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Alltagskrämpfe: Ein Familienvater / Stadtmensch / Erzieher erzählt
Alltagskrämpfe: Ein Familienvater / Stadtmensch / Erzieher erzählt
Alltagskrämpfe: Ein Familienvater / Stadtmensch / Erzieher erzählt
eBook89 Seiten58 Minuten

Alltagskrämpfe: Ein Familienvater / Stadtmensch / Erzieher erzählt

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Über dieses E-Book

Ob beim Joggen, im Spaßbad, auf dem Weg zur Kita, auf der Autobahn oder im öffentlichen Nahverkehr: Der Alltag schreibt die absurdesten Geschichten.
Als Vater, Erzieher oder einfach als Stadtbewohner sauge ich alles Mögliche auf und bastle daraus meine Texte.

Alltagskrämpfe – das sind Mini-Geschichten zwischen Fantasie und Realität. Für Erwachsene.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. März 2020
ISBN9783750227477
Alltagskrämpfe: Ein Familienvater / Stadtmensch / Erzieher erzählt

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    Buchvorschau

    Alltagskrämpfe - Matthias Gammrath

    Neulich beim Joggen

    Als ich neulich, in vierteljährlicher Regelmäßigkeit, in meine Laufschuhe glitt und in den städtischen Park startete, wurde mir erneut klar, wie sehr auch das Joggen ein ganz eigener Kosmos mit eigenen Regeln, Rangordnungen und Riten ist: Sobald man die Haustür verlässt und das Hirn von Gehen auf Laufen umschaltet, taucht man ein in diesen Urkosmos und alles andere wird bedeutungslos: Rasende Rentner, kiffende Kleinkinder, fickende Frösche, (alarmierend alberne Alliterationssucher) – den Jogger interessiert das alles nicht. Der beschleunigte Rhythmus verwandelt ihn in ein Sportwesen, dessen Gedanken sich nur noch um die neugewonnene ureigene Bestimmung drehen. Sofort beginnt das automatische Klassifizieren, ja Scannen, des noch relevanten sozialen Umfeldes.

    Ich überhole einen Ü-85-Jährigen, dessen Hauptmotivation es zu sein scheint, dem Tod noch einmal von der Schippe zu joggen. Man möchte ihn bremsen. Man möchte ihn betten. Man möchte ihn zu einer Runde Schach und weichen Buttercookies zwingen. Im Vorbeilaufen nicke ich ihm freundlich zu und frage mich, ob meine Gedanken auf pure Nächstenliebe oder eher auf die Angst einer erforderlichen Erste-Hilfe-Leistung zurückzuführen sind.

    Wie auch immer: Weiter geht's. Erste heftige Herz- und Lungenstiche stellen sich ein und verdeutlichen mir den geringen Grad meiner Fitness. Eine Horde Jogger-Pros kommt mir entgegen. Perfekt anmutende Gestalten, deren Knochen und Gelenke sich evolutionär zu Sprungfedern und Stoßdämpfern weiterentwickelt haben. Ohne mich wahrzunehmen, gleiten die Sporthybriden an mir vorbei. Kein Wunder, denn auch der Mikrokosmos ist eine Welt mit klaren Hierarchien, in der meine Gruppe nun mal ganz unten rangiert. Ich gehöre nämlich eindeutig zu den Quartalsläufern, die selbst nicht wirklich daran glauben, dass sie jemals zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft aufsteigen – also: dass sie das Ganze regelmäßig durchziehen werden. Von Selbstzweifeln und Atemnot zerfressen peitschen wir unsere unfitten, in unpassende Kleidung (nicht atmungsaktiv!) gehüllten Körper mit verzerrter Mimik durch den Kosmos.

    Ich passiere einen Spielplatz. Ein etwa Mitte vierzigjähriger Vater (Marke 'Körnerfresser, ich bin der Geilste und Lockerste und meine grauen Locken sind super sexy') joggt los (betritt den Kosmos) und lässt seine zwei Kinder, wie eine Schildkröte ihre Eier am Strand, schutzlos zurück. Erna (2 1/2), pass mal kurz auf Emil (1 1/2) auf. Ich jogge nur kurz um den Spielplatz (10 Kilometer).

    Meine Haut beginnt unangenehm zu jucken, Schleim bildet sich im Rachen und an den Mundwinkeln. Atemnot stellt sich ein. Neben der Skateranlage überhole ich ein paar Walker. Walker, egal ob mit Stöcken, Gewichten oder ohne alles, sind aus Joggerperspektive niederklassige Geschöpfe am unteren Rand des Kosmos'. Sie rangieren noch weit unter den Quartalsläufern und werden als die Unberührbaren bestenfalls geduldet. Aus Angst ihren Gelenken und Knien zu schaden, bewegen sie sich irgendwo zwischen spazieren gehen und 'ich hab's etwas eilig'. Natürlich gibt's auch noch die 'ich jogge und gehe dabei mit meinem Hund Gassi'- Gruppe. Aber wen interessieren diese Penner? Meine Lunge explodiert, wenn ich so weiter mache, meine Haut verbrennt und meine Luftröhre lässt mich glauben, ich hätte Mukoviszidose im Endstadium. Ich verlasse den Kosmos vorzeitig und gehe schnaufend nach Hause. 'Scheiß Jogger', denke ich und kaufe mir ein Radler.

    Generationsbrücke

    Äh, hallo?! Was wird das denn jetzt?, rufe ich dem Grundschulkumpel meines Sohnes in väterlich, ätzender Stimmlage zu, während dieser gerade seine PS4 mit der Selbstverständlichkeit eines Steine schleppenden Bauarbeiters in mein Zimmer trägt. Na wir zocken Fortnite.

    Aber wir haben doch eine PS4 im Wohnzimmer. Spielt doch einfach da, sage ich genervt. "Wir wollen aber online zocken. Das geht nicht an einer Playstation. Während ich ihn fassungslos anglotze, sucht mein Hippocampus automatisch nach vergleichbaren Zockerlebnissen aus der Kindheit. Im Bruchteil einer Sekunde werden passende Datensätze gefunden, mit der vorliegenden Situation verglichen und als nicht kompatibel bewertet. Sofort veranlasst mein Hirn die entsprechende Verbalisierung: Was ist das denn für ein Schwachsinn?!"

    In den Neunzigern als Nintendo- und Sega-Kind mit einem Kumpel zocken hieß: kabelgebunden, nebeneinander, mit Chips und Cola auf einen Bildschirm glotzen. Dann geh' doch einfach nach Hause, wenn ihr sowieso in zwei Zimmern hockt, sage ich (meinen wohl sortierten medialen Entertainmentbereich schützend). Sichtlich geknickt packt er seine Konsole wieder in den kleinen Rucksack und hält mich sicher für ein Riesenarschloch. Ich mich auch. Aber andererseits: Was fällt ihm ein, einfach in mein Zimmer zu marschieren?

    Ein erneuter Hippocampus-Scan zum Thema ZU BESUCH BEI GRUNDSCHULFREUNDEN ergibt zahlreiche Treffer:

    Brav Hände waschen, am Tisch leise aufessen (auch wenn es komisch schmeckt) und dann so etwas Wohlerzogenes wie "War sehr lecker Frau XY" sagen, im Kinderzimmer spielen (im Rest der Wohnung nur in besonderen Fällen und mit größtem Respekt vor den Eltern). Und was ist das hier?! Wenn ich von der Arbeit komme, finde ich regelmäßig halbe Klassentreffen vor. Alle fressen Nudeln mit Pesto, hören frauenfeindliche Deutschrap-Songs in furchtbarer Handyqualität und grölen mit ihren Stimmbrüchen um die Wette. Vergleichbares nannte man bei uns eine Party – heute: Schulschluss. 'Ich sollte dringend an meiner Autorität arbeiten und für Zucht und Ordnung sorgen', denke ich, während ich die mit Pesto beschmierten Teller wegräume.

    Warum

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