Unbekannte Bekenntnisse: Weihnachten aus erster Hand
Von Eckhard Lange
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Buchvorschau
Unbekannte Bekenntnisse - Eckhard Lange
EIN WORT ZUVOR
Zwei Männer - Lukas und Matthäus - hatten sich entschlossen, etwas Bedeutsames zu erzählen, jeder auf seine Weise und ziemlich unterschiedlich. Das ist auch kein Wunder, denn dabeigewesen sind sie schließlich beide nicht, und der aufmerksame Leser erkennt rasch, daß es ihnen schwergefallen sein muß, dem Berichteten Logik und Zusammenhang zu geben.
In ihren Geschichten kommen Menschen vor - stets geht es um Menschen, wenn man Geschichten erzählt. Ob sie immer damit einverstanden sind, ob sie geschmeichelt oder gekränkt waren, ob sie zugestimmt oder widersprochen hätten - das wird nur selten gefragt. Und doch: Man sollte sie einmal fragen!
Nun sind uns einige von ihnen mit Namen bekannt, andere bleiben anonym, und wieder andere werden uns ganz verschwiegen, obwohl es sie doch eigentlich hat geben müssen, damit diese Geschichten auch geschehen konnten. Sicher aber haben alle ihre höchst eigene Sicht der Dinge, in die sie da hineingezogen worden sind - ob nun von der Historie selbst oder doch von jenen, die über diese Geschichte Geschichten erzählen.
Darum sollen sie endlich einmal die Gelegenheit bekommen, selbst Stellung zu nehmen zu ihrer Rolle, die Geschichte aus ihrem Blickwinkel zu betrachten, kurz: ihre Geschichte zu erzählen, sozusagen aus erster Hand.
Um es gleich zu sagen: Es sind sehr verschiedene, vielleicht auch gegensätzliche Geschichten, weil diejenigen, die sie erzählen, selbst sehr verschieden sind und weil sie das Geschehene darum auch verschieden sehen.
Verschieden sind ihre Geschichten auch von dem, was andere wissen oder zu wissen meinen. Schließlich sind sie mir erzählt worden, und ich erzähle sie weiter auf meine Weise, eben so, wie ich sie meine gehört zu haben.
Jedenfalls aber sind ihre Geschichten zuallererst Bekenntnisse, sehr persönliche Bekenntnisse. Daß sie bisher noch niemand bekannt sind, liegt einfach daran: Sie haben sich ja noch nicht öffentlich dazu bekennen können - eben, weil sie niemand danach gefragt hat. Das soll nun endlich anders werden.
Daß darum nicht nur das Erzählte, sondern auch diese Bekenntnisse sehr verschieden sind, wird wohl jeder verstehen, vielleicht sogar erwarten, denn letztlich hat jeder Mensch das Recht auf ein eigenes Bekenntnis.
LUKAS-EVANGELIUM - DER AUTOR (Lukas 1, 1-3)
In der Tat: Mit aller Bescheidenheit kann ich mich doch rühmen, den umfangreichsten und dennoch genauesten Bericht über das Leben unseres Herrn Jesus vorgelegt zu haben, einschließlich eines zweiten Bandes, den ihr Späteren wohl seine Wirkungsgeschichte nennen würdet. Das war ich meinem Freund und Gönner, dem geschätzten Theophilus, auch schuldig, schließlich hat er mit seiner Großzügigkeit dazu beigetragen, daß ich nicht nur ausreichend Muße zum Schreiben hatte, sondern auch die nötigen Mittel für meine teils sehr aufwendigen Nachforschungen.
Zwar lagen mir selbst bereits zwei Sammlungen vor, besonders die wirklich anerkennenswerte Lebensbeschreibung durch den ehrenwerten Kollegen Markus, aber es erwies sich doch als notwendig und auch lohnend, weitere Informationen aus den Gemeinden in Galiläa und Syrien zusammenzutragen, solange sie dort noch im Umlauf waren.
Zu einer wirklichen Biografie jedoch gehört auch ein richtiger Anfang. Allerdings, das muß ich einräumen: Über die Geburt und die Kindheit des Herrn war nur wenig brauchbares Material zu finden. Da gab es nur unklare, kaum nachprüfbare Details, die sich zudem recht schwer in einen logischen Einklang bringen ließen. Das meiste schien mir dann auch eher frommem Predigteifer entsprungen, als daß es auf historischen Fakten beruhte, wie Ihr sie nun einmal bevorzugen würdet.
Der geschätzte Kollege Matthäus, der sich ja auf Grund seiner jüdischen Herkunft in den heiligen Schriften seines Volkes weitaus besser auskannte, wie ich neidlos anerkenne - Matthäus also hat darum auch häufig den umgekehrten Weg gewählt: Statt die vorhandenen Berichte aus der Schrift zu bestätigen, soweit dies möglich war, hat er nach den bekannten Weissagungen und auch den eher geheimnisvollen Andeutungen der Heiligen Schrift geforscht, die sich auf den kommenden Messias bezogen und die deswegen auch durch Jesus als den Gesalbten des Allmächtigen erfüllt sein mußten. So konnte er manchen Rückschluß ziehen und nicht nur die vorliegenden Berichte deuten, sondern auch bislang Unbekanntes durch bloßes Nachdenken erschließen und so ans Licht bringen.
Nun ist Theophilus, dem ich wie gesagt nicht ohne Grund mein Werk gewidmet habe, ein in vielen Dingen erfahrener, hochgebildeter Mann. Zwar sind ihm die vielfältigen Traditionen des Volkes Israel vielleicht nicht so geläufig, aber er ist belesen in der philosophischen Literatur und auch bewandert in den Mythen nicht nur seiner griechischen Landsleute, sondern auch von manchen orientalischen und ägyptischen Sekten, die dieser Zeit allerorten ihre Anhänger hatten.
So war es für ihn vertraut, ja eigentlich notwendig, wie von den Anfängen berühmter Männer zu berichten ist: Wo auch immer von Heroen oder Königen, Weisheitslehrern oder Religionsstiftern erzählt wird, stets ist schon ihre Ankunft auf dieser Erde von außergewöhnlichen Ereignissen begleitet: Seher und Propheten haben sie lange vorher schon vorausgesagt; bei der Geburt ereignet sich Wunderbares; und oft wurden sie, von den dunklen Mächten des Chaos bedroht, schon im zarten Säuglingsalter wundersam bewahrt und errettet. Ja, ihre von den Göttern auferlegte Aufgabe war nur denkbar, wenn sie selbst - wie auch immer - göttlicher Herkunft waren. Wie also sollte es bei dem einzig wahren Erlöser, dem gottgesandten Retter der Welt anders sein?
Wollte ich dem geschätzten Theophilus und mit ihm all den gebildeten Menschen, die hoffentlich mein Werk zur Hand nehmen würden, unseren Herrn Jesus als den Messias, den Gottessohn, darstellen, so galt es klug zu bedenken, wie seine Geburt zu schildern sei. So fragte ich mich, und so prüfte ich manche Legende, die inzwischen im Umlauf war: Ob sie wohl hierfür herangezogen werden könnte, ob das Zeugnis, das sie ablegen wollte, gut und nützlich für meine Zwecke sein könnte, selbst wenn das Erzählte vielleicht nicht ganz der historischen Wahrheit entsprach. Vor allem aber: Ob sie zugleich auch den prophetischen Worten der heiligen Schriften als Nachweis dienen konnte.
Freilich, ein wenig ändern mußte ich manches schon, damit sich alles letzen Endes zu einem gefälligen Duktus zusammenfügte. Schließlich - ich wiederhole mich - gab es ja keinen verläßlichen Zeugen mehr aus jenen, nun schon lange vergangenen Tagen. So blieb mir nur die Logik des forschenden Geistes und die Freiheit des Schriftstellers, der doch auch anschaulich und spannend, in gefälliger Form und zugleich