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Einsitzschwimmer
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eBook309 Seiten3 Stunden

Einsitzschwimmer

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Über dieses E-Book

›Einsitzschwimmer‹
Ein Unterhaltungsroman, schräg und "Schisskojenno".

Nils ist ein prächtig tätowierter Traumtänzer. Wenig erfolgreich als Texter und Besitzer eines Schallplattenladens, steckt der 26-Jährige in einer hoffnungslosen finanziellen Misere. Zu dem führen seine Tattoos ein kurioses Eigenleben und mischen sich ständig in sein Leben ein. Im denkbar ungünstigsten Moment kreuzt die ungezogene Catherine seinen Weg. Unfreiwillig macht er auch noch die Bekanntschaft ihrer herrschsüchtigen Oma. Gemeinsam unternehmen sie eine bizarre Reise nach Spanien, wohin den leidenschaftlichen Vinyl-Sammler die teuerste Schallplatte der Welt lockt ...

Und was bitte schön ist denn nun ein Einsitzschwimmer? Und Schisskojenno?

Diese skurrile, amüsante ›On the Road-Story‹ erzählt von Freundschaft und Hassliebe in einem turbulenten Generationenkonflikt. Sie bildet den Auftakt für weitere Erzählungen rund um ein bizarres Team.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Aug. 2015
ISBN9783738035681
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    Buchvorschau

    Einsitzschwimmer - Sabine Höntzsch

    Der Anfang vom Ende?

    Drache, Koi, Betty Page & ich

    »Everything must go! Packen wir es!« Ich knete und würge das klebrige schwarze Lenkrad. Die Hitze scheint es aufzulösen. »Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen«, fasele ich und streichle den schwitzenden Koi, der Schulter und Oberarm umschlingt. Die roten Schuppen verschmelzen mit den blauen des Drachen. Entschlossen kriecht das Reptil die Haut hinunter zu meiner Hand. »Jetzt keine Zweifel aufkeimen lassen!« Zur Abwechslung kraule ich das halbnackte Pin-up auf meinem anderen Arm, gezwungen meine Zuneigung einigermaßen gerecht zu verteilen. Ich beschleunige.

    »Du hast dich entschieden, bist perfekt vorbereitet, also sei kein Gogo-Girl!«, ermahne ich den lässigen Typen mit dem zerzausten braunen Haar am Steuer des gammligen Mazda. »Die Zeit des einzigartigen Nils Löwenberg ist angebrochen. Meine Zeit! Wem schade ich schon? Wir spazieren rein und gleich wieder raus!« Nochmals tätschele ich die farbenfrohen Tätowierungen. ›Die Bestgestochenen der Welt‹ versuchen täglich, mein eingefleischtes Singledasein zu kontrollieren. Ernsthaft, sie quasseln, toben ... just in diesem Moment wünschte ich, sie wären stinknormale Tattoos.

    Ein Schmetterling segelt, nimmt Platz auf meiner Windschutzscheibe. Ich beschleunige nochmals. Die Flügel wehen. Abbremsen, beschleunigen, abbremsen. Er wiegt im Fahrtwind, balanciert und rutscht in Zeitlupentempo, gaanz gaaanz langsam. Patsch! »Weg.«

    »Schade Nils, ich mag Schmetterlinge. Die kitzeln den Gaumen. Schmecken schön pelzig«, schmollt der Koi. »Ja, im Abgang und die Flügel eignen sich hervorragend zur Zahnpflege!«, schmatzt der schillernde Drache. Er kratzt das geschuppte Kinn.

    »Keine Diskussion! Ihr seid Tattoos. Koikarpfen, Flugdrache, rot und blau. Übrigens, Falterflügel zerfallen zu Staub, wenn ihr sie berührt. Haltet die Klappe!«

    »Puh - Dickkopf! Wir schmücken deine Haut, ist das ein Grund uns zu beschimpfen?« »Schmetterlinge - absolute Feinkost! Ich verplempere mein Pfauen-Tattoo-Sein an Nils Wade, schlechte Position um einen zu erwischen«, brüllt der Gefiederte aus dem Fußraum.

    »Schluss! Ich brauche Ruhe, muss mich sammeln. Fehlt nur, dass auch die Sonne auf meinem Rücken über Insekten referiert.« »Wieso sprichst du zu deinen Tattoos, wenn wir leblos sind? Bist du vielleicht plemplem?« »Es reicht, Miss Page! Pin-ups, liebste Betty, befriedigen in der Regel einen einzigen Zweck - sexy ausschauen. Das ist wirklich alles, was ich von dir erwarte! Danke!«

    »Gut, wie du magst, sprechen wir über Erwartungshaltungen. Nils, wie alt bist du? 26, präzise? Schlaue begehrenswerte Typen horten mit 30 die erste Million auf ihrem Konto. Du hingegen gefällst dir in der armseligen Rolle des Vinyl-Junkies? Ja, Junkie! Schallplatten sammeln ist das eine, sie im Laden zu verkaufen das andere. Ich erinnere mich nicht, wann zuletzt ein Kunde die Bude betreten hat!« »Mein Drachenhirn besinnt sich sehr wohl! Der roch streng – beißt noch heute in meinen Nüstern. Gekauft hat er nix!«

    »Das Texten für die blöde Agentur bringt ebenfalls zu wenig Geld ein!«, nörgelt Betty. »Bin ich schuld, dass die nur Freiberufler beschäftigen? Außerdem muss ich Prioritäten setzen!« »Deine Prioritäten kennen wir. Du konzentrierst dich auf Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Betrug und Korruption. Der letzte Held unserer Tage! Der, der die Welt rettet?«, zweifelt der Karpfen. »Ich bin nicht der Einzige. Immer mehr Folks empören sich. Wir leben unsere Vision!«

    Von Geld & Frauen

    Ich komme dem Ziel näher. Nervous? Ein Klitzekleines bisschen. Ist mein erstes Mal. Ich habe lange geplant, damit nix schief läuft, biege in die nächste Gasse, parke hinter einem verschlafenen, staubigen Kleinlaster aus den 70er Jahren. Alles im Griff - ich schlendere. Nils, die fleischgewordene Gelassenheit. Meine Schritte sind schwer, ebenso meine Lungenbläschen. Träge flippern sie gegeneinander, füllen sich erneut mit Leben. Dorfmuff und die sengende Hitze erschweren das Atmen.

    »Guten Tach«, krächzt es. Mein linkes mit Schweißperlen verstopftes Ohr wird freigesprudelt. Ich zucke zusammen, greife an den Gürtel. Kein Colt! Ich bin unbewaffnet, wehrlos. Vorsichtig wende ich mich dem heiseren Stimmchen zu. Ein greises Männlein grinst. Ohne Scheiß, es popelt genüsslich in der überdimensionierten roten Nase, stützt die Arme auf ein verschlissenes Kissen. Widerlich! Ich nicke. Reinklotzen, damit ich vorankomme.

    »Jetzt komm runter! Entspann dich Junge!«, flüstert das eine Ich meinem Andern zu. Die Beine - bleierne Stelen. Ich zweifle, den Weg zurück zum Auto zu schaffen – danach.

    Der Drache quält mich – bohrt kontraproduktiv die messerscharfen Zähne in meinen Oberarm. »Nils, was, wenn das schief geht? Du bringst das nicht!«, nagt er an meinem Gewissen. Ich lehne an der kühlen Hauswand, höre weg. Jetzt trennen mich nur diese Ecke und der Weg über die Straße von Geld und bezaubernden, schweigenden Frauen.

    Frau Potter, die Merkel & das Mädchen

    Ein plötzlicher Knall, Stimmengewirr und Gekreische.

    »Das kann nicht! Das kann einfach nicht!« Mein Körper spannt. Ich werde grün und blau und rot und verrückt vor Wut. Trete mitten ins gleißende Licht, schüttle verwirrt das Haupthaar, kneife die Augen zusammen. Meine Kiefer knacken, knirschen. Die Zähne reiben aufeinander. Das hört trotz des Lärms und des Tohuwabohus sogar der Alte um die Ecke.

    »Was machen die bloß da, Shit?!« Polizist und Polizistin ringen mit einem Mädchen. Das gibt’s nicht. Die ist höchstens 17, hübsch dazu alle mal. Die Widerspenstige versucht, mit Kratzen, Beißen und Treten Bulle und Bulette zu entkommen.

    Ich bemerke kaum, wie mein Körper automatisch mitmacht. Ein Tritt nach links, Knie hoch in die Eier, Faust geballt, treffsicher aufs Bullenohr. Dann spüre ich den nickeligen Blick der pickeligen Sensationshungrigen, die den Ereignissen auf der anderen Straße entgegen eilt. Sie schüttelt den akneübersäten Kopf, stimmt lautstark in das Geschrei.

    Die wirren dunklen Haare der zierlichen Ringerin fliegen Ninja-Kämpfern gleich durch die Luft. Pinkfarbene T-Shirt-Fetzen verhüllen die schlanke Figur.

    Es riecht streng. Riecht definitiv nach ... Die hat `ne Bombe gezündet, zu krass.

    »Die Bank - das war mein Job, Scheiße! Wieso tauchen die Bullen so fix auf?«, lausche ich meiner erbosten Frage. Rundum wimmelt es von allerlei Witzfiguren. Der Greis popelt vor versammelter Gesellschaft. Was für ein Kaff. Ich schleiche an das Spektakel heran, unauffällig, darin bin ich erprobt!

    Eine Tusse im zu figurbetonten Kostümchen schwatzt aufgeregt vom zerstörten Display des Geldautomaten.

    »Oh Mann, wirklich nur das Display gesplattert. Nicht mal Kohle ist dabei rum gekommen«, flüstere ich vorsichtig. »Mädchen, Mädchen! Dafür gehst du in den Knast.«

    Ich nutze das Gewimmel aus.

    »Das ist unsere Chance – kommt Jungs, gehen wir rein!«, zische ich den unentschlossenen bunten Körpergemälden zu. Zaghaft betrete ich den Vorraum der Bank. Keiner da, der mich aufhalten will. Falte blitzartig die Papiertüte auf, die in meiner Hose verstaut war. Alle verfallen dem Chaos vor der Türe. Mein flüchtiger Blick streift Kontoauszugsdrucker, Serviceterminal und Geldautomat. Aus dem Augenwinkel erkenne ich - tatsächlich nur das Display und diese schwefeligen Schwaden. Sie wollen mich ersticken, Mund-und Nasenschleimhäute verätzen. Der Brechreiz kriecht in meinen leeren Magen. Da muss ich durch! Bloß nicht husten. Zögerlich gewöhnen sich meine dem gleißenden Licht ausgesetzten Augen an die Dunkelheit und mein angespanntes Hirn an die Stille im Schalterraum. »Niemand zu Hause?« Selbstbedienung, ganz nach meinem Geschmack!

    Das Knistern der Papiertüte schwillt zu ohrenbetäubendem Lärm. Ich schrecke zusammen, entschlossen, den Krach in den Griff zu bekommen. Erneut bleibt mir die Luft weg. Auf unerklärliche Weise tragen mich meine Beine bis vor das Pult. Los - jetzt Tüten-Tarneinsatz!

    Tattoo Lady Betty Page hebt die knisternde Tüte, dann erstarrt sie. Schleichend wechselt meine Farbe - bin transparent. Kalter Angstschweiß bricht aus all meinen Poren. Einem ›Hau den Lucas‹ gleich schießt diese Dame mit Nickelbrille hinter dem Pult hervor.

    Die Zwillingsschwester von Harry Potter – hallt es durch meinen Kopf. Transparenz schwindet. Das Blut pocht in meinen Ohren und meinen Knien. Ich winsele mit letzter Kraft: »Überweisungsträger.« Irgendetwas drückt mir die Gurgel zu. »Überweisungsträger, ich benötige Überweisungsträger.« Die Augen meines unverhofften Gegenübers blitzen angriffslustig. Die Mundwinkel hängen teilnahmslos - wie bei der Merkel – Chuckys Braut. »Bitte!«, presse ich heiser mit ungelogen allerletzter Kraft aus mir heraus.

    Das gereizte Funkeln ist besänftigt. Genauso blitzartig, wie sie erschien, knallt sie mir einen Stapel Formulare vor die Nase.

    »Schönen Tag noch«, lispelt sie. Ihr Wispern kriecht in meine Eingeweide, die sich träge ordnen. Schwups, ist sie hinter dem klobigen Möbel verschwunden. Ich greife nach den Vordrucken, stopfe sie in die Papiertüte. Blutleer drehe ich mich um meine eigene Achse, schwebe aus der Bank. Erleichtert, unterkühlt durch den Schweiß und von Panik geschüttelt finde ich mich vor dem Geldhaus wieder. Meine Papiertüte in der Hand baumelt am schlaffen Arm. Die Meute - aufgelöst. Weder Bullen noch Mädchen, auch der Alte ist verduftet. Sogar die Sonne will versinken bei meinem erbärmlichen Anblick. Unfassbar, das war meine große Chance, und ich vermassele den Scheiß. Eine todsichere Chance. Schlimmer, als `nen Elfmeter zu vergeben. Ich trete ins Nichts. Den hätte ich machen müssen! Ich spüre dumpfe Leere – fuck.

    Schwitzen, schmoren im eigenen Sud. Gedemütigt kratze ich mich hinter dem Ohr, berühre das ekelhaft klebende Haar, nutze das Zeitfenster für Überlegungen. Wie ist Plan B?

    Schwitzen, schmoren im eigenen Sud. Gedemütigt kratze ich mich hinter dem Ohr, berühre das ekelhaft klebende Haar, nutze das Zeitfenster für Überlegungen. Wie ist Plan B?

    »Du?«, werde ich aus den Gedanken gerissen. »Du da sind Löcher in der Tüte!«

    Ich beuge mich nach unten, von wo die Worte träge zu mir aufsteigen. »Ein Gesicht.« Der Knirps lächelt. Die dicklichen Arme und Hände wenden sich erneut der Knisternden zu. Sie fingern an den Löchern, aus denen Teile der Überweisungsträger neugierig hervorlugen.

    »Ist eine afrikanische Gesichtstüte, sehr, sehr wertvoll!«, entgegne ich mit versteinertem Ausdruck. Seine Augen mustern die Geheimnisvolle abermals, jetzt mit einem bewundernden Kennerblick, der es nicht zulässt, sie nochmals zu berühren.

    »Gregor, sprich nicht mit Fremden, komm´ sofort hierher!« Dem Ruf der Mutter folgend, verlässt er mich. Was `ne Nummer, ist ja erbärmlich. Verkackt!

    Mit hängendem Kopf und schmerzenden Gliedern schleppe ich meinen Zementsack-schweren Körper, die afrikanische Gesichtstüte baumelt, Richtung Auto.

    Nicole & Roselinde

    Mein klappriger Mazda ›Der Weiße‹ erwartet mich. Ich reiße die Fahrertüre auf. Der abgestandene scharfbeißende Schwall wabert mir entgegen. Rücklings falle ich auf die Sitze, die Beine hängen leblos aus dem Wagen. Schleppend und hörbar ziehe ich die Fersen über den Bürgersteig. Angewinkelt bleiben die Beine draußen. Kurze Pause.

    Betty räkelt sich auf dem Polster, so, als kuschelte sie in flauschiger Zuckerwatte. Im Fußraum windet sich das beschuppte Drachen-Monster, bereit, gleich Vollgas zu geben.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit rapple ich mich auf. Die wertvolle Tüte verbanne ich auf den Rücksitz. Die Sonne brutzelt. Tempo 30 ist angesagt.

    »Geh Göre!«, schreie ich. Dieses Blag quert diagonal die Straße, ohne einen Blick an den Verkehr zu verschwenden. Der verschwitzte Arm, zu dem die perfekten Tattoos gehören, durchwedelt stickige Luft. Schweißtropfen hüpfen, gehen rund um mich nieder. Na, wenn das Mal keinen Regenbogen gibt.

    Meine Zähne knirschen. Fast schmerzhaft kräuselt sich meine Stirn und meine Augen bilden Schlitze, münden in braungebrannten Krähenfüßen. Wie fühlt sich das an, wenn ich vorwärts, rückwärts, vorwärts, rückwärts über diese Göre ... die sich einfach nicht vorschriftsmäßig verhalten will? »Kopfkino für Genießer!«

    »Stichwort - N i c o l e – komm auf andere Gedanken! Alles, was dir jetzt durch den Kopf schießt, wird deine Stimmung beeinflussen«, säuselt der Koi. Er grinst ein rotes Grinsen.

    Wahrlich ein perfektes Stichwort. Nicole - sie schwört auf trashigen Kitsch und saftige Erotik, schwärmt von diesen entzückenden Filmchen. Roselinde Pichler heißt doch die, deren Bücher als Vorlage herhielten? Man, was da an Kohle floss, als der Mist verfilmt wurde? Nicole – nicht hübsch, nicht hässlich. Durchschnitt, aber auf Dauer unerträglich.

    »Hab ich die Haare schön? Eine neue Farbe war bei `ner anderen Friseuse. Meine Tasche - niedlich, ne? Mir bleibt doch nix anderes, als jeden Tag putzen. Die Welt ist so schmutzig! Manchmal verzweifele ich. Und jeden Tag in die Stadt gehen und einkaufen befriedigt nur kurzfristig. War das ein lustiger Abend, als wir ordentlich einen pichelten. Pling, mein Schatz!« Unentwegt plappert dieses Mündchen – Lippenstift ist zu dick und viel zu rot aufgetragen. Säuseln in meinen Ohren, ich befürchte, ohnmächtig zusammen zusacken. Nein, die Dame ist alles andere als blond! Ich schüttle mich angewidert.

    Nee, stelle mir vor, ich hätte täglich solche Weiber um mich. Die wünschen nur eins, bespaßt zu werden. Okay, sie sehen echt annehmbar aus, nette Püppitäschchen unter den Achseln, wechseln mindestens zweimal am Tag die Klamotten, zusehen - Fehlanzeige. Das Essen zahl immer nur ich. Politik - Sie wissen, wie man es schreibt - toll! Bücher oder Dokumentationen mit Wahrheitsgehalt ertragen sie nicht, agieren hysterisch, und mit Anfassen ist auch nix. Wieso in Gottes Namen lernte ich diese Frau kennen? Und warum verbrachte ich Zeit mit ihr? Ob man so was sagen darf? Politisch korrekt war ich nie, meine Freunde verstehen das. »Ich hoffte auf positive Gedanken«, schmollt der Koi.

    Ich ignoriere ihn, richte meine volle Aufmerksamkeit auf die Straße. Vielleicht läuft mir irgendwas Lebendiges über den Weg. Ich grunze, lache und entblöße meine weißen Zähne. Mhhh, kalter Milchkaffee von heute Morgen. Ja, Milchkaffee. Tattoos bedeuten nicht zwangsläufig Bier!

    Das lauwarme, braune Nass erfrischt meinen klebrigen Gaumen. Tropfen sprudeln aus meinem rechten Mundwinkel, folgen dem Kinn. Und wieder blitzen meine weißen Zähne im stechend quälenden Sonnenlicht. Ich blinzle hinüber, in das Auto auf der rechten Spur, mein Lächeln wird erwidert.

    Schweiß braucht Ablenkung! Ich denke an Geld, die nächste Fälligkeit der Krankenversicherung - Geld - und Fußball. Deutschland ist erwartungsgemäß natürlich nur Dritter der WM geworden. Mit 51 Punkten beim Tippen war ich gar nicht schlecht, hatte die Holländer als Weltmeister auf dem Schirm. War nix.

    Schweiß braucht Nahrung – Flüssignahrung. Nochmals greife ich auf den Beifahrersitz und fingere am kaffeegefüllten Chutneyglas. Es klemmt, das verdammte Ding, ich habe immer eins dabei. Ich muss anerkennen, von Minute zu Minute geht es mir besser! Trotzdem die Hitze im Mazda konstant steigt und die Tattoos perfekter denn je glänzen. Die Klimaanlage ist defekt, die Scheibenheber leider auch. Bankraub, das war `ne Kack-Idee!

    Loser & Ninja-Kämpferin

    Ich glaub´s nicht. Das ist sie doch! Überrascht verschlucke ich den Kaugummi. Das Girlie sieht besser aus, als ich bei dem Fight mit den Bullen ahnte. Die Ninja-Kämpfer-Haare wirbeln besänftigend um das ovale Gesicht und die Schultern. Eine riesige geblümte Tasche ruht schwer auf angespannter Schulter. Der schlanke Hals wird lang und länger. Modigliani.

    Sie hält den Daumen hoch, wartet nur auf mich. Klar nehme ich sie mit. Ich halte an und steige aus. Fenster runterkurbeln - ausgeschlossen! Ich lehne lässig am Weißen.

    »Wo willste denn hin? Kann dir `ne Fahrt in japanischer Luxusklasse anbieten.« Meine Zähne überstrahlen alles - und ich weiß das!

    »Dich habe ich doch bei der Kasse gesehen.« Sie streckt mir kampflustig das Kinn entgegen und murmelt: »Ich will weg. Egal, erst mal weg!« Galant gehe ich ums Auto und öffne ihr die Türe. Was sonst – von innen funktioniert es nicht.

    Sie schmeißt ihre Tasche auf den Rücksitz. Die Miene haftet kurz an meiner Tüte. Frech blinzelt sie und kuschelt sich in den Sitz. »Überweisungsträger, so, so!«

    Ist echt mies! Sie fixiert mich. Diese Mandelaugen scheinen alles zu wissen über meinen misslungenen Plan, die gescheiterte Aktion. Sie kennt kein Erbarmen. Wahrscheinlich verrät meine Körperhaltung beim Umkreisen des Weißen, wie peinlich mir das ist.

    »Cat.« Sie streckt mir ihre Hand entgegen. »Catherine, lieber kurz, Cat!« Jetzt strahlt sie und ich erkenne, wie blutjung sie ist. Nix für mich – schade! Sie scheint nicht zu erwarten, dass ich ihr meinen Namen nenne und ich tue es doch!

    »Wie biste den Bullen entkommen? Die hatten dich voll in der Mangel.« Geschmeidig liegt, der ›Weiße‹ auf der Straße. Ich imponiere - verdammt waghalsiger Retter. »Ich hab´ dich schon im Knast gesehen, ehrlich.« »Pah, bisher ist es mir immer gelungen, zu entwischen.« »Immer? Wie viele Dinger drehst du so? In deinem Alter?« Achtung – Trotzphase!

    »20!«, beantwortet sie zickig den zweiten Teil meiner Frage. »Überfälle? Aufgehört zu zählen.« Sie fummelt an ihren Zehen, die vollen Lippen fest aufeinander gepresst.

    Sie will vom Thema ablenken. Ich hab es nicht mit Füßen. Wende meinen Blick lieber der Straße zu.

    »Das Fenster klemmt.« Sie versucht vergeblich, die abgerissenen Fußnägel zu entsorgen. »Ist schon geraume Zeit kaputt.« Einladend öffne ich den Aschenbecher, abermals blitzen meine weißen Zähne. Unwiderstehlich, scheint bei Cat aber keinen Eindruck zu hinterlassen. Rabenschwarzer Tag! Na ja, Pott wie Hund. Oder Pott wie Deckel?

    »Das war verdammt schwer, den beiden zu entkommen.« Ihre Wangen glühen und die Mandelaugen sprühen Funken, zufrieden über den geglückten Coup. Sie befeuchtet ihre prallen Lippen. »Es gibt zum Glück nur zwei Bullen im Dorf. Habe sie ausgetrickst, die Reifen aufgeschlitzt, dem Typen mit dem Messer ein paar Hiebe verpasst und seine Waffe einkassiert.« »Zeig mal her das Ding!« Die Schönheit blufft – das ist klar.

    Sie turnt auf die Rückbank, wurschtelt in ihrer geblümten Tasche. Kurz visiert sie meine Nase an, gleitet zurück auf den Beifahrersitz, die Wumme, den kostbaren Schatz, in der Hand. Bitte bedrohen Sie den Fahrer nicht während der Fahrt!

    »Und dann lässt du dir Zeit, per Anhalter abzuhauen?« »Ja, genau, denn da kommt doch keiner drauf! Coole Typen, die einen mitnehmen finden sich immer.« Da geht vielleicht doch was, ist mein nächster Gedanke. Betty Page streckt mir die elend lange Zunge heraus. Falsches Luder! Konzentriere dich, Nils! Der Berufsverkehr setzt ein.

    »Du wolltest es tun, `ne?«, wirft das Mädchen schnippisch in die schweigsame Stille. »Es war dein Plan, die Sparkasse zu überfallen.« Meine Brauen ziehen die Stirn in Falten, bilden Zelte, die meine Augen schützen wollen. Soll ich´s zugeben und sie anblaffen, weil sie alles vermasselt hat? Sie besitzt `ne Waffe. Mein ›Losen‹ eingestehen? Dem bösartigen Luder Anlass zur Freude geben? »Ist halt Pech, dass wir beide am gleichen Tag dieselbe Idee verfolgen«, seufzt sie, wirft den Kopf in den Nacken. »Nee, ist schon klar, weil du das ja soooo oft machst!« Mein Ton ist gehässig, einen Tick belustigt. »In den letzten drei Jahren fünf Banküberfälle ...« Sie nimmt ihre Hände zu Hilfe und zählt all´ ihre Vergehen auf. »Sieben Tankstellen, vier Kioske, drei Nagelstudios und sechs Plattenläden. Da hab ich mich mit Musik begnügt. Viel Kohle ist in so `nem Laden Fehlanzeige.« Sie lächelt. Also, sie zählt doch noch. Plattenläden - gemeines Stück! »Und im Nagelstudio, haste dir die Nägel feilen lassen?« Ich schmunzle über meine Stichelei. Freue mich, beinahe der Alte zu sein. Angestachelt, setze ich einen drauf. »Alles zu Fuß. Yep!« »Du Arsch! Du glaubst mir nicht?« Sie fuchtelt mit der Waffe vor meiner Nase, die sie flugs aus dem Fußraum gekramt hat. Bitte bedrohen Sie den Fahrer nicht während der Fahrt!

    Was ein öder Sound! Ich hasse mutierte Klingeltöne. Aber dieser rettet mir das Leben!

    Grinse in mich hinein. In der einen Hand die Knarre, befreit sie umständlich mit der anderen das Handy aus der knackigen, superengen Hosentasche. Der öde Sound wird lauter. Zusammengekniffene Mandelaugen stieren auf das Display.

    Der öde Sound bleibt. Erstaunlich! Ein altes Handy, ähnlich oll wie meins. Was ist mit Facebook und Co.?

    »Ja, Zita?« Geschickt führt sie es vorbei an den Ninja-Kämpfer-Haaren zum Ohr. Ihr Mund bleibt geöffnet. Gebannt lauscht sie. Auf der anderen Seite der Leitung ist Furchtbares geschehen. Sogar ich vernehme das Schluchzen und Jammern, wenn ich auch nichts verstehe.

    »Okay, hör´ auf zu heulen! Wir kriegen das schon hin. Na, wenn´s um Leben und Tod geht!« Fragend checkt sie mich ab, die Stirn wirft winzige pralle Falten.

    Dass das geht. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich nicke. Bin für jeden Scheiß zu haben. Viel schlimmer kann´s nicht kommen.

    »In circa `ner halben Stunde schlag ich bei dir auf. Hab ein Auto, abgemacht? Bis denn!« Hastig beendet sie das Gespräch. »Schrecklich! Fahren wir zu ihr. Ich bete, dass Sue recht behält und das Orten des Handys unmöglich ist.« Entrüstet umklammert, hypnotisiert sie das klobige Ding. Es klingt gemein, die Handytheorie und ihre Erscheinung amüsieren mich.

    »Die Nächste rechts, nachher der Straße folgen«, murmelt sie. »Keine Idee, was da passiert ist. Zita ist aufgelöst, es muss sehr, sehr tragisch sein.« Mit erhobenem Finger ermahnt sie sich: »Cat! Lass' es

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