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Blütenteppich: Recht
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eBook166 Seiten2 Stunden

Blütenteppich: Recht

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Über dieses E-Book

Frisch verheirateter, schwerreicher Kunstsammler verschenkt mehrere Millionen teures Bild an Assistentin!
Lesen Sie, warum der Geliebte der Assistentin ein Unglück darin sieht, was der Millionär mit dem Geschenk erreichen will und wie eine kleine Serviererin aus dem Osten sämtliche Pläne aller Beteiligten zerstört.
Der zweite Teil "Recht" erzählt, wie Carlos sich der Wahrheit annähert und diese durchaus unangenehm für ihn ist, warum das vermisste Bild nicht mehr ausgestellt werden darf und wer größtes Interesse daran hat, es dennoch zu zerstören.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum10. Dez. 2019
ISBN9783750212206
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    Buchvorschau

    Blütenteppich - Reinmund Anton Frommer

    SCHMERZGRENZE

    Als Busch am nächsten Morgen unter dem Lärm der Müllabfuhr die Augen öffnet, schaut er in die Mündung einer Pistole.

    Wenn wir nicht nur dieses Leben, sondern auch alle folgenden zusammenbleiben wollen, müssen wir gemeinsam diesen Wunsch in den Himmel schicken.

    Ja, er weiß es! Sie haben ihren Bund immer noch nicht geschlossen! Müde fällt sein Gesicht zurück in die Falten des Mantels, ertasten die Fingerkuppen einen Dielenboden. Das Holz fühlt sich kalt und staubig an, die Nase ist erfüllt von der Appretur der Reinigung. Hat man ihn vielleicht verschleppt?

    Busch hebt erneut den Kopf, schaut über das Metall hinaus in ein leeres Zimmer mit zerfetzten Tapeten. Aber nein - die Erinnerung kommt wieder. Vorsichtig tippt er die Mündung am Korn an, dreht den Pistolenlauf Richtung Tür. Es ist die eigene Waffe, die dort vor ihm liegt. Er atmet auf.

    Busch dämmert einem neuen Tag, einem möglichen Plan, wie er Jiska zurückerobern und Jäger Geld für eine neue Bar entlocken könnte, entgegen - in der leeren Wohnung im zweiten Stock, gegenüber der von Fräulein Meyer. Sie war es auch gewesen, die ihn gestern Abend eingelassen hatte. Oder vielmehr, Busch war ihr heimlich gefolgt, nachdem er vergeblich mehrmals die Klingel der eigenen Wohnung betätigt hatte. In ihrer panischen Angst vor einem nächtlichen Überfall bemerkte Fräulein Meyer ihn nicht einmal.

    Er dreht sich behutsam auf den Rücken, lauscht, ob sich in der Wohnung über ihm etwas bewegt.

    Nichts. Alles ist still. Totenstill. Genau wie in der Nacht.

    War Jiska überhaupt zu Hause gewesen?

    Busch quält sich hoch, tastet die Wange ab, in der ein Knopf sein Muster hinterlassen hat. Dann wankt er zum Fenster, schaut hinunter auf die Straße, die Stirn gegen die kühle Scheibe gepresst. Nach der Nacht auf dem Parkett fühlt er sich wie gerädert. Abermals sticht es im Rücken, der Mund ist völlig ausgetrocknet, die Luft in der Wohnung muffig und abgestanden. Doch er traut sich nicht, ein Fenster zu öffnen, will nicht die falsche Frau auf sich aufmerksam machen. Von oben sieht Busch zu, wie Passanten im Morgengrauen zur Arbeit hetzen, beneidet sie um ihr Ziel, ihre klaren Vorgaben. Er hingegen kann nichts vorweisen, gar nichts.

    Wie stellst du dir denn nun deine berufliche Zukunft vor?

    Was für eine dämliche Frage. Jiska kennt die Antwort, ganz genau. Indem Busch abdrehen will, entdeckt er auf dem Balkon nebenan einen kleinen Vogel, der schon fleißig unterwegs ist. Sein Terrain ist begrenzt. Gegebenenfalls würde ein Stuhl oder eine Zimmerpflanze hier Platz finden. Dennoch scheint der morgendliche Racker, der so groß ist wie ein Spatz, aber keiner ist – so viel erkennt Busch immerhin – irgendwo oberhalb des Fensters ein Nest zu bauen. Er versucht es zumindest. Über sämtliche Fliesen des Balkonbodens liegen Teile von Moos, Grashalme und andere Elemente eines Vogelnestes verstreut. Wie besessen fliegt der kleine Schwerstarbeiter von der Brüstung zum Boden, sammelt mit dem Schnabel seine Bauteile ein, um sie nach oben zu transportieren. Busch glaubt Enttäuschung, ja Frust im Angesicht des Vogels zu erkennen, als er das nächste Mal auf dem Boden landet. Der Wichtigtuer wendet den Kopf hektisch hin und her, zerrt das Moos mit der Schnabelspitze auseinander. Fatalerweise macht der nächste Windstoß sein frisch geknüpftes Werk wieder zunichte, wird der wirre Haufen am Boden mit jedem Frühjahrshauch größer. Aber warum ist Busch sich so sicher, dass das ein Männchen ist?

    Mich würde es verrückt machen, den ganzen Tag zu Hause zu sitzen.

    Entschlossen packt er die Pistole zurück in den Mantel, taumelt schlaftrunken ins Bad, schöpft neue Hoffnung, als das Wasser wider Erwarten läuft. Das kalte Nass auf Stirn und Wangen bringt Busch in Schwung, weckt die erstarrten Lebensgeister. Auf Zunge und Zahnfleisch allerdings klebt die Patina vergangener Tage. Wieder und wieder spült er den Mund mit kaltem Wasser aus, der unangenehme Geschmack aber bleibt. Busch wird sich um seine Mundhygiene kümmern müssen, bevor er Jiska begegnet oder zu Jäger geht. Ihm fällt sein Zahnarzt ein. Dort stehen Zahnpasta und Bürste zur freien Benutzung in der Toilette bereit.

    Man muss nur seinen Kopf anstrengen, und schon findet sich eine Idee! In der Euphorie dieses Geistesblitzes, dem wieder erstarkten Trieb kreativer Gedanken, der zu DDR-Zeiten Lücken und Hindernisse überwinden half, reißt sich Busch das Unterhemd vom Leib und beginnt Brust, Hals und Achseln mit kaltem Wasser zu waschen. Er zittert vor Kälte, doch er genießt die Reinigung.

    Es wird alles gut werden, Jiska und er ein Paar bleiben, schwört er sich ein. Er wird einen Weg finden zu zeigen, wie ernst es ihm mit ihr und einer neuen Bar in Berlin ist. Dann wird sie sich überzeugen lassen. Schließlich liebt sie ihn.

    Ja, das habe ich gesagt. Und dazu stehe ich.

    Jiska hatte Buschs Entschluss, das Beisel aufzugeben, erstaunlich gelassen hingenommen. Ausgerechnet von ihr hatte er mehr Widerstand, mehr Kampfesgeist erwartet - bei der Energie, die sie zuvor in seine Eröffnung gesteckt hatte. Offensichtlich genoss sie sogar die ersten Wochen, da sie am Abend zu Hause erwartet wurde, er den Haushalt zu führen sich bemühte und auch sonst alles tat, um Funkenschlag zu vermeiden. Fehlte nur noch, dass Carlos sich eine Kittelschürze von Jäger übergestreift hätte. Soweit kam es aber nicht. Als es um den nächsten Urlaub ging, war der Burgfrieden dahin.

    Zwar erfreue sie die Aussicht, ein paar freie Tage mit ihm verbringen zu können. Gleichzeitig hob Jiska aber hervor, dass sie leider in der Auswahl beschränkt wären, weil Busch ja momentan kein Einkommen erziele. So könnten sie maximal campen oder in eine Jugendherberge fahren, behauptete sie allen Ernstes mit spitzem Mund.

    Busch schluckte. Er wusste zu genau, dass weder Zelt noch Doppelstockbett für seine Freundin je in Frage kämen. Selbst ein Ferienhaus lockt sie nicht, weil Jiska sich im Urlaub nicht mit Alltäglichkeiten wie Einkaufen oder Kochen abgeben will. Während der drei Jahre, die sie sich nun kennen, sind sie einmal gemeinsam in den Urlaub gefahren, fuhren sie von Berlin aus zusammen an die Ostsee. Danach hatte die Arbeit Vorrang gehabt, für beide. Sehnsüchtig denkt Busch zurück an die glücklichen Tage. Jiska kuschelte sich im Strandkorb an ihn, als der Wind in Ankündigung des Herbstes über die Küste blies. Und in der Dämmerung schoben sie einen zweiten Strandkorb hinzu, liebten sie sich in dessen Schutz am Strand.

    Busch hält Ausschau nach einem trockenen Tuch. Leider schuldet er dem Zahnarzt noch zweihundert Euro. Fürwahr ein zu hoher Preis für einmal Zähneputzen. Seufzend angelt er ein altes Küchentuch aus der verstaubten Badewanne und tupft sich behutsam damit ab.

    Nein, Jiska ist ihm keineswegs untreu geworden. Sandra muss sich getäuscht haben, und das Püppchen ebenso. Das Tuch ist hart wie ein Brett. Wütend wirft er den stinkenden Lappen auf den Boden. Bestimmt hat seine Freundin ihn in der Nacht gesucht und war deshalb nicht nach Hause gekommen. Oder sie ist erst am Abend in die Schweiz gefahren. Immerhin erhält Busch so eine zweite Chance, aus ihrem Chef die Wahrheit herauszuholen, könnte er herausfinden, warum Jäger Jiska das Bild geschenkt hat, ohne Vorbehalt. Er weiß zwar immer noch nicht, weshalb der Kunstmäzen es verraten sollte, aber wo ein Wille ist, ist schließlich auch ein Weg. Busch packt die Pistole zurück in die Manteltasche.

    Nach der verkürzten Urlaubsdebatte hatte Jiska augenblicklich das Thema gewechselt. Da er sich beharrlich weigere, als Lehrer zu arbeiten, so führte sie nun aus, habe sie sich einmal erkundigt, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssten, um als Sicherheitsfachkraft arbeiten zu können. Immerhin würden in dieser Branche beständig Mitarbeiter gesucht.

    Busch atmete tief durch, bevor er bissig entgegnete, wer in einer Demokratie Sicherheitsbeamte bräuchte, müsse etwas zu verbergen haben. Als Jiska nicht reagierte, verstieg er sich in die Behauptung, jegliche Anwesenheit von Sicherheitspersonal fordere irgendwann eine Regelübertretung heraus, so wie eine Zielscheibe nach einem Einschuss verlange.

    Für den Rest der Gesellschaft möge er sogar Recht haben, erwiderte seine Freundin gelassen. In einem Museum indes würden andere Gesetze herrschen. Er könne sich gar nicht vorstellen, auf was für verrückte Ideen Besucher kämen und welche Fragen sie stellten. Ein Museum wecke gewissermaßen in allen Beteiligten eine kreative Ader, bestimmt auch seine. Sie lächelte geheimnisvoll, kam näher, schob keck ihre Zunge zwischen seine Lippen. Er ahnte, dass sie jeden weiteren Widerspruch im Keim zu ersticken suchte - sanft und entschieden, wie es ihre Art war, und erfolgreich. Denn als sie mit der ganzen Wahrheit herausrückte, wusste er nichts mehr entgegenzusetzen.

    Busch möge, selbstverständlich nur so lange, bis er etwas Besseres gefunden habe, seine Aufmerksamkeit dem Schutz von Jägers Sammlung widmen, schlug sie vor.

    Ja, er hatte keine Lust auf diesen Job gehabt. Aber was sollte er machen? Zuhause sitzen?

    Drei Monate habe Jiska ihn so ertragen. Länger wolle sie nicht mehr, hatte sie gesagt, ihre Geduld sei am Ende. Er habe genug gejammert, über KGB und Schweinesystem.

    Und so fügte er sich und bewachte fortan Jägers Kunststücke.

    Busch promeniert durch die Allee, unter dem Arm eine Tüte, darin zwei belegte Brötchen vom Bäcker. In der Manteltasche rangeln Pistole und Reiseset aus der Drogerie um den besten Platz an seiner Brust. Er fühlt sich für den Tag präpariert, summt Bens Hymne an Jiska leise vor sich hin. Zunächst will er herausfinden, ob, und wenn ja wann, seine Freundin heute zur Visite im Museum erscheint, um währenddessen ihren Arbeitgeber in der Villa aufzusuchen. Zudem wird er sich in der Gästetoilette die Zähne putzen und einen Kaffee mit den ehemaligen Kollegen trinken, sofern...

    Oh, schickt die Regimentskommandeurin heute ihren Stellvertreter?

    Der morgendliche Besucher, noch an der untersten Stufe des Aufgangs, zuckt zusammen. Ausgerechnet Hoffmann hält Wacht an vorderster Front! Er hätte es wissen müssen. Der linke Fuß zögert, den Aufstieg zu beginnen. Alle Aufsichten nennen ihren Vorgesetzten nur den Major, weil er einstmals als Berufssoldat bei der NVA gedient hat. Er war auch derjenige, der das Hausverbot ausgesprochen hat.

    Ach, was soll’s! Busch hat nichts mehr zu verlieren. Zum Glück ist ihm Hoffmanns eigenwilliger Humor einstmals schon beim Vater begegnet. Es ist der Esprit ostdeutscher Wendeverlierer, die mit Vorliebe die Schmerzgrenzen ihrer Adressaten schrammen - im Versuch, das Gefühl der Niederlage in Zynismus zu ertränken. Busch kann die Reaktion nachvollziehen. „Ich hatte erwartet, dass alle Bediensteten einen militärischen Kurzhaarschnitt vorweisen und die Füße an den Linien des Parketts ausgerichtet sind!"

    Verdutzt schaut ihn der Major an. Der Besucher weist auf die schwarzen Sportschuhe, dann auf die graue Mähne, welche - von hinten nach vorn gezogen und mit einem Gel in Form gebracht - mehr einem Schutzhelm als natürlichem Haupthaar gleicht. Die Ähnlichkeit mit einem amerikanischen Schreckgespenst stört Hoffmann dabei nicht. Angesprochen darauf, behauptet er stets, Altkommunisten und Neumilliardäre seien wie Zwillingsbrüder in verschiedenen Kleidern. Deshalb würden sie ja auch so gern Geschäfte miteinander machen. Nach dem ersten Schock entspannt sich das von roten Äderchen durchzogene Gesicht: Paraden auf Augenhöhe - die habe ich hier wirklich vermisst.

    Buschs zum Gruß entgegengestreckte Hand verschwindet zwischen zwei Pranken, der Arm wird durchgeschüttelt. Schön, dich wiederzusehen.

    Der Gast ist überrascht von Hoffmanns herzlichem Empfang. Das hatte er nicht erwartet - nach seinem überstürzten Abgang vor wenigen Wochen, der den ehemaligen Vorgesetzten in Schwierigkeiten gebracht haben dürfte. Wie läuft es denn ...so ohne mich?, stottert Busch unbeholfen.

    Hoffmanns Augenpaar pendelt derweil ruhelos zwischen ihm und einer beistehenden Seniorengruppe, die auf den Beginn ihrer Führung wartet. Der Major gehört zu den wenigen Mitarbeitern, denen die Sicherheit des Hauses über alles geht. Deshalb schätzt Jiska ihn auch, trotz aller sonstigen Differenzen. Es ist keineswegs besser geworden, seitdem du weg bist, flüstert er. Eher schlechter.

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