Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Verlorene Liebe
Verlorene Liebe
Verlorene Liebe
eBook354 Seiten5 Stunden

Verlorene Liebe

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Julia ist gerade mal siebzehn Jahre als sie glaubt den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Marcos lebt in Puerto Rico und arbeitet in dem Hotel, wo sie mit ihrer Familie den Urlaub verbringt. Sie verlieben sich auf Anhieb und verbringen ein paar aufregende und schöne Tage miteinander. Doch die Lebensumstände der beiden können kaum unterschiedlicher sein und die ersten Probleme tauchen auf. Das größte Problem ist jedoch, dass Julia nach ein paar Wochen wieder abreisen muss und sie sich Lebewohl sagen müssen. Nach einem tränenreichen Abschied hat Julia zu Hause sehr unter der Trennung von Marcos zu leiden und denkt noch sehr oft an ihn. Nur langsam lernt sie damit umzugehen und ihr Leben weiter zu leben. Doch trotz allen kann sie ihn nie ganz vergessen.
Siebzehn Jahre später begegnen sie sich plötzlich wieder, als er beruflich in Hamburg ist, Julias Heimatstadt. Schnell wird klar, dass sie sich noch immer zueinander hingezogen fühlen. Doch kann es diesmal ein Happy End für sie beide geben?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. Jan. 2016
ISBN9783738053180
Verlorene Liebe

Mehr von Sassika Büthe lesen

Ähnlich wie Verlorene Liebe

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Verlorene Liebe

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Verlorene Liebe - Sassika Büthe

    Kapitel 1

    Müde und abgekämpft stieg Julia aus dem Zug und wappnete sich schon innerlich für das Gedränge, das um die späten Nachmittagsstunden immer auf dem Hamburger Hauptbahnhof herrschte. Sie hatte einen langen, arbeitsreichen Tag hinter sich und sehnte sich nun nur noch nach Hause und nach ihrer gemütlichen Couch. Im Geiste plante sie schon, sich eine Pizza vom Lieferservice zu bestellen, da sie keine große Lust verspürte, noch zu kochen. Gedankenverloren und mit einem Blick in ihrem Terminkalender, ging sie über den Bahnsteig, um zu ihren Zug zu kommen. Ein Mann stürmte an ihr vorbei und riss ihr beinahe ihre schwere Tasche von den Schultern. Erschrocken sah sie ihn hinterher und erstarrte im gleichen Augenblick. Direkt hinter ihm hechtete ein weiterer Mann, der sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, im letzten Augenblick in den Zug, bevor die Türen sich mit einem lauten Knall schlossen. Sie riss sich aus ihrer Erstarrung und rannte auf den Zug zu, was gar nicht so leicht war, da ihr unzählige Menschen im Weg waren. Als sie endlich am Zug angekommen war, setzte dieser sich bereits langsam in Bewegung. Sie lief mit dem Zug ein Stück mit und versuchte, in das Innere des Zugabteils zu gucken. Doch der Zug war proppevoll und die Insassen standen eng aneinandergedrängt, so dass es ihr unmöglich war, das Gesicht, welches eben ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, noch einmal ausfindig zu machen. Dann nahm der Zug an Fahrt auf und verschwand aus dem Bahnhofsgebäude und aus ihrem Blickfeld.

    Völlig außer Atem blieb sie stehen und sah den davonfahrenden Zug hinterher. Sie wusste, dass das eigentlich nicht sein konnte und wahrscheinlich nur ein Hirngespinst war, hatte sie sich doch oft so eine Situation in ihren Träumen vorgestellt. Sie hatte ihn nur einen Augenblick gesehen, und doch war sie sich beinahe sicher, dass er es gewesen sein musste. Aber es konnte doch gar nicht sein.

    Julia atmete langsam aus, steckte ihren Terminkalender in ihre Tasche und machte sich wieder auf den Weg zu ihrem Zug. Dann jedoch zögerte sie wieder, sah sich um und blickte auf die Anzeigentafel auf der angezeigt wurde, dass der nächste Zug in vier Minuten in diese Richtung fuhr. Nervös sah sie auf ihre Uhr. Vergessen war ihre Müdigkeit, und an dessen Stelle war eine innere Unruhe eingetreten. Sie überlegte fieberhaft, ob sie diesen nächsten Zug nehmen sollte, um nach ihm Ausschau zu halten oder sich lieber sofort auf den Weg nach Hause machen sollte. In dem Augenblick, wo sie kehrt machen wollte und sich schon selbst für bescheuert hielt, fuhr der Zug bereits in den Bahnhof ein und kam vor ihr zum Stehen. Kurzerhand und ohne weiter darüber nachzudenken, stieg Julia nun doch in die S-Bahn. Sie wollte es wenigstens nicht unversucht lassen, auch wenn jeder sie vermutlich für verrückt halten würde, am meisten wohl sie selbst.

    Der Zug setzte sich in Bewegung und Julia drückte ihre Nase beinahe am Fenster platt. An jedem Bahnhof auf dem sie hielten, stand sie mit zitternden Knien auf und ließ den Blick hektisch über das Bahngelände wandern.

    Doch von ihm war keine Spur mehr zu erblicken, und ihre Hoffnung sank stetig. Langsam, aber sicher fuhr die Bahn aus der Stadt hinaus. Der Zug leerte sich zusehends, und Julia begann, sich ernsthaft zu fragen, was sie hier tat. Als der Zug schon außerhalb von Hamburg in einer angrenzenden Stadt hielt, nahm sie ihre Tasche vom Sitz und stieg aus.

    Seufzend setzte sie sich auf eine Bank, raufte sich frustriert die Haare und wartete bis die nächste Bahn wieder Richtung Hamburg zurückfuhr. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Sie hatte mindestens eine Stunde verplempert, um mit einem völlig falschen Zug und in die völlig falsche Richtung zu fahren und Ausschau nach einem Phantom zu halten.

    Als sie endlich zu Hause war, war es bereits fast zwanzig Uhr und der Appetit auf Pizza war ihr auch vergangen. Dafür rief ihre Freundin Stefanie an, um sich mit ihr auf einen Drink zu treffen. Julia hatte eigentlich keine Lust, noch irgendwo hinzugehen und schlug deshalb vor, noch ein Glas Wein bei ihr zu Hause zu trinken.

    Als Stefanie eine halbe Stunde später bei ihr auftauchte, fiel ihr sofort auf, dass mit Julia irgendetwas nicht stimmte. Ständig war sie mit ihren Gedanken woanders, und die ansonsten immer fröhlich wirkende Julia wirkte eher traurig und niedergeschlagen.

    „Was ist los, Julia? Du wirkst so abwesend. Ist irgendetwas passiert?"

    „Nein, alles bestens", sagte Julia wenig überzeugend.

    „Ach komm, das nehme ich dir nicht ab. Ärger im Büro?"

    „Nein. Es ist nur… ach nichts."

    „Nun sag schon, was ist los?"

    „Ich habe heute nur an jemanden denken müssen, an den ich schon sehr lange nicht mehr gedacht habe, das ist alles."

    „Ist dieser Jemand ein Er oder eine Sie?"

    Julia lachte. „Es ist ein Er."

    „Du hältst dich heute ziemlich bedeckt mit deinen Antworten, finde ich, und ich habe ehrlich gesagt, keine Lust, dir alles aus der Nase zu ziehen, aber ich kann nicht anders. Ich brenne darauf, zu erfahren, wer dich so sehr aus der Fassung bringt, dass du ein solches Gesicht machst. Nun sagt schon, eine alte Flamme von dir?"

    Julia lachte erneut. „Nein, ein bisschen mehr ist es schon als nur eine alte Flamme, jedenfalls für mich. Aber das ist schon so lange her."

    „Kenne ich ihn?"

    „Nein."

    „War das bevor wir uns kennengelernt haben oder danach und du hast mir ihn einfach nur vorenthalten?"

    „Davor."

    „Oh, nun komm schon, erzähl mir davon, sonst kann ich heute nicht schlafen."

    Julia musste grinsen und hatte so ihren Spaß daran zu sehen, wie ihre beste Freundin darauf brannte, die Geschichte zu hören. Sie hatte ihr nie davon erzählt, sie selbst hatte jahrelang nicht mehr daran gedacht. Nachdem sie Jahre gebraucht hatte, es zu vergessen, wollte sie eigentlich auch nie mehr daran denken, geschweige denn darüber reden. Aber da die alten Erinnerungen nun sowieso wieder von ihr Besitz ergriffen hatten, konnte sie ihrer Freundin auch ebenso gut davon erzählen, schließlich hatten sie eigentlich keine Geheimnisse voreinander. Nur diese Geschichte hatte sich vor deren Freundschaft ereignet. Siebzehn Jahre waren seither vergangen, und doch konnte Julia sich noch an jedes Detail erinnern, als wäre es in ihren Erinnerungen eingebrannt. Sie seufzte laut auf und begann zu erzählen.

    Kapitel 2

    Julia war siebzehn Jahre alt, als sie den letzten gemeinsamen Urlaub mit ihren Eltern und ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Claudia verbrachte. Sie war gerade in ihrer rebellischen Teenagerphase gewesen und hatte es gehasst, mit ihren Eltern gemeinsam nach Puerto Rico zu reisen. Sicher, sie war noch nie auf einer karibischen Insel gewesen, und es war sicherlich sehr schön dort, doch mit siebzehn hatte sie andere Dinge im Kopf. Sie wollte viel lieber zu Hause bleiben bei ihren Freundinnen, Partys feiern und mit ihrer Clique abhängen. Vor allem aber wollte sie nicht fort von Michael, auf den sie schon seit einer ganzen Weile ein Auge geworfen hatte. Michael war cool, witzig und überaus gut aussehend. Er ging eine Schulklasse höher als sie, und hatte in diesem Jahr sein Abitur gemacht. Schon das ganze letzte Jahr hatte Julia ihm hinterher geschaut, und nun endlich vor drei Wochen hatte er zum ersten Mal auf einer Party auch von ihr Notiz genommen. Sie hatten den ganzen Abend miteinander geflirtet und am Ende sogar miteinander geknutscht. Sie hatte sich mit ihm dann noch einmal getroffen, wo er ihr gestand, dass er sie sehr mögen würde und sie gerne öfter treffen würde. Nun waren jedoch Ferien und sie musste unbedingt mit auf diese beschissene Insel, während sich Michael und ihre Freundinnen zu Hause vergnügten. Sie machte sich nichts vor, er war ein gut aussehender und beliebter Junge, und viele Mädchen standen auf ihn, und sie zweifelte ernsthaft daran, ob er in drei Wochen nicht jemand anderes hätte. Jemand, der nicht die Ferien mit den Eltern und der jüngeren Schwester verbringen musste. Sie hatte ihre Eltern angefleht, zu Hause bleiben zu können, doch alles bitten und betteln hatte nichts genützt. So war sie mürrisch und enttäuscht in den Flieger gestiegen und saß nun im Bus, der sie vom Flughafen in das gebuchte Hotel bringen sollte. Sie sah zum Fenster hinaus und ließ die Landschaft vorbeiziehen. Gesprochen hatte sie mit ihren Eltern während der gesamten Reise noch kein Wort.

    Als der Bus wenig später vor ihrem Hotel hielt, hatte sich ihre Laune nicht wirklich gebessert. Doch das angenehme milde Klima und die Sonne hatte ihre schlechte Stimmung etwas gemildert. Da konnte Hamburg, Julias Heimatstadt, nicht mithalten. Denn trotz Anfang Juli war in Hamburg das Wetter mal wieder seit Wochen sehr feucht mit ungemütlichen 16 Grad. Um Hamburg nicht komplett schlecht zu machen, es gab auch richtig schöne Tage im Norden, an denen die Sonne den ganzen Tag schien und man vor Hitze nicht wusste, wie man sich abkühlen sollte. Doch so ein Sommer schien es dieses Jahr wieder mal nicht zu werden. Wenn es in Hamburg einmal regnete, dann nicht bloß für eine Stunde, dann gab es eben oft mehrere Tage Dauerregen.

    Da Julia die Sonne und die Wärme liebte, hob das ihre Stimmung doch ein wenig und sie machte ein nicht mehr ganz so grimmiges Gesicht, als sie aus den klimatisierten Bus stieg und von einer Hitzewelle überrascht wurde. Während der Busfahrer sich daran machte, ihr Gepäck auszuladen, zog Julia sich die Stöpsel ihres Walkmans aus den Ohren und ließ ihren Blick über das imposante Hotel mit den großen weißen Säulen und den großen Palmen davor wandern. Ein Hotelangestellter kam aus dem Hotel und begrüßte ihre Eltern freundlich, dann drehte er sich um und sagte etwas auf Spanisch zu einem Mann, der gerade die Blumenbeete vor dem Hotel pflegte. Der Mann sprang sofort auf, kam zu ihnen gelaufen und machte sich auf, ihr Gepäck auf die Schultern zu laden. Da erst sah sie ihn. Ein Junge, etwa in ihrem Alter, hatte hinter dem Mann im Beet gekniet. Es war nicht zu übersehen, dass das Vater und Sohn waren, denn er war das jüngere Ebenbild des älteren Mannes. Der Junge war ebenfalls aufgestanden, doch er half seinem Vater nicht sofort mit dem Gepäck sondern sah nur sie an, nein, er starrte sie beinahe an. Julia fühlte sich von seinem Blick wie magisch angezogen und konnte den Blick ebenfalls nicht von ihm nehmen. Dann lächelte er, und irgendetwas passierte mit ihr in diesem Augenblick. Sie konnte das Gefühl nicht genau beschreiben. In ihrem Magen begann es zu kribbeln und ihre Knie fühlten sich ganz zittrig und wie Pudding an. Es war ein merkwürdiger Augenblick. Doch sie vermochte den Augenblick nicht zu unterbrechen. Der Hotelportier riss sie schließlich aus ihrer Erstarrung, indem er den Jungen auf Spanisch böse anfuhr. Julia verstand kein Wort. Nur das Wort Marcos hatte sie herausfiltern können, das war offensichtlich sein Name. Der Junge erwiderte ebenfalls etwas auf Spanisch und machte sich dann daran, das restliche Gepäck ins Hotel zu bringen.

    Julia wusste nicht, was da gerade vor sich gegangen war und sie musste erst einmal tief durchatmen, um sich innerlich zu fangen, ehe sie ihrer Familie hinterher ins Hotelinnere folgte.

    Julia betrat als letzte die imposante Lobby des Hotels und prallte prompt hinter der Tür mit ihrer Schwester zusammen, die sich ihr in den Weg gestellt hatte.

    „Sag mal, was war denn das da eben, bitte schön?", sagte Claudia kichernd.

    „Äh, ich weiß nicht, was du meinst", gab Julia bissig zurück.

    „Ach komm schon, ich denke du weißt ganz genau, was ich meine. Wie der Typ dich eben angesehen hat, Wahnsinn."

    „Das ist doch Unsinn."

    „Nein, ist es nicht. Entweder fand er dich hübsch, oder du hast vielleicht irgendwo einen Fleck im Gesicht. Lass dich mal anschauen." Claudia riss ihre Schwester unsanft herum und inspizierte sie genauestens.

    „Mhm, nein. Kein Fleck. Du siehst aus wie immer. Ich dachte zwar immer diese südländischen Typen stehen auf blonde Frauen, aber da du brünett bist, kann es daran wohl nicht liegen. Wohl eher an deinen langen Beinen in dieser kurzen Shorts, die du trägst. Und ich habe gedacht, ich hätte hier mit meinen blonden Haaren mehr Chancen als du, doch da habe ich mich wohl geirrt."

    „Könnte daran liegen, dass du noch ein Kind bist", konnte sich Julia die bissige Antwort nicht verkneifen. Dieser Spruch wirkte meistens, da ihre Schwester ständig älter sein wollte, als sie war und andauernd versuchte, mit ihrer großen Schwester mitzuhalten und auch ständig dabei sein wollte, wenn sie mit ihren Freundinnen über Jungs sprach. Auch heute wirkte dieser Spruch ausgezeichnet und sie hatte die gewünschte Wirkung erreicht. Das ätzende, kindische Gekicher ihrer Schwester endete abrupt, und sie blickte Julia beleidigt an.

    „Bin ich nicht. Du bist gemein."

    Im Vorbeigehen grinste sie Claudia von der Seite an, wenn es auch ein wenig gehässig war, wie sie sich selbst eingestehen musste. Doch manchmal hatte Claudia es nicht anders verdient. Dennoch tat es ihr schon ein bisschen leid, ihre Schwester so getroffen zu haben. Julia war im Allgemeinen nicht gehässig, und im Großen und Ganzen verstanden sich die Schwestern ganz gut und hatten ein sehr enges Verhältnis. Doch in den letzten Wochen und Monaten war ihre Beziehung ein wenig angespannt. Claudia fühlte sich oft zurückgestoßen und von ihr verletzt und war schnell beleidigt, wenn sie ihren eigenen Weg durchs Leben ging, und in dem ihre kleine Schwester im Augenblick keinen Platz hatte. Trotzdem lief Claudia ihr ständig hinterher, und das nervte ungeheuerlich. Julia war siebzehn Jahre alt und hatte keine Lust, mit ihrer nervigen dreizehnjährigen Schwester abzuhängen, die zudem ohnehin keine Ahnung von den Dingen hatte, die Julia beschäftigten, aber da war Claudia natürlich ganz anderer Meinung. Im Allgemeinen gesehen, war dies vermutlich eine ganz normale Entwicklung zwischen Schwestern, deren Alterunterschied fast vier Jahre betrug. Sie wurde eben langsam erwachsen, interessierte sich vorwiegend für Partys und Jungs und würde im nächsten Jahr ihr Abitur machen. Na ja, was das Letzte anging, war das leider noch nicht so sicher. Sie hatte der Schule in letzter Zeit nicht sehr viel Aufmerksamkeit und Interesse gewidmet, was sich auch in ihren Noten widerspiegelte. Nur mit Ach und Krach hatte sie in diesem Sommer überhaupt die Versetzung geschafft, ob sie da ihr Abitur im nächsten Jahr bestehen würde, stand somit in den Sternen. Doch was das Thema Schule und Noten anging, so hatte sich bei ihr eine Gleichgültigkeit eingeschlichen, die ihre Eltern schier um den Verstand brachte. Aber es gab einfach für Julia zurzeit wichtigere Dinge in ihrem Leben als die Schule, nämlich ihre Clique, Partys und eben Jungs.

    Claudia hingegen spielte zum Teil noch mit Barbies und ihren Puppen, wenn auch nur noch heimlich. Doch sie hatte Claudia schon des Öfteren dabei ertappt, hatte jedoch, sobald ihre Schwester ihren grinsenden Gesichtsausdruck gesehen hatte, aus Sicherheitsgründen schnell das Weite suchen müssen, ehe sie mit irgendwelchen Gegenständen bombardiert wurde. Im Grunde, fand Julia, war ja auch gar nichts dabei, dass ihre Schwester von Zeit zu Zeit noch mit ihren Puppen spielte. Sie selbst hatte auch lange mit ihren Sachen gespielt, und sie hatte sich erst im letzten Jahr stark verändert, wie eben leider auch ihre schulischen Leistungen, sehr zum Ärger und Verzweiflung ihrer Eltern, die mit ihrem Latein so langsam aber sicher am Ende waren. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie unbedingt an dieser Reise, die in erster Linie für ihre Eltern gedacht war, teilnehmen musste. Ihre Eltern vertrauten ihr nicht mehr genug, um sie alleine zu Hause in dem trüben Norden Deutschlands zu lassen, und wenn Julia ganz ehrlich mit sich selbst war, auch nicht so ganz zu unrecht. Sie hatte die beiden in letzter Zeit zu oft enttäuscht, hatte gelogen, war häufig viel zu spät zu Hause erschienen, und sie hielt sich nur noch selten an Abmachungen. Es hatte in den letzten Monaten viele Streitereien zu Hause gegeben, kurzum sie befand sich in der rebellischen Teenagerphase eines heranwachsenden Mädchens. Zwar recht verspätet, dafür aber umso heftiger, wie ihr Vater immer sagte.

    Am nächsten Tag hatte Julia die ungewöhnliche Begegnung mit dem schönen Puerto Ricaner beinahe vergessen, wenn auch nur beinahe. Sie hatte den ersten Urlaubstag mit ihrer Familie am wunderschönen Strand mit dem türkisfarbenen Meer verbracht. Sie hatte den ganzen Tag in der Sonne gelegen, ein Buch gelesen und war zum Abkühlen in den Ozean gesprungen, wobei man bei den warmen Temperaturen, die das Meer hier hatte, nicht wirklich von abkühlen reden konnte.

    Sie legte ihr Buch beiseite, nahm ihre Sonnenbrille ab und ließ ihren Blick den Strand entlang wandern. Ihre Eltern hatten recht behalten, es war wunderschön in Puerto Rico und sie hätte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eines Tages bereut, nicht mitgefahren zu sein. Doch das zuzugeben, davon war sie noch meilenweit entfernt. Ihre Stimmung hatte sich zwar ein wenig gebessert, doch sie war in ihrem Inneren noch immer sauer auf ihre Eltern, und das ließ sie ihnen auch immer noch deutlich spüren. Den ganzen Tag schon hatten sie nicht viel miteinander gesprochen, nur Claudia konnte den Mund nie lange halten. Sie hatte auch heute den ganzen Tag gequatscht, und im Augenblick war es endlich mal für einen Augenblick ruhig. Claudia hatte sich auf die Suche nach einem Eis gemacht und war nun schon seit einer Viertelstunde fort. Auch wenn Julia die Ruhe ein wenig genossen hatte, so hielt sie nun doch Ausschau nach ihrer Schwester, bevor ihre Eltern womöglich noch das Augenmerk auf sie lenkten. Sie sah sich nach allen Seiten um, und dann sah sie ihn plötzlich wieder. Er kämpfte sich mit den schweren Strandliegen ab und stapelte diese zusammen, die die Strandgäste nach ihrem Strandtag zurückgelassen hatten. Auch wenn Claudia sie damit aufgezogen hatte, wie er sie angesehen hatte, so war sie sich ziemlich sicher, dass sie ihn genauso angesehen haben musste, was ziemlich peinlich war, und im Nachhinein hatte es sie auch ziemlich erschreckt. In dem Augenblick war es ihr jedoch nicht bewusst gewesen. Aber, wo sie ihn jetzt wiedersah, wusste sie, warum sie ihn so angesehen hatte. Denn auch jetzt konnte sie die Augen nicht von ihm lösen, wie er so nur mit einem ausgewaschenen T-Shirt und kurzer Hose bekleidet seiner Arbeit nachging.

    Er hatte dunkles Haar, was ihm leicht über die Augen fiel und ein markantes Gesicht. Seine Haut war braungebrannt und seine Arme waren muskulös. Wenn er lächelte, bildeten sich kleine Grübchen in den Wangen. Er war der schönste Junge, den sie je gesehen hatte. Vor allem aber waren es seine Augen, die es ihr angetan hatten, auch wenn sie diese wegen der Entfernung nicht genau ausmachen konnte. Sie waren ihr jedoch vom Vortag noch genauestens im Gedächtnis. Die Augenfarbe hatte sie bisher nicht erkennen können, doch sie vermutete, dass sie braun waren.

    Julia war völlig in Gedanken versunken, doch dann sah er plötzlich, als hätte er ihren Blick gespürt, zu ihr hinüber, und ihre Blicke trafen sich. Sein Gesicht verzog sich augenblicklich zu einem Lächeln. Sie zuckte unwillkürlich zusammen und sah schnell in eine andere Richtung. Sie fühlte sich beschämt und ertappt, und sie war sich außerdem ziemlich sicher, dass sie rot geworden war. Ruckartig stand sie von ihrer Liege auf, murmelte ein paar zusammenhanglose Worte zu ihren Eltern, so ziemlich die ersten an diesem Tag, und flüchtete zum Hotel und hinauf in ihr Zimmer, welches sie sich mit ihrer Schwester teilte.

    Am nächsten Tag sah sie ihn bereits früh am Morgen als sie auf den Weg zum Essenssaal an dem Hotelpool vorbeilief. Sie hatte ihn leider zu spät gesehen, um noch einen anderen Weg einzuschlagen. Nun gab es kein Entkommen mehr, und deshalb versuchte sie möglichst unbemerkt an ihm vorbeizuschleichen. Sie wusste, dass sie sich dämlich aufführte, aber sie konnte schwer aus ihrer Haut. Sie war eben von Natur aus eher feige und zurückhaltend. Sie senkte den Kopf und beschleunigte ein wenig ihren Schritt, um schnell an ihm vorbei zu huschen, doch es war zu spät. Er hatte sie bereits gesehen und als sie ihren Blick kurz hob, sah sie, wie er sie anlächelte. Sie lächelte schüchtern zurück, setzte ihren Weg dennoch fort. Als sie fast neben ihm stand, vernahm sie mit einem Mal plötzlich seine Stimme.

    „Hallo." Julia blieb kurz stehen und sah ihn an und blickte direkt in seine, wie sie richtig vermutet hatte, wunderschönen braunen Augen.

    „Oh, äh… hallo", bekam sie gerade noch mit Mühe und Not heraus, ehe ihre Stimme versagte. Er lächelte sie noch immer an und sie stand ebenfalls ziemlich dämlich grinsend vor ihm. Doch dann machte er ein Zeichen mit Hand und gab ihr zu verstehen, dass er arbeiten musste. Er ging an ihr vorbei und Julia war sich ziemlich sicher, dass sie knallrot angelaufen war. Sie musste erst einmal tief durchatmen, bevor sie im Speisesaal ihrer Familie gegenübertrat. Gott, war das peinlich. Er hatte nur höflich hallo gesagt, und sie hatte bloß dagestanden und ihn dämlich angegrinst.

    Am Abend sah sie ihn noch einmal aber nur von Weiten. Dennoch hatte auch er sie erblickt und ihr zugewinkt. Sie hatte zaghaft die Hand zu Gruß gehoben, und war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt gemeint war. Am Tag darauf hatte sie ihn überhaupt nicht gesehen, und sie musste zugeben, dass sie ein wenig enttäuscht war. Auch wenn die bisherigen kurzen Begegnungen eher von der peinlichen Sorte gewesen waren, und Julia zudem auch noch Stichelleichen von ihrer Schwester einbrachten. Dennoch ertappte sie sich dabei, wie sie heimlich und möglichst unauffällig nach ihm Ausschau hielt.

    Kapitel 3

    Erst am vierten Tag nach ihrer Ankunft kamen sie zum ersten Mal miteinander richtig ins Gespräch. Gegen Mittag hatte sie ihn einmal kurz gesehen, doch sie wollte nicht noch einmal so eine peinliche Begegnung wie beim letzten Mal erleben und machte deshalb einen großen Bogen um ihn herum. Sie wusste nicht, ob er sie überhaupt gesehen hatte.

    Am Abend nach dem Abendessen hatte sie sich dann zurückgezogen. Ihre Eltern waren in der Hotelbar und ließen es sich gut gehen, während sie sich mit ihrer Schwester im Hotelzimmer aufhielt. Julia hatte versucht, ein Buch zu lesen, doch ihre Schwester ließ sie einfach nicht in Ruhe lesen. Stattdessen redete sie ununterbrochen oder stellte die Musik so laut, dass sie sich nicht konzentrieren konnte. Mürrisch hatte Julia ihr Buch unter den Arm geklemmt und war an den Strand gegangen. Doch zum Lesen war es hier viel zu dunkel. Also setzte sie sich auf einen Felsen am Strand und sah aufs Meer hinaus. Sie zog ihre Flip Flops aus und ließ ihre Zehen in dem immer noch warmen Sand kreisen, als eine Stimme hinter ihr sie plötzlich zusammenzucken ließ.

    „Hallo." Julia drehte sich um, und da war er wieder.

    „Hallo", sagte sie leise und ihre Stimme hörte sich ein wenig heiser an.

    „Was machst du hier so ganz alleine am Strand?"

    „Ich fliehe vor meiner nervigen Schwester."

    Er lachte und Julia entspannte sich ein wenig.

    „Ja, das kenne ich. Kleine Schwestern sind immer ein bisschen anstrengend. Darf ich mich zu dir setzen?"

    „Äh, ja… gut", stotterte Julia und rutschte ein Stück zur Seite, damit er sich neben sie setzen konnte und trotzdem noch genug Abstand zwischen ihnen war.

    „Danke, ich heiße übrigens Marcos", sagte er.

    „Ich bin Julia."

    „Julia, ein schöner Name."

    Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Sie lächelte deshalb nur und erst da fiel ihr mit einem Mal auf, dass er erstaunlich gut ihre Sprache sprach. Man konnte zwar deutlich seinen Akzent heraushören, aber sie hatte überhaupt keine Schwierigkeiten ihn zu verstehen. Erstaunt sah sie ihn an.

    „Wieso sprichst du so gut deutsch?"

    „Es wird von uns verlangt, dass wir die Sprache unserer Gäste lernen, damit wir sie verstehen können. Außerdem arbeite ich schon sehr lange hier, und da ein Großteil unserer Gäste aus Deutschland kommt, bekommt man eben viel mit und lernt sehr schnell."

    „Wie lange arbeitest du denn schon hier?", wollte Julia wissen.

    „Oh, schon ein paar Jahre."

    Sie sah ihn überrascht an. Ein paar Jahre? Sie hätte ihn nicht viel älter als sich selbst geschätzt. Sie konnte sich deshalb auch die Frage nicht verkneifen.

    „Wie alt bist du?"

    „Ich bin achtzehn, und du?"

    „Siebzehn."

    „Ja, ich dachte mir schon, dass wir ungefähr ein Alter haben. Was machst du so? Arbeitest du?

    „Nein, ich gehe noch zur Schule."

    „Oh, geht man in Deutschland so lange zur Schule?"

    „Ja, ich… nein. Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, welche Schule man besucht."

    „Das kann man sich aussuchen?"

    „Ja. Das heißt manchmal. Als sie seinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, musste sie lachen. „Er kommt darauf an, wie gut man in der Schule ist. Wenn man gut ist, geht man eben länger.

    „Oh, also bist gut?"

    „Nein."

    Immer noch sah er sie verwirrt an und sie musste erneut lachen, was ihr dann einen schmollenden Gesichtsausdruck seinerseits einheimste.

    „Tut mir leid, ich wollte dich nicht verwirren."

    „Also bist du nun gut in der Schule oder nicht?"

    „Eher nicht, aber ich war mal gut."

    „Oh, und warum jetzt nicht mehr?"

    „Ich weiß nicht. Ich habe die Schule in letzter Zeit ziemlich schleifen lassen."

    „Warum?", fragte er ernst.

    Julia lächelte. „Ich weiß nicht. Ich habe einfach keinen Spaß daran und ich habe viele Freunde, die mir wichtiger sind."

    „Freunde kann man doch trotzdem haben, deshalb solltest du dir nicht deinen Weg verbauen lassen."

    „Mmh, vielleicht hast du recht."

    „Ich habe recht. Ich wäre gerne länger zur Schule gegangen und wäre gerne Arzt oder Lehrer geworden, aber ich habe diese Möglichkeit leider nicht. Die wenigsten haben hier die Möglichkeit, weil ihnen das Geld fehlt und so ist das auch bei uns in der Familie. Ich musste früh anfangen zu arbeiten, um die Familie mit zu ernähren."

    „Tut mir leid. Ja, du hast vermutlich wirklich recht. Du hältst mich jetzt sicher für eine verwöhnte deutsche Göre, die nur an sich selbst denkt."

    „Oh, ihr Deutschen seid alle verwöhnt."

    Julia sah ihn

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1