3 x leben: Erzählungen
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Rezensionen für 3 x leben
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Buchvorschau
3 x leben - AnLin Bourgouignon
Die Heizung, die Kälte, Inge und ich
Es war ein großes Glück, dass die Heizung grün war. Es war ein sattes, dunkles Grün. Denn ist es nicht so, dass grün die Sinne beruhigt und der Seele Hoffnung gibt? Es war nur der Heizkessel und der seitlich daran angebrachte Brenner, die diese Farbe hatten, der Behälter für das Warmwasser und das Pelletlager, das zwei Tonnen der kleinen Holzpressdinger, die aussahen wie Hasenfutter, fasste, und auch die Förderschnecke, die das Lager mit dem Brenner verband, waren nicht grün. Aber das war nicht entscheidend. Der Heizkessel jedenfalls war es, eine große dunkelgrüne Fläche, und das war gut so. Ich hatte mich in manchen Momenten, wenn ich im Heizungskeller saß und mit einer Flasche Bier in der Hand auf das Grün starrte und mir missmutig eine Zigarette anzündete – sonst rauchte ich nirgends im Haus, aber hier unten hielt ich es ohne zu rauchen einfach nicht aus - ich hatte mich jedenfalls in manchen Momenten gefragt, was wohl passiert wäre, wäre die Heizung rot gewesen. Vermutlich wäre ich dann schon durchgedreht, wäre schreiend auf die Straße gelaufen und hätte immer weiter und weiter geschrien und nicht wieder aufgehört. Ein verführerischer Gedanke.
Aber so, wie es war, war es besser. Besser für die Selbstbeherrschung, besser für mich, besser für meine kleine Tochter, besser für alle. Das Schicksal sorgte für mich, es sorgte so gut für mich, dass ich es immer gerade so schaffte, nicht die Beherrschung zu verlieren, mich nicht in Seelenzuständen zu verlieren, die nicht gut für mich waren. Nein, wenn es mich mit einer defekten Heizung prüfte in einem Haus, das wohl nach Ablauf des Trennungsjahres zum Verkauf angeboten würde, dann sorgte es doch gleichzeitig dafür, dass diese eine beruhigende Farbe hatte. Man musste dankbar sein. Es hätte schlimmer kommen können. Ja, es hätte viel schlimmer kommen können. Ich hätte drei Fehlgeburten haben können statt nur zweier, oder sogar vier oder fünf, ja es sollte Frauen geben, die hatten sechs Fehlgeburten und danach tatsächlich noch ein gesundes Kind! Mein Mann hätte noch schneller weglaufen können, vielleicht schon drei Wochen nach der zweiten Fehlgeburt und nicht erst nach sechs, ja vielleicht sogar schon während der Fehlgeburt, während ich blutend auf der Toilette saß, merkwürdig gefangen in den banalen Notwendigkeiten. Während ich noch mit Binde und blutiger Unterhose beschäftigt war und damit, die Nummer des Vertretungsarztes meiner Frauenärztin aufzuschreiben, die natürlich in Urlaub war, da hätte er schon mit gepackten Koffern in der Tür stehen können und sagen: Tut mir Leid Schatz, ich ertrage den Schmerz nicht mehr. Ich ertrage es nicht, wie sehr du leidest, ich muss mich in die Illusion einer unbelasteten Liebe flüchten. Nicht, dass er das so gesagt hätte. Ja, das Schicksal meinte es gut mit mir, es gab mir immer nur so viel zu tragen, wie ich tragen konnte. Immerhin, ich war gesund und Lilly, unsere kleine süße Tochter, auch, es hätte ja auch sein können … Doch da zuckte ich zusammen. Ich sprang auf und drückte meine Zigarette aus, klammerte mich mit beiden Händen an die Bierflasche. Nein, jetzt hatte ich Angst. Es gab Dinge, die zu denken ich nicht ertragen konnte!
Ich trank schnell ein paar Schlucke Bier und steckte mir eine neue Zigarette an und spürte staunend nach wie das Adrenalin meinen Körper wieder verließ. Das eben war ein Gefühl gewesen, eine Empfindung in dieser großen Leere, die in mir herrschte seit Adam weg war. Ich fühlte nichts, keine Trauer, keine Wut, keine Enttäuschung, keinen Schmerz, schon gar keine Freude. Einfach nichts. Angst also konnte ich empfinden. Interessant. Nun, immerhin. Der schrille Alarmton der Heizung ertönte. Schnell fasste ich nach dem Schalter, stellte die Heizung aus, stellte sie wieder an. Ich zog an meiner Zigarette, trank von meinem Bier. Es war nicht mehr viel in der Flasche und ich brauchte noch einen Schluck, wenn ich fertig geraucht hatte, um das Kratzen im Hals wegzuspülen. Also stellte ich die Flasche beiseite, dann legte ich die Hand auf das grüne Metall. „Geh an, murmelte ich, „Komm jetzt, geh an.
Nun musste ich wieder vier Minuten warten. Ich ließ meine Hand am grünen Metall liegen. Es war noch warm. Die Heizung konnte nicht lange aus gewesen sein, bevor ich hinuntergegangen war. Und so verbrachte ich meine Tage im Keller. Es machte mich nicht ungeduldig. War nicht Ungeduld das Gefühl, seine Zeit jetzt gerade mit etwas besserem verbringen zu können? Das aber war nicht der Fall. Es war mir gleichgültig, wo ich war und was ich tat.
Diese absolute Leere war wirklich seltsam – geradezu bizarr. Ich konnte mich an einen großen Liebeskummer erinnern, da war ich Anfang zwanzig. Ich hatte Tage lang geweint, ohne aufhören zu können, getobt, gejammert und geklagt, da war ein unerträglicher Schmerz gewesen, der mein ganzes Sein erfüllt hatte, ein Seelenschmerz, den ich in stundenlangen Telefonaten meinen Freundinnen im Detail mitgeteilt hatte. Wenn ich jetzt zurückblickte, amüsierte es mich, wie ich meinen Kummer zelebriert hatte. Diese endlosen Abende, als ich seine Lieblingsmusik gehört und mich mit Whisky betrunken hatte, Partys oder Abende im Club, wo ich mich von den anderen abgesondert hatte, um gedankenverloren vor mich hin zu starren, oder die tränenreichen Spaziergänge an den Orten der gemeinsamen Liebe. Es hatte Wochen und Monate gedauert bis ich mich einigermaßen erholt hatte. Mein Gott! Dabei war ich mit diesem Freund gerade mal zwei Jahre zusammen gewesen und dachte nun schon lange nicht mehr an ihn. Dieses aber war mein Mann, mit dem ich seit 15 Jahren verheiratet war und lebte, mit dem ich ein Kind gezeugt hatte, ein Haus gebaut, ein gemeinsames Leben geplant bis ins Alter. Wie konnte das sein, dass ich nichts fühlte? Ich konnte mich an einen anderen Freund erinnern, den ich nach einer Beziehung von nur wenigen Wochen mit schmerzvollsten Empfindungen verlassen hatte, gekränkt und irritiert von seinem Desinteresse, das plötzlich an die Stelle seiner leidenschaftlichen Verliebtheit getreten war. Wie theatralisch ich damals war, wie ich ausrief, dass ich, wenn ich jetzt durch diese Tür ginge und seine Wohnung verließe, nicht wiederkommen würde, wie ich, da er mich nicht zurückhielt, gezwungen war tatsächlich durch diese verdammte Tür zu gehen und sie hinter mir zu schließen mit einem Gefühl, dass ich diesen Schmerz niemals verwinden könnte. Tränen waren über meine Wangen geströmt und nur so vom Kinn heruntergetropft, als hätte ich im Regen gestanden. Und dann war ich mit schweren Schritten, ich erinnerte mich noch genau wie beinahe unmöglich es gewesen war, die Füße zu heben, weil sie so schwer am Straßenpflaster klebten, mit so schweren Schritten war ich nach Hause gegangen. Und ich erinnerte mich, wie ich nur einen Häuserblock weit gelaufen war und die Schwere nachgelassen hatte und nach dem zweiten Häuserblock hatten die Tränen aufgehört von mir herunterzutropfen und nach dem dritten Häuserblock hatte ich mich fast schon leicht gefühlt und als ich endlich zu Hause war, war es mir so vorgekommen, als sei kein allzu großes Unglück geschehen. Und damit war dieser einige Minuten lang unerträgliche Liebeskummer ausgestanden. Immerhin hatte er einige Minuten gewährt, für meinen Mann aber konnte ich nichts empfinden!
Vier Minuten würde es dauern, bis die Heizung entweder ansprang oder sich die Prozedur wiederholte, wieder und wieder, bis endlich der Sensor im Inneren des Brenners das Signal