Parker stellt den "Grauen Frosch": Butler Parker 256 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Die lange Liste der Einkäufe, die Josuah Parker im Auftrag seiner Herrin getätigt hatte, war fast abgehakt. Jetzt stand nur noch ein Abstecher zu Alfred Coneys Delikatessengeschäft auf dem Programm. Der Laden lag etwas abseits an der Barnet Grove in Bethnal Green, so daß der Butler nur gelegentlich dorthin kam. Trotzdem fiel ihm schon von weitem auf, daß heute etwas anders war. Auf dem Gehweg vor dem Geschäft standen rund ein Dutzend Mopeds, und während Parker nach einem Abstellplatz für sein hochbeiniges Monstrum Ausschau hielt, quoll unvermittelt ein ganzer Pulk junger Burschen aus der Ladentür. Alle waren mit abgeschabten Jeansanzügen bekleidet und hatten sogenannte Matchbeutel geschultert. Im Nu schwangen sie sich auf ihre fahrbaren Untersätze und brausten davon – jeder in eine andere Richtung. Sekunden später war auch der letzte von ihnen in einer der kleinen Seitenstraßen verschwunden. Würdevoll und gemessen entstieg der Butler seinem eckigen Gefährt und überquerte die Straße. Parker war ein Mann von schwer zu bestimmendem Alter, dessen glattes Gesicht nur selten Reflexe einer Gefühlsbewegung zeigte. Er war von eher durchschnittlicher Statur und trug gewöhnlich einen schwarzen Zweireiher von herkömmlichem Schnitt. Der schwarze Bowler auf dem leicht ergrauten Haupt und der altväterlich gebundene Regenschirm am angewinkelten Unterarm rundeten seine stets etwas steif wirkende Erscheinung ab. Hinzu kamen ungemein gepflegte Umgangsformen und eine schier unerschütterliche Höflichkeit. Josuah Parker stellte das Urbild eines hochherrschaftlichen britischen Butlers dar, wie man ihn auch in London nicht mehr häufig antraf, höchstens in Filmen und im Fernsehen. Aufmerksam registrierte er, wie drei Kundinnen gleichzeitig durch die enge Ladentür ins Freie drängten. Auf der Eingangsstufe blieb das Trio stehen, schaute in alle Richtungen und schüttelte die Köpfe. »Die sind natürlich längst über alle Berge, Mister Coney«, rief eine der wohlgenährten Damen in den Laden hinein. Sekunden später tauchte das schmale Gesicht des etwa fünfzigjährigen Geschäftsinhabers in der Türöffnung auf. »Man erlaubt sich, einen möglichst angenehmen Tag zu wünschen, Mister Coney«
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Parker stellt den "Grauen Frosch" - Günter Dönges
Butler Parker
– 256 –
Parker stellt den Grauen Frosch
Günter Dönges
Die lange Liste der Einkäufe, die Josuah Parker im Auftrag seiner Herrin getätigt hatte, war fast abgehakt. Jetzt stand nur noch ein Abstecher zu Alfred Coneys Delikatessengeschäft auf dem Programm.
Der Laden lag etwas abseits an der Barnet Grove in Bethnal Green, so daß der Butler nur gelegentlich dorthin kam. Trotzdem fiel ihm schon von weitem auf, daß heute etwas anders war.
Auf dem Gehweg vor dem Geschäft standen rund ein Dutzend Mopeds, und während Parker nach einem Abstellplatz für sein hochbeiniges Monstrum Ausschau hielt, quoll unvermittelt ein ganzer Pulk junger Burschen aus der Ladentür.
Alle waren mit abgeschabten Jeansanzügen bekleidet und hatten sogenannte Matchbeutel geschultert. Im Nu schwangen sie sich auf ihre fahrbaren Untersätze und brausten davon – jeder in eine andere Richtung. Sekunden später war auch der letzte von ihnen in einer der kleinen Seitenstraßen verschwunden.
Würdevoll und gemessen entstieg der Butler seinem eckigen Gefährt und überquerte die Straße.
Parker war ein Mann von schwer zu bestimmendem Alter, dessen glattes Gesicht nur selten Reflexe einer Gefühlsbewegung zeigte. Er war von eher durchschnittlicher Statur und trug gewöhnlich einen schwarzen Zweireiher von herkömmlichem Schnitt.
Der schwarze Bowler auf dem leicht ergrauten Haupt und der altväterlich gebundene Regenschirm am angewinkelten Unterarm rundeten seine stets etwas steif wirkende Erscheinung ab. Hinzu kamen ungemein gepflegte Umgangsformen und eine schier unerschütterliche Höflichkeit.
Josuah Parker stellte das Urbild eines hochherrschaftlichen britischen Butlers dar, wie man ihn auch in London nicht mehr häufig antraf, höchstens in Filmen und im Fernsehen.
Aufmerksam registrierte er, wie drei Kundinnen gleichzeitig durch die enge Ladentür ins Freie drängten. Auf der Eingangsstufe blieb das Trio stehen, schaute in alle Richtungen und schüttelte die Köpfe.
»Die sind natürlich längst über alle Berge, Mister Coney«, rief eine der wohlgenährten Damen in den Laden hinein.
Sekunden später tauchte das schmale Gesicht des etwa fünfzigjährigen Geschäftsinhabers in der Türöffnung auf.
»Man erlaubt sich, einen möglichst angenehmen Tag zu wünschen, Mister Coney«, sagte der Butler Und lüftete höflich den Bowler.
»Danke, Mister Parker. Aber das hätten Sie mir früher wünschen sollen«, entgegnete Coney und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er machte einen nervösen und zugleich wütenden Eindruck.
»Man geht vermutlich recht in der Annahme, daß Ihnen Ungelegenheiten bereitet wurden, Mister Coney?« erkundigte sich Parker beim Eintreten.
»Kann man wohl sagen«, bestätigte der Delikatessenhändler. »Eine Unverschämtheit ist das!«
»Darf man erfahren, was Sie damit konkret zu meinen geruhen, Mister Coney?« hakte der Butler interessiert nach. Er hatte sich bereits im Laden umgeblickt, ohne irgendwelche Hinweise entdecken zu können, wodurch die jugendlichen Mopedfahrer den sonst so ruhigen Geschäftsmann in Rage gebracht hatten. Denn daß es um die jungen Leute ging, die mit Sicherheit nicht zu seiner Stammkundschaft zählten, war eindeutig.
»Haben Sie die Burschen in den Jeansanzügen gesehen, die eben mit den Mopeds davongebraust sind, Mister Parker?« vergewisserte sich Coney.
»Meine Wenigkeit zählte genau zwölf sogenannte Halbstarke, Mister Coney«, antwortete Parker. »Sofern man nicht sehr irrt, war kaum einer der jungen Leute älter als sechzehn Jahre.«
»Stimmt. Es waren lauter junge Burschen, fast noch Kinder«, nickte der Delikatessenhändler. »Umso mehr wundert mich die Dreistigkeit, mit der sie vorgingen.«
»Vermutet man unter Umständen recht, daß Sie beraubt wurden, Mister Coney?« wollte der Butler endlich zum Kern der Sache vorstoßen.
»Ob das Raub oder Diebstahl war, müssen die Juristen entscheiden«, teilte der Ladeninhaber mit. »Sie gingen einfach an die Regale, stopften ihre Matchbeutel voll und marschierten wieder raus.«
»Kann und muß man Ihre Äußerung so verstehen, daß niemand es wagte, die Jugendlichen von ihrem Tun abzuhalten?« fragte Parker.
»Wer denn? Außer mir waren doch nur ein paar Frauen im Laden«, gab Coney mit hilfloser Miene zurück. »Ich wollte mich den Burschen an der Kasse in den Weg stellen, aber sie schoben mich einfach beiseite.«
»Die Polizei wird in fünf Minuten hier sein, Mister Coney«, meldete in diesem Augenblick eine junge Verkäuferin, die nebenan telefoniert hatte.
»Danke, Miß Henderson«, sagte der Geschäftsinhaber. »Nur wird uns das nichts mehr nützen.«
»Wenn die Polizei die Burschen ausfindig machen will, ist das genauso, als würde sie Stecknadeln in einem Heuhaufen suchen«, pflichtete eine der Kundinnen, die inzwischen in den Laden zurückgekehrt waren, Coney bei.
»Ganz schön raffiniert, diese kleinen Gangster«, setzte die zweite hinzu. »Kommen aus allen Himmelsrichtungen und flüchten in alle Himmelsrichtungen. Wie soll man sie da fassen?«
»Darf man Ihren Worten entnehmen, daß Sie Gelegenheit hatten, die Ankunft der Bande zu beobachten, Madam?« wandte sich Parker an die Frau.
»Ich war gerade hereingekommen und hatte die Tür hinter mir zugemacht«, wußte die Zeugin zu berichten. »Da kamen Mopeds von links, von rechts und aus der Querstraße gegenüber. Innerhalb von Sekunden war der ganze Bürgersteig voll.«
»Eine Beobachtung, die den Schluß nahelegt, daß das geschilderte Manöver sorgfältig trainiert und geplant wurde«, bemerkte der Butler und wandte sich wieder Coney zu. »Darf man unter Umständen erfahren, was die jungen Leute entwendet haben?«
»Genau haben wir’s natürlich noch nicht aufgenommen, Mister Parker«, erwiderte der Delikatessenhändler. »Aber sie haben ihre Matchbeutel mit allem vollgepackt, was gut und teuer ist: Mehrere Flaschen Champagner, einen ganzen Parmaschinken, Kaviar ...«
»Ist Ihr Laden nicht vor längerer Zeit schon mal von so einer Bande überfallen worden, Mister Coney?« meldete sich in diesem Augenblick die dritte Kundin zu Wort.
»Stimmt«, gestand Coney nach kurzem Zögern. »Aber das ist bald drei Jahre her.«
»Demnach dürfte es sich wohl kaum um die nämlichen Täter gehandelt haben, Mister Coney«, mutmaßte Parker.
»Nein, nein, es waren andere«, antwortete der Geschäftsmann, dem das Thema irgendwie unbehaglich zu sein schien. »Aber der Überfall ist auch nie aufgeklärt worden.«
Der Butler wollte gerade die nächste Frage nachschieben, als draußen die Streifenwagen der Polizei vorfuhren. Als hätte ihre Eile jetzt noch einen Sinn, sprangen die Beamten aus den Fahrzeugen und kamen im Laufschritt näher.
»Bitte, entschuldigen Sie mich«, sagte Coney mit einer angedeuteten Verbeugung und ging den staatlichen Ordnungshütern entgegen.
Während die Bobbies nach dem Hergang des Geschehens fragten und die Namen von Zeugen notierten, ließ Parker sich von der jungen Verkäuferin eine Auswahl exotischer Früchte zusammenstellen, zahlte und steuerte dann gemessen und würdevoll zum Ausgang.
»Und Sie waren nicht im Laden, als der Überfall geschah?« sprach einer der Beamten ihn an.
»Meine Wenigkeit bedauert aufrichtig, Ihre Frage mit einem klaren Nein beantworten zu müssen«, erwiderte der Butler und lüftete im Hinausgehen andeutungsweise die schwarze Melone.
*
Josuah Parker wurde ungeduldig erwartet.
»Wo haben Sie denn so lange gesteckt, Mister Parker?« erkundigte sich Agatha Simpson mürrisch. »Wir haben schon Teezeit.«
»Man bittet um Nachsicht und wird umgehend den Tee servieren, Mylady«, antwortete der Butler und verneigte sich andeutungsweise. Anschließend ging er steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, in die im Souterrain