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Mrs. Jones and me: Verborgene Gefahr
Mrs. Jones and me: Verborgene Gefahr
Mrs. Jones and me: Verborgene Gefahr
eBook378 Seiten5 Stunden

Mrs. Jones and me: Verborgene Gefahr

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Über dieses E-Book

Was passiert, wenn eine vom Pech verfolgte, zu viel grübelnde Gefühlschaotin an einem Tag vier unterschiedlichen Männern in die Arme läuft? Eine schwindelerregende Achterbahnfahrt voll verlockender Sinnlichkeit beginnt. Doch schon bald scheinen sich die ungewöhnlichen Verkettungen skurriler Ereignisse zu häufen. Zufall? Oder steckt doch mehr hinter der vermeintlichen Pechsträhne?
Auftakt zur Trilogie.
Erotische Literatur für Erwachsene.

Die Mrs. Jones Trilogie:
Teil 1: Mrs. Jones and me – Verborgene Gefahr
Teil 2: Mrs. Jones and me – Trügerisches Spiel
Teil 3: Mrs. Jones and me – Riskanter Showdown
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Feb. 2014
ISBN9783847643784
Mrs. Jones and me: Verborgene Gefahr

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    Buchvorschau

    Mrs. Jones and me - Marie Lu Pera

    Evolution

    Okay, … vielleicht hätte ich die Schuhe mit den hohen Hacken doch nicht anziehen sollen. Nach all den Jahren würde man doch meinen, man beherrsche den aufrechten Gang. Doch mit den Absätzen fängt man wieder bei null an. Zurück an den Start. Und das Beste ist, man tut sich das freiwillig an. Getrieben von dem immerwährenden Bedürfnis perfekt zu sein.

    Ein Drang nach Superlativen – die längsten Beine, der knackigste Po, der flachste Bauch, die vollsten Brüste, die makelloseste Haut, die schönsten Haare. Sieht man genauer hin, so erkennt man die hohen Pumps, die einen künstlich verlängern und in denen sich Blasenpflaster und Anti-Rutsch-Matten guten Tag sagen.

    Lässt man den Blick an glatten Beinen, die durch drastische Rodung letzter haariger Überbleibsel der Eiszeit befreit wurden, höher schweifen, kommt man in Gefilde an denen ebenfalls kein Haar gelassen wurde. Nicht zu vergessen die Bauch-weg-Po-her-Unterhose, die die letzten unerwünschten Speckpölsterchen, die von nächtlichen Schoko-Exzessen herrühren, bedingungslos abschnürt beziehungsweise fehlende Rundungen geschickt kompensiert. Dicht gefolgt vom Push-up-BH mit stinkenden Glibber-Pads.

    Als Hingucker – eine Maske aus allem, was die Kosmetik-Industrie der Neuzeit so im Repertoire hat. Gekrönt von Haarspray verklebten Strähnen, mit denen man sich lieber keinem offenen Feuer nähern sollte. Nicht zu vergessen das strahlend weiße Lächeln direkt aus der Bleaching-Zahnpasta Tube.

    Als abrundendes Accessoire – die Louis-Vuitton Tasche vom Straßenhändler um die Ecke, der jegliche Plagiatsverdächtigungen gekonnt abweist – ganz sicher hat er einen exklusiven Händlervertrag, der ihn berechtigt, die Produkte auf einem Campingtisch in der Fußgängerzone direkt neben den öffentlichen Toiletten zu verkaufen.

    Et voilà – die perfekte Illusion. Und das Schlimmste kommt erst noch – mit den Tricks arbeiten alle.

    Fakt ist, eigentlich ist es wie in Darwins-Lehre – wer sich nicht anpasst, hat schlechte Karten – Evolution halt. Obwohl ich schon so das Gefühl habe, einige Homo sapiens unter uns entwickeln sich nicht mehr weiter – hm Grundsatzdiskussion.

    Ich könnte jetzt sagen, dass ich nicht zu dieser Gattung Weibchen gehöre, die das „Frauen-von-Stepford-Nacheifer-Syndrom" in sich tragen. Ich könnte behaupten, ich sei anders … eine weitere Illusion, die ich mir erschaffe, die Suggestion, dass ich Kontrolle über diesen Part meines Ichs hätte.

    Meine Hypothese ist, dass irgendwo in unserem Unterbewusstsein ein Programm abläuft, das uns zu so einem wie zuvor beschriebenen Wahnsinn treibt. Dies alles nur mit dem einen Ziel – potenzielle Nebenbuhlerinnen auszuschalten und das beste Männchen zu ergattern. Dies ist unser innerster Antrieb. Das würden wir natürlich nie offen zugeben. Zu hart erkämpft sind alle Emanzipations-Errungenschaften.

    Dies ist er – der kleinste gemeinsame Nenner, der uns zu gewissen Gräueltaten treibt.

    Ich spreche von jeder geschlagenen Schlacht am Wühltisch, um das letzte reduzierte Top zu ergattern, das uns sowieso viel zu klein ist, nur um triumphierend davon zu schreiten.

    Es geht um jedes geheuchelte Schlankheits-Kompliment an eine vermeintliche Freundin, die eigentlich schrecklich zugenommen hat.

    Jedes Wetteifern am Fitness-Studio Inquisitions-Folter-Gerät, das uns in der Umkleide vor Seitenstechen fast umkommen lässt – aber das man uns während des Wettrennens um die höchste Tretfrequenz niemals angesehen hätte.

    Jenes instinktive Verhalten, das uns phantasievolle Gruselgeschichten über eine „Kollegin" erfinden lässt, die gerade mal eben zur Toilette ist und wir somit auch noch das letzte buhlende Männchen erfolgreich in die Flucht schlagen, das es wagt, sie anstatt uns zu umwerben. Ja es geht um Abgründe, die sich auftun, wenn man das komplexe Wesen einer Frau erforscht.

    Manche könnten nun vollen Spottes annehmen, dass wir weiblichen Geschöpfe recht einfach gestrickt zu sein scheinen – doch weit gefehlt, denn es ist diese tiefgründige innere Dissonanz, mit der wir immerfort mit uns selbst kämpfen. Ein resonantes Gefühlschaos, das in Impulsen solch schöpferisch zerstörender Kraft mündet wie sie charakteristisch für eine Evolution sind.

    Scheiße… wo bin ich … sag nicht … NEEEIIIN … wie kann es auch anders sein – jetzt hab ich doch tatsächlich meine Haltestelle verpasst. Hans-guck-in-die-Luft par excellence sag ich nur. Memo an mich selbst: Ich sollte nicht so viel in Gedanken faseln, wenn ich in Öffis sitze. Das bin ja mal wieder typisch ICH.

    Es sollte extra Sitze für Tagträumer geben, die automatisch an ihrer Endhaltestelle mittels Schleudersitz rausgeworfen werden – hm eine neue Geschäftsidee. Schnell raus hier. Okay … wo bin ich?

    Darf ich vorstellen: fehlender Orientierungssinn – ein Gehirnareal, das bei mir zugegebenermaßen leicht verkümmert ist. Was natürlich durch meine Fähigkeit des Halteplan-Lesens locker kompensiert wird. Wo bin ich jetzt genau und was sind das für Striche und Farben – ach drauf geschissen – ich fahr einfach mit meinem mitgeschleppten Rad drauf los. Norden dürfte dort sein, wie war das noch mal … im Osten geht die Sonne auf – irgendwo ist sie nie zu sehen – wobei ich seh ja die Sonne von überall.

    Ha … das wär ja gelacht – ich bin schließlich im Großstadtdschungel aufgewachsen. Also hier kommt mir mal nichts bekannt vor. Jetzt nur keine Panik – okay, einige Millisekunden später setzt doch Panik ein – Hilfe.

    Natürlich ist wieder mal niemand in Sicht, den ich nach dem Weg fragen könnte – ja … richtig gehört – im Gegensatz zu den Herren der Schöpfung ist Nach-dem-Weg-Fragen tatsächlich eine Option für mich. Meine Hypothese ist, dass mit dem Akt des Nach-dem-Weg-Fragens ein Zeichen von Schwäche einhergeht und dies somit für unsere Vertreter des ach so starken Geschlechts ein krasser Gegensatz zu ihrem mühevoll aufgebauten Image wäre.

    Wir Vertreter des schwachen Geschlechts haben damit allerdings kein Problem, da wir ja von unserem Prinzen aus einer Notsituation gerettet werden wollen. Oh… ich fasle schon wieder.

    Ah da ist ein kleines Café, da sind sicher Vertreter der Gattung Mann, die mir den rechten Weg weisen können, zu finden.

    Kurzer Check, ob es gefahrlos betreten werden kann. Gedankliche Checkliste: Punkt eins: optische Erscheinung – okay, vielleicht etwas antiquiert jedoch nicht heruntergekommen. Punkt zwei: Verhältnis weibliche/männliche Individuen: kein Missverhältnis durch das Schaufenster erkennbar. Punkt drei: Schokotorten-Portfolio: Hm … aus dieser Entfernung nicht erkennbar. Okay zugegebenermaßen gibt es einen Zielkonflikt zwischen Punkt drei und dem Traumgewicht-Erreichungsprojekt – aber was soll ich sagen – man muss eben Prioritäten setzen. Resümee: Tragbares Risiko.

    Perfekt – es gibt sogar einen passenden Masten, wo ich mein Fahrrad anketten kann.

    Kurzer Check, ob alle Potenziell-peinlich-wenn-exponiert-Stellen mit Textilfasern bedeckt sind, Brust raus, Bauch rein und schon kanns losgehen.

    Natürlich stolziere ich mit direkt vom Victoria’s Secret Laufsteg abgeguckten großen Schritten und dem perfekt einstudierten Hüftschwung auf mein Ziel zu, als mein Stöckel in genau dem Loch des Kanaldeckels stecken bleibt, das man, wenn man es bewusst darauf angelegt hätte, niemals auf Anhieb treffen würde.

    Ab jetzt geht alles ganz schnell, denn physikalische Grundgesetze treten ein. Darf ich vorstellen – das Aktionsprinzip, durch das mein Körper beschleunigt wird, dicht gefolgt vom Reaktionsprinzip, das mich schmerzlich daran erinnert, dass die gleich hohe entgegengesetzte Kraft mit der ich auf den Boden einschlage, vom Boden auch auf meinen Körper einschlägt. Da sag ich doch – guten Tag Gravitationskräfte – seid ihr auch noch alle da und 1:0 im Kampf Rotationsellipsoiden gegen träge Masse. Gleichzeitig setzt natürlich die reflexartige Hirn-Gliedmaßen Koordination ein, die mich vor schlimmeren Blessuren aus dem resultierenden Gleichgewichtsverlust bewahren soll und sicherstellt, dass ich mich so richtig vom aller Feinsten zum Affen mache. Da sag ich doch – Dankeschön vegetatives Nervensystem.

    Da knie ich nun auf allen Vieren – zurück zum Ursprung, nur mit dem einen Unterschied, dass sich unsere pelzigen Vorfahren solche Schuhe sicher nie angetan hätten. Obwohl, stammen wir nicht eigentlich vom Quastenflosser ab – das lässt mich daran erinnern, dass ich Fisch ab sofort von meiner persönlichen Nahrungskette streiche.

    Und welcher Schwachmat hat das Sprichwort: „Hochmut kommt vor dem Fall" erfunden, das mir nun unentwegt durch den Kopf schießt.

    Okay … das hat jetzt keiner gesehen – auch das rede ich mir ein und um meine Illusion nicht selbst zu zerstören, lässt mich mein Unterbewusstsein stur gen Boden blicken. Es nimmt mir somit die Möglichkeit, potenziell vorhandene Zeugen dieses Schauspiels zu erspähen, ergo wenn ich sie nicht sehe, sehen sie mich auch nicht – komplett unlogisch aber der ideale Selbstschutz. Dass ich damit meinen putenroten Kopf verstecke, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

    Kaum aus dieser erniedrigenden Position befreit, hab ich das Bedürfnis, diesem Isaac Newton selbst einen Apfel an die Birne zu hauen.

    Nun wird erst das Ausmaß dessen sichtbar, wenn Beschleunigung über die Trägheit siegt.

    Die physischen Opfer: Zwei wunderbar aufgeschlagene Knie, ein schmerzender Knöchel und ein paar halterlose Strümpfe.

    Die psychischen Opfer: Einbußen von ¹/8 Selbstbewusstsein, kurzer Anonymitätsverlust gefolgt von kurzem ungewollten Aufmerksamkeitsgewinn.

    Sigmund Freud würde sicher gerne dieses Phänomen psychoanalytisch interpretieren, aber ich glaube, selbst er hätte irgendwann bei dem Versuch aufgegeben, meine Gefühlswelt zu enträtseln. Er würde sich wie Sisyphos fühlen, nur dass er keinen Marmorbrocken den Berg raufrollt sondern einen Riesenmuffin. Ein Zwiespalt tut sich auf, denn isst er vom Muffin, schafft er es aufgrund überzähliger Kilos nicht mehr auf den Berg, andererseits ist der Muffin einfach viel zu verlockend – willkommen in meiner Welt sag ich nur.

    Es sieht aber so aus, als ob keine bleibenden Schäden entstanden sind, die nicht durch ein Pflaster und eine heiße Schokolade geheilt werden könnten.

    Jetzt aber schnell ins Café, bevor sich noch die Erde vor mir auftut oder mich ein Meteorit trifft – ja ist alles schon vorgekommen – vielleicht nicht in der Reihenfolge … ich fasle schon wieder.

    Beim Passieren der Eingangstüre frage ich mich kurz, ob es die heiße Schokolade hier auch mit Sahne gibt, verwerfe den Gedanken jedoch gleich wieder, den Riesenmuffin vor meinem geistigen Auge.

    Ich löse mit meinem Eintreffen eine synchrone Rotationsbewegung aller Halswirbel im Raum aus. Gefolgt von einer paarweisen Winkeländerung und Linsenfokussierung direkt auf die Anomalie an meinem Körper: Meine aufgeschlagenen Knie.

    In dem Moment bereue ich die morgendliche Entscheidung für einen Rock, doch ich wollte unbedingt das blaue Wasserfall-Top mit den breiten Spitzenträgern anziehen und im Rahmen meiner eingeschränkten Garderobe, war das die passende Wahl.

    Viel schlimmer sind jedoch die Expressionen, die sich in Form von Mimik und Gestik der hier Anwesenden ableiten lassen. Und nun lässt die nonverbale Linguistik grüßen, auf deren Fähigkeit zur Entschlüsselung ich in diesem Moment gerne verzichten würde.

    Ab jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten – entweder ich löse damit den nächsten Trend aus – Planking ist sicher auch dadurch entstanden, dass sich jemand so richtig aufs Maul gelegt hat – oder das zugegebenermaßen realistischere Szenario: Morgen ist mein verdatterter Anblick auf YouTube zur kollektiven Belustigung downloadbar. Da sag ich doch danke Tim Berners-Lee für ein Leben in Angst vor den sozialen Netzwerken.

    Da steh ich natürlich voll drüber – zwar nur kurz aber hey, der Wille zählt fürs Werk. Dann ergebe ich mich dem gesellschaftlichen Druck und hechte gen Toilette, um größeren Reputationsschaden zu vermeiden. Der Spiegel enttarnt nun gnadenlos, was bisher verborgen blieb – man nehme schwarze Augenränder an bleicher Haut mit einer Prise Bad-Hair-Day. Das ist der Stoff, aus dem Horrorfilme sind – ich hör schon die „Der weiße Hai" Filmmusik im Hintergrund – ta dada …

    Ich bin sicher, Frankensteins-Monster hatte nach seiner Erweckung mehr Farbe im Gesicht als ich. Mir fällt wieder mein Arzt ein, den ich immer Dr. Schiwago genannt habe, weil ich mir seinen Namen nicht merken konnte, der einst meinte – ich zitiere wörtlich: „In meiner langjährigen Profession als praktizierender Arzt ist mir noch nie ein Organismus begegnet, der mit solch niedrigem Blutdruck bei gleichzeitig so hohem Puls nicht vor lauter paralysierter Hyperaktivität implodiert ist" – wenn sie wüssten Herr Doktor.

    Vielleicht stehen Sie kurz vor der Entdeckung einer neuen Spezies" – fand er jetzt nicht so prickelnd als Kommentar seiner Diagnose. Naja, was soll ich sagen, ich bin wie ein Perpetuum mobile – einmal in Gang gesetzt, ewig in Bewegung.

    Jetzt mach ich es schon wieder – zuerst die Straßenbahn, jetzt die Toilette – auf jeden Fall sollten sie mich unter die Gattung Tagträumer einordnen, wenn sie meine Spezies offiziell erfassen.

    Hastig versuche ich noch das letzte bisschen Frisur zu retten – so, besser krieg ichs nicht hin. Heiße Schokolade ich komme.

    Im Café sind wieder alle damit beschäftigt, sich gegenseitig zu ignorieren. Gekonnt siegt der Kollektivismus über den Individualismus und ich füge mich ebenfalls dieser Erscheinung des 21. Jahrhunderts und lese in meinem mitgebrachten Buch.

    Der Zuckerschock regt meine Insulinproduktion an und Endorphine werden durch meinen Körper gejagt – die Weltordnung ist wiederhergestellt.

    Die Tatsache, dass die Sitzbank ziemlich bequem ist, ist nur ein schwacher Trost dafür, dass alle Schokotorten bereits von anderen anonymen Schoko-Süchtigen, die mir zuvorgekommen sind, vertilgt wurden. Wobei ich der Versuchung hätte widerstehen können – ganz sicher. Ich bemerke gerade wie einfach es ist, sich selbst zu belügen.

    Die Tür des Cafés wird aufgerissen und natürlich verfalle auch ich in die kollektive Halswirbelbewegung. Darf ich vorstellen: Neugierde, lateinisch: Novarum rerum cupidus, Wortstamm kommt von „auf Neues begierig" – ein weiterer Wesenszug, der sich in eine Reihe von weiblichen Stereotypen eingliedert. Ich bin natürlich nicht neugierig – zumindest nicht pathologisch.

    Plötzlich vernebelt sich meine Wahrnehmung und die Realität beginnt, wie in Zeitlupe abzulaufen. Eine Gruppe von potenziellen Ernährern betritt das Café. Ich spezifiziere genauer: Es handelt sich um eine Gruppe von Anzugträgern.

    Der gemeine Anzugträger tritt in der freien Wildbahn üblicherweise im Rudel auf und weiß in der Regel genau über die Wirkung seines Äußeren auf das weibliche Publikum Bescheid. Okay, ich gestehe alles – Männer im Anzug sind sexy. Was, zu meiner Verteidigung, bei der heutigen Fülle an ungepflegten, arbeitsverweigernden, die Hose bis zum Po runtergezogenen Vertretern der Spezies Mann ein letzter Lichtblick ist, an den wir Frauen uns klammern.

    Sie sind moderne Gladiatoren. Ihre Arena ist die Geschäftswelt und ihre Waffe ist ihre Souveränität, die sie in ihrem Blick tragen und sofort spult sich bei uns Weibchen der Urfilm ab, in dem wir unser Neandertaler-Männchen am Horizont erblicken. Es kommt von der Jagd nach Hause – in einer muskulösen Hand den Speer – in der anderen das erlegte Mammut. Wir lassen den Blick auf unseren Baby-Neandertaler-Bauch sinken und lächeln …

    Jetzt reiß dich zusammen. Erfolgreich drücke ich auf Stopp und das Bild friert ein. Bevor ich wieder Kontrolle über mich selbst erlange, habe ich das Gefühl, die Neandertaler-Frau sieht mich an, als würde sie mich gleich verkloppen.

    Wie ich sehe, ergeht es den anderen weiblichen Wesen im Raum genauso – wobei wir wieder beim kleinsten gemeinsamen Nenner wären. Tja, was zu beweisen war.

    Ich erkenne in ihnen die anderen Neandertaler-Weibchen. Einigen von ihnen sind die Kinnladen auf der Tischplatte aufgeschlagen und sie schmachten die Gruppe sabbernd an. Die restlichen Männer im Raum sind weiß vom Sauerstoffverlust, der aus dem Baucheinziehen resultiert und ich bin sicher, ab morgen verzeichnen die Muckibuden einen Ansturm an Neukunden. Ja das sind die Marktmechanismen unserer Zeit.

    Jetzt reißt euch gefälligst mal zusammen – damit mein ich übrigens auch mich. Habt ihr auch noch das letzte Quäntchen Selbstachtung verloren?

    Als gnadenloser Realist mit sarkastischem Einschlag habe ich diese Kreaturen schon lange durchschaut. Meistens sind es selbstgefällige, arrogante Profilierungsneurotiker mit penisverlängernden Fortsätzen genannt Automobil, deren Existenz allein dazu da ist, um uns Frauen den Kopf zu verdrehen.

    Mich würde interessieren, was Carl Benz zu dieser Zweckentfremdung seiner Erfindung sagen würde. Obwohl letztens hab ich gelesen, dass er gar nicht das erste Automobil gebaut haben soll, sondern Nicolas Joseph Cugnot. Naja dann war Benz vielleicht der Anzugträger und Cugnot der, der gerade auf der Bauchspeckwegbank trainiert hat.

    Aber nicht mit mir – ich bin da so was von immun dagegen. Die Gesamtsituation hier lässt mich sowas von kalt – zumindest gebe ich mir Mühe, es so aussehen zu lassen.

    Das gehört alles zum Selbstschutz-Programm, das nun abläuft und mich vor größeren Enttäuschungen bewahren soll. Der Quellcode wurde noch nicht entschlüsselt, doch ich vermute, es läuft ungefähr so ab:

    Wenn (Anzugträger auftaucht) {

    Start Urfilm;

    Schilde auf 100 % hochfahren;

    Hoffnungen auf 0 % runterfahren;

    Gleichgültigkeitsprogramm aktivieren;

    }

    Im Ablauf des Gleichgültigkeitsprogramms bin ich nun soweit, dass ich genug von diesem Schauspiel habe und mich wieder dem Studium meines Buches widme. Das ist natürlich alles Taktik, denn insgeheim hoffen wir somit die Aufmerksamkeit eines der Männchen zu erregen und es von der Gruppe zu trennen.

    Meine Hypothese: Männer wollen immer das, was sie nicht oder nur schwer haben können – wobei wir wieder beim Neandertaler-Jäger wären. Vielleicht spult sich sogar ihre Version des Urfilms in ihren Köpfen ab – hm interessanter Gedanke und ich sehe einen Neandertaler, der ein Mammut im Schwitzkasten hat.

    Einziger Wermutstropfen – das Gleichgültigkeitsprogramm läuft nun bei jeder Frau im ganzen Raum ab und wir sind wieder beim gegenseitigen Ignorieren angelangt.

    In der Gruppe Anzugträger, die mittlerweile Platz genommen hat, scheint jemand einen Witz gemacht zu haben, denn alle lachen lauthals.

    Unruhe breitet sich im gesamten Raum wie ein eisiger Wind aus und ein weiteres Naturschauspiel lässt sich beobachten. Kleine Schminkspiegelchen werden aus den Taschen gezückt und Näschen gepudert, Kleidung wird zurechtgerückt, Füße werden übereinander geschlagen und ich mitten drin wie ein Ornithologe, nur dass ich kein Fernglas brauche.

    Ich lächle, weil ich, bedingt durch den Zustand meines Geschlechts, zu einer eingeweihten Wissenden gehöre und somit genau weiß, was los ist. Jedes feminine Wesen in diesem Raum hat Angst, dass der Witz auf ihre Kosten ging.

    Und da ist er, der Blick genau in dem Moment, als ich das selbstbelustigte Grinsen an der Backe kleben habe. Eines der Männchen sieht zu mir rüber. Unsere Blicke treffen sich und der Urfilm beginnt, sich erneut abzuspulen. In Echtzeit durchlaufe ich das Selbstschutz-Programm. Ich klammere mich an mein Buch und der Sympathikus gewinnt Oberhand über den Parasympathikus und Schamesröte steigt mir ins Gesicht – ein weiterer Dank geht an das vegetative Nervensystem.

    Mein Atemreflex setzt für eine gefühlte Ewigkeit aus und kurzer Schwindel überkommt mich. Der Mann sieht so unverschämt gut aus, dass es sogar wehtut – oh das ist mein Knöchel, der sich da meldet.

    Der ist höchstens fünfunddreißig, durchtrainiert, hat dunkles Haar und stahlblaue Augen, die sich direkt in mein Eroberungs-Zentrum bohren. Mit seinem kantigen, wunderschönen Gesicht sieht er aus wie einer dieser Aristokraten. Für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, die Flugzeuge in meinem Bauch heben mich in ungeahnte Höhen.

    Oh, da fällt mir auf … ich bin wohl das zentrale Thema des Witzes und alle anderen wissen es auch, denn zugleich macht die eisige Kälte einer Erleichterungsbrise Platz, gefolgt von gönnerhaften weiblichen Blicken, die ein klares Ziel haben – mich.

    Okay – jetzt bin ich so richtig verunsichert, aber ich lasse den Hexen ihren Triumph nicht und strecke mich zurück, damit man meine breiten Schultern und meine schön geformten Schlüsselbeine sehen kann. Zugegebenermaßen einer meiner wenigen Trümpfe, die ich glaube zu haben oder was sich zumindest aus meiner subjektiven Wahrnehmung begründet, dass ich sie haben könnte.

    Den taktischen Schachzug, den ich nicht vorhersah: Sie tun es mir nun alle gleich und richtig schwere Geschütze werden aufgefahren: Bäuche werden eingezogen, Brüste rausgestreckt, Haare fliegen. Okay Kapitulation – ich wollte sowieso gleich gehen, ja okay, vielleicht noch nicht so schnell, aber ich möchte sowieso nach Hause.

    Ich will gerade den Nervenimpuls zum Aufbruch von meinem Gehirn an meine Beine schicken, da erhebt sich das Blick-von-vorher-Männchen plötzlich und ich kann erkennen, dass es sich in meine Richtung bewegt.

    Oh nein … er wird doch nicht … er kann doch nicht. Wie war das nochmal? Angriff oder Flucht? Und er kommt nicht allein auf mich zu – er wird von ungläubigen, neidischen Blicken der Nebenbuhlerinnen begleitet und ich weiß grad nicht, was schlimmer wäre – wenn er mich jetzt anmachen oder einfach nach dem Zucker fragen würde.

    Atme, atme zwinge ich mich. Okay, für Flucht bleibt keine Zeit mehr, denn er steht bereits vor mir und lächelt mich an. Toll, Zahnarztlächeln – konzentrier dich, du bist immun, du bist immun, du…. „Hallo, könnte ich die Financial Times dort haben oder brauchen Sie sie noch?"

    Ein kollektives Aufatmen geht durch die Reihen und ich komme mir vor, wie ein absoluter Vollidiot, weil ich mir Hoffnungen gemacht habe. Wo ist das Schutzprogramm wenn man es einmal braucht?

    Seh ich etwa so aus, als ob ich die Financial Times lesen würde? Die liegt da noch vom Vorgänger – obwohl, das weiß er ja nicht – hm Business-Lady – egal.

    Wie konnte ich nur annehmen, dass sich so ein Anzugträger für mich interessiert. Ausgerechnet für mich. Okay, vielleicht hab ich einen knochigen Arsch und Mikrobrüste, ja und vielleicht müsste was an meiner Nase gemacht werden, doch verdammt nochmal anmachen hätte er mich schon können. Ich hätt ihn sowieso abblitzen lassen. Der ist ja absolut nicht mein Typ (Selbstschutz wurde aktiviert), aber nicht mal das bisschen Selbstbewusstseins-Push sei mir vergönnt.

    Ich greife gelangweilt nach der Zeitung neben mir und reiche sie ihm rüber, ohne nur mit der Wimper zu zucken. Eigentlich unglaublich, wie gekonnt man sein inneres Gefühlschaos verbergen kann, wenn man sich so wie ich halbwegs im Griff hat. Und echt gut, dass es gedankenlesende Schönlinge nur in meiner Phantasie gibt.

    Er sieht mich leicht ungläubig an und quetscht ein „Danke" heraus. Ja, was ist los? Wenn du ein Weibchen willst, dass dich ansabbert, weil du so schön bist, versuch dein Glück an einem anderen Tisch.

    Also so was macht mich wahnsinnig – reiche Schönlinge, die es gewohnt sind, alle Aufmerksamkeit der Welt zu kriegen. So, jetzt hast du Dorian Gray es geschafft, mir auch noch das letzte Drittel des Tages zu vermiesen, was sich erfahrungsgemäß in einer Metamorphose zu Mr. Hyde auswirkt, der schon an einigen nächtlichen Kühlschrank-Plünder-Aktionen beteiligt war. Ich bin sicher, Robert Louis Stevenson verzeiht mir diesen Missbrauch seiner Schöpfung.

    Er macht Anstalten umzukehren, verharrt aber einen kurzen Moment in sich und es sieht so aus, als würde er überlegen. Scheiße… kann der doch Gedanken lesen?

    Er dreht sich nochmals zu mir um und sieht mich an, diesmal mit einem anderen Ausdruck. Meine Alarmglocken läuten, denn es ist der Neandertaler-auf-der-Jagd-Blick.

    Es ist jener Blick, der wieder meinen Urfilm aktiviert. Jener Blick, der meine sonst automatisch ablaufenden Körperfunktionen kurz deaktiviert und mich in einem Vakuum zurücklässt.

    Dann kommt er näher, beugt sich leicht zu mir runter, als würde er mir etwas sagen wollen, das nur für mich bestimmt ist, was nicht für alle Ohren im Raum hörbar sein soll, deren Besitzerinnen übrigens gerade vor Neid ihre Fingernägel in die Tischplatten krallen.

    Er ist so nahe, ich kann ihn sogar riechen – natürlich ein olfaktorischer Hochgenuss, der sich auf all meine Sinne auswirkt.

    Binnen Millisekunden entschlüssle ich über diesen Kanal seine DNS und mein Unterbewusstsein weiß sofort, dass unser Erbgut kompatibel ist. Ich halt das nicht mehr aus. Ich muss mich zusammenreißen, dass ich nicht zu sabbern beginne und falle bereits in einen Tagtraum, in dem wir im Park picknicken …

    „Würden Sie mir einen blasen?" So flüsterleise Worte, die vor meinem Butterbrot eine Atombombe einschlagen lassen, reißen mich bedingungslos aus meiner Phantasie zurück in die erbarmungslose Realität.

    Ding, ding, ding: Knock-out in der ersten Runde. Meine Hypothese über Anzugträger hat es nun geradewegs zur Theorie geschafft. Ach Dorian, was hätte nur aus uns werden können – du abartiger Arsch.

    Zwar mit kurzer Verzögerung, jedoch blitzschnell, aktiviert sich mein In-Not-Programm. Konzipiert für genau solche Fälle.

    Wenn (Anzugträger aufdringlich wird){

    Dann

    Gegenangriff;

    }

    Sonst

    Flucht

    }

    Geistesgegenwärtig kommt mir mein Selbstverteidigungs-Eskalationstraining in den Sinn:

    Tipp 1: Bleiben Sie ruhig – ich bin ruhig – noch

    Tipp 2: Finger weg vom Alkohol – naja YouTube braucht doch auch irgendwo seine Videos her, aber keine Zeit für Alkohol

    Tipp 3: Halten Sie sich die Notausgänge im Blick, falls Ihnen danach Prügel drohen – okay.

    Mir fällt gerade auf, dass das scheiß Tipps sind. Das klang im Training damals logischer.

    Egal, ich muss jetzt stark sein. Nicht nur für mich, nein, für alle Weibchen, bei denen er das schon abgezogen hat und die vielleicht gleich geflüchtet sind. Okay ich gebs zu, das war auch mein erster Gedanke, doch ich bin noch hier. Ich feile noch an meinem Plan …

    Und da ist er, der rettende Gedanke – Logik ist etwas Befreiendes, ich sollte sie öfters anwenden. Ich schlage ihn natürlich mit seinen eigenen Waffen.

    Ich setze meinen laszivsten Blick auf, der seinen Urfilm auslösen wird und blase (Grins) zum Gegenangriff.

    Mit burlesqueartigen Bewegungen schlage ich meine Beine übereinander, schiebe den Träger meiner Bluse in einer fließenden Bewegung etwas tiefer, damit meine nackte Schulter besser zur Geltung kommt, rutsche näher an ihn heran, sodass mein Kopf seiner Hose gefährlich nahekommt, blicke mit klimpernden Wimpern zu ihm auf und flüstere mit einer entrüstenden Selbstverständlichkeit, die mir all meine nonexistenten schauspielerischen Fähigkeiten abverlangt: „Ja, … okay." Dabei hebe ich meine Hand und nähere mich langsam verbotener Bereiche.

    Er schreckt etwas zurück. Es sieht so aus, als hätte ich ihm auch gerade seine Phantasie zerstört – nur mit dem Unterschied, dass er darin sicher kein Butterbrot gegessen hat – ha willkommen zurück in der Realität.

    „Echt – jetzt wirklich? Dann sollten wir hier schnell verschwinden", entgegnet er ein bisschen zu überrascht für meinen Geschmack.

    Aus dieser Reaktion schließe ich, dass der Spruch entweder noch nie funktioniert hat, oder dass das hier eine Jungfernfahrt war – hm sein erstes Opfer. Also wirklich, Männer sind solch einfältige Wesen. Er kapierts einfach nicht.

    „Nein … natürlich nicht wirklich", fahre ich ihn immer noch flüsternd an. Nun habe ich genug von dieser Farce und packe meine Sachen zusammen.

    „Wo wollen Sie hin?", fragt er, als ob er sich immer noch Hoffnungen machen würde.

    Okay, ich hätte es ja auf sich beruhen lassen, aber er wollte sich diesen Korb ja unbedingt noch abholen.

    „Ich muss zum Zoo. Meldung machen, dass einer ihrer Primaten entlaufen ist." Der hat gesessen. Ihm und dem Rest der Zuschauer fallen soeben die Kinnladen runter

    Das ist mein Stichwort, um von hier zu verschwinden – siehe Tipp Nr. 3 Selbstverteidigungs-Eskalationstraining. Dabei werfe ich ihm noch einen Wo-das-herkommt-gibt-es-noch-viel-mehr-Blick zu, um die Grenzen meines Reviers abzustecken.

    Ich erhebe mich theatralisch und – oh nein Kreislauf – es ist ja mal wieder so klar. Und aaahh Schmerz – mein Knöchel. Nun offenbart sich die volle Wirkung der plötzlichen Lageänderung.

    Ehe ich mich versehe, wird mir schwarz vor Augen, bekomme weiche Knie, verliere die Kontrolle über meinen Körper

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