein paar Kilometer fressen, statt Kantinenfraß in sich hineinzuschaufeln. Seit sieben Uhr in der Früh hatte er den ganzen Morgen in Sitzungen verbracht, Termine besprochen, Texte geschrieben, verworfen, telefoniert. Das Übliche eben.

    Und dann zerriss die geschwätzige Stille.

    Ein Schrei.

    Yves Maurice Claude Alain Schrage, genannt YMCA, lauschte einen Moment. Der Schrei hallte nach.

    Wer hatte geschrien? Eine Frau, offensichtlich.

    Wo? Im Treppenhaus, wahrscheinlich.

    Jetzt nur keine Hektik aufkommen lassen, dachte Schrage. Nicht jetzt, so kurz vor meiner Mittagspause. Eine laute Stille erfüllte den Raum. Die üblichen Wortführer hielten inne. Was erwarteten sie? Alle am Tisch schauten Schrage an. Warum immer ich, bahnte sich Selbstmitleid durch seine Synapsen.

    „Ok, ich schau mal nach", gab er nach, erhob sich betont gelassen, trat durch die sich automatisch öffnende Glastür des Korridors und blieb erstarrt stehen.

    3

    Berlin, Juli

    Meine Beine konnte ich gerade so mit dem Schuhabsatz an der Tischkante halten. Ich lag in meinen alten Sessel und baute eine Brücke zum Schreibtisch. Aber nur, weil ich mich kaum noch bewegen konnte. Mir war schlecht. Es war wohl schon Nachmittag. Irgendwo auf der rechten Seite des Zifferblatts, irgendwo kurz bevor der Zeiger ganz herunterfällt. Der Abend zuvor war einer dieser Abende gewesen, die irgendwann aus dem Ruder laufen. Warum auch immer. Was los war? Frag nicht. Denn danach ging die ganze Chose erst richtig los.

    Aber der Reihe nach. Ich stelle mich wohl erstmal kurz vor. Mein Name: Halbe. Finlay Logan Halbe. Meine Freunde, so ich denn noch welche habe, nennen mich ‚Finlo‘. Oder einfach: Halbe. Kann auch ein Pseudonym sein. Wer weiß das schon. Ist mir letztendlich auch egal.

    Also, es muss so im Februar gewesen sein. Ein Typ, keine Ahnung woher ich den kannte, verdächtigte seine schicke Schnickse, ihn um ein paar hart aber schwarz erworbene Euro erleichtern zu wollen. Ich sollte ihm Fotos liefern, die einen unzweifelhaft zweifelhaften Lebenswandel der guten Dame belegen könnten. Und Namen wollte er haben. Keine große Kunst, dachte ich, eigentlich nicht meine Welt, aber was will man machen.

    Warum? Na, warum wohl. Die Kreditkarte machte schon hin und wieder Zicken, das Konto war leergeräumt und aus dem Kühlschrank konnte man auch schon wieder ein Echo hören. Ich brauchte also Knete. Und ein Vorschuss kam mir da gerade recht.

    Ich hab zwar meinen verdammt gut bezahlten festen Job, doch Kredite, Unterhalt, Wohnung, Auto und die ein oder andere überflüssige Ausgabe im Laufe eines Monats fressen mir zu oft die Haare vom Kopf. Am Ende des Kontos ist immer zu viel Monat über. Und so prostituiere ich mich hin und wieder für meine Extras. Freiberuflich, wie man so sagt. Und da bin ich dann vor nix fies.

    Die Fotos würde ich in den nächsten Tagen schießen können, da war ich mir damals sicher. Und dann würde es mir zumindest knetemäßig besser gehen. Ich hoffte, dass dieser gelackte Arsch auch meine Rechnung tatsächlich bezahlen würde. Denn bei diesen Typen weiß man ja nie so genau, ob die auch Wort halten, ihr Schwarzgeld schwarz an mich rüberzuschieben. Zu oft war ich schon auf die Fresse gefallen.

    Erstmal hatte sich wochenlang nichts getan. Ich bekam die Dame nicht vor die Linse. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Wochenlang. Der Typ nervte, aber was sollte ich machen. Seine Informationen über ihren Aufenthalt waren entweder falsch - oder falsch … oder falsch. Zwischendurch verlor ich hin und wieder das Interesse und kümmerte mich nur dann, wenn mal wieder ein Anruf kam.

    Dann plötzlich tauchte sie auf. Und ich hatte mich der Dame eine ganze Zeit an die Fersen gehängt – ohne den Erfolg, den mein Auftraggeber erwartete. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr und mich auf den Weg in meine Höhle gemacht, um mich zu verkriechen. Aber nix da. Wie das schon mal so ist. Rechts vom Durchgang zum Hinterhof, in dem der Aufgang zu meiner Wohnung liegt, lockte ein kühles Blondes. Das wusste ich, und hatte Durst bekommen. Ein paar Jungs hielten dort, wie jeden Tag um dieselbe Zeit, die Barhocker warm. Ich setzte mich dazu. Bestellen brauchte ich nicht. Der Barkeeper stellte mir ein Pils auf den Filz.

    Der hat auch so seine Geschichte. Also der Barkeeper, nicht der Barhocker. Seit über zwanzig Jahren steht er nun schon hinter diesem Tresen, kennt Hinz und auch Kunz und zumeist auch deren kurvenreiche Lebensgeschichte dahinter, die Brüche, Sehnsüchte und Abgründe. Er mixt, serviert, kredenzt - und zapft nicht nur verschiedene Biere, sondern verzapft auch den ein oder anderen Blödsinn. Ob er nun seinen Haarschopf verloren hat aufgrund der haarsträubenden Geschichten, die er hier jeden Abend so zum Besten gibt oder aufgrund mangelnden Sonnenlichts, werde wohl selbst ich nicht mehr recherchieren können. Liegt im Dunkeln. Ist wahrscheinlich auch besser so.

    Sei's drum. Das Pils nahm seinen üblichen Weg, über die Eingeweide Richtung Blase. Ich musste den ganzen Ärger der vergangenen Wochen hinunterspülen. Beruflichen Ärger. Aber nicht nur das. Die Schmerzen machen mich mürbe. Schon seit Monaten. Ich konnte kaum noch meinen Jobs nachgehen. Ergebnis: siehe oben.

    Ich haderte also mal wieder, mit mir, mit der Welt. Mit den Frauen. Mit was weiß ich denn. Ich hatte die Schnauze voll. Von allen. Vor allem piesackte mich die Frage, ob ich mir wirklich einen Metzger suchen musste, der mir ein

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