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Alte Dame, grauer Hund: Eine Österreicherin erlebt Amerika
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eBook125 Seiten1 Stunde

Alte Dame, grauer Hund: Eine Österreicherin erlebt Amerika

Bewertung: 3 von 5 Sternen

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Über dieses E-Book

Das witzigste Amerikabuch seit langem

Die Heldin des Buches - eine "ältere Dame" - ist Single, lebt in Wien, hat polnische Vorfahren und liest Krimis von Donna Leon. Sie hat einen Wunsch: eine Reise mit dem Greyhound-Bus durch Amerika. Fest entschlossen macht sie sich auf den Weg und erlebt so manche Überraschung...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Aug. 2013
ISBN9783902862501
Alte Dame, grauer Hund: Eine Österreicherin erlebt Amerika

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    Buchvorschau

    Alte Dame, grauer Hund - Lida Winiewicz

    »Greyhound? Haben Sie ›Greyhound‹ gesagt?«

    Der junge Mann, Herr Elmar laut Namensschild, staunt mich an, als hätte ich soeben »Mars, hin-undzurück« verlangt.

    Ich zeige auf die Schaufensterscheibe des Reisebüros: »NETSILAUDIVIDNI RÜF ASU!«

    (Von draußen gelesen, heißt das: »USA FÜR INDIVIDUALISTEN!«) Herr Elmar erläutert: »Ich bitte, da geht es um Leihwagen, Flüge, spezielle Reiserouten. Nicht um eine Autobusfahrt!«

    Er schnauft ein wenig. Er sollte zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt. »Heißt das, Sie können – Sie wollen! – mich diesbezüglich nicht beraten?«

    Herr Elmar wetzt hin und her. Wenn er wetzt, knarrt der Drehstuhl. Der Chef wird aufmerksam, ein Herr um die Fünfzig mit Brille, Schnauzbart und eisengrauer, herzzerreißender Haarspirale über fast kahlem Haupt.

    »Herr Elmar, was gibt’s?«

    »Die Dame möchte per Greyhound durch die USA.« Dünnes Lächeln.

    »Mit einer Reisegruppe?« »Nein.«

    »Allein?« »Ganz allein.« Der Chef mustert mich besorgt.

    O. k., ich bin über siebzig, Single, gehfähig, kontinent, relativ unverkalkt.

    Herr Elmar dreht, ohne es zu merken, an seinem Ehering. Wär’s möglich, er kann dem Gedanken »allein-durch-die-USA« einiges abgewinnen?

    »Gnädige Frau!«

    Der Chef ist ganz Güte.

    »Das ist nichts für unsereinen!«

    Galant, denke ich anerkennend, du könntest mein Sohn sein, Alter. Doch schon folgt das Eigentor: »Wir hätten da jede Menge Kurarrangements für Senioren! Fünf-Sterne-Wellness-Hotels!«

    Ich blicke ihn an, vernichtend, oder was ich dafür halte, und weiß, ich bin ungerecht. Die Welt braucht die Chefs und die Elmars nötiger als meinesgleichen.

    »Gnädige Frau!«

    Er beschwört mich. »Sie werden sich doch nicht, im Ernst, einem grauen Hund anvertrauen?«

    »›Greyhound‹ heißt Windhund«, sage ich, »nicht ›grauer Hund‹!« »Ich weiß.« Er sagt es unwirsch.

    O weh. Wann werde ich endlich lernen, anderer Leute Scherze grundsätzlich zu belachen, aus milder Solidarität? Ich weiß, wie es schmerzt, wenn die Pointe verzischt wie ein nasser Knallfrosch. »Mit Beauty-Check, Heublumenpackung und Thai-Massage.«

    »Bitte?« Ich habe den Faden verloren.

    »In Kärnten«, sagt Herr Elmar, »unserem sonnigsten Bundesland.« »Ach so. Vielen Dank. Nicht heute. Vielleicht ein andermal. Jetzt möchte ich mit dem Greyhound durch die USA.«

    Der Chef seufzt.

    »Gnädige Frau! Per Bus reisen Habenichtse! Rucksacktouristen! Spinner! Vertreter der Unterschicht! Nicht jemand wie Sie! Habe ich Recht?«

    Herr Elmar nickt a tempo, wie eine Figur des Hellbrunner mechanischen Wassertheaters.

    »Nein, gnädige Frau, eine Busfahrt durch die Vereinigten Staaten verkaufen wir Ihnen nicht! Wenn Ihnen etwas zustößt!«

    Na klar. Oberschenkelhalsbruch.

    Der Chef kneift die Augen zusammen. Er sieht mich schon, horizontal, im Rettungswagen verschwinden.

    »Dann wird man sagen: Herr Elmar! Wie konnten Sie diese feine ältere Dame solchen Gefahren aussetzen?«

    Elmar schaut mich anklagend an, als hätte ich vor, ihm zu Fleiß der Länge nach hinzufallen. Ich flüchte.

    Vor dem Reisebüro, auf der Straße, zücke ich meinen Lippenstift, denselben seit etlichen Jahren, für besondere Gelegenheiten.

    USA FÜR INDIVIDUALISTEN wird durchgestrichen, knallrot. (ROUGE BAISER, garantiert kussecht.)

    Der Laden sieht aus wie knapp nach einer Hausdurchsuchung: offene Schränke, Ordner, zu einem Turm gestapelt, flimmernde Bildschirme, Faxe, von einer Faxmaschine auf den Fußboden gespuckt, halbvolle Kaffeetassen, randvolle Aschenbecher, und mitten im Chaos zwei Mädchen, dösend, sehr friedlich, sehr blass. Sie sehen aus, alle beide, wie die Unbekannte aus der Seine.

    »Guten Morgen!«

    Sie schrecken hoch, öffnen die Augen, blinzeln, starren mich an, als sei das Erscheinen von Kundschaft eine Begegnung der dritten Art. »Ich möchte mich informieren – über Reisen im Greyhound-Bus!« Schweigen.

    »Hier ist doch die GREYHOUND-ZENTRALE?«

    Die linke Unbekannte sagt, und es klingt wie ein Vorwurf: »Für Greyhound ist Frau Doktor Piffl persönlich zuständig!«

    Frau Doktor?

    Arme Piffl. Die hat sich ihr Berufsziel bestimmt anders vorgestellt. »Ist die Frau Doktor zu sprechen?«

    Die Unbekannten, überfragt, tauchen erneut in die Seine, scheinen jedoch unter Wasser zu kommunizieren, denn sie kommen hoch und rufen wie aus einem Mund:

    »Frau Doktor Piffl!«

    Die Dame erscheint. Krumme Haltung, struppiges Haar, spitze Nase, faltiger Hals, kleine rotgeränderte Augen. Hätte auf Faschingsfesten als Geier Erfolg.

    »Sie wünschen?«

    Ein klangvoller Alt. Immerhin. Um ihre Wiege standen nicht ausschließlich böse Feen.

    »Ich wüsste gern Näheres über USA-Reisen, im Greyhound.« »Hat sie schon einen Prospekt?«

    Die rechte Unbekannte fördert zerknautschte Broschüren zutage. Ich werde beteilt.

    »Vielen Dank. Haben Sie Fahrpläne?« Schweigen.

    »Busrouten?« Schweigen. »Fahrpreise?« »Liebe Dame« – ich weiche zurück wie vor einem Schnabelhieb – »tätigen Sie eine Buchung! Lesen Sie den Prospekt! Wir sind kein Auskunftsbüro! Unsere Gewinnspanne bei Greyhound ist minimal!«

    »Volkswirtschaft?«, höre ich mich fragen. »Ihr Doktorat. Verzeihung. Ich weiß, es geht mich nichts an.«

    »Philosophie«, sagt Frau Piffl. »Vertrautheit mit den Gedanken der Denker des Abendlands hat noch niemandem geschadet.«

    Ihr Blick schweift über das Chaos.

    Die Unbekannten bekleckern soeben ein Fax mit Kaffee.

    »Angesichts der Urfragen der Menschheit: Woher-kommen-wir-wohin-gehen-wir? ist alles Andere Schnickschnack!« Und sie setzt hinzu: »Warum?«

    Sorry. Mir genügen meine privaten Urfragen.

    »Warum wollen Sie im Greyhound durch die USA?« Warum wirklich?

    »Einfach so.« »Einfach so?« Frau Doktor Piffl zürnt. Ihre kleinen Augen funkeln. Die Unbekannten mimen Arbeit, als ginge es um Bewerbung am Reinhardt-Seminar. »Nichts ist ›einfach so‹, liebe Dame, alles ist sehr kompliziert.« Danke, Frau Doktor, danke, das weiß ich auch ohne Mithilfe der Denker des Abendlands. »Oder suchen Sie Abenteuer?« Sie schlägt mit den Flügeln.

    »Vorsicht! Es gibt keine Abenteuer. Merken Sie sich, Madame: Abenteuer sind nichts anderes als schlechte Organisation!«

    »Im Greyhound durch die USA?« Das Mädchen nickt freundlich: Na also. Ihr Name – Mizzi – ist grün ans weiße T-Shirt gestickt. Mizzi?

    Wieso nicht Vanessa? Samantha? Jacqueline?

    Mir scheint, ich bin schon wieder zehn Jahre hinten nach. »Ja. Durch die USA, im Greyhound.«

    Mizzi lächelt anerkennend. Lächeln steht ihr gut. Wem nicht. Sie langt nach einem Ordner, erwischt ihn nicht, erhebt sich – zu schwerfällig, kommt mir vor.

    Ach so! Sie ist schwanger. Verzeihung. »Wann ist es so weit?«

    »In acht Wochen.« »Gratuliere!« »Danke schön.«

    »Habt ihr schon einen Namen?«

    Ich könnte mich ohrfeigen: Ihr!

    Im Zeitalter käuflichen Spermas, gefrorener Menschen-Eier, mietbarer Uterusse und geschlechtsumgewandelter Väter vorauszusetzen, da wäre ein klassisches Elternpaar, ist blauäugig bis verwegen. »Antonia oder Anton«, sagt Mizzi, »je nachdem!«

    »Kein Ultraschall?«

    Mizzi winkt ab. »Charlie sagt – Charlie ist der Vater –«, setzt sie überflüssigerweise hinzu und errötet wie bei Courths-Mahler, »›wer weiß, wie das Kind reagiert, sitzt ja keiner mit drin‹, sagt Charlie. Nein, nein, uns ist beides recht, wir haben es nicht eilig und sowieso nichts am Hut mit rosa und himmelblau.« Sie öffnet die Schreibtischlade und zeigt mit Verschwörermiene ein Babyjäckchen, halbfertig, an Stricknadeln hängend, grün. »Wir sind nämlich Grüne. Sie nicht?«

    Was sage ich? Reduzieren staatsbürgerlichen Befindens auf eine einzige Farbe ist mir, tut mir Leid, unmöglich.

    »Grün ist die Zukunft«, sagt Mizzi, »sonst hat unser Kind, wenn es groß ist, keine Luft mehr zum Atmen, kein Wasser zum Trinken, kein Gemüse zum Essen, alles hin, alles vergiftet. Dazu braucht es keine Atomkraft, das schaffen die Menschen auch so.«

    Sie schlägt den Ordner auf.

    »Greyhound. Von wo nach wo? Ein Geschenk? Maturareise?«

    Ach, Mizzi. Sie kann nichts dafür. Sie ist maximal fünfundzwanzig. Maturareise? Wann? 1945?

    Detonationen, Angst, die Russen vor der Haustür, der Stephansdom in Flammen, die Oper ohne Dach, in unserem Keller ein Großfürst, der sich weigert, Russisch zu sprechen (»Sonst sie mir bringen um!«), eine Frau mit durchschossener Hand, die auf die Frage, was zum Teufel sie draußen gesucht habe, sagt: »Man hat mich für neun Uhr dreißig aufs Arbeitsamt bestellt!«, ein Volkssturmmann, der sein Gewehr hinter unserer Kokskiste versteckt hat, später stellt sich heraus, die Panzerfaust lag im Koks, ein schwarzer Mops, eingeschnürt in einen Batistwickelpolster, Ulk russischer Soldaten, ein deutscher Deserteur in Wehrmachtsunterhose, die Uniform hat er vorsorglich im einzigen Ofen verbrannt, ein Mädchen, mehrfach vergewaltigt, das stumm vor sich hinstarrt und manchmal in jähes Gelächter ausbricht, ein Jude, der den gelben Stern von seiner Jacke trennt, und

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