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Die entflohene Braut
Die entflohene Braut
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eBook276 Seiten3 Stunden

Die entflohene Braut

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Über dieses E-Book

Kurz vor seinem Ableben trifft Heinz Roland letzte Vorkehrungen. So setzt er eigentlich mit guten Absichten Georg Halden, einen vermeintlichen Freund, als zukünftigen Vormund für seine Tochter Nanda ein, welche später auch dessen Sohn Jürgen heiraten soll. Doch nach Heinz Rolands Tod entpuppt sich der Schwiegervater in spe als schrecklicher Tyrann. Um ihm zu entkommen flieht Nanda nach Argentinien. Jürgen ahnt von alldem nichts, doch seine und Nandas Wege kreuzen sich erneut ...-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum16. Sept. 2022
ISBN9788728472941
Die entflohene Braut

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    Buchvorschau

    Die entflohene Braut - Hedwig Courths-Mahler

    Hedwig Courths-Mahler

    Die entflohene Braut

    Saga

    Die entflohene Braut

    Coverbild/Illustration: Shutterstock

    Copyright © 1936, 2022 SAGA Egmont

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN: 9788728472941

    1. E-Book-Ausgabe

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

    Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

    www.sagaegmont.com

    Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

    1

    Und wann kommt dein Sohn heim, Georg?«

    »Die Ferien beginnen in den nächsten Tagen, und daß er diesmal sofort nach Hause kommen muß, habe ich ihm klargemacht. Bisher hatte ich nichts dagegen, daß er sich während seiner Ferien draußen in der Welt umsah, denn sitzt er erst auf eigener Scholle, kommt er doch nicht mehr viel hinaus. Außerdem ... nun ja, ich hielt es für richtig, daß er deine Tochter nicht zu Gesicht bekam. Er kennt sie nur von ihrer Kinderzeit her. Wie alt war sie denn, als er das Gymnasium besuchte?«

    »So ungefähr neun oder zehn Jahre!«

    »Richtig. Und da ist er auch immer nur flüchtig mit ihr zusammengetroffen. Das war auch gut und richtig, denn wenn sie sich zu gut von Kind auf kennen, entsteht eher ein freundschaftliches oder geschwisterliches Verhältnis. Und wir haben doch beide schon seit Jahren beschlossen, daß sie mal Mann und Frau werden sollen.«

    »Ja, Georg, ich versprach es dir bereits an dem Tage, da du mir in einer höchst kritischen Situation so tatkräftig beisprangst. Ich weiß, ohne deine Hilfe wäre es damals mit Heidersberg schiefgegangen, und daß ich mich wiederfand und wieder emporkam, danke ich dir. Deshalb gab ich dir auch ohne weiteres meine Einwilligung, daß unsere Kinder sich eines Tages heiraten und dadurch unsere beiden Besitzungen vereinigt werden sollten. Und wir sind wohl beide nicht von diesem Wunsche abgekommen.«

    »Ich bestimmt nicht«, sagte Georg Halden energisch, den Freund fast herrisch ansehend. Er war immer von beiden der energischere, zielbewußtere gewesen. Und fast lag es wie eine heimliche Drohung in seiner Stimme, so daß sich Heinz Roland zu sagen beeilte:

    »Ich selbstverständlich auch nicht, Georg. Ich kann mir ja keinen besseren Mann für meine Tochter wünschen, ganz abgesehen davon, daß die Verhältnisse so gut zusammenstimmen.«

    Georg Halden nickte befriedigt.

    »Also machen wir jetzt, wenn mein Junge heimkommt, die Verlobung perfekt!«

    Unsicher sah Heinz Roland zu dem tatkräftigen Freunde auf.

    »Aber was werden die beiden dazu sagen?«

    »Die werden wir nicht lange fragen. Sie haben sich beide zu fügen, und soviel Autorität werden wir doch wohl noch besitzen, unsern Wünschen Geltung zu verschaffen!«

    Heinz Roland richtete sich im Bett, in dem er seit Wochen krank lag, mit Anspannung aller seiner Kräfte hoch, gleichsam durch des Freundes Willen bestärkt in seinen Entschlüssen, die eigentlich nicht die seinen waren, sondern ihm nur durch den energischen Freund suggeriert worden waren.

    »Selbstverständlich, soviel Autorität besitzen wir schon, um das durchzuführen, was wir zum Besten unserer Kinder beschlossen haben.«

    »Hast du mit Nanda schon darüber gesprochen?«

    »Nein! Sie ist ja mit knapp fünfzehn Jahren noch zu kindlich, um das alles mit dem nötigen Ernst aufzunehmen.«

    »Jetzt ist es aber die höchste Zeit dazu, Heinz; wenn Jürgen heimkommt, muß alles bereit sein, damit wir das Verlöbnis gleich vornehmen können.«

    »Ja, allerdings, ich werde noch heute abend mit ihr sprechen. Es trifft sich gut, daß Fräulein Sanders heute in der Stadt bei ihrer Schwester bleibt, die sie so lange nicht besucht hat. Da bin ich mit Nanda allein und kann ungestört mit ihr reden.«

    »Meiner Ansicht nach hätte Fräulein Sanders ruhig dabei sein können, sie ist eine unerhört energische und tüchtige Person und wird helfen, Nanda etwaige Mukken auszutreiben.«

    Heinz Roland lächelte matt.

    »Ja, energisch ist sie schon, manchmal geradezu unentwegt, wenn sie ein Ziel verfolgt. Man hat Mühe, ihr gegenüber seine Freiheit zu behaupten.«

    »Oha! Sollte sie Absichten haben, Frau Roland zu werden?«

    »Das erscheint mir ziemlich klar. Aber ganz abgesehen davon, daß ich, auch wenn ich gesund wäre wie ein Fisch im Wasser, Eugenie Sanders niemals heiraten würde, geschieht das ganz sicher nicht, nun ich mich bereits als Todeskandidaten betrachten muß.«

    »Nun, wir sind Männer, die dem Unabänderlichen ins Auge sehen können, Heinz; jedem von uns schlägt einmal die Stunde. In Bereitschaft sein, ist alles. Abgesehen davon, daß Fräulein Sanders Heiratsabsichten auf dich hat, die sich nicht verwirklichen werden, wie ich dich kenne, ist sie doch eine äußerst tüchtige und zielbewußte Person, und Nanda wird in ihren Händen gut aufgehoben sein, bis sie sich mit Jürgen verheiratet. Du hast doch dafür Sorge getragen in deinen letztwilligen Verfügungen, daß Fräulein Sanders in Heidersberg bleibt, bis Nanda mündig ist oder sich verheiratet?«

    »Ja, dafür habe ich gesorgt, wenn mir Fräulein Sanders auch zuweilen zu hart und zu tyrannisch erscheint.«

    »Nun, das wird für Nanda sehr gut sein. Sie ist ziemlich eigenwillig und selbstbewußt, und wenn sie eine gute Ehefrau werden soll, muß ihr das ein wenig abgewöhnt werden.«

    Der Kranke seufzte. »Sie ist eben ohne Mutter aufgewachsen, und ich habe ihr wohl etwas zuviel Willen gelassen seit dem Tode meiner Frau.«

    »Richtig, und das muß ausgemerzt werden. Es ist nicht nötig, daß Jürgen erst in der Ehe anfangen muß, seine Frau zu erziehen, das gibt dann nur böses Blut, und besser ist es, Fräulein Sanders übernimmt das, ohne daß du dazwischenredest und durch unangebrachte Milde ihr Amt erschwerst.«

    Heinz Roland sah unruhig zu dem Freunde auf.

    »Faßt sie nur nicht zu hart an, meine wilde Hummel, es steckt sehr viel überschüssige Kraft in ihr, und wenn sie mir auch aufs Wort gehorcht, weil sie mich nicht betrüben will, so findet Fräulein Sanders doch nicht immer den richtigen Ton für sie. Mit Güte erreicht man alles bei ihr.«

    Georg Halden war anderer Ansicht. Nanda Roland war ihm zu eigenwillig und ungebärdig, so, wie er es bei einer Schwiegertochter zu ertragen nicht willens war, aber er wollte dem kranken Freund jetzt nicht widersprechen und sagte beruhigend:

    »Nun, schließlich bin ja auch ich noch da, um der Sanders die nötigen Direktiven zu geben. Du hast mich ja für alle Fälle zu Nandas Vormund bestimmt, falls dir, was Gott verhüten möge, etwas geschehen sollte, bevor sie sich verheiratet.«

    Vertrauensvoll richtete der Kranke die Augen auf den Freund.

    »Ja, Georg, dir vertraue ich meine Nanda an, wie ich dich auch zu ihrem Geschäftsführer bestimmt habe, bis sie sich verheiratet. Ich hoffe, daß ich so alles bestens eingerichtet habe, und ich danke dir schon im voraus für alle Mühe, die du haben wirst.«

    Georg Halden drückte ihm, da er alles erreicht hatte, was er erreichen wollte, befriedigt die Hand und lächelte ihm mit einer gutgespielten Herzlichkeit, die leider nie ganz echt war, zu.

    »Nun, nun, ich hoffe und wünsche, daß du deine Geschäfte selbst wirst führen können, bis dein künftiger Schwiegersohn sie dir abnehmen kann. Diese dumme Krankheit, die dich befallen hat, wirst du schon überstehen. Nur Mut, mein lieber Heinz, nicht vorzeitig die Waffen strecken. Und nun will ich dich allein lassen, damit du dich nicht zu sehr anstrengst. Brauchst noch Kraft, um mit Nanda zu reden. Verschiebe es aber nicht, einige Tage muß sie sich immerhin an den Gedanken gewöhnen, daß sie sich mit Jürgen verloben soll.«

    Ein wenig seufzte der Kranke.

    »Sie wird kaum den Ernst dieser Sache schon so recht erfassen können, aber selbstverständlich muß ich mit ihr sprechen.«

    »Und heute noch!« Das klang fast befehlend.

    »Ja, ja, es wird heute noch geschehen, sei unbesorgt.«

    »Na, sieh nur nicht so sorgenvoll dabei aus, Heinz. Mein Jürgen ist doch wohl der Mann dazu, solch ein junges Herz zu erobern. Er wird schon den nötigen Eindruck auf sie machen. Wie gesagt, es ist gut, daß sie sich so lange nicht gesehen haben. Der Reiz der Neuheit gehört nun mal zum Verlieben.«

    Nandas Vater vermochte sich freilich nicht vorzustellen, daß seine wilde Hummel sich in irgendeinen Mann schon jetzt verlieben könnte, aber auch er war davon überzeugt, daß Jürgen Halden der rechte Mann für sie sein würde. So nickte er dem Freund lächelnd zu, und dieser schied mit festem Händedruck von ihm.

    Als Georg Halden draußen auf dem breiten Gange bis zur Treppe gegangen war, sah er auf der obersten Treppenstufe Nanda Roland sitzen, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in den Händen vergraben. Langsam richtete sie sich auf, als sie ihn kommen hörte, und hob ihr blasses, schmerz verzogenes Gesicht zu ihm empor. Vorwurfsvoll sahen ihre hellschimmernden Grauaugen aus dem sonnengebräunten Gesicht zu ihm auf.

    »So lange hast du Vater von seiner Ruhe abgehalten! Er soll doch nicht soviel sprechen.«

    Mit gutgespieltem Wohlwollen legte er die Hand auf ihr etwas zerzaustes, kastanienbraunes Haar, das sich in kurzen natürlichen Locken ringelte.

    Sie machte aber schnell eine Bewegung, so daß seine Hand von ihrem Kopf gleiten mußte, worüber es ärgerlich in seinen Augen aufblitzte.

    »Wir mußten Notwendiges besprechen; du, Nanda, brauchst mich nicht schon wieder so feindlich anzublikken. Kannst dir doch denken, daß ich selbst sehr besorgt um deinen Vater bin und ihm alles Schwere ersparen möchte.«

    Sie warf den Kopf zurück und wollte sagen, daß sie davon durchaus nicht überzeugt sei, aber sie hielt diese raschen Worte zum Glück zurück, sonst hätte sie sich ihn noch mehr als bisher zum Feinde gemacht. Fernanda Roland hegte, seit sie klar denken konnte, eine unbestimmte Antipathie gegen diesen »Freund« ihres Vaters, weil sie nicht an seine Freundschaft glaubte. Ihre scharfen Augen hatten mancherlei beobachtet, was ihr diese Antipathie eingeflößt hatte. Und sie wußte, daß Georg Halden sehr eng liiert mit Fräulein Sanders, ihrer Erzieherin war, die Nanda nicht leiden mochte, weil sie sehr wohl fühlte, daß diese sich zwischen sie und den geliebten Vater drängen wollte. Daß Eugenie Sanders ihr sehr feindlich gesinnt war, weil sie sich wie ein Schutzwall zwischen ihr und dem Vater aufstellte, wußte sie nur zu gut. Aber mochte sie, es war ihr viel lieber, als wenn sie mit ihrer öligen, falschen Freundlichkeit sie umschmeichelte, hinter der Nandas wahrhaftes und ehrliches Empfinden die krasseste Heuchelei spürte. Um dem Vater aber Ärger und Unruhe zu ersparen, da er schon lange leidend war, behielt sie ihre Aversion gegen Eugenie Sanders für sich.

    Heute war sie sehr froh gewesen, daß Fräulein Sanders ihre Schwester in der Stadt besuchen wollte. Diese war verheiratet und hatte Kinder, und es fand bei ihr eine Familienfeier statt. Da sollte Eugenie über Nacht in der Stadt bleiben, und Nanda würde mit dem geliebten Vater und der Dienerschaft allein sein.

    Und nun war plötzlich der Freund und Gutsnachbar ihres Vaters aufgetaucht, den sie, sehr gegen ihr Empfinden, von Kind auf Onkel Georg nennen mußte. Er behauptete. Wichtiges mit dem Vater besprechen zu müssen, und Nanda war deshalb aus dem Krankenzimmer geschickt worden. Tief betrübt, daß ihr nun die herrliche Zweisamkeit mit dem Vater gestört wurde, war sie hinausgegangen und hatte sich auf die Treppe gesetzt, um gleich wieder zur Hand zu sein, wenn der Vater sie brauchte. Die Unterredung dünkte sie eine Ewigkeit zu dauern. Was er schon Wichtiges mit dem Vater zu reden haben würde? Und so sah sie ziemlich grollend in sein hartes, eckiges Gesicht. Ohne direkt auf seine Worte zu antworten, sagte sie eilig:

    »Ich will jetzt zum Vater gehen, du verzeihst, wenn ich dich nicht hinunterbegleite. Hermann ist unten in der Halle und wird dir zu Diensten sein.«

    »Siehst ja wieder sehr zerzaust um den Kopf aus, Nanda, das müßtest du abstellen, bist doch nun eine junge Dame.«

    Erbittert sah sie ihn an. Dieser Vorwurf traf sie häufig, auch von Fräulein Sanders. Trotzig warf sie den Kopf zurück.

    »Das kommt daher, weil mir immer alle möglichen Leute auf den Kopf fassen«, sagte sie ärgerlich.

    Er wußte, daß dies ein Protest sein sollte dagegen, daß er ihr die Hand auf den Kopf gelegt hatte. Aber er lächelte nur wie zu der unartigen Torheit eines Kindes.

    »Fräulein Sanders sollte dich besser erziehen«, erwiderte er ihr, und sie sah ein feindliches Funkeln in seinen Augen aufblitzen.

    Trotzdem er sie zur Frau seines Sohnes machen wollte, hegte er durchaus keine Sympathie für das eigenwillige Geschöpf, aber an ihrer Hand hing Heidersberg und ein sehr ansehnliches Vermögen. Denn wenn auch Heinz Roland vor Jahren eine Schlappe erlitten hatte, so hatte er sich doch längst wieder erholt, und außerdem hatte er inzwischen einen Onkel beerbt und war nun ein reicher Mann. Nanda war sein einziges Kind, folglich eine glänzende Partie.

    Und da Heidersberg in der direkten Nachbarschaft seines eigenen Gutes lag, war es schon immer sein Plan gewesen, es durch diese Verbindung an sich zu bringen.

    Nanda blitzte ihn ebenso feindlich an, zuckte aber nur mit den Schultern und sagte: »Ich muß zu Vater.« Damit eilte sie davon und verschwand im Zimmer ihres Vaters.

    Georg Halden sah ihr mit einem unbeschreiblichen Blick nach. Sie ist maßlos verzogen! dachte er. Wenn ihr Vater die Augen schließt, muß die Sanders sehr energisch vorgehen, um sie zu bändigen. Da wird es hart auf hart gehen, aber es kann doch nicht schwer sein, so ein wildes Füllen zu bändigen. Jürgen wäre vielleicht zu gutmütig dazu, und sie muß die Kandare fühlen, noch ehe sie seine Frau wird, sonst tanzt sie uns auf dem Kopf herum.

    Das war sein Gedankengang, während er langsam die Treppe hinunterstieg. Unten in der Halle stand der Diener Hermann und half ihm dienstfertig in seinen Überrock. Georg Halden drückte ihm ein Trinkgeld in die Hand. Er war sonst nicht so großzügig, aber hier im Hause kam es darauf an, willige Helfer für alle Fälle zu werben. So hatte er schon Eugenie Sanders, Nandas Erzieherin, auf seine Seite gebracht, allerdings nicht durch Trinkgelder, sondern durch kleine Gefälligkeiten, die er der alten Jungfer erwies, was diese zu allerlei allerdings unberechtigten Hoffnungen ermunterte. Da sie bei Heinz Roland ausgespielt hatte, durch die Intrigen seiner Tochter, wie sie sich sagte, hielt sie es für angebracht, ihre Netze nach dem stattlichen Witwer Halden auszuwerfen, der ebenfalls ein reicher Gutsbesitzer war. Georg Halden ahnte, daß sie ihre Hoffnungen von seinem Freund Heinz auf ihn übertragen hatte, aber er zerstörte ihr vorläufig diese Hoffnungen nicht, weil er ihrer Unterstützung bedurfte. Er wollte sie so gefügig halten.

    Ruhig und würdevoll schritt er zu seinem Auto, das vor der Tür hielt, und stieg ein. Der Chauffeur kurbelte an und fuhr davon.

    2

    Als Nanda zu ihrem Vater ins Zimmer trat, sah er ihr mit sehnsüchtigen Augen entgegen. Sie lief auf sein Bett zu und kniete neben ihm nieder.

    »Vater, lieber Vater, du hast dich doch nicht zu sehr angestrengt? Onkel Georg sollte dich doch jetzt, da du krank bist, nicht mit geschäftlichen Dingen quälen.«

    Er strich sanft über ihr Haar, und jetzt hielt sie geduldig still.

    Der Vater ..., ja der durfte ihr Haar streicheln, soviel er wollte. Das tat gut und jagte einem nicht einen Schauder über den Rücken, wie wenn Onkel Georg oder Fräulein Sanders es taten.

    »Es war ja nichts Geschäftliches, was wir zu besprechen hatten, Nanda.«

    »Aber warum mußte ich dann hinausgehen?«

    Er zögerte eine Weile, dann ergriff er ihre Hand und sah sie liebevoll an.

    »Weil wir etwas über dich zu sprechen hatten, Nanda, was ich dir selber sagen will, nun wir allein sind.«

    Unruhig sah sie ihn an.

    »Über mich, Vater?«

    »Ja, mein Kind. Und gerade heute will ich das mit dir besprechen, da Fräulein Sanders uns nicht stören kann.«

    Hell und warm wie das liebe Sonnenlicht strahlten ihre Augen in die seinen.

    »Oh, das ist gut, was du sagst, Vater! Du empfindest es also auch, wie störend zuweilen die Gegenwart von Fräulein Sanders ist. Sie, nun ja, Vater, du weißt es doch, sie möchte sich immer zwischen uns drängen.«

    Er lächelte ihr zu und strich ihr wieder über den Kopf. Wußte er doch, daß Nanda die Bemühungen Eugenie Sanders um seine Huld feindlich betrachtete, in einer gewissen zärtlichen Eifersucht.

    »Brauchst keine Sorge zu haben, Nanda, nie wird es Fräulein Sanders gelingen, sich zwischen dich und mich zu drängen.«

    Aufatmend küßte sie ihm die Hand.

    »Ja, jetzt weiß ich das, Vater, aber früher hatte ich zuweilen Angst, sie könnte meine Stiefmutter werden. Das wäre doch schrecklich gewesen.«

    Er mußte über ihr Entsetzen leise lachen.

    »Nicht auszudenken, Nanda, das hätten wir alle beide nicht ertragen.«

    Schmeichelnd lehnte sie ihre Wange an die seine.

    »Ach, wie gut, daß du darüber lachen kannst und das ebensowenig ertragen hättest wie ich.«

    »Nun du das aber weißt, Nanda, wirst du deine heimliche Feindseligkeit gegen Fräulein Sanders aufgeben und vernünftig sein.«

    »Ich will mir wenigstens Mühe geben, lieber Vater.«

    »Das ist brav. Mehr verlange ich nicht. Sie ist nun mal deine Erzieherin, und du mußt noch viel von ihr lernen.«

    »Ja, Vater, das weiß ich. Aber verlange nur nicht, wie sie es tut, daß ich mir an ihr ein Beispiel nehmen soll. Nie in meinem ganzen Leben möchte ich auch nur im entferntesten so werden wie sie, in keiner Beziehung.«

    Wieder mußte er lachen. Es war ein krankes, schwaches Lachen, aber sie freute sich darüber.

    »Nein, nein, das sollst du auch nicht. Bleibe dir nur immer selbst treu, Nanda, und bringe es nie dahin, daß ich bedauern könnte, dir soviel freien Willen gelassen zu haben.«

    »Oh, nie werde ich etwas tun, das dich ernstlich betrüben könnte. Du willst doch selbst nicht, daß ich unwahr und heuchlerisch werden soll; nicht wahr, Vater?«

    »Ganz gewiß nicht. Und ich bin auch sicher, daß du, wenn du nur willst, all deine kleinen Torheiten ablegen und ein vernünftiges Mädchen werden wirst.«

    »Das verspreche ich dir, lieber Vater. Ich könnte es schon jetzt sein, aber ich werde eben immer wieder trotzig, wenn man mich falsch anfaßt.«

    »Ich weiß, du findest selbst den rechten Weg. Und wie sehr ich dir vertraue, sollst du jetzt erfahren. Ich will etwas sehr Ernstes und Notwendiges mit dir besprechen, und du mußt mir beweisen, daß ich dir vertrauen und mich auf dich verlassen kann, sonst machst du mich sehr traurig.«

    Unruhig und angstvoll sah sie ihn an, aber sie nahm sich fest vor, alles, was er ihr sagen würde, so aufzunehmen, daß sein Vertrauen zu ihr belohnt würde. Ganz ernst und feierlich sagte sie:

    »Ich werde es dir beweisen, lieber Vater, du sollst schon merken, daß ich viel vernünftiger und zuverlässiger bin, als du glaubst.«

    »Gut! Gib mir erst noch ein wenig Limonade.«

    Sorglich reichte sie ihm das Glas, ihn liebevoll dabei stützend, und er trank. Dann lehnte er sich wieder zurück.

    »Setze dich auf meinen Bettrand, Nanda, und gib mir deine Hand. Also jetzt ganz tapfer, mein liebes Kind! Du mußt dich mit dem Gedanken vertraut machen, daß ich nicht mehr lange bei dir bleiben kann. Meine Krankheit ist ernster, als ich dich glauben ließ – sie kann zum Tode führen.«

    Wie unter einem Schlage zuckte sie zusammen und wurde totenbleich. Ihre Augen verloren allen Glanz, und die Lippen zuckten in verhaltenem Schmerz. Aber sie dachte daran, daß sie dem Vater beweisen müsse, daß sie vernünftig und zuverlässig sei. Mit aller Kraft zwang sie den qualvollen Aufschrei nieder, der sich über ihre Lippen drängen wollte, und schluckte krampfhaft, damit sie sprechen konnte. Er sah ihren stillen Kampf und war gerührt.

    »Vater, lieber Vater, jetzt hast du mich aber auf die härteste Probe gestellt«, flüsterte sie mit versagender Stimme.

    »Ich weiß, mein Kind, und ... ich bin stolz auf dich. Aber ich muß noch weiter an deine Vernunft und Zuverlässigkeit appellieren.«

    Sie erschauerte. »Oh, Vater, was könnte mich noch härter treffen als das?«

    »Nein, härter wird dich jetzt nichts treffen können, das weiß ich, aber was ich dir noch zu sagen habe, wird auch einige Kraft von dir fordern. Sieh, mein Kind, wenn ich sterben muß, lasse ich dich allein, und mein Besitz muß in feste Hände kommen, damit dein Erbe nicht verlottert wird. Schon seit langer Zeit habe ich deshalb mit Onkel Georg besprochen, was geschehen muß, wenn ich die Augen schließe. Er wird dein Vormund sein.«

    Sie preßte die Lippen fest aufeinander. Der Vater hatte recht, das traf sie fast so hart wie das andere, was er ihr eröffnet hatte. Aber dieses junge Geschöpf besaß große Seelenstärke. Was war denn noch wichtig, wenn sie den Vater hergeben mußte? Mochte doch Onkel Georg in Heidersberg die Geschäfte erledigen. Leise fragte sie:

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