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Wem nie durch Liebe Leid geschah
Wem nie durch Liebe Leid geschah
Wem nie durch Liebe Leid geschah
eBook208 Seiten2 Stunden

Wem nie durch Liebe Leid geschah

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Über dieses E-Book

Hans Ulrich von Frankenau freut sich zunächst sehr, als ihm bei seinem Nachbarn Heinz von Birkenheim jene junge Frau wiederbegegnet, die er bei der Zugfahrt in die Heimat kennenlernte. Doch Hans Ulrich wird schnell klar, dass eine Liebesbeziehung zwischen ihm und der bürgerlichen Christa Hellmut ausgeschlossen ist. Wenn er nur wüsste, dass Christa gar nicht die einfache Sekretärin ist, für die sie sich ausgibt ...-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum16. Sept. 2022
ISBN9788726950441
Wem nie durch Liebe Leid geschah

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    Buchvorschau

    Wem nie durch Liebe Leid geschah - Hedwig Courths-Mahler

    Hedwig Courths-Mahler

    Wem nie durch Liebe Leid geschah

    Saga

    Wem nie durch Liebe Leid geschah

    Coverimage/Illustration: Shutterstock

    Copyright © 1922, 2022 SAGA Egmont

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN: 9788726950441

    1. E-Book-Ausgabe

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

    Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

    www.sagaegmont.com

    Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

    I

    Als sich der Zug gerade in Bewegung setzte, stieg im letzten Augenblick ein Herr ein. Der Gepäckträger konnte ihm eben noch den Handkoffer hinaufreichen, als der Zug auch schon davonrollte. Lachend warf der Reisende dem Mann ein Trinkgeld zu.

    Den leichten Koffer selbst tragend, ging nun Hans Ulrich von Frankenau den schmalen Gang des Zuges entlang. Er sah auf seine Platzkarte und suchte nach dem Abteil mit seiner Nummer. Ein Schaffner zeigte es ihm. In dem Abteil, das er betrat, war nur ein Fensterplatz besetzt. Dem Platz gegenüber, der für ihn reserviert war, saß eine junge Dame.

    Sie sah flüchtig auf bei seinem Eintritt, wandte sich dann wieder ab und blickte zum Fenster hinaus. Er hatte stumm gegrüßt, die junge Dame mit einem leichten Neigen des Kopfes gedankt.

    Mit einer elastischen Bewegung warf er seinen Koffer in das Gepäcknetz. Seine hohe, schlanke Gestalt straffte sich dabei und zeigte einen sehnigen Körperbau, wie man ihn bei Sportsleuten findet, die ihren Körper trainieren und in der Gewalt haben.

    Darauf ließ er sich der jungen Dame gegenüber nieder. Er klappte das kleine Tischchen am Fenster heraus und legte einige Zeitungen darauf. Nun sah er sich seine Reisegefährtin etwas genauer an. Er tat es in unauffälliger Weise, wurde aber bald von ihrer interessanten Persönlichkeit gefesselt.

    Sie war jung — höchstens zweiundzwanzig Jahre — und sehr schön. Das konstatierte er mit Kennerblick. Sie hatte volles dunkles Haar. Einige widerspenstige Löckchen fielen in reizvoller Art in die hohe Stirn. Gegen das Licht schimmerten sie in kupfernem Glanz.

    Ihre großen dunklen Augen mit feingezeichneten Brauen und langen Wimpern sahen gedankenverloren ins Weite. Sie nahm keinerlei Notiz von ihrem Reisegefährten, aber dieser konnte seinen Blick nicht sogleich wieder von ihr lösen.

    Etwas in diesem ernsten Mädchenantlitz fesselte ihn. Ihre Schönheit allein war es nicht. Er war in seinem fünfunddreißigjährigen Leben schon vielen schönen Frauen begegnet und hatte mancher nahegestanden, aber in diesem Gesicht war etwas, das ihm bekannt erschien und dem er nachgrübeln mußte.

    An wen erinnerte es ihn? Wo hatte er schon diesen eigenartigen Mund gesehen?

    Wie meist in Fällen, wo man einer Ähnlichkeit auf der Spur ist, mußte er immerfort darüber nachdenken. Schließlich wollte er das Grübeln aufgeben und sich in seine Zeitungen vertiefen. Aber gerade, als er danach greifen wollte, wandte ihm die junge Dame langsam ihr Gesicht zu, und ihre Augen trafen die seinen. Nur eine flüchtige Weile ruhten die Blicke ineinander. Aber manches Schicksal ist in einem kurzen Augenblick besiegelt worden.

    Hans Ulrich von Frankenau wollte den Blick dieser dunklen Frauenaugen länger festhalten, aber sie fügten sich seinem Willen nicht und wandten sich wieder ab.

    Sie griff nun nach einem Buch, das vor ihr auf dem Klapptischchen lag, lehnte sich zurück und begann zu lesen. Das behagte ihm nicht, aber nachdem er noch eine Weile versucht hatte sie zu zwingen, ihn noch einmal anzusehen, vertiefte er sich in seine Zeitungen. Sie sah nicht mehr von ihrem Buch auf.

    Er las den politischen Leitartikel, wandte seine Aufmerksamkeit dann dem Feuilleton zu. Aber immer wieder ließ er seine Augen über die Zeitung zu der Fremden hinüberschweifen, versenkte sich in das Studium ihres schönen Gesichts. Da sie die Augen auf das Buch gesenkt hielt, konnte er es tun, ohne aufdringlich zu wirken. Nun betrachtete er die Einzelheiten ihrer Erscheinung.

    Sie hatte eine schlanke und doch kräftige Gestalt, mittelgroß, wie es ihm schien. Ihre Kleidung war schlicht, aber elegant, sie trug ein graumeliertes Jackenkleid von tadellosem Sitz.

    Da sie die Augen gesenkt hielt, lagen die dunklen Wimpern wie kleine Halbmonde auf dem zarten Oval der Wangen. Die feingezeichneten dunklen Brauen ließen die Stirn noch weißer erscheinen.

    Aber das schönste in diesem jungen Gesicht war doch der Mund. Diesen Mund mußte Hans Ulrich von Frankenau immer wieder betrachten.

    Ihre ganze Art war distinguiert und zurückhaltend, die feinen schlanken Hände und die schmalen zierlichen Füße Merkmale einer edlen Rasse.

    Er war nie ein Heiliger gewesen, und in seinem Leben gab es manches interessante Kapitel, das als Überschrift einen Frauennamen trug. Allerdings hatten all diese Namen immer nur den Inhalt eines einzigen Kapitels gebildet. War es zu Ende, so war auch der Name vergessen.

    Während er nun sein schönes Gegenüber immer eingehender betrachtete, wünschte er, daß die junge Dame niemals ein interessantes Kapitel für irgendeinen Mann gewesen sei. Er hatte ein unbestimmtes Verlangen, ihr ritterlich gegenüberzutreten.

    Gerade jetzt hatte Hans Ulrich von Frankenau ein Lebenskapitel hinter sich, in dem auch einmal eine Frau eine Rolle gespielt hatte. Zwei Jahre lang war er ununterbrochen auf Reisen gewesen und hatte viel fesselnde Eindrücke in sich aufgenommen.

    Seine junge Reisegefährtin war nach all der Zeit wieder das erste weibliche Wesen, das einen tiefen Eindruck auf ihn machte. Fast war es ein ähnlich frisches und erregendes Gefühl, wie er es bei seiner ersten schüchternen Jünglingsschwärmerei empfunden hatte. Er hätte beim Anblick des schönen Mädchens erröten können wie ein Primaner.

    Hans Ulrich war im Begriff, in seine Heimat zurückzukehren, nach Frankenau, einem reichen, alten Edelsitz. Seit drei Jahren war er nun der Besitzer, und seine Mutter hatte einstweilen seine Güter verwaltet. Sie war eine kluge, energische und umsichtige Frau, rüstig und tatkräftig, und sie tat es gern.

    So rief sie ihn, als sein Vater starb, nicht gleich nach Hause, sondern sorgte dafür, daß in Frankenau alles in Ordnung blieb.

    Es war immer sein Wunsch gewesen, eine Weltreise zu machen, und als er mit seiner Mutter darüber sprach, redete sie ihm zu, sich diesen Wunsch zu erfüllen.

    Zwei Jahre hatte er sich Urlaub gegeben. Nach Ablauf dieser Frist wollte er Frankenau selbst verwalten. Jetzt war diese Frist verstrichen, und heute wurde er dort erwartet. Seine Mutter hätte es schon vor seiner Abreise gern gesehen, daß er sich verheiratete. Und nun hatte sie ihn in ihrem letzten Schreiben sehr energisch daran gemahnt, daß es für ihn hohe Zeit sei, sich nach einer passenden Lebensgefährtin umzusehen.

    Als Herr von Frankenau hatte er die Pflicht, für einen Erben zu sorgen. Doch konnte er nicht jede beliebige Frau heiraten. Da gab es ein bestimmtes Hausgesetz, das es ihm zur Bedingung machte, nur eine Frau heimzuführen, die auf eine lange Ahnenreihe zurückblicken konnte. Und der Stammbaum der Frankenau reichte bis ins Mittelalter zurück.

    In ihrem Schreiben an ihren Sohn hatte Frau von Frankenau deutlich durchblicken lassen, daß sie bereits eine künftige Herrin ins Auge gefaßt hatte.

    Diese Aussicht ließ Hans Ulrich die Heimkehr nicht allzu erfreulich erscheinen. Gerade, weil ihm in bezug auf die Wahl so enge Grenzen gezogen waren, hatte er immer mit Abneigung an seine künftige Ehe gedacht. Seine Natur war allem Zwang abhold. Aber er war auch vernünftig genug, sich zu sagen, daß man Unabänderliches mit Würde tragen müsse, und so hatte er sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, den Wunsch der Mutter zu erfüllen. Im Augenblick wollte er allerdings nicht daran denken.

    Seine Augen genossen den Anblick seiner schönen Reisegefährtin, und außerdem freute er sich auf das Wiedersehen mit seiner Mutter und seiner jungen Schwester Ursula, die er beide herzlich liebte.

    In Berlin hatte er seinen letzten Aufenthalt gehabt. Nun stand Pfingsten vor der Tür, und die helle, warme Frühlingssonne schien. Wie schön ist da die Welt für junge, lebensfrohe Herzen. Hans Ulrich hätte gern eine Unterhaltung mit der jungen Dame angeknüpft, aber er wußte nicht, ob er es wagen durfte, sie anzusprechen. Sie erschien ihm stolz und reserviert. Doch endlich sollte ihm der Zufall zu Hilfe kommen.

    Der Wind trieb plötzlich winzige Stäubchen durch das Fenster herein. Eines flog der jungen Dame ins Auge, daß sie zusammenzuckte und wie geblendet war.

    Sie drückte das Taschentuch an das schmerzende Auge, und da auch das andere sofort zu tränen begann, war sie im Moment ganz hilflos.

    Hans Ulrich hatte den kleinen Unfall sofort bemerkt. Er beugte sich vor. »Gnädiges Fräulein, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« fragte er.

    »Wenn Sie mir ein wenig Wasser verschaffen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar«, erwiderte sie.

    Er sprang auf, eilte in den nahen Speisewagen, ließ sich ein Glas Wasser geben und ging schnell in sein Abteil zurück, wo er es vor die junge Dame auf das Klapptischchen stellte.

    Sie feuchtete, ihm dankend, ihr Taschentuch an und drückte es auf das schmerzende Auge. Aber der Schmerz ließ nicht nach, weil der Fremdkörper noch darin war.

    »Wollen Sie mir gestatten nachzusehen, ob ich nicht das Stäubchen aus Ihrem Auge entfernen kann«, bat er, als er merkte, daß sie sich vergeblich damit quälte.

    Und ohne erst ihre Erlaubnis abzuwarten, zog er ihre Hand mit dem feuchten Taschentuch herab, beugte sich zu ihr nieder, um ihr Auge zu untersuchen.

    Sie unterließ jeden Einspruch. Sein bestimmtes Wesen und seine ruhige Sicherheit hätten es ihr lächerlich erscheinen lassen, sich zu zieren oder sich spröde seine Hilfe zu verbitten. So hielt sie still, während er sich an ihrem Auge zu schaffen machte. Nach kurzer Zeit hatte er sie, trotz des unruhig schwankenden Wagens, von dem kleinen Quälgeist befreit.

    »So, gnädiges Fräulein, diese schwierige Operation wäre glücklich verlaufen. Wenn Sie nun noch einige Minuten feuchte, kühle Kompressen auf das Auge legen, wird der Schaden schnell behoben sein.«

    Sie dankte ihm mit ruhiger Höflichkeit.

    Er nahm seinen Platz wieder ein. »Es bedarf keines Dankes, gnädiges Fräulein.«

    »Doch, ich war geblendet und hilflos wie ein Kind«, erwiderte sie freundlich.

    »Ich hoffe, Sie nennen es nicht unbescheiden, wenn ich Sie bitte, die Unterhaltung mit mir fortzusetzen, die durch diesen kleinen Zwischenfall in Gang gekommen ist. Selbstverständlich nur, wenn Sie nicht aus Passion zu schweigen gedenken.«

    Ein reizendes Lächeln flog über ihr Gesicht.

    »Den Eingriff höherer Mächte muß ich wohl respektieren. Da ich keineswegs ein Gelöbnis abgelegt habe, zu schweigen, will ich gern in die Fortsetzung unserer Unterhaltung einwilligen, schon, weil Sie mir geholfen haben. Mein Auge schmerzte wirklich sehr.«

    Er sah sie lächelnd an. »Hoffentlich ist der Schmerz nun vorüber. Ich gestatte mir zunächst, mich vorzustellen — Frankenau.«

    Sie neigte leicht das Haupt. Liebenswürdig, aber doch mit Zurückhaltung, ging sie auf das Gespräch ein, und nach wenigen Minuten war eine rege Unterhaltung im Gang. Sie berührte zwar nur Themen, über die man in der guten Gesellschaft plaudert, aber unmerklich bekam das Gespräch dann doch einen tieferen Inhalt.

    Die Gewißheit, daß ihre Begegnung mit dieser Reise ein Ende finden würde, machte beide mitteilsam, waren sie doch sicher, nie mehr zusammenzutreffen. Aber je länger sie einander gegenübersaßen, desto mehr bedauerten sie es, daß sie sich bald aus den Augen verlieren würden.

    Hans Ulrich konnte es sich nicht versagen, zuweilen in die schönen Augen zu sehen. Das Lächeln seines Gegenübers entzückte ihn, und der Klang ihrer dunklen weichen Altstimme schmeichelte sich in sein Ohr. Auch fesselte ihn der wechselnde Ausdruck ihres klugen Gesichts mehr und mehr.

    Nach einiger Zeit ließ sie das Tuch von dem verletzten Auge sinken und schob das Glas, aus dem sie das Tuch ab und zu angefeuchtet hatte, zurück.

    »Sind die Schmerzen nun ganz vorüber?« erkundigte er sich teilnahmevoll.

    Sie lächelte. »Ja, gottlob! Der Schaden ist geheilt, dank Ihrer Hilfe.«

    »Es wäre ja auch jammerschade gewesen um diese schönen Augen«, sagte er schmeichelnd.

    Daß er mit dieser Bemerkung über die Grenze des Erlaubten gegangen war, wußte er sehr wohl. Aber er hatte ein Verlangen, das ungestörte Beisammensein mit der anziehenden Fremden auszunutzen. Er gehörte zu jenen Männern, die von Frauen verwöhnt werden und deshalb jede Frau für besiegbar halten.

    Aber trotz seiner liebenswürdigen Art zeigte sie sich sofort ablehnend.

    »Sollen wir die Unterhaltung beenden?« fragte sie, ohne Schärfe zwar, aber ihn deutlich in seine Grenzen verweisend.

    »Ich wäre untröstlich, gnädiges Fräulein, wenn Sie es tun würden. Verzeihen Sie mir — ich wollte nichts als eine Tatsache feststellen.«

    »Unsere Unterhaltung soll ganz unpersönlich bleiben, nicht wahr? Sie wollen gewiß nicht, daß ich sie bereuen muß.«

    »Aber nein, ganz gewiß nicht. Bitte, zürnen Sie mir nicht!«

    »Ich möchte nicht, daß es soweit kommt. Deshalb halte ich mich an bestimmte Grenzen. Lassen Sie uns plaudern wie zwei Menschen, die sich einige langweilige Stunden verkürzen, sind wir doch nichts als zufällige Reisegefährten. Damit scheidet wohl jede persönliche Note aus.«

    »Ich bitte nochmals, gnädiges Fräulein, mir zu verzeihen.«

    Sie lächelte nun wieder ein wenig.

    »Es ist bereits geschehen. Denken wir nicht mehr daran. Meine Schroffheit darf Sie nicht befremden. Ich bin gezwungen, allein zu reisen. Wenn Sie mir nicht einen vertrauenerweckenden Eindruck gemacht hätten, wäre es schwerlich zu einer Unterhaltung gekommen — trotz des Eingriffs höherer Mächte. Ich traue Ihnen unbedingte Ritterlichkeit zu und nehme an, daß es keines Wortes mehr bedarf, um Sie zu erinnern, daß ich ohne Schutz reise.«

    »Ich wäre untröstlich, wenn Sie Ihre gute Meinung von mir, für die ich Ihnen danke, korrigieren müßten. Ich werde Ihnen keinen Anlaß mehr geben, mir zu zürnen.«

    Sie plauderten nun wieder ganz friedlich und »ohne persönliche Note«, wie die junge Dame es gewünscht hatte.

    Hans Ulrich gefiel ihr sehr. Trotz seines kleinen Ausfalls auf persönliches Gebiet, hielt sie ihn doch für einen Mann, der einer Dame nie zu nahetreten würde, wenn sie ihn nicht selbst dazu ermutigte. Daß sie das nicht tat, wußte er nun.

    Sie sah voll Interesse in sein Gesicht. Es gehörte zu denen, die man nicht so leicht vergißt.

    Um seinen schmallippigen, ausdrucksvollen Mund spielte zuweilen ein sarkastisches Lächeln, von der Nase zu den Mundwinkeln lief ein Zug einer leichten Übersättigung, wenn seine Augen diesen Zug nicht Lügen gestraft hätten. Diese Augen hatten etwas fast Sehnsüchtiges. So blicken Menschen, denen das Leben das Beste schuldig geblieben ist — die Erfüllung ihrer Ideale.

    Seine sicheren Bewegungen verrieten eine gute Kinderstube, die ganze Erscheinung hatte etwas Aristokratisches im besten Sinn des Wortes.

    Im Lauf der Unterhaltung verriet Hans Ulrich, daß er von einer Weltreise zurückkehrte, auch sie hatte schon ein gutes Stück Welt kennengelernt. So konnten sie über manchen Ort ihre Meinungen austauschen.

    Jedenfalls tat es ihm leid, daß er sich seinem Reiseziel näherte. Er hätte diese Stunden festhalten mögen, denn sie erschienen ihm so köstlich wie wenige, die er erlebt hatte.

    Als sich der Zug einer mittelgroßen Provinzstadt näherte und schon deren Türme sichtbar wurden, erhob er sich mit einem tiefen Seufzer und nahm seine Tasche aus dem Gepäcknetz.

    »Leider — leider muß ich nun auf eine

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