Der Kubaner
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Buchvorschau
Der Kubaner - Savanna de los Santos
Kapitel 1
Der Kubaner
Für…
Linus, Karsten, Mario,
für meine Eltern,
für Martina und Klaus,
denen ich alles Gute für ihre gemeinsame Zukunft wünsche,
für Ute,
mit den besten Wünschen für das neue Jahrzehnt,
und
für Frank,
der diese Welt viel zu früh verlassen hat!
É um mundo frio…
Februar 2013
Hinter der Finsterniss
Sie versuchte sich zu befreien, sie wollte schreien, doch sie bekam keinen Ton heraus. Regungslos lag sie da, unfähig sich zu bewegen, umgeben von Dunkelheit. Es war nur ein Traum, ein immer wiederkehrender Traum. So realistisch, als wollte er sie verschlingen. Fe wachte auf, sie zitterte am ganzen Körper. Nur keine Panikattacke, dachte sie, beruhig dich wieder, du bist wach - alles ist gut... Sie stand auf und ging in die Küche, die im grellen Neonlicht noch kälter und steriler wirkte, als es schon bei Tag der Fall war. So also sah ihre Zukunft aus. Sie setzte einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen. Alles um sie herum schien sich zu drehen. Immer, wenn sie diesen verdammten Traum gehabt hatte, fühlte sich so, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie öffnete das Fenster, die kühle Nachtluft tat ihr gut. Zehn Minuten später saß sie wieder auf ihrem Bett und trank vorsichtig, und in kleinen Schlucken, von ihrem heißen Tee – allmählich beruhigte sie sich und sie fühlte sich langsam etwas besser. Sie wusste, dass ihr Unterbewusstsein ihr mit den Träumen etwas sagen wollte: Lauf weg! Geh, solange du noch kannst. Es war Zeit für eine Veränderung, höchste Zeit - und Fe wusste nur zu gut, dass sie unmöglich so weiter machen konnte. Die quälenden Träume, die Panikattacken, die Angst zu sterben, noch bevor sie richtig gelebt hatte. Vielleicht wurde sie langsam wahnsinnig? Die Zeit verging und ihr Leben, das nur noch auch zahllosen Wiederholungen zu bestehen schien, lief an ihr vorbei – ohne sie auch nur noch im Geringsten zu berühren. Langeweile mischte sich mit Hoffnungslosigkeit – und die Hoffnungslosigkeit drohte nun langsam zur Verzweiflung zu werden. Seit Jahren hatte sie für alles die Verantwortung übernommen, hatte ihre eigenen Bedürfnisse zurück gestellt und war ihrem Pflichtgefühl gefolgt, doch sie hatte dabei mehr und mehr ihre Lebensfreude verloren. Sie fühlte sich eingeengt. Während andere sie um ihr Leben beneideten, wäre sie glücklich gewesen, es hinter sich lassen zu können. Sie war längst nicht mehr die junge fröhliche Fotografin und Werbetexterin, die alle in ihr sahen. Sie war dabei, zu einer grauen, panischen Maus zu mutieren. Zu einer, die sich zurückzog und den Kontakt zu anderen Menschen scheute. Das hier, so viel war sicher, das war nicht ihr Leben. Sie hatte lange genug versucht sich anzupassen, doch sie hatte sich dabei verloren. Irgendwo zwischen Werbeaufnahmen, zwischen schnell getexteten Slogans und den bescheuerten Partys, auf denen sie ihre freie Zeit totschlug, war ihr wahres ich verloren gegangen. Und, dass sie jetzt noch immer hier war, das hatte sie einzig und allein ihrer enormen Selbstbeherrschung zu verdanken.
„Du bist jung, du bist hübsch, du bist erfolgreich und du hast Geld, was willst du noch?", hatte ihre Mutter sie gefragt, als Fe ihr an einem Freitagnachmittag von ihren Träumen erzählt hatte und anvertraut hatte, dass sie inzwischen fast täglich unter Panikattacken litt.
„Ehrlich Ma, du bist der wohl oberflächlichste Mensch, den ich kenne!", hatte sie gereizt geantwortet.
„Nun, vielleicht bin ich oberflächlich, und wenn schon! Aber ich bin zufrieden, Fe! Das solltest du auch sein. Du hast doch alles! Wo bitte ist dein Problem? Willst du wieder nach Kolumbien und im Dreck leben, so wie der Rest deiner nutzlosen Familie? Geh zu einem Therapeuten, Fe. Oder besser noch, heirate Antonio und schenk mir ein paar nette Enkelkinder, das wird dich schon auf andere Gedanken bringen. Es wird ohnehin langsam Zeit für dich, eine Familie zu gründen. Du wirst auch nicht jünger, meine Liebe!".
Ein sinnloses Gespräch.
Fe Mutter kramte in ihrer Handtasche und zog kurz darauf eine Visitenkarte heraus, die sie Fe hinhielt.
„Hier mein Engel, die Nummer von meinem Therapeuten - los, nun nimm schon. Ruf ihn an, er wird dir helfen. Der Mann ist gut, ehrlich! Sieh mich doch an, Fe, mir geht es wunderbar!"
„Du kannst mich mal, Ma, ehrlich! Danke für deine Unterstützung, du warst eine große Hilfe!"
Wenigstens wusste sie jetzt, wer Antonio den Floh ins Ohr gesetzt hatte, dass es Zeit zum Heiraten wäre. Sollte das ihre Zukunft sein? Das könnte euch so passen, hatte Fe wütend gedacht, als sie wenig später das Haus ihrer Eltern, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen, verlassen hatte.
Zuhause wurde sie bereits ungeduldig erwartet: „Wo warst du?"
Die Stimmung war schlecht. Aber war sie das nicht immer?
Antonios Stimme klang vorwurfsvoll: „Warum hast du nicht angerufen?"
Sie war sich sicher, dass er längst von dem Gespräch mit ihrer Mutter wusste und antwortete nicht.
„Helen hat angerufen - sie macht sich Sorgen um dich!"
Volltreffer! Wusste ich’s doch, Fe hatte nichts anderes erwartet.
„Ich finde deine Mutter hat Recht, wir sollten endlich heiraten, was meinst du? Im Sommer vielleicht?"
Sie sah ihn genervt an: „Nein, ich denke nicht, dass sie Recht hat, Antonio. Und ich will jetzt auch nicht darüber reden, ich bin müde."
„Heißt das, wir gehen heute Abend nicht weg? Wir wollten doch…"
„Du wolltest!, unterbrach sie ihn, ohne ihn dabei anzusehen.
Und du kannst meinetwegen auch gehen, ich werde jedenfalls hier bleiben!"
„Was ist bloß los mit dir?"
Sie hatte keine besondere Lust sich mit ihm zu unterhalten. Sie wäre jetzt lieber alleine gewesen und sie hoffte, dass er gehen würde. Stattdessen entschied er sich dazu, ihr Gesellschaft zu leisten.
„Also gut, bleiben wir zuhause! Was willst du machen?"
„Schlafen, lesen, keine Ahnung. Ich will einfach nur meine Ruhe haben."
Sie verschwand im Bad.
Er ärgerte sich über Fe, doch er hielt es für besser, diesmal nichts zu sagen. Vielleicht hatte er es in den vergangenen Monaten übertrieben. Tatsächlich hatten sie immer nur das gemacht, was er wollte. Es wurde wohl Zeit, dass er wenigstens dieses eine Mal Rücksicht auf sie nahm und er hoffte sie würde das anerkennen. Zu seiner Verwunderung schien es Fe jedoch egal zu sein. Sie schenkte ihm das ganze Wochenende lang kaum Beachtung – von der erhofften Anerkennung keine Spur. Und so verbrachte er einen langen Freitagabend, einen noch längeren Sonnabend und einen geradezu endlos erscheinenden Sonntag mit seiner schweigsamen Freundin, die ihm eindeutig signalisiert hatte, dass sie keinesfalls von ihm angesprochen werden wollte.
Das ereignislose Wochenende war vergangen und wie immer folgte darauf ein gewöhnlicher Montagmorgen. Nichts deutete darauf hin, dass etwas Besonderes passieren würde. Fe hatte in der vergangenen Nacht wenig geschlafen und sich etwas verspätet auf den Weg zur Arbeit gemacht, war aber dennoch fast pünktlich in der Agentur angekommen, wo bereits die übliche Hektik herrschte. Fe ließ sich Zeit. Wie jeden Morgen ging sie in Ihr Büro, kontrollierte