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Die letzte Pille bringt den Tod: Ein Allgäu-Krimi
Die letzte Pille bringt den Tod: Ein Allgäu-Krimi
Die letzte Pille bringt den Tod: Ein Allgäu-Krimi
eBook232 Seiten3 Stunden

Die letzte Pille bringt den Tod: Ein Allgäu-Krimi

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Über dieses E-Book

Der Himmel ist blau, Blut ist rot – die Walli ermittelt, denn der Apotheker ist tot

Der Fischlinger Ludwig ist tot! So viel Aufregung im sonst allzu beschaulichen Burglbach im Allgäu, das ist für Walli Schimmel eine willkommene Abwechslung. Also stürzt sich die exzentrische Rentnerin in die Ermittlungen – sehr zum Missfallen von Wolfi, ihrem leicht phlegmatischen Polizistensohn. Der glaubt nämlich zunächst an einen ganz natürlichen Tod: zu viel Schweinshaxe, zu wenig Bewegung. Doch Walli bleibt hartnäckig und stößt bald schon auf eine Spur. Wer hat den Apotheker auf dem Gewissen? War es die schöne Witwe? Oder hat der Fischlinger sich auf dubiose Geschäfte eingelassen? Mit Hilfe ihrer Freundin Friedl, ein paar selbstgebrannten Stamperln Obstler und ein bisschen krimineller Energie wird sie den Mördern schon auf die Spur kommen …

SpracheDeutsch
HerausgeberHarperCollins
Erscheinungsdatum20. Apr. 2021
ISBN9783749950669
Die letzte Pille bringt den Tod: Ein Allgäu-Krimi
Autor

Romina Angeli

Romina Angeli, geboren 1984 in Kempten, arbeitet seit 2006 als selbstständige Fotografin. Vorbild für Walli Schimmel ist ihre eigene Oma, von der sie vieles gelernt hat, unter anderem, das Leben mit Humor zu nehmen und Spezialitäten der Allgäuer Küche. Heute lebt sie mit Mann und Tochter in der Nähe von Kempten und schreibt in den frühen Morgenstunden.

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    Buchvorschau

    Die letzte Pille bringt den Tod - Romina Angeli

    Originalausgabe

    © 2021 by HarperCollins in der

    Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © Romina Angeli 2019 vermittelt durch: SvH Literarische Agentur

    Covergestaltung von Zero Werbeagentur, München

    Coverabbildung von rdegrie / Getty Images,

    Chayatorn Laorattanavech, alaver / shutterstock

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN E-Book 9783749950669

    www.harpercollins.de

    Vorwort

    Dies ist ein Roman. Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

    1

    Ein Toter am Rand vom Nirgendwo

    Wie jeden zweiten Dienstag im Monat sitze ich bei Erikas Haartraum, unserem einzigen Friseur hier in Burglbach. Wobei Erika längst Geschichte ist. Seit einem knappen Jahr werden wir nämlich von der Jaqueline aufgehübscht. Allerhand neuen Schnickschnack hat sie uns aus Leipzig mitgebracht. Von Haarextensions bis zu Intimwaxing bekommt man bei ihr alles. Einen richtigen Spatempel hat sie hier kreiert.

    Während ich noch meinen Blick über die Neuerungen im Laden schweifen lasse, springt plötzlich die Tür auf, und im Spiegel sehe ich, wie die Friedl aufgeregt und käseweiß hereinstürzt. »Der Ludwig isch tot!«

    Unter meiner dröhnenden Trockenhaube glaube ich mich verhört zu haben. »Was ist los?«, frage ich und schiebe die Haube hoch.

    »Mei, oh mei, der Ludwig isch tot!«, wiederholt sie aufgeregt.

    Ich lege das Schundmagazin, in dem ich ohnehin nur gelangweilt herumgeblättert habe, zur Seite und drehe mich mit meinem Stuhl zur Tür. »Der Ludwig, der Hund vom alten Hintermoser?«, frage ich verwirrt.

    »Was? Nein, Schmarrn, der doch net. Unser Apotheker, der Fischlinger Ludwig«, kommt es mir irritiert entgegen.

    Ich höre einen lauten Platscher und schaue von Friedl zu Jaqueline. Die Schüssel mit der frisch angerührten Haarfarbe für die alte Berger ist dahin. Wie vom Donner gerührt steht die Jaqueline da, von oben bis unten mit der blutroten Masse besudelt. Schade ist es ja nicht drum, schießt es mir ins Hirn, die Bergerin sieht eh immer aus wie ein Feuermelder.

    »Ruft die Polizei!«, schreit die Friedl völlig außer sich und reißt mich aus meinen Gedanken.

    Während Jaqueline wie ferngesteuert ihr kindisches Hello Kitty-Handy aus der Hosentasche fischt, kralle ich mir im Vorbeispringen die Hand von der Friedl und ziehe sie mit mir aus dem Salon. Quer über den neu gepflasterten Dorfplatz hetzen wir rüber zu Fischlingers Apotheke. Weit und breit keine Polizei zu sehen. Kaum jemand ist im Dorf unterwegs. In den letzten Jahren ist es leer geworden in Burglbach. Die Jungen drängen aus der Allgäuer Provinz in die Städte. Wer lebt schon gerne in einem 3042-Seelen-Dorf am Rand vom Nirgendwo? Pardon, 3041 Einwohner, falls der Ludwig wirklich tot ist.

    Vor der Apotheke angekommen, weigert sich die Friedl vehement, den Ort ihres Schreckens noch einmal zu betreten, schließlich hat sie den Fischlinger Ludwig entdeckt. »Walli, du willsch da jetzt aber it nei, der isch doch tot!?«, schnauzt sie mich an und hält mich am Ärmel fest.

    Mit einem Ruck entziehe ich mich ihrem Griff wie ein trotziges Kind. »Dann bleib halt da, ich geh da jetzt rein!«, rufe ich ihr noch zu, während ich mich bereits durch die Ladentür schiebe. Ein Klingeln von dem Glöckchen überm Eingang kündigt mich an. Ich bleibe kurz stehen, atme durch, aber es regt sich nix, mucksmäuschenstill ist es, kein Ludwig weit und breit zu sehen. Ich gehe um die Theke zum hinteren Teil des Ladens. Und da seh ich’s schon. Herrgott, der Allmächtige, da liegt er ja wirklich, der Ludwig, im Türrahmen zwischen der Teeküche und den Medikamentenschränken. Ein, zwei Sekunden zögere ich – falls es um Mord geht, will ich schließlich nicht schon wieder dem Wolfi ins Handwerk pfuschen: Der Wolfi ist mein, leider etwas begriffsstutziger, Sohn, der bei der Polizei im nahe gelegenen Kempten arbeitet. Zu gut kann ich mich erinnern, wie er wochenlang sauer auf mich war, als ich ihm bei der Aufklärung des Illermordes zuvorkam. Dabei war es nicht mal Absicht, eher ein unglücklicher Zufall, würde ich sagen. Selbst mit den hausgemachten Kässpatzen vom Apostlwirt, unserem Gasthof hier im Dorf, konnte ich seinen Missmut nicht vertreiben. Ein richtiges Desaster war das damals vor zwei Jahren.

    Wer sagt denn eigentlich, dass es hier um Mord geht, beruhige ich mich selbst. Es wäre ja nicht an den Haaren herbeigezogen, hätte der dicke Ludwig einen Herzanfall erlitten. So wie der jeden Sonntagmittag beim Apostlwirt zugelangt hat … Geschnauft und geröchelt hat der Dicke, bei jeder Bewegung. Der Schweiß auf seiner Stirn hat ihn glänzen lassen wie eine marinierte Speckschwarte, und die wirre spärliche Haarpracht hing ihm auch immer speckig ins Gesicht, erinnere ich mich. Ja, der Ludwig, schön ist er ja nicht, denk ich mir, aber ein netter Kerl war er schon. Also knie ich mich rechts neben ihn und lege zwei Finger an seinen Hals, wie ich es im Tatortspurensicherungsseminar für Hobby-Columbos letztes Jahr gelernt habe. Kurz warten, kein Puls. Sein starrer Blick verrät bereits alles. Die Friedl hatte recht, der Fischlinger Ludwig ist hinüber.

    Ich betrachte den Toten von Kopf bis Fuß – kein Blut ist zu sehen. Lediglich etwas gelber Schaum tropft ihm seitlich aus dem Mund und sammelt sich am Boden neben seinem weißen Apothekerkittel. Im anderen Mundwinkel hängen eindeutig noch Reste vom Frühstück, und seine rechte Hand ist seltsam verdreht. Zwischen Daumen und Zeigefinger klebt ein angebissenes Stück Breze. Der Ludwig, wie er leibt und lebt. Immer was zum Futtern in der Nähe, denke ich. Leibte und lebte müsste es jetzt wohl heißen, korrigiere ich mich im Stillen, während ich weiter den Toten neben mir betrachte.

    Ich stehe auf und steige vorsichtig, mit einem ziemlich großen Schritt, über seinen massiven Körper hinweg und betrete die kleine Teeküche. Das Lämpchen der Kaffeemaschine auf dem kleinen Schränkchen neben der Tür leuchtet rot und wärmt die verbliebene braune Brühe. Ich blicke hinüber zum Tisch, auf dem noch ein Frühstücksbrettl liegt; ein paar einsame Brezenbrösel liegen verteilt darum. Ganz wahrscheinlich eine Breze von der Bäckerei Biggl. Der Biggl macht weit und breit die besten Brezen; ist auch nicht schwer, könnte man meinen, denn ebenso wie Erikas Haartraum der einzige Friseur ist, ist er der einzige Bäcker hier am Rand vom Nirgendwo.

    Ich lasse meinen Blick wandern. Eine Tasse Kaffee, die gefährlich nah an der Tischkante steht, ist noch zu drei Vierteln gefüllt. Rabenschwarz trank er ihn, der Ludwig, mei, da würd’s mich schütteln, denke ich spontan. Der Gedanke an einen Cappuccino vom Café Florence in Kempten hingegen, mit einem laktosefreien Milchschaumberg drauf, größer als die Tasse selbst, bringt mich zum Träumen. Zugegeben, ich bin ein Cappuccinojunkie, nicht erst, seit ich dieses kleine italienische Stehcafé mit diesem überaus gut aussehenden Barista Massimo entdeckt habe. Ich greife nach der Tasse des toten Apothekers – eiskalt ist sie. Ich kombiniere blitzschnell, ohne weiter meine Gedanken an eine gute Tasse Cappuccino zu verschwenden, und komme zu dem Schluss, dass unser Medikamentendealer schon eine ganze Weile hier im Türrahmen liegen muss. Der restliche Tisch wird von der Allgäuer Zeitung eingenommen, der Gesundheitsteil liegt aufgeklappt da – mei, Ludwig, der bringt dir jetzt auch nix mehr. Ein blau-grüner Kugelschreiber mit der Aufschrift Heidpharm, offensichtlich ein Werbegeschenk eines Pharmaunternehmens, liegt quer über einem verknitterten Zettel. Unleserliche Buchstaben reihen sich in mehreren Zeilen aneinander. Wie soll man das bitte lesen können?, frag ich mich.

    Meine Nasenspitze beginnt wie wild zu kribbeln, gerade noch so kann ich mir ein Niesen verkneifen. Da höre ich schon die Polizeisirene schrillen. Jetzt muss ich mich aber beeilen. Nix wie raus hier, bevor der Wolfi und sein Polizeispezi Harald mich erwischen. Geistesgegenwärtig und gewitzt wie ich bin, ziehe ich mein brandneues Smartphone aus der Tasche und hoffe, die Kameraapp schnell zu finden. Gar nicht so leicht mit einem 62 Jahre alten Augenpaar, diese kleinen fisseligen Dingsdabumsda auf Anhieb auszumachen. Mist! Jetzt habe ich mich auch noch vertippt, und es öffnet sich die neue Fitnessapp, mit der ich mir vorgenommen habe, zwei, drei Kilo durch Zumba binnen kürzester Zeit abzuzappeln. Immerhin hat das der heiße Latino mit der sexy Zahnlücke auf dem Sportkanal versprochen.

    Hektisch schließe ich das dumme Programm wieder, das mir bis jetzt eh noch nix gebracht hat, und finde endlich das Zeichen mit der Fotolinse. Als Erstes schieße ich ein Bild vom Tisch, danach eines vom Fenster. Ich drehe mich um und will noch schnell ein Bild vom Toten knipsen. Da erschreck ich fast selbst zu Tode: Die Friedl steht neben der Leiche.

    »Walli, Schluss jetzt, komm sofort da raus! Die Polizei isch glei da«, zischt sie und tritt hibbelig von einem Bein aufs andere.

    »Jaja, ich komm gleich. Geh zur Seite, ich brauch noch schnell ein Bild vom Ludwig. Oder bist du scharf auf ein Foto mit dem Toten?«

    Erschrocken springt die Friedl zur Seite, ohne den Blick vom toten Ludwig abzuwenden. »Jessas, na, der duat mir so leid!«, jammert sie.

    »Jetzt braucht er dir nimmer leidzutun, der hat’s geschafft und ist bei unserem ewigen Schöpfer. Predigt doch der Pfarrer Hockl jeden Sonntag«, sage ich, fokussiere den toten Berg Mensch und drücke den Auslöser. In diesem Moment schnappt die Friedl mich am Arm und schleift mich hastig Richtung Ausgang. Beim Hinausstolpern komme ich aus Versehen noch mal auf den Auslöser und schieße ungewollt ein verwackeltes Bild vom Ladenlokal. Als wir zwei die Tür aufreißen, versperren uns zwei werte Herren in Grün den Ausgang.

    »Moment a mal, Moment a mal«, hält uns der Freirer Harald zurück. »Ja, wen hamma denn da, die Allgäu Miss Marple und ihre Busenfreundin, da schau her«, dröhnt er uns selbstgefällig entgegen.

    Da rauscht auch schon der Wolfi an, richtig wütend schreit der mich an: »Mama!!! Was in Gottes Namen hast du hier zu suchen?« Bevor ich antworten kann, schießt er bereits die nächste Frage ab: »Warst du etwa da drinne?«

    Was für eine saublöde Frage, denk ich mir, der sieht doch, dass ich noch mitten in der Tür steh. Mit einem mütterlich-liebevollen Blick tätschle ich seine Backe und gebe ihm, was er hören will: »Ich wollte halt mal nach dem Rechten sehen.«

    Aber das hört der Wolfi schon nicht mehr und stürmt an uns vorbei, hinein in die Apotheke. Der Freirer Harald spurtet hinterher und gibt uns noch kurz die Anweisung, vor dem Eingang zu warten. Inzwischen hat sich das halbe Dorf vorm Laden versammelt. Im Vorbeigehen ernte ich spöttische Blicke und frage mich, warum das dumme Volk so blöd glotzt. Ich greife mir an mein Haupt. Mist, die Lockenwickler. Schön lächerlich sehe ich wohl aus. Da muss ich jetzt durch, denke ich und geselle mich neben die Friedl. Lautes Getuschel und Stimmengewirr überdecken fast die Ankunft vom Sanka. Erst durch ein erneutes ohrenbetäubendes Hornsignal teilt sich die Meute wie das Rote Meer vor Moses und lässt den Krankenwagen passieren. Die zwei Notärzte bahnen sich den Weg, im Schlepptau einen riesigen Rucksack, vollgestopft mit jeder Menge lebensrettender Arznei. Makaber, denk ich mir, da liegt der tote Fischlinger in seiner eigenen Apotheke, die über und über voll mit Medikamenten ist, und selbst die konnten ihn nicht vor dem eigenen Tod bewahren.

    Als die beiden Lebensretter an der Friedl und mir vorbeirauschen, will ich ihnen noch »Ihr kommt’s zu spät, da ist nichts mehr zu machen!« zurufen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich hier eh schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt habe, spare ich mir das und verdrücke mich an den Rand des schaulustigen Pöbels.

    Während Friedl und ich allmählich die erste Aufregung verdauen, gesellt sich die Berta Breitmeier neben uns, alias die Dorftratschen von Burglbach. »Na, schau an, die Walli, immer im rechten Moment zur Stelle, trendigen Haarschmuck trägst heute, fesch!«, zwitschert sie höhnisch und stiert auf meinen Schädel.

    »Geh schleich di, Breitmeierin!«, höre ich die Friedl ungewöhnlich scharf fauchen.

    Verdattert schaue ich meine Busenfreundin an und kann mir ein winziges Lächeln nicht verkneifen. Könnten Bertas Blicke töten, wäre Burglbach um zwei weitere Einwohnerinnen ärmer, da bin ich mir sicher. Beleidigt zieht die Alte ab.

    »Du, Friedl, mein Gefühl sagt mir, der Ludwig, der ist nicht einfach tot umgefallen!«, flüstere ich meiner liebsten Freundin ins Ohr.

    »Ah, so a Schmarrn, was soll denn des heißen? Jeder im Dorf weiß doch, dass es mit der Gesundheit vom alten Ludwig nicht zum Besten gestanden ist!«

    »Mei, ich könnt mir vorstellen, dass da vielleicht jemand nachgeholfen hat!«, erwidere ich und will mich nicht so schnell geschlagen geben. »Meine Nase juckt wie Sau, das ist ein eindeutiges Zeichen«, setze ich noch nach. Die Friedl schenkt mir ein mitleidiges Lächeln, und in diesem Moment komme ich mir ganz schön doof vor. Friedl, kannst du mich bitte mal ernst nehmen?

    »Mama! Was hör ich da?«, platzt der Wolfi barsch in unser Gespräch. »Bist du des Wahnsinns, solche Gerüchte in die Welt zu setzen?« Er tritt direkt hinter mich, und die Wut in seiner Stimme ist eindeutig nicht zu überhören.

    »Ich? Ich hab gar nix in die Welt gesetzt!«

    »Es sieht alles nach einem natürlichen Tod aus. Und außerdem, Mama: Wir hatten eine Abmachung! Solange ich für die Sicherheit hier in Burglbach zuständig bin, hältst du dich aus meinen Ermittlungen raus, das hast du mir hoch und heilig versprochen!«

    »Welche Ermittlungen?«, will ich wissen und treibe den Wolfi damit erst so richtig auf die Palme. »Ich dachte, wenn es sich, wie du sagst, um einen natürlichen Tod handelt, gibt es keine Ermittlungen?«

    Kopfschüttelnd und maulend dreht der Wolfi sich weg und geht zurück Richtung Tatort. Oder, halt, ich revidiere: Noch haben mein heiß geliebter, aber etwas begriffsstutziger Sohn und dessen tölpeliger Spezi, der Freirer Harald, noch nicht gecheckt, dass es sich überhaupt um einen Tatort handelt.

    »Ach, lass mir doch mei Ruh!«, kann ich grad noch so verstehen. Den Rest verschluckt das Gewusel der schnatternden Dörfler. Komm du mir mal heute Abend nach Hause, mein Sohnemann, denke ich. Ich werde dich schon auf Spur bringen. So wie damals, als ich dir geholfen habe, den Mord an dem jungen Altenpfleger Markus T. aufzuklären, der leblos und schon tagelang hier bei uns im Fluss trieb. Als »Illermord« wurde der Fall von sämtlichen Tageszeitungen betitelt und ging deshalb so in die Geschichte ein.

    Aber da weder die Friedl noch der Wolfi meinem Nasenjucken Glauben schenken, verlasse ich allein den Dorfplatz und marschiere zielstrebig zurück in Erikas Haartraum. Schließlich will ich mich endlich dieser peinlichen Wickler entledigen. Der Laden ist leer, ich rufe nach unserer sächselnden Haargöttin, kann sie allerdings nirgends ausmachen. Und so verlasse ich am Ende fluchend und mit den blöden Wicklern auf dem Kopf den Haar(alb)traum!

    2

    Unerfreuliche Entwicklungen

    In der Nacht war an Schlaf nicht zu denken, stattdessen habe ich mich nur hin und her gewälzt. Entsprechend sitze ich heute, am Tag nach dem Verbrechen, ungestylt bereits um Viertel nach sieben bei der Friedl in der heimeligen Bauernstube. Schön hat sie’s hier, jedenfalls wenn man farbenblind ist. »Rustikal antikes Chaos«, so könnte man es beschreiben. Die Kacheln an den Wänden versprühen mit ihrem grün-orange-braunen, psychedelisch anmutenden Muster den Charme der 70er. Hier und da fehlt um den alten Holzofenherd, der wohl noch aus Omas Zeiten stammt, bereits die ein oder andere Fliese und legt das marode Mauerwerk frei. Die zusammengewürfelten Holzstühle mit den blau karierten Sitzkissen rund um den Tisch und die darauf liegende geschmacklose Wachstischdecke mit dem knallbunten Pünktchenmuster lassen jedes noch so schlafgeschwängerte Auge im Nu erwachen.

    Friedl steht am Ofen. Der frische Kaffeeduft zieht mir in die Nase und verdrängt meine Müdigkeit. Sie stellt zwei dampfende Tassen vor uns ab und setzt sich neben mich.

    »Hast du vielleicht geschäumte, laktosefreie Milch?«, höre ich mich fragen, dabei kann ich Friedls Antwort bereits im Schlaf runterbeten.

    »Noi, so an neumodischen Chichiquatsch hab i it; mir sind hier schließlich it im Café Florence.«

    »Ist schon gut«, beruhige ich sie und nippe an dem scheußlichen Seifenwasser, das so gut riecht. »Hast du überhaupt geschlafen?«, frage ich sie.

    »Koi Aug hob i zug’macht hoit Nacht. Miad bin i, sag i dir«, und ein langes Gähnen zieht ihr übers Gesicht. »Hasch du mit deim Wolfi geschtern Abend no g’schwätzt?«, will die Friedl wissen und stopft sich nebenbei ein bröseliges Leiberl in den Mund.

    »Nein, er kam gestern Abend gar nicht mehr heim«, antworte ich etwas zögerlich.

    »Ja, mei, hat der am End jetzt a mal a Freundin g’funder? Wird ja a mal Zeit, so mit 43 Johr«, schmatzt sie mit halb vollem Mund, wobei ein paar Krümel in ihrer Kaffeetasse landen. Kurz schwimmen sie so vor sich hin, bis sie von dem schwarzen Sog in die Tiefe gezogen werden. Immer dasselbe Thema, denke ich genervt und bin insgeheim froh, dass mein einziger Sohn, mein Goldstück, mein Ein und Alles, der Wolfi, noch immer in seinem Kinderzimmer bei Mama wohnt. Wobei Kinderzimmer bei unserem Haus vielleicht etwas untertrieben ist. Wolfi

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