Franzi und die Ponys - Band IV: Sallys Rettung
Von Eike Ruckenbrod
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Über dieses E-Book
Eike Ruckenbrod
Seit 1998 schreibt und illustriert Eike Ruckenbrod hauptsächlich spannende und lehrreiche Kinder- und Jugendbücher. Die dreifache Mutter und Redakteurin bildet in ihrer Freizeit Pferde und Menschen nach Natural Horsemanship aus und ist sehr spirituell und sportlich. Mehr über sie und ihre Bücher/eBooks unter: www.pferderoman.de
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Rezensionen für Franzi und die Ponys - Band IV
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Buchvorschau
Franzi und die Ponys - Band IV - Eike Ruckenbrod
Verhängnisvoller Fehler
Dicke Schneeflocken wirbelten auf die steile Windschutzscheibe des Jeeps zu und blieben daran haften. Bevor sie schmelzen konnten, schoben die Scheibenwischer sie mit einer raschen Bewegung zur Seite. Moritz, Franzis großer Bruder, genannt Mojo, fuhr angespannt über die verschneite Straße. Konzentriert blickte er geradeaus. Seine Finger umklammerten das Lenkrad. Franzis Mutter hatte den Jeep mitsamt dem Pferdeanhänger ausgeliehen, damit Franzi ihren Isländer Svartur mit auf den Islandpferdehof Triptrab nehmen konnte.
Dort hatte sie schon dreimal ihre Ferien als Praktikantin verbracht. Svartur gehörte davor der Hofbesitzerin Frau Knoll. Aber der Hengst war so wild, dass es nur Franzi gelang, das Tier zu zähmen. Nicht einmal zu Olli, dem süßen Auszubildenden, fasste er Vertrauen. Ihn setzte der bildschöne Rappe in Sekundenschnelle in den Sand. Für Wiebke, Frau Knolls Nichte, und den anderen Ferienmädchen galt Franzi seitdem als „Pferdeflüsterer", da sie so gut mit Pferden und Ponys umgehen konnte. Aber durch ihre Ungeduld, ihren Mut und die hemmungslose Liebe zu den Ponys geriet sie jedes Mal in aufregende und gefährliche Abenteuer und Olli musste ihr mehr als einmal aus der Patsche helfen.
Franzi blickte gedankenverloren durch die trübe Scheibe, als plötzlich ein heftiger Ruck das Auto erschütterte.
Erschrocken starrte sie ihren Bruder an. „Was war das?" Sofort läuteten bei ihr die Alarmglocken. Sie drehte sich um und spähte durch die Heckscheibe zum Anhänger.
„Ich weiß nicht." Mojo blickte beunruhigt in den Rückspiegel.
„Wir müssen anhalten und nach Svartur sehen", meinte Franzi äußerst beunruhigt.
„Es geht jetzt nicht. Hier kann man nicht halten." Gerade wechselte Mojo von der Autobahn zur Bundesstraße. Auf dem Zubringer gab es keinen Randstreifen und er war gezwungen, noch ein Stück weiterzufahren. Franzi rutschte auf ihrem Sitz hin und her. Panisch blickte sie nach hinten zum Hänger. Sie konnte nichts Ungewöhnliches erkennen, aber ein dicker Kloß im Magen ließ Übelkeit in ihr aufsteigen.
„Du musst sofort anhalten! Da stimmt was mit Svartur nicht. Ich spür‘ das." Mojo blickte in den Rückspiegel und drückte stattdessen aufs Gaspedal.
Unglaublich lange Sekunden verstrichen. Franzi krallte sich, startklar zum Sprung, an den Türgriff.
„Halt jetzt sofort an!" Ihre Stimme überschlug sich.
„Ich kann jetzt nicht", schrie Mojo zurück. Auf der Bundesstraße schaltete er den Warnblinker ein und fuhr auf den Seitenstreifen. Der Wagen stand noch nicht still, als Franzi schon die Tür aufriss und nach hinten stürmte. Mojo musste noch warten, da einige Autos vorbeifuhren.
Franzi schlug gegen die Verriegelung der Seitenklappe und schlüpfte schnell in das Innere des Hängers.
Sekundenlang setzte ihr Herzschlag aus, als sie Svartur mit verdrehtem Hals und aufgerissenen Augen am Boden liegen sah.
Hastig untersuchte sie ihn. Das verrutschte Knotenhalfter schnitt ihm offensichtlich die Luft ab, denn es drückte direkt auf die Weichteile seiner Nüstern. Mit zittrigen Fingern versuchte sie, das Halfter zu lösen, aber es stand so unter Druck, dass sich weder der Knoten, noch der Karabiner öffnen ließen.
Mittlerweile stand Mojo fassungslos hinter ihr.
„Ein Messer, wir brauchen ein Messer, schrie Franzi. Ihr Bruder starrte wie versteinert auf den Rappen. Franzi sprang auf und schüttelte ihn. „Wo ist ein Messer? Ist im Wagen ein Messer?
„Im Verbandskasten liegt eine Schere", antwortete Mojo wie unter Hypnose und Franzi rannte nach vorn. Sie riss den Kofferraum auf, entdeckte das Kreuz auf der linken Klappe, riss den Verbandskasten auf, schnappte die Schere und hetzte atemlos zurück.
Ihr Herz raste. Schmerzhaft schlug es gegen den Brustkorb. Energisch setzte sie die Schere an und versuchte, das Halfter zu zerschneiden. Endlich gab das stabile Seil nach und rutschte von Svarturs Nüstern. Ihre Gedanken routierten:
Was mache ich, wenn er nicht mehr atmet? Wie funktioniert eine Wiederbelebung bei einem Pferd? - Sauerstoff, er braucht Sauerstoff.
Franzi sprang raus, rannte nach hinten und öffnete die Klappe des Hängers. Mojo hatte sich so weit beruhigt, dass er wieder klare Gedanken fassen konnte. „Wir müssen einen Tierarzt holen."
Gebannt starrte er auf das regungslos am Boden liegende Pony und zog sein Handy aus seiner Jackentasche.
„Mach‘ die Querstrebe raus und schieb die Seitenwand zur Seite!", befahl Franzi, während sie sich neben das Pony kniete. Dann beugte sie sich über den Rappen und legte die Hand auf seinen Brustkorb. Gleichmäßig hob und senkte sich dieser.
„Er lebt. Gott sei Dank, er lebt. Ich spür‘ es genau", schrie sie erleichtert. Das Pony hob in diesem Augenblick seinen Kopf. In Franzis Augenwinkeln glitzerten Freudentränen, als sie voller Liebe seinen Kopf in ihre Hände nahm.
„Hallo mein Süßer, wie geht‘s dir?" Zärtlich streichelte sie seine flauschige Stirn. Mojo steckte sein Handy wieder in die Tasche.
„Svartur muss aufstehen. Komm hilf mir!, forderte sie ihren Bruder auf. Franzi hob Svarturs Kopf an. „Hoch!
, befahl sie energisch. Mojo versuchte, das Pony im Schulterbereich hochzudrücken. Svartur zog seine Beine unter den Bauch und sog mehrmals tief die Luft ein. Ängstlich blickte er nach draußen auf die vorbeibrausenden Autos.
„Wie konnte das nur passieren?", fragte Mojo seine Schwester immer noch fassungslos.
„Wahrscheinlich ist ihm der Strick beim Fressen über das Genick geraten, er hat Panik bekommen und dagegengezogen. Dadurch hat sich das Halfter verdreht und ihm die Luft abgeschnürt. Irgendwann hat es ihn dann wohl umgehau ’n, erklärte Franzi und fügte kleinlaut hinzu: „Eigentlich darf man das Knotenhalfter nicht zum Verladen benutzen, denn es ist ein reines Arbeitshalfter, aber es war schon so spät ...
Mojo atmete tief ein und schüttelte ungläubig den Kopf. „Man sollte ab und zu sein Hirn einschalten, fast hätte ihn deine Ungeduld das Leben gekostet. Du musst noch viel lernen, kleine Schwester", sagte er vorwurfsvoll. Franzi schwieg betroffen. Ihr war speiübel. Nie hätte sie es sich verziehen, wenn Svartur etwas passiert wäre. Der Rappe bewegte sich unruhig, stand kurz darauf auf und schüttelte sich. Mojo lobte ihn und streichelte seinen kräftigen Hals. Nervös scharrte der Wallach mit dem Vorderhuf und blickte mit weit aufgerissenen Augen aus dem Hänger.
„Es scheint ihm gut zu gehen", stellte Mojo beruhigt fest. Franzi nickte erleichtert.
„Ich hab‘ noch ein normales Stallhalfter in meinem Rucksack", fiel ihr gerade ein, als ein Lkw direkt neben dem Hänger ohrenbetäubend laut hupte. Svartur bäumte sich auf, drehte sich blitzschnell auf der Hinterhand und galoppierte panisch aus dem Hänger heraus. Franzi griff vergeblich nach ihm.
„Nein, Svartur nicht ...", schrie sie ihm noch nach. Mojo rannte dem Pony hinterher. Das sprang hastig weg von den angsteinflößenden Autos und Lkw, über die Leitplanke und hinaus aufs freie, schneebedeckte Feld. Die Geschwister hetzten ihm hinterher. Bei jedem Schritt sanken sie knietief im Schnee ein und kamen nur langsam vorwärts. Svarturs Silhouette wurde immer kleiner, bis sie hinter einem Hang verschwand.
Frustriert blieb Mojo stehen und beugte sich keuchend vornüber. Mit zittrigen Knien stand Franzi ein paar Meter hinter ihm und drückte fest gegen ihre Seite, in der Hoffnung, damit das fiese Seitenstechen zu vertreiben. Ihr Hals schmerzte. Sie fühlte sich so schlecht wie noch nie in ihrem Leben.
Was habe ich nur getan? Svartur ist weg. Lieber Gott, bitte lass ihm nichts zustoßen. Bitte, bitte, bitte ...
Mojo kam mit hochrotem Gesicht auf sie zu.
„Ich ruf‘ die Polizei an. Die müssen uns helfen. Franzi nickte mit Tränen in den Augen. „Vielleicht können sie ja mit einem Hubschrauber nach ihm suchen
, sagte sie hoffnungsvoll.
„Beim Hof müssen wir auch anrufen." Mojo zog sein Smartphone aus der Jackentasche.
„Ich muss den Wagen und den Anhänger heute noch zurückbringen", fügte er verzweifelt hinzu. Franzi schwieg betreten.
Wie kann er jetzt nur an den blöden Hänger und den Wagen denken. Svartur ist weg! Und vielleicht sehen wir ihn nie wieder.
Dunkle Punkte tanzten vor ihren Augen. Ihr war schwindlig. Kraftlos stapfte sie hinter ihrem Bruder durch den Schnee. Mojo blieb stehen und zog schwungvoll einen seiner Lederhandschuhe aus, dabei rutschte ihm sein Smartphone aus der Hand, fiel in den Schnee und verschwand augenblicklich darin.
„So ein Mist", fluchte er, bückte sich und suchte nach dem flachen Gerät. Hektisch wühlte er im Schnee, sodass man bald nicht mehr erkennen konnte, wo genau es hineingefallen war.
Franzi schaute sich immer wieder nach Svartur um, aber er blieb, wie auch das Smartphone, verschwunden.
Tränen verschleierten ihren Blick. Mojo grub wie ein Hund im Schnee. Die Verzweiflung ließ ihn lange nicht ermüden. Auch Franzi schaufelte den Schnee durch. Nach einer Weile fiel ihr ein: „Im Auto liegt mein Handy. Komm, wir holen es, dann kann ich dich anklingeln."
„Geh‘ du, ruf‘ mich an und warte im Wagen auf mich!" Franzi nickte und stapfte mit bleischweren Beinen los.
Tief saugte der Ausreißer die kalte Luft in seine Lungen. Endlich weg von alldem, was ihm Angst einjagte. Übermütig buckelte er und galoppierte immer weiter. Der lockere Schnee umwirbelte ihn und ließ sich auf seinem Fell nieder. An seinen Tasthaaren hafteten zarte weiße Kristalle. Als er endlich langsamer wurde, dampfte sein Körper und umhüllte ihn in eine weiße Wolke. Ketten von kleinen Eisklumpen hingen an dem langen Fell seiner Beine. Locker trabte er einen Hang hinunter. Ab und zu senkte er den Kopf und blies in die dichte Schneedecke hinein. Schneeflocken stoben daraus hervor und wirbelten einen Moment durch die Luft. Plötzlich blieb er stehen und verharrte regungslos im tiefen Schnee. Aufmerksam und fluchtbereit beobachtete er seine weiße Umgebung.
Unglaubliche Begegnung
Sally lag auf ihrem Bett und starrte zur Decke. Sie hasste das Leben und besonders das, was das Schicksal aus ihr gemacht hatte. Einen Krüppel, den keiner mehr liebte. Und damit meinte sie Liebe, kein Mitleid, das verabscheute sie. Ihre Familie konnte ihr nichts mehr recht machen. In allem sah sie nur Mitleid und sie wurde ungerecht, launisch und hart.
Bis zu ihrem Fahrradunfall vor einem Jahr war sie die neunjährige, hübsche, lebenslustige Sally gewesen, die jeder mochte. Der Liebling ihres Vaters. Jetzt nervte er nur noch, mit seinen überflüssigen Geschenken und der geheuchelten Liebe.
Und Mutti, die weint sich noch mal die Augen aus dem Kopf. Sie meint wohl, ich höre nicht, wie sie Nacht für Nacht leise in ihr Kissen schluchzt.
Angeekelt blickte Sally an ihrem Körper hinab. Ihr Blick ruhte auf ihren leblosen dünnen Beinen, die verdreht auf der Decke lagen.
„Ich hasse euch!", zischte sie und zwickte sich fest in den Oberschenkel. Dass ihre Krankengymnastin, mit der sie ein paar Mal in der Woche trainierte, sie auf einen weiteren blauen Fleck ansprechen würde, interessierte sie nicht.
Warum gerade ich? Konnte es nicht jemand anderem passieren? Habe ich was Schlimmes getan, dass ich so hart bestraft werde?
Es waren immer dieselben Gedanken, die sie beschäftigten. Früher hatte sie täglich gebetet und Gott um Gesundheit angefleht. Doch inzwischen hatte sie es aufgegeben.
Es hat alles keinen Sinn mehr. Ich bin doch nur eine Belastung für Mutti und Vati.
Seit zwei Tagen versteckte Sally ihr Essen in einem Schuhkarton im Kleiderschrank. Und immer wenn ihre Mutter „Hat es dir geschmeckt, meine Liebe, fragte und ihr liebevoll übers Haar strich, antwortete Sally: „Ja Mami, war lecker.
Ihr schlanker Körper magerte rasch ab und die Kraft schwand.
Jede Nacht plagte Sally der gleiche Albtraum: Nach der Schule radelte sie nach Hause. Plötzlich quietschten Reifen, ein großes, schwarzes Auto kam direkt auf sie zugerast. Angstvoll starrte sie der Limousine entgegen. Sie sah noch den Qualm von den quietschenden Reifen aufsteigen. Verschmorter Gummigeruch stach ihr in die Lunge, als sie zu Boden