Der Ritter unterm Mistelzweig
Von Tatiana March
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Schwarze Locken, die Augen blitzend im goldenen Kerzenschein der geschmückten Halle: Ritter Olaf Stenholm begehrt die schöne Schottin Brenna Kilgarren! Dass er durch die Hochzeit ein unabhängiger Mann wäre, macht sie noch verführerischer. Aber wie erobert man eine Schwertmaid?
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Der Ritter unterm Mistelzweig - Tatiana March
IMPRESSUM
Der Ritter unterm Mistelzweig erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2013 by Tatiana March
Originaltitel: „Surrender To The Knight"
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL WEIHNACHTEN
Band 10 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Claudia Heuer
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A. Tatiana Liubimova/Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733739393
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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1. KAPITEL
Schottland, 1541
Es war November und Herbststürme heulten über die Highlands. Sie hatten den ersten Schnee mitgebracht, Flocken wirbelten durch die Luft. Olaf Stenholm blinzelte und versuchte, im Schneegestöber die Augen offen zu halten. Das war gar nicht so einfach, denn es verfingen sich immer wieder eiskalte Flocken im Visier seines Helms. Der große kastanienbraune Hengst, auf dem er saß, wieherte erschöpft. Er nannte ihn Thor und das Pferd war eigentlich für das Schlachtfeld ausgebildet, doch jetzt hingen an seinen beiden Flanken große Säcke herab. Ihn als Packpferd für einen Reiter mitsamt dessen eiserner Rüstung sowie sämtlicher Habseligkeiten zu missbrauchen, glich einer Beleidigung für das edle Tier.
Ebenso stellte der lange Ritt nach Nordwesten eine Beleidigung für jeden Ritter dar. Olaf versuchte, die Finger in seinen Lederhandschuhen zu bewegen, damit seine Hände nicht taub vor Kälte wurden. Sein ganzes Leben kam ihm wie eine unendliche Kette von Erniedrigungen vor. Zuerst war er aus Stenholm Castle geworfen worden, weil er das Recht seines älteren Bruders auf das Erbe des Titels angezweifelt hatte. Dann, nachdem sein Bruder verstorben war, hatte er sein Anrecht auf den Besitz auch noch an dessen Witwe verloren. Schließlich hatte ihm König James eine Braut angeboten, die ihren eigenen Besitz mit in die Ehe brachte.
Eine Frau mit Landbesitz.
Olaf schnaubte verächtlich, das Geräusch klang hohl in seinem Helm. Es war schön und gut, dass Kilgarren sich von der Küste meilenweit ins Landesinnere erstreckte, aber dabei handelte es sich um nichts weiter als endloses Ödland. Und von der dazugehörigen Braut, Brenna Kilgarren, wurde gemunkelt, dass sie an die Ländereien gelangt war, indem sie ihren einzigen Bruder vergiftete. Den geflüsterten Anschuldigungen zufolge wollte sie ganz allein über diese gottverlassene Wildnis herrschen und hatte geschworen, jeden Mann umzubringen, der versuchte, sie unter seine Kontrolle zu bekommen. Doch König James war daran gelegen, die Küste gegen eventuelle Angriffe von der Seeseite zu sichern.
Eine solche Aufgabe hätte der König niemals einer Frau anvertraut.
In einiger Entfernung tauchte der schemenhafte Umriss eines zinnenbewehrten Turmes im Schneetreiben auf. Das einsame Gebäude war der einzige Orientierungspunkt in dieser endlosen Weite aus sanft gewellten Hügeln, die mit hartem Gras bewachsen waren. Olaf beeilte sich weiterzukommen und verdrängte alle weiteren Überlegungen. Das Einzige, was er jetzt wollte, waren ein prasselndes Feuer und ein Krug mit heißem Whisky.
Als er näherkam, sah er einige Erdhügel, die aussahen wie Unterstände, in denen Menschen und Vieh während der Wintermonate Schutz suchen konnten. Als er sich noch weiter näherte, hörte er auch noch Stoff im Wind flattern. Im Schutz der einfachen Burg waren zwei Zelte aufgestellt, deren Bahnen vom Wind bis zum Zerreißen gespannt wurden. Von ihren Spitzen wehten Banner in leuchtenden Farben und bildeten damit einen starken Kontrast zum bleigrauen Himmel.
Seine Konkurrenz.
Um Brenna Kilgarrens Widerstand zu brechen, hatte der König ihr gleich drei Heiratskandidaten geschickt, zwischen denen sie wählen sollte. Vor einem der Zelte standen zwei Krieger, die Wache hielten und sich dabei auf ihre Lanzen stützten. Keiner der beiden trug eine eiserne Rüstung, aber ihre Lederwämse waren neu, und die Pferde, die hinter ihnen auf der reifüberzogenen Wiese grasten, sahen stark und gesund aus.
Olaf seufzte bedauernd. Mit solchem Wohlstand konnte er nicht mithalten.
Ehe er sich auf den langen Weg gemacht hatte, hatte er jeglichen Besitz verkaufen müssen, den er sich in vielen Jahren als fahrender Ritter verdient hatte. Er hatte den Jungen entlassen, den er aus Livland, der baltischen Provinz, mitgebracht hatte, und ihm sein Fuhrwerk und das Zugpferd überlassen. Jetzt wünschte er sich, dass er alles behalten hätte: Güter, Wagen und Dienstboten. Nicht nur, um mit seiner Konkurrenz mithalten zu können, sondern auch, damit er nicht auf jeglichen Komfort verzichten musste, falls die Lady wirklich ihn als ihren Gemahl auswählen sollte.
„Keinen Schritt weiter!"
Der plötzliche Ausruf hätte fast dafür gesorgt, dass Olaf vor Schreck aus dem Sattel gerutscht wäre. Er sah sich um, mit scharfen Augen musterte er die Umgebung und erblickte karges Moorland im schwächer werdenden Licht des Nachmittags. Links von ihm stand eine zerlumpte Gestalt, die mit beiden Füßen fest auf der dünnen Schneedecke stand und mit beiden Händen, die in Lederhandschuhen steckten, ein Langschwert vor sich in die Höhe streckte.
Mit der Klinge beschrieb er einen Bogen in der kalten Luft. „Runter da! Stellt Euch!"
Verwundert sah Olaf den Herausforderer an. Er trug keine Rüstung, nur ein uraltes Kettenhemd, das ganz offensichtlich für jemanden gemacht war, der viel größer war als er. Alles, was er trug war ihm zu groß, sein Helm saß wie ein umgedrehter Eimer auf seinen Schultern und der Saum des Kettenhemds reichte ihm bis zum Knie und als er das Schwert schwang, pflügte er damit beinahe den Boden. Oder vielmehr sie. Olaf saß seufzend ab. Offensichtlich wollte seine zukünftige Braut keine Zeit verlieren, ehe sie ihn tötete. Er fragte sich flüchtig, wie es wohl seinen Rivalen ergangen war und ob sie denen wohl die gleiche Begrüßung hatte zuteilwerden lassen. Doch er schob den Gedanken beiseite, zog sein Schwert aus der Scheide und wandte sich seiner Gegnerin zu.
Die Lady hob ihre Waffe mit beiden Händen hoch und versuchte einen tiefen Stoß. Olaf grinste hinter dem Visier seines Helms. Gar nicht schlecht. Sie hatte Köpfchen. Seine Knie waren sein Schwachpunkt, weil er für die lange Reise auf Teile seiner Rüstung verzichtet hatte und nur die größeren Stücke angelegt hatte. Auch das allein war während seiner Reise schon nicht sehr bequem gewesen, aber ohne Packpferd war der einfachste Weg, seine Rüstung zu transportieren, indem man sie am Körper trug.
Er wehrte den Angriff mit Leichtigkeit ab. Mit kurzen Schwüngen seines Schwerts zwang er die Kämpferin zum Rückzug und testete dabei ihr Können und ihre Stärke. Für eine Frau kämpfte sie gut. Mit der langen Klinge war sie nicht gerade schnell und die riesigen Stiefel hielten ihre Füße am Boden fest wie zwei Anker. Während sie auswich und herumwirbelte, schmiegte sich das Kettenhemd eng um ihren Körper, sodass man ihre schlanke Statur und ihre weiblichen Rundungen erkennen konnte.
In Olaf stieg eine Hitze auf, die nichts mit den Anstrengungen des Kampfes zu tun hatte. Er musste jeden Schlag vorsichtig setzen, um sicherzugehen, dass er sie nicht verletzte, aber er konnte sich dennoch an keinen anderen Kampf erinnern, der so aufregend für ihn gewesen war. Mit jedem Schwung seiner Waffe hellte sich seine düstere Stimmung ein wenig auf.
Er suchte sich einen Platz aus, an dem ein weicher Erdhügel ihren Fall bremsen würde, ehe er seine Gegnerin zum Zurückweichen zwang, bis sie schließlich über die Grasnarbe stolperte und mit lautem Scheppern und Klirren des Kettenhemds auf dem Hinterteil landete. Er drückte die Spitze seines Schwerts am unteren Rand des Helms gegen ihre Kehle. „Keine Bewegung", warnte er sie.
Er konnte durch die beiden Schlitze in ihrem Visier sehen, dass sie die Augen aufriss, aber das Tageslicht war zu schwach, als dass er die Farbe hätte erkennen können. Sie waren seltsam dunkel. Seine Augen wiederum waren hellgrün wie die ersten Blätter des Frühlings.