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Schwingen aus Gold und Finsternis
Schwingen aus Gold und Finsternis
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eBook364 Seiten5 Stunden

Schwingen aus Gold und Finsternis

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Über dieses E-Book

»Nikki, beruhige dich.« Sie griff nach seiner Hand und einen Moment lang starrte er darauf, genoss die Wärme ihrer Haut auf seiner.
»Ich hatte eine Scheißangst in dieser Nacht«, gab er schließlich zu. »Deswegen habe ich noch mehr genommen.«

Nikki Sella, dramatischer Rockstar, neuerdings untotes Wesen, und Kathy Adams, Medizinstudentin, Jägerin von Monstern und wohnhaft in einer Stadt des ewigen Zwielichts. Weder weiß Kathy, dass Licht und Dunkel dort um die Herrschaft kämpfen, noch dass sie inzwischen mitten in diesem Kräftemessen steckt.
Aber sie hat ein Versprechen gegeben. Dem Mann, den sie liebt, zu helfen und herauszufinden, zu was die Schattenwelt ihn gemacht hat. Ein Versprechen, das gar nicht so leicht zu erfüllen ist.
Und je mehr sich Kathy und Nikki durch die neuen Geschehnisse kämpfen, desto ersichtlicher wird, dass dieser Schwur ihrer beider Leben retten könnte.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. Sept. 2022
ISBN9783347702790
Schwingen aus Gold und Finsternis
Autor

Judith L. Bestgen

Judith L. Bestgen, geboren 1992 in Nordrhein-Westfalen, wuchs in Ostfriesland auf und fühlte schon als Kind die Magie des Meeres in sich. Ebenso spürte sie die Kraft der Geschichten, tief verwoben mit ihrem Glück. Mit ihrer besten Freundin, mit der sie nun auch in einer WG lebt, arbeitet sie am gemeinsamen Geschichtenprojekt "Das Bambusblatt", kann es sich aber natürlich nicht nehmen lassen, auch ihre privaten Werke endlich zu veröffentlichen.

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    Buchvorschau

    Schwingen aus Gold und Finsternis - Judith L. Bestgen

    Vorwort

    Mit »Schwingen aus Gold und Finsternis« entführen wir euch nach Pliford, eine jener Städte dieser Welt, die im ewigen Zwielicht gefangen sind. Genauer gesagt werfen wir euch in das Leben der Halbvampirin Kathy Adams, die Medizinstudium und Monsterjagd unter einen Hut bringen muss, und in das Nicht-Leben von Musiker Nikki Sella, der herausfinden möchte, zu was der Tod ihn gemacht hat.

    Wer bereits ein Buch von uns kennt, findet hier eine deutlich schnellere Dynamik als sonst. Humor kommt dabei aber auch nicht zu kurz, genauso wie die Liebe zwischen den Figuren.

    Wir freuen uns sehr darauf, euch die Welt zu zeigen, unser Worldbuilding genauer zu erklären und euch Kathy und Nikki (#Kikki) vorzustellen.

    Und wer etwas für die Ohren braucht: Auf Spotify findet man uns unter »Das Bambusblatt«. Dort gibt es eine Menge Playlists zu den Büchern, die wir aufwendig zusammengestellt haben und stets erweitern.

    Gewidmet all den Musikern,

    die Leben in unsere Seele bringen.

    Von den Großen des alten Rock zu den neuen

    Bands – genauso wie unserer Lächelmagierin

    mit ihren wunderschönen Texten

    und der atemraubenden Stimme.

    Prolog

    Die Rollläden surrten mit einem beinahe ohrenbetäubenden Geräusch nach unten, als Nikki mit einem Schlag den Schalter der Mechanik betätigte. Krachend schlossen sie sich und verbannten jedes Licht der Großstadt aus dem Appartement. Um Nikki war es stockdunkel geworden und obwohl er das gewusst hatte, blieb er einige Sekunden wie erstarrt stehen, ehe sich ein Frösteln seines Körpers bemächtigte und er die Arme um sich schlang.

    Bis auf seinen hektischen Atem blieb es still um ihn herum, als hätten die Rollläden auch jeglichen Stadtlärm ausgesperrt, dabei konnte man hier oben ohnehin kaum etwas davon vernehmen. Sein Penthouse lag weit über den meisten Dächern der Stadt, was man vielleicht als unkluge Entscheidung auffassen konnte, bedachte man seinen geistigen Zustand. Aber obwohl Nikki mehr als einmal darüber nachgedacht hatte, die große Glastür zu öffnen und auf dem Rand der Terrasse zu wandeln oder von der Balustrade zu springen, hatte er das in dieser Nacht nicht vor. Um keinen Preis würde er sich dort hinauswagen, während irgendetwas in der Dunkelheit auf ihn lauerte.

    Er wusste, dass Dinge dort draußen waren.

    Dinge, Schatten, Augen, Zähne, die ihm eine wahnsinnige Angst machten.

    Nichts, rein gar nichts würde ihn jetzt dazu bringen, einen Schritt aus seinem Appartement zu setzen oder den oberen Teil der Fenster, den man öffnen konnte, zu kippen. Vielleicht könnte ihn nicht einmal etwas im Inneren dieser Räume dazu bewegen.

    Argwöhnisch sah er sich um. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Finsternis. Es waren nicht einmal Schatten, die er erkennen konnte, nur vage Schemen hier und da, von den elektrischen Anzeigen der Küchengeräte angeleuchtet. Alles hätte sich hier verstecken können, aber aus irgendeinem Grund war er sich sicher, dass sie nur dort draußen waren.

    Das Misstrauen jedoch blieb und so festigte sich sein Griff um die Spritze, die er noch immer in der Hand hielt. Er konnte stolz auf sich sein, dachte er sarkastisch. Immerhin hatte er daran gedacht, das Heroin zu erhitzen und die Spritze aufzuziehen, ehe er sich in der Dunkelheit verbarrikadierte. Und noch stolzer konnte er darauf sein, dass er sich die Nadel nicht augenblicklich in die Vene gejagt hatte. Er stand hier mit ihr in der Hand. Zitternd und beinahe blind. Sein Glück, dass er kein Licht mehr brauchte, um sich einen Schuss zu setzen, nur das Flattern seiner Hände könnte sich zu einem Problem ausweiten. Aber er schaffte es nicht, seine Gedanken zu beruhigen. Und als ihm bewusst wurde, dass er nach wie vor mit dem Rücken zu den Fenstern stand, wandte er sich ruckartig um, ehe er durch den riesigen und doch nahezu leeren Raum zur Tür des Penthouse eilte, um sicherzugehen, dass sie fest verschlossen war.

    Als er Schritte auf dem Flur hörte, stellten sich seine Nackenhaare auf. Er starrte die Tür an, wich zurück und stolperte fast über das Sofa. Nikki schwankte, darum bemüht, das Gleichgewicht zu halten, gab es letztendlich auf und ließ sich in die Polster fallen. Dann würde er eben hier sitzen bleiben. Die Tür war fest verschlossen, die Rollläden vor den Fenstern. Nichts und niemand konnte hier hereinkommen. Es gab nichts, weswegen er sich sorgen musste.

    Er gab sich alle Mühe, sich eben das einzureden. Er musste sich nicht fürchten. Er war alleine.

    Nikki schluckte. Das war nicht die richtige Wortwahl, um sich zu beruhigen. Allein zu sein war Teil des Problems, immer schon gewesen.

    Er hatte Angst davor.

    Aber vielleicht waren diese Schatten, diese Klauen und Fänge, diese silberglühenden Augen in der Dunkelheit dann auch nur Ergebnisse seiner Furcht?

    Er saß da, starrte nachdenklich in die Schwärze und zog diesen Gedankengang ernsthaft in Betracht. Seine Bandkollegen und alle anderen hätten ihn für verrückt gehalten, wenn er ihnen davon erzählt hätte. Seit Wochen ging das so.

    Ein Krachen an den Fenstern ließ ihn zusammenzucken. Als ein metallisches Reißen folgte, das klang, als würden sich raptorähnliche Krallen durch die Rollläden graben, sprang er auf.

    Ein weiteres Mal wich er zurück, bis er in einer Ecke des Raumes gegen die Wand stieß. Die Kraft in seinen Beinen verließ ihn und mit einem Ruck sackte er zu Boden, kauerte sich zusammen. Die wenigen Schemen, die er erkennen konnte, bewegten sich, kamen näher, zogen sich wieder zurück und näherten sich erneut. Ein Wimmern erfüllte die Stille.

    Mit zitternden Fingern schob er seinen Ärmel nach oben und tastete die Haut dort ab. Er zuckte kaum mehr zusammen, wenn er an die entzündeten Einstichstellen stieß, es hatte sich zu einer gewohnten Empfindung entwickelt. Die Adern waren unter all diesen schmerzhaften Punkten gut zu spüren. Er hielt den Blick lieber auf die Schemen gerichtet. Einzig der Gedanke, dass all die unheimlichen Dinge mit Drogen in den Venen mehr Sinn für ihn ergaben, beruhigte ihn.

    Er schob die Nadel unter seine Haut in die Vene und drückte den Kolben nach unten. Früher einmal hatte er diesen Moment genossen, dieses Glücksgefühl, und den Augenblick regelrecht zelebriert. Nun interessierten ihn bloß noch jene Sekunden, in denen sich das Heroin in seinen Adern ausbreitete und seinen Körper durchströmte. Dieses warme Gefühl, das ihn überkam, wo er sonst meistens Kälte spürte. Ein Gefühl, als würde er nach Hause kommen. Das Vertrauteste, das er noch besaß, und etwas, das ihm nicht einmal die Musik noch geben konnte.

    Doch heute blieb diese Empfindung aus. Nikki saß da und wartete auf den Moment, in dem der Frieden in seine Gedanken einkehren sollte.

    Nichts dergleichen geschah, stattdessen vernahm er wieder dieses ekelhaft reißende Geräusch. In jenem Moment, da er die Spritze fallen ließ und sie klappernd auf den Boden traf, legte das Reißen eine Pause ein, um danach erneut einzusetzen. Konnte das wirklich Zufall sein oder war das ein Zeichen dafür, dass er sich das alles einbildete?

    Nikki sprang wieder auf die Füße und stützte sich an der Wand ab. Er wagte es nicht, zum Lichtschalter zu hechten und die Beleuchtung einzuschalten. Er wollte die Krallen nicht sehen, die sich einen Weg in das Appartement suchten.

    Er biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Seine Bandkollegen würden ihn zu Recht für verrückt halten. Da war nichts. Da konnte nichts sein. Und nun herrschte wieder Stille, die lediglich von seinem Atem und seinem panisch klopfenden Herzen gestört wurde.

    War da überhaupt etwas gewesen?

    In einem Anflug von Mut stapfte er zum Lichtschalter und betätigte ihn. Er blinzelte, als Licht den Raum flutete. Er schirmte seine Augen mit der Hand ab und trat vorsichtig näher an die Fenster heran. Auch als er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, konnte er keine Spuren von Krallen in den Rollläden entdecken. So, wie es geklungen hatte, hätten sie sichtbar sein müssen, wenn es sie tatsächlich gab. Hatten die Krallen nicht sogar über das Glas gekratzt?

    Doch egal, wie sehr Nikki nach irgendeinem Anzeichen suchte, er fand nichts. Und letzten Endes wandte er sich ab, überzeugt davon, dass er es sich eingebildet haben musste.

    Er verlor den Verstand, das musste es sein.

    Ein bitteres Lachen drang über seine Lippen. Eventuell konnte er mit einer weiteren Spritze Heroin für ein wenig Ruhe sorgen. Nicht viel, nur ein bisschen. Das würde ihn beruhigen und die Hirngespinste verschwinden lassen.

    Wie betäubt wankte er zum Couchtisch hinüber, auf dem die Drogen lagen. Er griff danach genauso wie nach den Utensilien, die er benötigte, um das Heroin zu erhitzen. Der Löffel, das Feuerzeug. Er achtete schon kaum noch darauf, was er tat. Die Abläufe waren ihm ebenso ins Blut übergegangen wie die Substanzen selbst. Die Brandflecken auf dem Tisch waren egal. Dass er sich den Finger ansengte, ebenfalls. Es zählte nur, dass die Nadel möglichst schnell in seinem Arm steckte.

    Ihm schwindelte, dennoch seufzte er, als sich das Heroin mit seinem Blut mischte. Dass Letzteres an der Einstichstelle aus seinem Körper hervorquoll, nahm er wahr, er betrachtete es einen Moment lang fasziniert. Rot tropfte es von seinem Arm hinab. Nikki lehnte träge den Kopf gegen die Sofakissen.

    Kapitel 1

    Etwa zwei Jahre später

    »Deine braunen Haare mochte ich ja schon immer. Wirklich.«

    Kathy unterdrückte den Würgereiz, der ihr die Kehle emporzukriechen drohte. Wenn man einen Vampir vor sich hatte, war es klüger, sich zu konzentrieren. Leider fiel ihr das schwer. »Das ist freundlich, danke«, murmelte sie, in der Hoffnung, diesem Konflikt ausweichen zu können. Vampire waren bei weitem nicht schwach, und Kathy teilte bereits eine Geschichte mit ihnen, weswegen sie Furcht vor den Blutsaugern hatte. Sie konnte sich wehren, das wusste sie. Nur da es per se nicht verboten war, ein Untoter zu sein, gab es keinen Grund, zu kämpfen, solange ihr Gegenüber sich an die Regeln hielt.

    Und noch tat er es. Zwar tänzelte er genau auf dem Rand der Bestimmungen herum, hielt sich allerdings im Rahmen. Auch wenn er ihr immer wieder begegnete.

    Mit weichem Gang umkreiste er sie, jede Bewegung kontrolliert und in Kathys Augen bösartig, doch kein Anzeichen eines Angriffs. »Ist es denn wirklich so praktisch, einen Zopf bis zum Hintern zu tragen? Als Jägerin, meine ich.« Er stockte in dem Theater, das er, typisch Vampir, spielte. Sein Blick glitt über sie hinweg, neugierig und nicht lüstern. Was Kathy noch mehr beunruhigte. Sex war die eine Sache, aber für einen Vampir interessant zu sein, eine gänzlich andere. »Dieses weiche Gesicht mit Augen wie Saphire und Smaragde. Eine Statur, so winzig und klein.«

    Kathy rollte beinahe mit den ach so schönen Augen, die nichts weiter als grünblau waren. Nichts wirklich Außergewöhnliches. Dass er ihre kleine Größe ansprach, machte ihr dagegen mehr zu schaffen. Trotz Kampferfahrung fühlte sie sich mit ihren knapp einen Meter sechzig so angreifbar, wenn sie einem Vampir gegenüberstand. Diese Wesen in Gestalt eines Menschen, aber mit dem Blutdurst eines Dämons und dem Instinkt eines Raubtieres. Sie konnten sich schnell in sich selbst verlieren.

    »Du solltest mir irgendwann mal folgen.«

    Kathy zwang ihre Füße, stehen zu bleiben und nicht zurückzuweichen. Jetzt hatte er es doch geschafft und sie in die Defensive getrieben. Wenn sie ihm nicht antwortete, gewann er die Oberhand. Nachgeben konnte sie auch nicht. Aber eine Ablehnung würde seinen Stolz treffen und davon hatte ein Vampir übermäßig. Fragilen Stolz. »Das ist nett, aber ich habe kein Interesse.«

    Obwohl er es erwartet hatte, blieb er bei seinem Theaterstück. Geschockt und wie eine Katze auf der Pirsch versteinerte er in der Bewegung und maß sie mit großen Augen. »Nicht?«

    »Nein.« Innerlich sprach sie sich Mut zu. Sie war schon seit gut zwei Jahren Jägerin. Seit jener Nacht, als ein Vampir sie angegriffen hatte, war sie nicht mehr die schüchterne Studentin von einst. Sie war in ein anderes Leben gezwungen worden. »Ich bandle grundweg nicht mit dem Übernatürlichen an.«

    »Bedauerlich«, schnarrte er, wog den Kopf von einer Seite zur anderen, stieß seufzend die Luft aus, die seine Lungen nur zum Reden brauchten. »Sehr bedauerlich.«

    »Das würde sich zu sehr mit meiner Arbeit vermischen.« Sie sah sich unauffällig um. Die kleine Gasse, in der sie wie im Klischee stand, bot ihr kaum eine Möglichkeit, einfach zu gehen. Sie hatte einen Ghul verfolgt, doch nicht eingeholt. Das Biest war gefährlich, aber wenn es weg war, würde es sehr wahrscheinlich jetzt auch nicht wieder auftauchen.

    Beinahe machte der Vampir eine Geste, als würde er ihr über den Kopf streichen wollen, hielt sich jedoch weit genug entfernt. Einer Jägerin das Gefühl zu geben, sie berühren oder gar angreifen zu wollen, reichte als Konfliktauslöser aus und würde Kathy die Erlaubnis erteilen, zur Offensive überzugehen. Und das Problem war, dass viele Jäger deutlich mehr konnten, als auf den ersten Blick zu erahnen war. Das wusste auch der Vampir.

    »Vielleicht sollte ich dich ganz verwandeln, meine Schöne«, säuselte er. »Dann bist du keine Jägerin mehr.«

    »Das liegt nicht in meinem Interesse und es wäre wirklich liebreizend, wenn du mich jetzt meines Weges gehen lassen würdest. Es ist bereits spät, zumindest für mich, und ich habe noch einiges zu erledigen.«

    Er kam einen Schritt näher, woraufhin Kathy die rechte Hand auf ihr Messer legte. Es war ein Trick, sie war keine Rechtshänderin, sie würde mit Links die eigentliche Waffe zücken.

    Aber er legte nur den Blick darauf, hob eine Braue und blieb stehen. »Wieso erwartest du einen Angriff?«

    Sie biss sich auf die Unterlippe. Ein Vampir und sie, in einer dunklen Gasse. Sie kannte diese Wesen gut genug, um ihnen alles Schlechte zu wünschen.

    Kathy erwartete, dass er es als Provokation sehen und sie aufhalten oder gar angreifen würde. Nach einigen Herzschlägen ließ er den Kopf sinken, machte den Weg frei und deutete auf die Hauptstraße, deren Licht man noch erahnen konnte. »Es tut mir leid.« Mehr sagte er nicht. Er verschwand langsam in den Schatten hinter sich, verschwamm mit der Dunkelheit, als hätte es ihn nie gegeben.

    Die Jägerin war einen Moment lang nicht sicher, ob sie dem Frieden trauen sollte, doch da er ohnehin überall auftauchen konnte, verließ sie eilig die Gasse. Und wie immer, wenn sie mit einem Wesen wie einem Vampir zu tun gehabt hatte und danach wieder in das normale Leben der meisten Menschen eintauchte, fühlte es sich an, als hätte sie die Welt gewechselt. Als hätte man sie aus dem Schatten hinausgeworfen in ein Meer aus Farben und Lärm.

    Ein Zittern durchwanderte ihren Körper. Sie war immer ein Kleinstadtkind gewesen und nur wegen des Studiums nach Pliford gezogen, aber seit dem Angriff damals fühlte sie sich in all dem Trubel deutlich wohler.

    »Pass doch auf!«, schrie ein Mann sie an, der selbst auf sein Handy geblickt und sie fast angerempelt hätte. »Blöde Kuh.«

    Die alte Kathy hätte sich verschreckt an die Mauer gedrückt. Die neue Kathy, die Jägerin, hätte sich möglicherweise zur Gegenwehr hinreißen lassen. Aber nach dem Vampir war sie so froh, keinen Kampf zu haben, dass sie den Idioten ignorierte, die dicke Luft einatmete und dieselbe Richtung wie der Smombie einschlug.

    Einen Moment lang war sie geneigt, den Blick auf die zerrissenen, grauen Gehwegplatten zu legen, bis sie in ihrer Wohnung angelangte. Doch ihr Pflichtbewusstsein ließ das nicht zu. Gerade Städte wie Pliford zogen die Monster an, vor allem jene Arten, die sich gut unter Menschen einleben konnten. Nicht, dass Menschen im Normalfall den Rest zu Gesicht bekamen, und wenn doch, dann war das schlecht. Sehr schlecht. Denn die Wesen der Schatten waren für das menschliche Auge zum größten Teil unsichtbar, es sei denn, sie wollten gesehen werden oder griffen an. In diesen Momenten war es ihnen unmöglich, die Tarnung oben zu halten. Nicht, dass es dem Opfer groß genutzt hätte.

    Ausnahmen gab es selbstredend und darunter fielen die Jäger.

    Kathy fröstelte es und sie war unendlich dankbar, als sie endlich vor ihrem Wohnkomplex angelangt war. Ein altes Backsteinhäuschen mit wenigen Mietparteien. Die Gilde wurde von der Regierung bezahlt und die Jäger von der Gilde. Zusätzlich finanzierte diese Wohnung und Studium, sofern das in ihr Aufgabengebiet passte. So konnte Kathy hoffentlich bald von der Jägerin zur Ärztin wechseln.

    »Verzeihung?«, sprach Mrs Louis sie an, sobald sie Kathy auf dem Pfad ausgemacht hatte. »Ms. Adams, Verzeihung, aber gehört Ihnen nicht der Golden Retriever?«

    Kathy hasste diesen Tag. Ein Vampir, die Erwähnung des Köters und überhaupt, dass es gerade Mrs. Louis sein musste, die sie ansprach. Und die sehr wohl wusste, wohin der Golden Retriever gehörte. »Ja.« Als würde der mir gehören …

    »Nun«, setzte Mrs. Louis an, die Lippen zu einem spitzen Strich verzogen, »dieser Hund hat sich heute an meine Maria herangemacht. An meine süße kleine Pudeldame.«

    »Oh.« An das freche Biest? Kathy würde ein ernstes Wörtchen mit ihrem Köter führen müssen, aber für den Augenblick nahm sie ihn in Schutz. »Wissen Sie ganz genau, dass das meiner war? Golden Retriever gibt es wie Sand am Meer, darum ja auch ihre Farbe.«

    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

    »Wollen Sie mir unterstellen, mich nicht um meinen Hund kümmern zu können?« Kathy wurde es zu bunt. Sicherlich würde sie es morgen bereuen, gerade war es ihr gleich. Mit einem Murren schob sie sich an ihrer Nachbarin vorbei, alle guten Vorsätze vergessend. Sie achtete nicht auf die Worte, die ihr durch die Haustür folgen wollten; nicht auf die Schritte, die man kurz nach ihr auf der Treppe hören konnte; und nicht auf den Nachbarn, der die Nase nonchalant aus der Wohnungstür schob, um mitzubekommen, was vorgefallen war.

    Das Einzige, das sie wahrnahm, war, dass ihre Wohnungstür laut hinter ihr ins Schloss fiel. Tomaso, der sie hatte begrüßen wollen, blieb angewurzelt in der Wohnzimmertür stehen, ehe er zurückrannte. Sie folgte ihm auf schnellem Fuße. »Tomaso!«, schrie sie das Haus zusammen. »Die Pudeldame von dieser Zicke?«

    Der Hund drückte sich hinter das Sofa und sah sie unverkennbar unter dem Möbelstück hinweg an.

    »Nimm deine menschliche Gestalt an, du verdammter Köter! Ich habe echt einen beschissenen Tag hinter mir und dann muss ich mir das anhören?«

    ~*~

    Nikki stand auf der Feuertreppe und drückte sich neben dem Fenster an die Wand. Im Inneren konnte er Kathys Stimme hören, wie sie Tomaso anschrie. Irgendetwas wegen einer Pudeldame. Nikki achtete nicht auf die Worte. Es interessierte ihn nicht, was Tomaso schon wieder angestellt hatte, oder wie Kathy damit umzugehen gedachte. Er war nur hier, weil er nicht hatte alleine sein wollen.

    Er war froh, dass die Hauswand im absoluten Dunkel lag, obwohl das natürlich auch eine gewisse Gefahr barg. Für Kathy jedenfalls. Der Zugang zu ihrer Wohnung über die Feuertreppe war völlig ungeschützt und unbeobachtet. Im Grunde war es ein Wunder, dass noch kein Vampir oder eines der anderen Monster die Treppe hinaufgeklettert und durch das Fenster in ihre kleine Wohnung eingestiegen war. Andererseits brauchten viele davon nicht einmal eine Treppe, also waren Fenster so oder so unsicher.

    Für ihn war es allerdings etwas Gutes, dass kein Licht dorthin drang. Er konnte hier stehen, ohne dass jemand ihn sah. Ohne dass jemand ihn für einen Mörder, Vergewaltiger oder einen gruseligen Stalker hielt. Und ohne dass er seine Flügel verstecken musste.

    Er mochte das Gefühl, wenn der Wind in die Federn griff und sie durcheinanderwirbelte. Fliegen zu können war wirklich ein grandioser neuer Aspekt seines Lebens. Wenn man es denn noch als Leben bezeichnen konnte.

    Nikki runzelte die Stirn. Hatte ein untoter Engel ein Leben?

    Aber so oder so waren die Schwingen etwas, das er wirklich mochte. Die meiste Zeit jedenfalls. Und durch die Abwesenheit des Lichts konnte er einfach hier stehen und den Wind genießen, wenn es ihm schon verwehrt war, sein Leben wie ein normaler Mensch zu führen. Nicht, dass er das davor getan hätte, aber irgendwie war ja genau das der Punkt.

    Welcher Engel war schon untot? Und er hatte immer noch keine Ahnung, was genau das überhaupt bedeuten sollte.

    Als er das Gefühl hatte, dass Kathy wieder ein wenig zur Ruhe gekommen war, lehnte er sich zur Seite und spähte vorsichtig durch das Fenster ins Innere ihrer Wohnung. Er hätte nicht viel Licht gebraucht, um alles sehen zu können, doch die Beleuchtung machte es angenehmer.

    Kathy stand im Wohnzimmer neben dem Sofa, die Hände energisch in die Seiten gestützt, und starrte Tomaso an, der nun in seiner Menschengestalt auf dem Möbelstück saß und betreten den Blick gesenkt hatte, wie der streunende Köter, der er war. Mann, wer hätte ahnen können, dass Tomaso ein Gestaltwandler war? Nikki jedenfalls nicht. Trotz allem, was er sonst vermutet haben mochte. Aber sein Sänger ein Gestaltwandler? Also bitte. Auf den Gedanken war er nicht einmal gekommen, so lächerlich erschien es ihm noch immer.

    Tomaso schien etwas gesagt zu haben, denn mit einem Mal atmete Kathy tief ein und machte ihrem Ärger erneut Luft. Nikki, dem es hier draußen langsam zu blöd wurde, nutzte die Gelegenheit, um ihr Fenster aufzuschieben und mit angelegten Flügeln auf das Fensterbrett zu schlüpfen. Er wollte gerade in den Raum springen, als Tomaso ruckartig den Kopf umwandte und ihn ansah, die Augen aufmerksam wie ein Wachhund.

    Kathy fuhr herum und ihre Hand flog an ihren Gürtel, doch offenbar hatte sie bereits alle Waffen abgelegt, denn sie griff ins Leere und ehe sie diese Tatsache ändern konnte, schien sie zu realisieren, wer da auf ihrer Fensterbank hockte.

    »Nikki?!« Einige Sekunden starrte sie ihn an. »Was in aller Welt machst du hier?«

    Nikki schenkte ihr ein Grinsen. »Vorsicht mit den Anmaßungen, Kleines.«

    »Kleines!« Sie schnaubte. »Wenn ich wollte, könnte ich dich fertigmachen!«

    »Das denke ich nicht.« Er sprang von der Fensterbank, streckte sich ein Stück und schüttelte die Flügel aus. Natürlich waren sie zwar mit seinem Körper verbunden, besaßen an dieser Stelle aber keine feste Form, so dass sie sich an jedes Kleidungsstück anpassten und den Stoff nicht kaputt rissen, wenn sie erschienen. Leider passten sie sich aber nicht an die Umgebung an.

    »Nikki, pass doch auf mit –«

    »Ja, mit deinen Flügeln, du Tölpel!«, unterbrach Tomaso knurrend.

    Nikki zuckte instinktiv zusammen und zog die Flügel wieder eng an den Rücken. Nicht, weil Tomaso geknurrt hatte, sondern weil er jedes Mal empfindlich reagierte, wenn man ihn wegen der Schwingen schalt. Das war Unsinn, aber so war es.

    Noch einmal streckte er sie wenige Zentimeter, schüttelte sie und im nächsten Augenblick lösten sie sich langsam auf. Zu beiden Seiten segelten vereinzelte schwarze Federn zu Boden.

    Kathy seufzte genervt. »Räumst du deine Federn auch wieder weg?«

    »Du weißt, dass ich nichts dafür kann. Das passiert einfach, ich weiß nicht warum.« Mit dem Fuß kehrte er die Überbleibsel seiner Schwingen zusammen und schob alles in eine Ecke.

    Die Hausherrin bedachte das Ganze mit einem entgeisterten Blick. Dann schüttelte sie den Kopf, sammelte sich anscheinend innerlich und sah ihn wieder an. »Also, was machst du hier? Ich habe genug mit dem Köter zu tun.«

    »Ich hatte nichts zu tun.«

    ~*~

    Kathy verengte die Augen. Hatte er seine Worte absichtlich so gewählt? Bei Nikki gab es immer das Problem, dass man nicht wusste, wann er einen reizen wollte und wann er nur wieder fertig mit den Nerven war.

    Und eben weil sie das nicht wusste, riss sie sich so gut wie möglich am Riemen. »Das ist schade«, versuchte sie diplomatisch eine Lösung anzugehen. Sie war müde und erschöpft, wollte nur noch etwas essen, duschen und danach ins Bett fallen. Aber sie konnte ihren Freund genauso wenig im Stich lassen, wenn dieser wieder einen seiner Momente hatte. Immerhin waren die daran schuld, dass er nun als untoter Engel Federn in ihrem Wohnzimmer verteilte. »Wieso suchst du dir dann keine Aufgabe?«

    »Und welche?« Nikki ließ sich auf das Sofa fallen, eine trotzige Miene aufgelegt. Aber seine eingezogenen Schultern sprachen von einem anderen Herzen, das in seiner Brust schlug. »Soll ich Musik machen? Das ist mein Job. Soll ich lernen, wie man kocht? Das ist, glaube ich, keine gute Idee. Freunde habe ich, doch die schicken mich alle immer weg. Und eine Frau finde ich mit dieser Sache auch nicht, sodass ich keine Familie gründen kann.«

    Tomaso schnaubte. »Also wirklich, Nikki«, presste er hervor, »als wären das Lösungen. Musik machst du schon lange nicht mehr. Zumindest keine gute. Kinder sind kein Ersatz für ein Hobby und nicht dafür verantwortlich, deine Laune oben zu halten. Kochen ist wirklich eine beschissene Idee und deine Freunde schicken dich weg, weil du nur ankommst, wenn du etwas brauchst.«

    Kathy lief es kalt den Rücken runter. Nicht nur wegen der Worte, sondern auch wegen des Tonfalls. Eilig sprang sie dazwischen. Tomaso mochte mit vollem Ernst gesprochen haben, aber das hieß nicht, dass man es so im Raum stehen lassen musste. »Kochen kann ich dir beibringen. Und die Fans mögen die Musik, Tomaso. Aber Nikki braucht Hilfe und dafür sind Freunde da.«

    »Sind sie?«

    Kathy nickte. Als Tomaso mit den Augen rollte, spürte sie erneut die Wut in sich aufkeimen. »Jetzt pass mal auf«, motzte sie, »ich habe dich hier aufgenommen, nachdem du in der WG mit deinen Bandkollegen nicht mehr bleiben konntest. Und ich kümmere mich weiterhin um dich, auch wenn du Jeanies Herz gebrochen hast und mir jede Menge Ärger bereitest.«

    Bei der Erwähnung von Jeanie wurden Tomasos braune Augen noch größer und trauriger und wäre er jetzt in seiner Hundegestalt, hätte er sicherlich niedergeschlagen mit dem Schwanz gewackelt. Tomaso war ein Hund. Ein Hund mit Wandlervorfahren, der darum die menschliche Gestalt beherrschte und ein geteiltes Herz besaß. Ein geteiltes Herz, das er an Kathys beste Freundin Jeanie verloren hatte. Alles hätte perfekt sein können, hätte der Köter sich beherrschen können.

    »Ich bereite keinen Ärger«, fiepte er.

    »Du warst ein ganz böser Junge«, schnauzte Kathy. »Es tut mir im Herzen weh, dass du als Straßenhund in einem Karton geboren worden bist, und es tut mir auch leid, dass du bis heute weder deine Mama noch deine Geschwister wiedergefunden hast. Dennoch bist du der untreueste Golden Retriever, den ich je gesehen habe!«

    Tomaso senkte den Blick und nickte betreten.

    Kathy seufzte. »Trotzdem habe ich dich sehr lieb und helfe dir, ok? Und Nikki hat Probleme und braucht Freunde und die sind nicht von ihm genervt, verstanden?« Sie sah den Engel an, der ebenfalls den Blick betrübt zu Boden gerichtet hatte. Ach du meine Güte … »Jetzt vertragt euch, ich mache eine Kleinigkeit zu essen.«

    »Gibt es Steak?«, wollte Tomaso augenblicklich hoffnungsfroh wissen.

    Kathy schüttelte den Kopf. »Es gibt Kartoffeln mit Quark und ein paar Chicken Nuggets. Mehr ist nicht im Kühlschrank. Ich muss morgen einkaufen gehen.«

    »Wir könnten auch südländisch bestellen«, meinte Nikki und blickte sie mit großen Augen an. »Ich bezahle auch, versprochen!« Obwohl es den Musikern nicht an Geld mangelte, bezahlte Tomaso keine Miete, sondern häufte alles wie ein verdammter Drache an. Dass sie damals einen Wettbewerb in der Band daraus gemacht hatten, wer am meisten Geld verprassen konnte, war ihm wohl eine Lehre gewesen. Und Kathy wurde zwar gut bezahlt, dennoch war ihre finanzielle Situation alles andere

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