Liebe mit Nebenwirkungen
Von Sassika Büthe
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Buchvorschau
Liebe mit Nebenwirkungen - Sassika Büthe
Kapitel 1
Tina erwachte mit heftigen Kopfschmerzen. Langsam öffnete sie die Augen und musste erschrocken feststellen, dass die letzte Nacht nicht bloß ein Traum gewesen war. Sie lag tatsächlich nackt im Bett und es war ganz gewiss nicht ihr Bett, in dem sie sich befand. Es war auch nicht ihr Schlafzimmer oder ihr Haus. Sie befand sich in einem Hotelzimmer, um genau zu sein in dem Hotel, in dem sie arbeitete. Tina wusste auch genau in wessen Zimmer sie sich gerade befand und wer sich im angrenzenden Bad befand. Sie konnte deutlich die Dusche im Bad hören und begann sich zu fragen, ob sie sich nicht einfach heimlich aus dem Zimmer stehlen sollte. Doch das würde die Sache wohl auch nicht besser machen. Den peinlichen Moment, in dem sie Henry Janzen gegenübertreten musste, würde sie zweifelsohne über sich ergehen lassen müssen, denn sie arbeitete mit ihm zusammen in der Küche. Sie konnte also nicht einfach aus diesem Zimmer verschwinden, Henry nie wieder sehen und die letzte Nacht einfach vergessen. Wenn sie ehrlich war, wollte sie die letzte Nacht auch gar nicht vergessen. Denn auch wenn sie letzte Nacht etwas zu viel getrunken hatte, so konnte sie sich dennoch sehr gut an alles erinnern, auch daran, dass es verdammt gut gewesen war. Henry war gut gewesen und das machte es am allerschlimmsten. Es war nicht gerade so, dass sie Henry nicht mochte oder er unattraktiv war. In Wirklichkeit mochte sie Henry sogar sehr gerne und sie fand ihn auch mehr als nur attraktiv. Einige ihrer Kolleginnen waren zwar der Meinung, dass Stefan, der ebenfalls in der Küche dieses Hotels als Koch arbeitete, um einiges besser aussah. Doch Tina war nicht unbedingt gleicher Meinung gewesen, hatte ihre Einwände jedoch für sich behalten. Stefan war definitiv ein sehr attraktiver Mann mit honigblondem Haar und einem schönen Gesicht und er besaß zudem eine Menge an Charme. Sie mochte Stefan sehr gerne, doch sie fühlte sich nicht zu ihm hingezogen. Ganz anders war es ihr vom ersten Tag ergangen, an dem sie Henry zum ersten Mal begegnet war. Henry war viel mehr ihr Typ mit dunkelbraunem kurzem Haar und leuchtenden braunen Augen. Außerdem hatte er Sinn für Humor und sie waren von Anfang an auf gleicher Wellenlänge. Sie konnten über die gleichen Albernheiten lachen, wo manch einer ihrer Kollegen nur den Kopf geschüttelt hatte.
Henry war etwas größer als Stefan und sie hatte immer vermutet, dass sich unter seiner Kochuniform ein toller Körper verbarg und letzte Nacht hatte sich ihre Vermutung mehr als bestätigt. Es hatte ihr verdammt gut gefallen, ihn anzusehen und über seinen nackten harten Oberkörper zu streichen und seine warme Haut auf ihrer zu spüren. Fakt war, sie fühlte sich schon sehr zu Henry hingezogen.
Dennoch durfte es einfach nicht sein, so toll Henry auch war. Sie arbeitete Seite an Seite mit Henry zusammen in der Küche. Tina war nur eine einfache Küchenhilfe und Henry Koch. Doch er war auch der Neffe ihrer Chefin, Frau Janzen und die wäre alles andere als entzückt davon, wenn sie erfuhr, das ihre Angestellte sich nach Feierabend mit ihrem geliebten Neffen vergnügte. Sie mochte keine Liebeleien am Arbeitsplatz und auch Tina hielt davon im Allgemeinen überhaupt nichts. Sie brauchte diesen Job und wusste, was passieren konnte, wenn eine Beziehung schief ging. Sie selbst konnte da aus Erfahrung sprechen. Doch hatte sie mit Henry keine Beziehung, sondern es war lediglich ein One Night Stand, denn bis gestern Abend war zwischen ihnen nie etwas gewesen, außer dass sie zusammen arbeiteten und sich gut verstanden, auch wenn Tina sich vielleicht ein bisschen zu Henry hingezogen fühlte. Doch was das Letzte betraf, so hatte sie sich diese Gefühle immer verboten und sie wäre niemals auf die Idee gekommen, dass Henry sich ebenfalls zu ihr hingezogen fühlte. Denn so musste es wohl sein, andernfalls konnte sie sich die letzte Nacht nicht erklären. Was sie selbst betraf, so konnte sie vielleicht die Ausrede anwenden, dass es verdammt lange her war, dass sie zuletzt mit einem Mann zusammen gewesen war und sie deshalb einfach so, ohne lange nachzudenken, in Henrys Bett gelandet war. Sie konnte auch dem Wein die Schuld geben, den sie am Abend mit Henry getrunken hatte. Doch diese Ausrede schien ihr selbst ziemlich banal, da sie so betrunken nicht gewesen war, bestenfalls vielleicht angeheitert. Aber man musste wohl dem Ganzen die Schuld geben. Der ganze Abend, der so grässlich begonnen hatte, war schließlich so schön und entspannend geworden. Lange hatte sie schon keinen so netten Abend mehr, schon gar nicht mit einem Mann, der zudem noch äußert attraktiv war. Die meisten Abende verbrachte sie allein in ihrem Haus und fühlte sich oft sehr einsam. Auch gestern hatte sie nach Feierabend mit dem Bus zu ihrem Haus fahren wollen, in dem niemand auf sie wartete bis auf ihr Kater Spencer, der jedenfalls ein treues männliches Wesen in ihrem Leben war. Sie rekonstruierte noch einmal den gestrigen Tag.
Schon am Morgen lief alles schief. Es hatte den halben Vormittag wie aus Eimern geschüttet und ihren Dachboden unter Wasser gesetzt. Schon seit einigen Wochen hatte sie das Leck an einer Stelle ihres Daches entdeckt, wo Regenwasser eindrang. Zur Vorsorge hatte sie immer einen Eimer unter dem Leck stehen und von Zeit zu Zeit musste sie ihn ausleeren. Aber am gestrigen Morgen hatte sie die Eimer stündlich ausleeren müssen. Es wurde dringend Zeit, dass sie das Dach reparieren ließ. Es hatte dann schließlich noch rechtzeitig aufgehört zu regnen, als sie sich zur Arbeit aufmachte.
Doch ihr Tag schien auch dort nicht besser zu werden. Erst schnitt sie sich mit dem Messer in den Finger und wenig später musste sie mal wieder die Launen ihrer etwas schwierigen und leicht aufbrausenden Chefin ertragen. Tina kannte Frau Janzen jetzt schon seit ein paar Jahren und wusste, dass sie von Zeit zu Zeit Dampf an ihren Angestellten abließ. Doch wie man ein Geschäft zu führen hatte, wusste Frau Janzen sehr genau, das musste man ihr lassen. Sie verlangte viel von ihren Angestellten, es war eben ein ziemlich angesehenes Hotel und Restaurant an der deutschen Nordseeküste, das sie betrieb und es hatte durchaus seinen Grund, warum ihr Hotel so angesehen war. Sie legte großen Wert auf Ordentlichkeit, Teamfähigkeit und Engagement. Als Gegenleistung setzte sie viel Vertrauen in ihre Angestellten und die Bezahlung war zudem auch sehr gut.
Tina hatte also die Schimpftiraden über sich ergehen lassen und ihren Mund gehalten. Sie war nur froh, dass Frau Janzen die nächsten drei Wochen auf Geschäftsreise war und sie somit keine solcher Ausbrüche ihrer Chefin ertragen musste. Im Allgemeinen musste Tina zugeben, dass es sie selten traf. Frau Janzen war ansonsten immer recht zufrieden mit ihrer Arbeit und sie wusste, was Tina leistete.
Zum guten Schluss hatte sie dann noch ihren Bus verpasst, da Frau Janzen noch einen langen Vortrag gehalten hatte, da sie die nächsten Wochen nicht im Lande war. Frau Janzen war oft für einige Zeit beruflich unterwegs und es lief ansonsten immer alles glatt. Doch jedes Mal hielt sie aufs Neue ihre Rede und gerade am gestrigen Abend fiel diese dann auch noch besonders lang aus. Doch Tina hatte es nicht gewagt, ihren Mund aufzumachen, nachdem sie der schlechten Laune ihrer Chefin an diesem Tag bereits einmal ausgesetzt gewesen war. Danach war sie schnell zur Bushaltestelle gelaufen, doch der Busfahrer hatte direkt vor ihrer Nase die Türen geschlossen und war ohne sie davongefahren. Sie hatte noch eine Weile dem Bus fassungslos hinterher gestarrt und überlegt, wie sie nun nach Hause kommen sollte. Da es schon recht spät war, war es der letzte Bus, der in diese Richtung fuhr. Sie überlegte kurz, ob sie ihre Eltern anrufen sollte, damit sie Tina abholten konnten, verwarf diesen Gedanken jedoch wieder. Es war schon spät und ihre Eltern gingen meist früh ins Bett. Es blieb ihr wohl oder übel keine andere Wahl, als sich ein Taxi zu rufen. Doch als Tina in ihre Handtasche griff, musste sie zu allem Überfluss auch noch feststellen, dass sie ihr Handy zu Hause vergessen hatte.
„Verdammter Mist", fluchte Tina. Hinter ihr hörte sie plötzlich ein leises Lachen und eine vertraute Stimme.
„Was ist los, hast du den Bus verpasst." Tina drehte sich um und sah in Henrys Gesicht. Ihr entging nicht, dass er sich köstlich über sie amüsierte und er grinste sie frech an. Tina musste ebenfalls lächeln, auch wenn ihr jetzt gerade nicht danach zumute war. Aber sein Lächeln war ansteckend.
„Das ist nicht lustig, das war der letzte Bus für heute Abend. Der nächste fährt erst morgen früh."
„Zu dumm. Ich würde dich ja gerne nach Hause fahren, aber mein Wagen ist gerade in der Werkstatt."
„Tja, das passt zu meinem heutigen Tag. Trotzdem danke. Du hast nicht zufällig ein Handy dabei, damit ich mir ein Taxi rufen kann, oder?"
„Nein, aber ich habe ein Telefon in meinem Zimmer", grinste Henry. Tina lächelte unwillkürlich zurück. Sie liebte die Wortspielchen mit Henry, zudem schaffte er es fast jedes Mal sie aufzuheitern. Sie spielte also sein Spiel mit.
„Ach wirklich?"
„Mmh… ja."
„Ist ja echt ein starkes Stück, dass du tatsächlich ein Telefon in deinem Zimmer hast. Meinst du, ich könnte es vielleicht kurz benutzen?"
„Ach, ich weiß nicht, da muss ich erst mal überlegen... ähm nein."
Tina lachte auf beim Anblick seines ernsten Blicks, auch wenn sie sah, dass seine Mundwinkel verdächtig zuckten.
„Blödmann, nun komm schon, ich kann schließlich nicht hier auf der Straße schlafen."
Henry überlegte kurz übertrieben angestrengt.
„Na gut, aber später. Zuerst gehen wir noch etwas trinken."
Damit hatte er Tina dann doch tatsächlich überrascht. Das Späße machen kannte sie von ihm, doch es schien ihm ernst zu sein. Tina war sich nicht sicher und sie wollte eigentlich lieber nach Hause.
„Ich weiß nicht Henry, ich möchte eigentlich gerne nach Hause."
„Ach komm schon Tina. Seien wir doch mal ehrlich, es wartet niemand auf uns und ich bin es leid, ständig allein in meinem Zimmer zu sitzen und durch die Fernsehkanäle zu zappen. Lass uns kurz ein Glas Wein zusammen trinken und dann rufen wir dir ein Taxi."
Tina ließ sich erweichen. Schließlich hatte er ja auch Recht. Es wartete niemand auf sie beide. Tina hatte natürlich noch ihre Familie und Freunde, doch sie wusste, dass Henry hier niemanden kannte. Er kam nicht von hier. Seine Familie und Freunde lebten weit fort in Österreich, wo genau wusste Tina nicht. Außerdem war er auch gerade erst ein halbes Jahr hier und hatte somit noch nicht sehr viel Zeit gehabt, um hier Freundschaften zu knüpfen.
„Na gut, aber nur ein Drink."
„Natürlich und dann rufen wir dir ein Taxi."
Sie gingen in ein nähergelegenes Lokal und setzten sich an einen kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke. Sie hatten natürlich nicht nur ein Glas Wein getrunken, es waren am Ende etwas mehr geworden, doch Tina hatte den Abend sehr genossen. Sie hatten beide kaum über sich selbst gesprochen, sondern die meiste Zeit über die Arbeit und einfach so herumgealbert. Vor allem hatten sie viel gelacht, Tina wusste im Nachhinein gar nicht mehr so genau, worüber eigentlich, doch so viel wie an diesem Abend, hatten sie überhaupt noch nicht miteinander gesprochen.
Schließlich hatten sie das Lokal wieder verlassen und waren zum Hotel, in dem Henry zur Zeit noch ein Zimmer bewohnte, zurückgeschlendert. Sie waren durch den Hintereingang hinauf zu Henrys Zimmer gegangen und nachdem Tina sein Zimmer betrat, sah sie sich erst einmal um. Sie war noch nie hier oben in seinem Zimmer gewesen. Sie kannte wohl die Zimmer des Hotels, doch sie hatte vermutet, dass dieses Zimmer weniger wie ein Hotelzimmer aussehen würde, als die üblichen Zimmer, welche für die Hotelbesucher zur Verfügung standen. Aber im Großen und Ganzen unterschied es sich nicht von den üblichen Zimmern. Es waren kaum persönliche Gegenstände zu sehen und Tina fragte sich, wie er so lange in so einem Zimmer wohnen konnte. Warum suchte er sich nicht eine Wohnung, er war nun schließlich bereits seit einem halben Jahr hier. Plötzlich stand Henry dicht hinter ihr. Sie zuckte zusammen und drehte sich erschrocken zu ihm um. Dabei stießen sie zusammen und sie standen sich mit einem Mal furchtbar nah. Ihre Körper berührten sich leicht und sein Gesicht war dem ihren ebenfalls ziemlich nah. Henry hielt die Hand hoch und streckte ihr sein Telefon entgegen.
„Hier, das Telefon", sagte er nur.
„Äh, danke", stammelte sie und nahm ihm das Telefon aus der Hand. Dabei berührten sich ihre Hände und Tina sah wieder auf. Wieder begegnete sich ihre Blicke und im nächsten Moment spürte sie seine Lippen auf ihren. Tina erwiderte seinen Kuss zunächst zaghaft, doch im nächsten Moment vergaß sie ihre guten Vorsätze, nichts mit einem Kollegen anzufangen. Henrys Zunge schob sich durch ihre leicht geöffneten Lippen. Er schmeckte nach Wein und mehr und sie erwiderte seinen leidenschaftlichen Kuss. Henry nahm ihr das Telefon aus der Hand und schmiss es aufs Sofa. Dann umfasste er ihre Taille und zog sie näher zu sich heran. Tina legte ihm ihre Hände um den Nacken und fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Für einen kurzen Augenblick war Tina der Gedanke gekommen, sich zurückzuziehen und nach Hause zu fahren, doch in dem Augenblick als Henrys Hand ihren Busen durch den dünnen Stoff ihrer Bluse streichelte, vergaß sie den Gedanken augenblicklich und gab sich Henry und dem Augenblick hin. Wenige Augenblicke später hatten sie sich ihre Klamotten vom Leib gerissen und waren auf Henrys Bett gelandet und hatten sich geliebt. Anschließend waren sie eng aneinandergekuschelt eingeschlafen. Sie hatten nicht viel geredet, sondern einfach nur den warmen Körper des anderen genossen.
Kapitel 2
Doch jetzt am nächsten Morgen schämte Tina sich auf einem Mal entsetzlich für ihr Verlangen am Abend zuvor. Aber aus dem Bett zu springen und einfach aus diesem Zimmer zu verschwinden war völlig zwecklos. Trotzdem schlug sie die Bettdecke zurück und stand auf. Sie sah auf die Uhr und musste erschrocken feststellen, dass sie in einer halben Stunde bereits wieder arbeiten musste Hastig suchte sie ihre Kleidungsstücke zusammen und zog sich an.
Gerade als sie den letzten Knopf ihrer Bluse zuknöpfte, wurde die Badezimmertür geöffnet und Henry stand vor ihr mit nacktem Oberkörper und lediglich einer Boxershorts bekleidet.
„Guten Morgen", sagte Henry und lächelte sie an. Tina sah beschämt zu Boden und murmelte leise:
„Morgen."
„Muss du schon gehen?", fragte Henry und ging an ihr vorbei um zu seinen Kleiderschrank zu gelangen.
„Ja, ich muss arbeiten."
„Heute morgen schon?" Henry streifte sich ein T-Shirt über und sah zu ihr hinüber.
„Ja, ich habe heute meinen Dienst mit Julia getauscht, weil sie heute Morgen einen Arzttermin hat. Musst du auch jetzt arbeiten?"
„Nein, aber ich muss meinen Wagen aus der Werkstatt holen." Sie sah kurz zu Henry auf und ihre Blicke begegneten sich für einen Augenblick. Tina wandte sich verlegen ab und sah sich im Raum nach ihrer Jacke um.
„Gut, dann werde ich jetzt runter in die Küche gehen", sagte Tina, hob ihre Jacke vom Boden auf und ging zur Tür.
„Ja, wir sehen uns dann später", sagte Henry und kam ihr entgegen. Er öffnete einen Spalt die Tür und hauchte ihr einen scheuen Kuss auf den Mund. Tina atmete kurz seinen Duft ein und schlüpfte dann durch den Türspalt hinaus. Leise schloss sie die Tür von außen und schlich sich davon, ehe sie noch jemand hier im Flur sah. Sie lief hinunter in die Küche und band sich ihre Schürze um.
Sie hatte allerdings nicht geahnt, dass genau in dem Augenblick, als sie aus Henrys Zimmer schlich, Stefan aus der oberen Etage die Treppe herunter kam. Doch bevor er mit ihr zusammentraf versteckte er sich schnell hinter einer Wand und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Als er wieder hinter der Wand hervorsah, war Tina schon nach unten verschwunden. Doch er war sich ziemlich sicher, Tina erkannt zu haben, und sie war eindeutig aus Henrys Zimmer geschlichen. Der Schreck saß ihm noch in den Knien als er ebenfalls hinunter in die Küche ging. Sie begrüßte ihn, als wäre nichts gewesen, also hatte sie ihn nicht entdeckt, worüber er schon mal erleichtert war. Doch es war nicht zu leugnen, dass sie die letzte Nacht nicht zu Hause geschlafen hatte, denn sie trug eindeutig noch die gleichen Klamotten wie am Tag zuvor.
Tina versuchte sich den ganzen Morgen krampfhaft auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch ständig schweiften ihre Gedanken wieder ab. Ihr ging einfach nicht die letzte Nacht aus dem Kopf und wo Henry sie überall berührt hatte. Gott, wie hatte das nur passieren können? Wie sollte sie jetzt wieder mit ihm zusammenarbeiten, ohne dass ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. Würden sie überhaupt darüber reden oder einfach so tun, als wäre nichts geschehen? Oder würde die letzte Nacht vielleicht sogar irgendwelche Veränderung zu ihrer jetzigen Beziehung herbeiführen und wenn ja, welche? Tina selbst hatte keine Ahnung, was sie sich überhaupt mehr wünschte. Sie war völlig verwirrt.
Gegen Mittag, kurz bevor ihre Schicht endete, betrat Henry dann die Küche. Er band seine Schürze hinter seinem Rücken zusammen und besprach kurz mit Stefan, was nun genau anstünde, ehe auch Stefan Feierabend machen konnte. Tina sah von Zeit zu Zeit zu Henry hinüber und versuchte eine Reaktion zu erahnen. Doch Henry sah kein einziges Mal zu ihr auf. Sie erledigte noch ihre Arbeit mit der sie gerade begonnen hatte. Gerade als sie mit ihrer Arbeit fertig war, ging Henry an ihr vorüber und sagte leise:
„Hallo Tina."
„Hi", murmelte Tina zurück und musste erschrocken feststellen, dass ihr Herz wie verrückt zu schlagen begann. Sie ärgerte sich über sich selbst und dass sie so verkrampft war. Wie konnte nur eine einzige Nacht alles verändern. Vorbei war die Lockerheit.
Tina wusch sich die Hände sauber und ging noch einmal zu Henry hinüber, der bereits am Herd stand und kochte.
„Brauchst du noch irgendwas? Kann ich noch was tun?"
„Nein, danke", sagte Henry und sah nur einmal kurz zu ihr auf.
„Gut, dann mache ich jetzt Feierabend."
„Ja, in Ordnung. Bis morgen", sagte Henry und schwenkte die Pfanne.
„Bis morgen."
Tina öffnete ihre Schürze und sah sich noch einmal verstohlen nach Henry um. Henry war bereits vollends in seiner Arbeit versunken und rannte in der Küche hin und her und schenkte ihr nicht mal einen Blick. Frustriert ging Tina in den Umkleideraum und riss sich die Schürze vom Körper. Warum war sie auf einem Mal so enttäuscht. Was hatte sie denn erwartet. Sie hatten eine schöne Nacht miteinander verbracht, mehr aber auch nicht. Zumindest hatte sie die letzte Nacht als schön empfunden, aber vielleicht ging es Henry da ja anderes. Dennoch hätte sie zumindest ein Lächeln von ihm erwartet. Ihr stiegen unerwartet vor Enttäuschung die Tränen in die Augen. Wütend wischte sie die Tränen fort und zog ihre Jacke an.
An der Tür stieß sie mit Mareike zusammen. Mareike war Köchin in der Küche und das seit bereits mehr als zehn Jahren. Außerdem war sie seit einigen Jahren Tinas beste Freundin und nur durch Mareike war Tina zu diesem Job gekommen.
„Hallo Tina", begrüßte ihre Freundin sie und nahm sie stürmisch in die Arme. Die beiden Freundinnen konnten in ihrem Aussehen nicht unterschiedlicher sein. Mareike war in etwa so groß wie Tina, aber um einiges breiter. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie vielleicht etwas zu viel Speck auf den Rippen hatte und sie ließ sich gutes Essen nicht abspenstig machen. Abgesehen von ihrer etwas rundlichen Figur hatte Mareike ein sehr hübsches Gesicht und lange blonde Locken, die ihr die meiste Zeit widerspenstig im Gesicht hingen, außer beim Kochenband sie ihr Haar zu einem Zopf zusammen. Tina liebte Mareike über alles. Sie war der liebenswürdigste Mensch den sie kannte und wohl auch der lustigste. Sie hatten sich vom ersten Moment an gut verstanden. Auch wenn sie ein sehr ungleiches Paar abgaben.
Abgesehen nämlich von ihrer Größe hatten sie nichts gemein. Tina war sehr schlank, hatte einen schmalen Hintern, um den Mareike sie jeden Mal aufs Neue beneidete. Mareike hatte dafür aber einen anständigen Busen, womit sie gegen Tina auftrumpfen konnte. Nicht, dass Tina gar keinen Busen gehabt hätte, aber eben nicht so üppig wie der von Mareike.
Tinas Haar war zwar auch lang, doch nicht so lockig wie Mareikes Haar und obendrein war sie brünett. Alles in allem, konnte man Tina wohl schon als gutaussehend bezeichnen. Auch wenn Tina das etwas kritischer sah, so wusste sie doch, dass sie bei Männern gut ankam, wenn vielleicht auch immer nur für kurze Zeit.
Mareike ließ sie wieder los und sah Tina fragend an.
„Geht es dir gut? Ist etwas passiert?"
„Nein, es ist alles in Ordnung, warum?"
„Du sieht etwas zerknirscht aus. Hast du geweint?"
„Nein", log Tina. Sie hatte keine Lust jetzt mit ihrer Freundin zu reden. Sie musste selbst erstmal einen klaren Gedanken fassen. Außerdem war es ihr etwas peinlich, dass sie sich so hatte gehen lassen und mit Henry geschlafen hatte und vor allem, dass es sie jetzt so durcheinander brachte.
„Ich muss los, Mareike. Wir sehen uns morgen."
„Gut, ruf mich an, wenn du reden willst", rief Mareike ihr noch hinterher, doch Tina schloss bereits die Tür hinter sich zu. Tina kannte Mareike sie ziemlich gut, aber sie war noch nicht bereit, mit ihr jetzt darüber zu reden. Sie wollte jetzt einfach nur nach Hause, ihren Kater füttern und ein langes heißes Bad nehmen.
Kapitel 3
Auch den restlichen Tag über musste sie ständig an Henry denken und auch wenn sie es nicht gerne zugab, so musste sie sich eingestehen, dass sie doch etwas enttäuscht über Henrys Reaktion war oder besser gesagt seine nicht vorhandene Reaktion. Sie spielte sogar mit dem Gedanken Henry einfach anzurufen, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Zum einen wollte sie ihn nicht nerven und wie eine Glucke hinterher telefonieren und zum anderen war Tina sich nicht sicher, ob Henry womöglich noch arbeitete. Mitunter konnten die Spätschichten ziemlich spät werden. Im Übrigen hätte Tina auch gar nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen. Sie widerstand den Drang und ließ es also bleiben ihn anzurufen. Tina war nur froh, dass morgen ihr freier Tag war und sie Henry nicht so schnell wieder begegnen musste und erst einmal einen klaren Kopf kriegen konnte.
Es war bereits dreiundzwanzig Uhr, als plötzlich ihr Telefon klingelte. Tina, die auf ihrer Couch vor dem Fernseher eingeschlummert war, schrak überrascht auf. Ihr Kater Spencer hatte eben noch seelenruhig auf ihren Beinen geschlafen und suchte nun verschreckt das Weite. Tina sah auf ihre Uhr und begann augenblicklich sich Sorgen zu machen. Um diese Uhrzeit rief sonst niemand mehr an. Sie nahm den Telefonhörer zur Hand und sah auf das Display, doch die Telefonnummer, die dort stand, konnte Tina nicht einordnen.
„Hallo", sagte sie zaghaft in den Hörer.
„Hallo, hier ist Henry", kam es ebenso zaghaft von der anderen Seite. Tina war augenblicklich hellwach, sagte jedoch kein Wort.
„Tina? Bist du noch da?"
„Äh… ja. Was ist los?"
„Ich… ich weiß auch nicht. Ich meine, vielleicht sollten wir reden, oder?"
„Mhm… da hast du wohl Recht."
„Hast du jetzt Zeit oder warst du schon im Bett."
„Nein im Bett war ich noch nicht und ja ich hätte jetzt Zeit."
„Ehrlich? Okay, wo treffen wir uns?" Tina überlegte kurz, doch wenn sie jetzt noch mit dem Bus in die Stadt fuhr, würde sie wieder einmal auf ein Taxi angewiesen sein, um nach Hause zu kommen. Deshalb sagte sie:
„Warum kommst du nicht einfach zu mir… ich meine dein Auto ist doch wieder aus der Werkstatt, oder?"
„Ja, ich habe ihn wieder und ich komme gerne, wenn es für dich wirklich in Ordnung ist."
„Ja. Weißt du, wo ich wohne?"
„Nein nicht genau. Sag mir noch einmal die Straße und dann mache ich mich sofort auf den Weg."
Tina nannte Henry ihre Adresse und gab noch eine kurze Wegbeschreibung dazu, da sie in einem recht kleinen Dorf wohnte und Henry sich hier nicht allzu gut auskannte. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, begann Tinas Herz augenblicklich wieder wie verrückt zu