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DSA 119: Isenborn 1 - Stein: Das Schwarze Auge Roman Nr. 119
DSA 119: Isenborn 1 - Stein: Das Schwarze Auge Roman Nr. 119
DSA 119: Isenborn 1 - Stein: Das Schwarze Auge Roman Nr. 119
eBook360 Seiten5 Stunden

DSA 119: Isenborn 1 - Stein: Das Schwarze Auge Roman Nr. 119

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Über dieses E-Book

Dämonische Horden haben die Truppen Tobriens überrannt. Auch die Isenborns, Reichsjunker mit einem Gut tief in den Bergen der Schwarzen Sichel, müssen sich entscheiden, ob sie weiterhin dem Kaiserhaus die Treue halten oder das Knie vor dem dunklen Herzog beugen, denn marodierende Goblinbanden bedrohen ihre Ländereien. Soll Olorande vom Isenhorn ihrer Tochter Fiana, einer jungen Ritterin voller Ideale und Schwärmerei für die Sache Herzog Bernfrieds, Gehör schenken? Order ist es weiser, den Argumenten des Schwarzen Ritters Rorban zu folgen, der Unterwerfung fordert? Die Entscheidung wird ihr abgenommen, als ihr Hofmagus Cyron den Versuchungen dunklen Wissens erliegt ...
SpracheDeutsch
HerausgeberUlisses Spiele
Erscheinungsdatum21. Juni 2012
ISBN9783868898057
DSA 119: Isenborn 1 - Stein: Das Schwarze Auge Roman Nr. 119

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    Buchvorschau

    DSA 119 - Bernard Craw

    Biografie

    Bernard Craw wurde 1972 in Bramsche geboren. Er ist katholisch, ledig und arbeitet hauptberuflich als Projektleiter in einem internationalen Konzern. Nach einigen Jahren in Münster und Sindelfingen wohnt er seit 2000 in seiner Wahlheimat Köln.

    Craw schreibt vor allem fantastische Literatur. Mit dem Rollenspiel Das Schwarze Auge kam er 1985 in Kontakt, und die geselligen Abende vor Dokumenten der Stärke und Plänen des Schicksals avancierten rasch zur dominierenden Freizeitbeschäftigung. Vor dem Isenborn-Zyklus veröffentlichte er die DSA-Romane Todesstille und Im Schatten der Dornrose.

    Wer sich über Craws literarische Aktivitäten informieren

    möchte, kann dies auf www.bernardcraw.net tun.

    Titel

    Bernard Craw

    Stein

    Isenborn-Zyklus Band 1

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band 11056PDF

    Titelbild: Alan Lathwell

    Aventurienkarte: Ralph Hlawatsch

    Umgebungskarte: Florian Stitz

    Lektorat: Werner Fuchs

    Buchgestaltung: Ralf Berszuck

    E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

    Copyright ©2012 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems.

    DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE sind eingetragene Marken.

    Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Buch-ISBN 978-3-89064-141-6

    E-Book-ISBN 978-3-86889-805-7

    Todeshauch und Ehrenschild

    Man hat mich gefragt: »Ist es wirklich angemessen, dass wir nun, wo der Feind so große Teile unserer Heimat besetzt hält, wo so viele unserer Landsleute unsägliches Leid erdulden müssen, das Turnier der Drachensteine abhalten?«

    Und ich sage euch: »Heute haben wir mehr Grund dazu als jemals zuvor!«

    Bernfried von Ehrenstein j. H., Herzog von Tobrien

    ***

    Ebelried, Reichsmark Drachenstein, Tobrien.

    25. Tag im Traviamond, 1021 BF.

    Nicht denken!, ermahnte sich Fiana. Die Fanfaren, die bunten Banner, die Rufe des Herolds, die blitzenden Rüstungen – diese Dinge und die Ehre, die sie versprachen, hatten sie hierher gelockt, aber jetzt musste sie all das vergessen. Paradox, aber wahr: Nur, wenn sie die Gedanken davon lösen konnte, bestand die Möglichkeit, dass sie den Preis der Siegerin erränge. Das jedenfalls hatte der Schwertvater ihr beigebracht, und sie hatte keinen Grund, an seiner Lehre zu zweifeln. Die Aufmerksamkeit auf den Gegner ziehen, hatte er das genannt. Lass deine Gedanken nicht entkommen, sonst verlierst du auch dein Ziel.

    Eigentlich hätte ihr das nicht schwerfallen sollen. Durch die Schlitze des heruntergeklappten Visiers war ihr Sichtfeld ohnehin stark eingeschränkt, sodass die meisten Ablenkungen ausgesperrt waren. Aber es waren immer noch zu viele. Neben der Bahn sah sie die Tribüne mit den bunten Bannern und den prächtig gekleideten Noblen, die vor Spannung die Luft anhielten. Nicht nur aus Tobrien, auch aus Weiden, aus dem Bornland, sogar aus Almada waren sie angereist, um bei diesem trutzigen Schauspiel zugegen zu sein.

    Schluss jetzt! Die halbe Strecke hatten die galoppierenden Rosse bereits zurückgelegt, und noch immer war Fianas Aufmerksamkeit nicht ganz bei ihrem Gegner. Die Angst vor der Niederlage trieb ihr den Schweiß aus den Poren.

    Unter ihr bebte Glendolon, ihr brauner Hengst. Kein Pferd, das speziell für das Tjosten ausgebildet worden wäre, aber ein treues Tier, das ihr anlässlich ihrer Schwertleite zum Geschenk gemacht worden war. »Noch schneller!«, zischte sie, obwohl ihr Puls bereits raste. Sie stellte sich in den Steigbügeln auf und lehnte ihr Gewicht nach vorn. Die Lanze verrutschte und wäre wohl ganz abgeglitten, hätte ihr Schild nicht eine Einkerbung gehabt, die eben dies verhinderte. Sie presste die Zähne aufeinander und drückte den Schaft fester gegen ihren gepanzerten Brustkorb. Ruhig weiteratmen, ermahnte sie sich. Der Atem muss fließen.

    Ihr Gegner trug eine mattgraue Rüstung, die das Licht schluckte wie eine Regenwolke. Seine Lanze schien ruhiger zu liegen als die ihre, sein Pferd drückte sich im Galopp dicht an den Boden. Sie musste tiefer zielen.

    ›Zielen‹. Das war gar nicht so leicht. Die Pferde hoben und senkten sich im Rhythmus der donnernden Hufe, der Boden war uneben, weil er von den vorherigen Durchgängen zerstampft war, die Erschütterungen ließen die Lanze zittern. Ein halber Spann auf oder nieder am hinteren Ende, wo Fiana sie fest gepackt hielt, machte einen Schritt an der bronzen glänzenden Spitze aus.

    Dann war der Moment gekommen. Es war tatsächlich so, wie ihr Schwertvater gesagt hatte: Der Augenblick zog sich endlos, hinein in die Ewigkeit. Selten hatte sich Fiana so wach und so lebendig gefühlt. Sie nahm alle Einzelheiten wahr: den Sand, der von den Hufen aufgewirbelt wurde, das Schnauben ihres Pferdes, den schmalen, dunklen Sehschlitz im Helm ihres Gegners, das Holz ihrer Waffe. Eine gelöste Heiterkeit durchströmte sie. Nichts war mehr wichtig. Nichts außer diesem einen Moment. Sie war glücklich, weil sie jetzt in diesen Steigbügeln stand, das treue Ross unter sich, vor sich einen Ritter, mit dem sie sich ehrenhaft messen durfte.

    Den Aufprall spürte sie zuerst am rechten Arm, als ihre eigene Lanze den Schild des Gegners traf, sofort darauf im gesamten Oberkörper, als auch dieser sein Ziel fand. Der Schaft brach mit einem Krachen, als wollte die ganze Welt zersplittern. Sie sah die graue Rüstung nach hinten kippen und spürte, wie sie in den Sattel zurückgestoßen wurde.

    Sie ließ Glendolon auslaufen, froh darüber, dass sie ihr Gleichgewicht rasch wiedergefunden hatte. Mit einer Spur Bedauern betrachtete sie den Lanzenschaft, der nach zwei Schritt in einem ausgefransten Bruch auslief, und warf ihn fort. Eine weniger, und ich habe nur drei.

    Die Menge machte ihrer aufgestauten Spannung Luft. Auf der Tribüne wurde applaudiert, gegenüber, auf der anderen Seite der Bahn, wo sich das Volk drängte, wurde lautstark gerufen. Hitzig besprach man das Gesehene. Seltsam, dachte Fiana, wenn man zuschaut, erscheint einem eine Tjoste einfach und klar, doch wenn man selbst in der Rüstung steckt, dann weiß man kaum, was passiert ist.

    Probeweise tat sie einige tiefe Atemzüge. Keine Schmerzen, nur ein leicht taubes Gefühl in der linken Seite.

    Sie erreichte das Ende der Bahn und wendete. Auf halber Strecke begegnete ihr der gegnerische Ritter, auch er hatte sich also im Sattel halten können. Immerhin hatte sein Schild mit dem weißen Adler vor geteiltem Feld eine gehörige Delle abbekommen, wie Fiana mit zufriedenem Lächeln feststellte. Das war die abgebrochene Lanzenspitze wert, die von den eifrigen Pagen bereits geborgen wurde. Sie schob das Visier hoch. Das konnte der andere Ritter nicht. Er trug eine Turnierrüstung, deren Helm nur einen schmalen Sichtschlitz offen ließ und an dem man nur eine winzige Luke auf Kinnhöhe aufklappen konnte, die seitlich ein wenig Luft hereinließ. Sein Panzer war im Ganzen weniger beweglich als Fianas und hatte eine angeschmiedete Gabel, die einen Teil des Gewichtes seiner Lanze tragen konnte. Für ein kriegerisches Gefecht, das Überblick erforderte und in dem man auch ein Schwert schwingen musste, war eine solche Rüstung nicht geeignet, aber in einer Tjoste, wo man dem Gegner offen entgegenpreschte, brachte sie einen Vorteil. Zudem konnte der Ritter mit seiner Helmzier Eindruck schinden, einem weiß strahlenden Adler, der seine Schwingen weit zur Seite reckte. Das Wappen der Familie von der Klamm. Den Rufnamen des Ritters hatte Fiana vergessen, sie konnte sich so etwas nur schwer merken. Sie wäre eine lausige Heroldin gewesen.

    Zum rondrianischen Gruß schlug sich Fiana die gepanzerte Faust vor die Brust. Ihr Gegner tat es ihr gleich. Stolz erfüllte sie ob dieser Anerkennung. Immerhin war es ihr erstes Turnier.

    Sie erreichte ihre Seite der Bahn, wo der Mietknappe sie bereits erwartete. Ein junger Bursche namens Ottgam, Novize eines Rondra-Tempels in einer Stadt irgendwo westlich der Schwarzen Sichel und sehr eifrig. Er hatte bereits die nächste Lanze aus dem Ständer geholt und hielt sie ihr entgegen. Die Farben der Isenborns, Blau, Schwarz und Silber, ringelten sich an ihr entlang, das Silber natürlich durch weiße Farbe repräsentiert. Die Spitze wurde von einem stilisierten Eiskristall aus Bronze gekrönt. Sie war breit und stumpf gefertigt, wie bei Turnierwaffen üblich, schließlich wollte man den Gegner aus dem Sattel stoßen, nicht durchbohren.

    »Das war sehr gut, Herrin!«, rief Ottgam herauf und tätschelte beiläufig Glendolons schweißnassen Hals. »Er hat gewankt! Beim nächsten Durchgang muss er fallen! Er weiß es, das sieht man ihm an!«

    »Wollen wir es hoffen!«, entgegnete Fiana, klappte ihr Visier herunter und nahm die Waffe in ihre gepanzerte Faust. Sie lenkte das Ross zur Startlinie und stellte das Ende der Lanze auf dem Spann ihres rechten Fußes ab, während sie auf die Fanfare wartete. Kraft sparen.

    Sie gönnte sich einen Blick auf das prächtig hergerichtete Turnierfeld. Ganz Ebelried atmete den Stolz der Ritterschaft. Vor der Fürstenloge hing das blaue Banner mit dem weißen, doppelköpfigen Wolf Tobriens. Herzog Bernfried sprach angeregt mit einem seiner Edlen, Asquirion von Perainefurten, wenn sie recht sah. Ihr Herzschlag, wegen der Aufregung des Kampfes ohnehin schon beschleunigt, ging noch ein wenig schneller. Der Herzog sah so gut aus! Die blutigen Monde des Feldzugs des niederhöllischen Magiers Borbarad hatten von ihm nicht nur die Hauptstadt seines Lehens gefordert, sondern auch das Leben seines Vaters, seines Bruders und zuletzt seiner Frau. Ein Pfeil aus verfluchtem Eis war ihr durch das Herz gedrungen, erzählte man sich. Das Leid hatte sich in Bernfrieds Gesicht gegraben und dabei eine Entschlossenheit in seine Züge gemeißelt, die niemandem einen Zweifel daran lassen konnte, dass dieser Mann sein Tobrien von der Dämonenbrut säubern oder bei dem Versuch sterben würde. Das machte ihn zum Schwarm aller jungen Edelfrauen. Fiana war keine Ausnahme. Sie spürte die Hitze in ihr Gesicht steigen, als sie sich bei Gedanken ertappte, die ihrer Position nicht angemessen waren und auch den nötigen Respekt vor der Trauer des Herzogs vermissen ließen. Sie war froh, als die Posaune zum nächsten Durchgang aufforderte, und fasste den Schild fester.

    Wieder preschten die Kontrahenten aufeinander los. In einer Tjoste gab es, anders als bei einem Schwertkampf, keine Gelegenheit zur Parade. Allein vom Geschick des Gegners hing es ab, ob eine Lanze ihr Ziel fand. Die Deckung mit dem Schild konnte die Wucht ein wenig ablenken, aber ein Ausweichen war unmöglich. Es galt, sich der Gewalt eines Angriffs zu stellen, hinter dem nicht nur die Kraft des gegnerischen Ritters, sondern auch die Wucht eines wie wahnsinnig herangaloppierenden Rosses stand. Fiana fühlte Vorfreude darauf, wiederum ihren Mut und ihre Kraft zu beweisen, wie es wohl nur von einem echten Kampf auf Leben und Tod übertroffen werden konnte. Ihr Gewicht verlagerte sich nach vorne, als sie sich hoch in die Steigbügel stellte. Die Sonne blitzte auf der Bronzespitze, mit der sie auf die graue Rüstung zielte, die so ungeheuer rasch näher kam. Doch es gelang ihr nicht so gut wie im ersten Durchgang, sich auf das Treffen zu konzentrieren. Ihre eigene Waffe lenkte sie ab: Ich habe nur noch zwei Lanzen, dachte sie. Was geschieht, wenn diese auch noch bricht?

    Sie zögerte einen Wimpernschlag zu lange. Ihr Stoß saß zu weit rechts, er touchierte den zerbeulten Adlerschild kaum. Sie selbst wurde umso heftiger getroffen. Die gegnerische Lanze donnerte auf die eiserne Brust ihrer Rüstung. Anscheinend war von der Klamm selbst überrascht von diesem Erfolg, sodass er im entscheidenden Augenblick nicht genug Kraft hinter seine Waffe brachte. Dennoch fühlte sich Fiana, als habe man sie mit einem Katapult gegen eine Festungsmauer geschleudert. Für einen schrecklichen Moment verharrte sie an Ort und Stelle, während Glendolon unter ihr weiter galoppierte. Ihre Schenkel verloren beinahe den Kontakt zum Sattel.

    Dann brach die gegnerische Lanze, und sie fiel zurück. Sicher gab sie keinen sehr rühmlichen Anblick ab, als sie hin und her rutschen musste, um wieder sicheren Halt zu gewinnen.

    Ihr Brustkorb schmerzte. Trotzdem zwang sie sich, tief einzuatmen. Sie stieß gegen das Eisen ihrer Rüstung, die eine deutliche Delle davongetragen haben musste. Sie hustete. Erst an der Wende hörte sie den Jubel der Menge. Zu ihrer Verwunderung sah sie beinahe ebenso viele Menschen, die zu ihr blickten und sie anspornten, wie solche, deren Aufmerksamkeit von der Klamm galt. Augenscheinlich konnte Mut selbst dann beeindrucken, wenn er nicht von Erfolg gekrönt war. Wobei sie stolz feststellte, dass sie ihre Lanze noch in der Faust hielt. Übermütig gab sie Glendolon die Sporen und ließ ihn zu ihrem Knappen zurückgaloppieren. Auf der Mitte der Bahn lag eine blaue Straußenfeder im Sand, die nur von ihrem Helm stammen konnte und sich wohl bei dem Treffer gelöst hatte. Demnach war sie jetzt nur noch schwarz und weiß geschmückt. Alles oder nichts, dachte sie grimmig. Der nächste Durchgang wird entscheiden.

    Bernfried war noch immer in ein angeregtes Gespräch eingebunden. Inzwischen war ein halbes Dutzend Edle um ihn versammelt, in der Loge wurde es eng. Einer der Männer trug eine verstaubte Rüstung. Ein Bote vielleicht? Sicher ging man nicht so zu einem Turnier. Hatte es weitere Vorfälle gegeben? Ebelried war zu einer Frontstadt geworden, und die Borbaradianer hatten offensichtlich Wind von dem Turnier bekommen. Den Vormittag über war es immer wieder zu Ärgernissen gekommen. Das Führungsseil einer Tizam-Fähre war gekappt worden, die Schafherde eines Bauern lag in ihrem Blut. Der Feind missgönnte den Rittern das Drachenstein-Turnier, dieses Zeichen ihres Stolzes. Während des Bogenschieß-Wettbewerbs hatte gar einer der Schützen den Verstand verloren und drei Zuschauer verletzt, bevor man ihn hatte überwältigen können. Vielleicht hatte das am Wein gelegen, aber daran glaubte kaum jemand.

    Worum es sich bei der Nachricht auch handeln mochte – Fiana hatte das nicht zu kümmern. Seine Gnaden Asquirion hatte bei der Eröffnung des Turniers klargemacht, dass Mut und Ehre Tobriens und der freien Reiche sich niemals beugen würden. Mochten auch sabbernde Unholde das Wasser der Tobimora saufen – wollten sie das Turnier unterbinden, mussten sie schon herkommen, und dann würde man herausfinden, wer die Sonne noch einmal aufgehen sähe! Wozu wäre Freiheit nütze gewesen, wenn man sie nicht genutzt hätte? Es wäre ein Sieg für Borbarad gewesen, hätte er erreicht, dass das freie Tobrien sich verkröche. Es war ihre Pflicht als Ritterin, dies zu verhindern!

    Grimmig lenkte sie Glendolon an die Schranke und wartete auf die Posaune. Als sie kam, stieß sie mit den Sporen so heftig zu, dass das Pferd einen weiten Sprung nach vorn machte.

    Diesmal gelang ihr die Konzentration besser als je zuvor. Sie bemerkte kaum, wie sich ihre Knie durchdrückten, sodass sie sich in die Steigbügel stellte. Die Geräusche der an ihrem Helm vorbeiströmenden Luft und der stampfenden Hufe schienen ihr fern, als wären ihre Ohren dick umwickelt. Es war seltsam einfach, die Lanze ruhig zu halten, beinahe, als handelte es sich um einen Teil ihres Körpers, eine weitere Gliedmaße, die sie bis in die Spitze hinein willentlich kontrollieren konnte.

    Auch von der Klamm hatte einen guten Durchgang. Sein Ross spuckte Flocken, war unglaublich schnell und galoppierte beinahe ohne Schwankung. Der gepanzerte Körper strahlte Ruhe und Kraft aus. Der weiße Adler auf seinem Helm strahlte. Was für ein prachtvoller Anblick!

    Der Stolz füllte Fianas Brust, bis sie gegen die Delle in ihrer Rüstung stieß. Konnte es etwas Besseres geben, als sich in einem Kampf um die Ehre zu messen? Sie sehnte den Moment des Zusammenstoßes herbei, lehnte sich noch weiter vor, riskierte, vornüberzukippen, und liebte das Gefühl der Gefahr. »Komm her!«, hörte sie sich schreien. »Zeig mir, wie hart du bist!« Sie liebte ihren Gegner dafür, dass er ihr dieses Kräftemessen ermöglichte. Das Leben war schön!

    Fiana traf gut.

    Von der Klamm traf besser.

    Als hätten sie und ihre Rüstung kein Gewicht, wurde sie aus dem Sattel geschleudert, gleich einem Brotkrumen, den man vom Tisch schnippte. Für einen Augenblick lag sie schwerelos in der Luft, sah zum blauen Himmel auf. Ein Blinzeln später krachte sie auf den Rücken. Mit dem Aufprall kam auch der Schmerz. So musste sich ein Weizenkorn fühlen, das zwischen den Mühlsteinen zermalmt wurde. Sie blinzelte zweimal, bevor der Herzschlag wieder einsetzte, dröhnend wie ein Gong. Noch etwas länger dauerte es, die Lunge davon zu überzeugen, dass Luftholen eine wirklich gute Idee war.

    Stöhnend, aber stolz drehte sie sich auf die Seite und drückte sich hoch. »Was für ein göttlicher Spaß«, murmelte sie, als sie in einen schwankenden Stand fand.

    Die Menge hatte ebenfalls die Luft angehalten, anders war die Stille nicht zu erklären. Als Fiana die Faust zum rondrianischen Gruß gegen ihr neu erwachtes Herz schlug, sprang sie der Jubel an wie ein Rammbock, der ein Tor aufsprengte.

    Fiana wandte sich um, suchte den Sieger. Von der Klamm saß aufrecht auf seinem Ross, das er vor die Ehrenloge gelenkt hatte. Er grüßte sie, und sie war froh, dass ihr Visier heruntergeklappt war, denn sie spürte die Tränen in ihren Augen. Ihr Körper weinte, denn einige Knochen fühlten sich noch immer an, als vibrierten sie im Fleisch, aber ihr Geist war so von Stolz erfüllt, dass für andere Empfindungen kein Platz war. Sogar der Herzog und seine Edlen hatten sich erhoben und applaudierten. Fiana verbeugte sich, um von der Klamm die Ehre zu erweisen.

    Bevor der Jubel abflaute, verließ sie die Bahn. Ottgam führte Glendolon am Zügel. »Wenn Ihr mir eine Meinung gestattet: Das war ein guter Kampf, Herrin.«

    Ihr Helm klapperte, als sie nickte. »Heute wurde Ehre aus dem Stahl geschlagen.«

    Ottgam richtete sich kerzengerade auf. Auch er war stolz, an diesem Ort dabeigewesen zu sein. Seiner Göttin, der entschlossenen Rondra, gingen Mut und Ehre über alles. Wo immer mit edler Gesinnung gefochten wurde, war sie zugegen. Manche behaupteten sogar, dass sie sich an Tagen wie diesem körperlich manifestierte, um, verhüllt mit einem dicken Mantel, der ihre göttliche Pracht vor niederen Augen verbarg, in der Menge zu stehen. Falls das zutraf, konnte sie jedenfalls nicht auf der Tribüne sitzen, denn der Adel dort trug seine prachtvollsten Gewänder zur Schau. Niemand auf diesen Rängen hatte Interesse an Unscheinbarkeit. Auch für die Schneider und Juweliere war dies ein Tag des Stolzes.

    Während Ottgam Glendolon anband und ihm einen Eimer Wasser hinstellte, ging Fiana schnurstracks in das Zelt, das man ihr für den Wettkampf zugewiesen hatte. Ein wenig schämte sie sich dafür, aber schon waren die ersten Sorgen in ihren Geist gekrochen. Man hörte von Rittern, die, berauscht vom Kampf, aufrecht vom Feld schritten, um kurz darauf einer unbemerkten Verletzung zu erliegen. Sie spürte Ermattung in den Gliedern und Schmerz in ihrer Brust. Nur ein paar Prellungen, oder war sie innerlich verwundet? Saugte sich das Wams unter dem Harnisch vielleicht gerade mit ihrem Blut voll? Ungeduldig wartete sie darauf, dass der Knappe kam, um ihre Rüstung zu lösen.

    Ottgam plapperte nicht. Sie selbst war als Knappin mehrfach zurechtgewiesen worden, weil sie nach einem aufregenden Erlebnis den Mund nicht hatte halten können. Für Ottgam dagegen schien es sich hier um einen heiligen Akt zu handeln, den man nicht mit unnützem Geschwätz entweihen sollte. Sie war ihm dankbar dafür.

    Die Delle in der Brustplatte war noch größer, als sie sich angefühlt hatte. Fiana pfiff anerkennend.

    Ihr Wams war nass, aber nicht von Blut, sondern von Schweiß. Sie befreite sich von den Panzerhandschuhen und betastete ihre Rippen. Das Brustbein und die rechte Schulter reagierten am stärksten, aber es war erträglich. »Ich wäre für einen weiteren Gang bereit«, murmelte sie.

    »Zweifellos, Herrin«, antwortete Ottgam, obwohl sie mehr zu sich selbst gesprochen hatte.

    Sie presste die Lippen zusammen und nickte. »Das steht nun von der Klamm zu.«

    »Ich glaube nicht, dass er den Endkampf erreichen wird. Schon fünf Kämpen haben ihre Gegner im ersten Gang aus dem Sattel gestoßen. Ihr habt ihm drei abgerungen.«

    Sie zuckte mit den Schultern und wurde mit einem Stechen in der rechten Seite dafür bestraft. »Schade. Ich hätte es ihm gegönnt.«

    »Der Turniermarschall müsste ihn nominieren, um die fehlenden Punkte auszugleichen.«

    »Das könnte geschehen. Man schien angetan von unserer Tjoste.«

    »O ja!«, rief Ottgam mit Begeisterung in der Stimme.

    Fiana löste ihr Haar, sodass die blonden Wellen über ihre Schultern fielen.

    Ein Ritter zog den Vorhang vor dem Eingang zurück. »Ich gratuliere Euch zu Eurem Ritt! Ihr habt einen feinen Stoß!« Hinter ihm lugte sein Knappe herein.

    »Ich danke Euch.« Fiana fühlte, wie sie über das ganze Gesicht strahlte. Gibt es etwas Besseres auf der Welt, als eine Ritterin zu sein, die von Ihresgleichen geehrt wird?

    »Darf ich fragen, wie lange Ihr das Zelt noch benötigt? Ich würde mich gern vorbereiten.«

    »Natürlich. Nur noch einen Moment.«

    Er nickte und zog den Vorhang wieder vor.

    »Hilf mir mit den Stiefeln«, wies sie Ottgam an. Als auch die Beine von der Panzerung befreit waren, schlüpfte sie in ihr ledernes Schuhwerk, prüfte, ob sie auch nichts vergessen hatten, schnallte das Schwertgehänge um und ging hinaus. Neben dem Eingang war ihr Wappenschild schon gegen den ihres Nachfolgers ausgetauscht worden, eine rote Lilie auf silbernem Grund. »Donmarken, nicht wahr?«, fragte sie.

    »Gelmar von Donmarken, ganz recht. Immer zu Euren Diensten.«

    »Fiana vom Isenborn.«

    »Ich weiß. Diesen Namen werde ich so schnell nicht vergessen.« Er küsste ihre Hand, eine Geste, die Fiana nicht gewohnt war, und verschwand im Zelt.

    »Bring den Brustpanzer zu einem Schmied, er soll ihn richten«, wies sie Ottgam an und sah auf den Vorhang, der noch ein wenig hin und her schwankte. »Wenn du dann Glendolon in den Stall gebracht hast, kannst du den Rest des Tages nach eigenem Gutdünken verwenden.«

    »Danke, Herrin.«

    Sie schlug ihm die Hand auf die Schulter, eine Geste, die sie sehr geschätzt hatte, als sie selbst Knappin gewesen war. Vor drei Monden also noch, dachte sie. Sie drückte aus, dass man die Kraft des Gegenübers ernst nahm. »Du hast mir heute gut gedient.«

    »Zu viel der Ehre, Herrin.« Seine Augen leuchteten.

    Fiana suchte von der Klamm, um ihm noch einmal mit Handschlag zu gratulieren, erfuhr jedoch, dass er sich zurückgezogen hatte, um seine Konzentration für die nächste Tjoste zu sammeln. Da sie ihn nicht stören wollte, stellte sie sich neben die Tribüne, um einige weitere Durchgänge zu beobachten. Die Atmosphäre an der Bahn war herrlich, aber ihr Platz bot keine gute Sicht, sie konnte den Ort des Zusammentreffens kaum in den Blick bekommen. Außerdem wurde es ihr eng in der Masse.

    Sie verließ den Turnierplatz und ging in das Dorf, das dieser Tage aus allen Nähten platzte. Die Grafenfeste Ebeldûrn erhob sich hinter den Häusern, zwischen denen sich verwinkelte Gassen zogen. Fianas Herberge lag am anderen Ende des Ortes. Sie hatte sich für eine preiswerte, doch saubere Unterkunft entschieden. Ihre Eltern waren aufgrund der heimatlichen Eisenmine reich und hätten ihr sicher auch eine großzügigere Reisebörse zugestanden, aber sie war zu stolz gewesen, darum zu bitten. Ein wenig hatte sie auf das Preisgeld gehofft, mit dem die Bestplatzierten belohnt wurden, aber für eine Anfängerin war das verwegen gewesen. Not litte sie auch so nicht. Was war schon einzuwenden gegen ein Lager aus einem Kartoffelsack, der mit duftendem Stroh gut gefüllt war?

    Auf dem Marktplatz stand ein Bauer am Pranger. Körbe mit faulem Obst waren vor ihm aufgestellt. »Wollt Ihr einen Wurf wagen, Frau Ritterin?«, rief der Büttel. Vor dem Bauern stand ein Schild aus verwachsenem Holz, auf das jemand mit Kohle geschrieben hatte: ›Ich habe Spionen Unterschlupf gewährt!‹

    Fiana wog eine angeschimmelte Rübe in ihrer Hand. Sicher, das einfache Volk besaß kaum etwas als seine Angst. Bauern fürchteten sich vor der Sonne, die den Boden ausdörrte, und dem Regen, der die Krume fort wusch. Gerade in diesen harten Zeiten waren Sorgen manchmal das Einzige, was sie im Munde führten. Aber ihr Vater hatte Fiana gelehrt, dass Weichherzigkeit nichts war, was einer Frau von Stand gebührte. Sie war geboren, um das Volk zu leiten, ihm Beispiel zu geben und auch zu züchtigen, wo es Not tat. Wer verlotterte, wurde schwach. Wer schwach war, wurde den finsteren Horden zur Beute. Wer in die Klauen der Dämonen geriet, der litt unvorstellbare Qualen, viel schlimmer, als einen Tag am Pranger zu stehen und den Spott zu ertragen. Dennoch wurde es nur ein schwacher Wurf, als Fiana die Rübe schleuderte, und im Stillen war sie froh, dass sie am Holz abprallte, statt das Gesicht zu treffen.

    Sind dies des Herzogs Sorgen?, fragte sie sich. Schwarze Späher in der Umgebung und feige Bauern, die sich nicht trauen, die Unterkunft in ihren Scheunen zu verwehren, wenn Blut von schartigen Klingen tropft?

    Je näher sie ihrer Herberge kam, umso mehr spürte sie ihre Knochen. Ihr strapazierter Körper lag im Widerstreit mit ihrem Geist, der vom Anblick der bunt geschmückten Stadt angeregt wurde. Wo immer ein Ritter Quartier genommen hatte, hing ein Banner aus dem Fenster eines Hauses. Auch das Gefolge trug heute den besten Staat. Da viele keinen Platz mehr auf dem Turnierfeld gefunden hatten, waren die Straßen voll. An allen Ecken wurde getrommelt und gesungen, buntes Herbstlaub wehte über das Pflaster. Mancher Zecher hatte sich nicht zurückhalten können und lag nun im Schatten einer Treppe. Trotz ihrer Erschöpfung fühlte sich Fiana über alle Maßen lebendig.

    Als sie sich der Stiefel entledigte, beschloss sie, zum Bader nebenan zu gehen und sich einen heißen Zuber zu gönnen. Zur Feier des Tages ließ sie Duftöl dazugeben. Nach dem Trockenreiben war sie so schläfrig, dass sie es gerade noch zu ihrem Lager schaffte. Gähnend registrierte sie, dass Ottgam sich mit der Rüstung beeilt hatte. Sie war schon wieder an ihrem Holzgestell befestigt. Die Nachmittagssonne glänzte auf den Abdrücken der Hammerschläge, mit denen der Schmied sie ausgebeult hatte.

    Mit dem letzten Gedanken vor dem Einschlafen entschied sie, dass es ihr gefiel, wenn ein galanter Ritter ihr die Hand küsste.

    ***

    Ebelried, Reichsmark Drachenstein, Tobrien.

    Nacht vom 25. auf den 26. Tag im Traviamond, 1021 BF.

    Fiana schrak hoch. Ich habe die Finalkämpfe verpasst, war ihr erster wacher Gedanke. Hinter dem offenen Fenster leuchtete die letzte Helligkeit des Abendhimmels wie ein spöttischer Gruß an die Schlafmütze, von der Straße drangen die Geräusche von Feiernden herein. Bedauernd rieb sie sich die Augen. Die rechte Schulter knackte protestierend. »Schluss mit der Faulheit!«, beschloss

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