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Aufwachstory
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eBook221 Seiten3 Stunden

Aufwachstory

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Über dieses E-Book

Ein junger Mann erwacht und findet sich in einer beunruhigenden Situation. Er hört monotones Meeresrauschen, ist von undurchdringlicher Dunkelheit umgeben und fühlt seine Bewegungen eng eingeschränkt. Da die wenigen Erinnerungen an die vergangene Nacht seine Situation nicht erhellen können, geht er an den letzten klaren Anhaltspunkt zurück und versucht, seinen Erinnerungen zu folgen bis er eine Erklärung findet: Es beginnt mit seiner Reise zur Insel El Hierro, seinen Wanderungen durch die Marslandschaften aus Lavagestein, einem melancholischen Abend im Dunkel eines Stromausfalls, und schließlich den seltsamen Ereignissen, durch die er Su kennen lernt.
Als sich die beiden ineinander verlieben, ist es nicht nur privates Glück, sondern auch ein möglicher Sinn im Leben: In den Ruinen einer um einen künstlichen See angelegten Wohnhausanlage trifft sich eine bunte internationale Schar junger Leute, um Pläne für die Zukunft zu schmieden. Aber das Meeting wird bald durch eine Polizeirazzia abrupt beendet und eine Kette von Ereignissen nimmt ihren Lauf, die den jungen Mann über verschiedene Stationen wie die lettische Hafenstadt Liepaja und ein geheimnisvolles Moskauer Hotel an einen weit entfernten Ort bringt, an dem sich niemand vermuten würde, wenn er erwacht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Dez. 2014
ISBN9783738006148
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    Buchvorschau

    Aufwachstory - Anatol Flug

    EINS

    [1]

    Als mein Bewusstsein beginnt, langsam wieder Konturen zu gewinnen und sich aus den Tiefen des Schlafes zu schälen, ist das Meeresrauschen schon längst da. Ich halte die Augen geschlossen und lasse mich eine Zeit lang vom Geräusch der Brandung wiegen. Die einzelnen Wellen sind deutlich voneinander abgesetzt zu hören, das zunehmende Rauschen, das seinen Höhepunkt erreicht und dann im Sand verläuft; der Sog, der die nächste Welle vorbereitet, ist nicht zu hören, erst wieder das langsam anschwellende Rauschen.

    Es kommt äußerst selten vor, dass ich aufwache ohne auch nur irgendeinen Anhaltspunkt. Aber jetzt habe ich keine Vorstellung, nicht nur davon, ob Mittwoch oder Sonntag ist, mir ist nicht einmal bewusst, ob dieser Unterschied in meiner derzeitigen Lebensphase von praktischer Bedeutung ist oder nicht.

    Ich öffne die Augen. Stockfinstere Nacht, nichts zu erkennen. Ich schließe die Augen wieder und denke nach. Ich kann mich nicht erinnern, jemals für längere Zeit an der Küste gelebt zu haben. Ich bin also wohl auf Reisen. Das Meeresrauschen ist sehr nahe, ich bin wahrscheinlich direkt am Strand. Was habe ich gestern Abend zuletzt gemacht? Ich erinnere mich an die Nacht. Ich wurde durch ein Geräusch geweckt. Ich lag auf meiner Schlafmatte im Sand und das Geräusch war eigentlich sehr leise, kaum zu hören. Ich war etwas unbeweglich in der Bauchlage und drehte mich vorsichtig und etwas unbeholfen nach links. Ein Schatten war zu erkennen, der sich über das Gepäck eines Nachbarn zu unserer Linken beugte.

    Ich hörte ein leises Zischen über mir. Es kam von den Felsen, die vielleicht einen halben Meter von meinem Kopf entfernt begannen und dann steil anstiegen. Immer noch in Bauchlage, drückte ich den Kopf so weit wie möglich in meinen Nacken, um sehen zu können, was sich auf dem Felsen unmittelbar über meinem Kopf befindet. In der Dunkelheit sehr undeutlich konnte ich einen Mann erkennen, der über meinem Kopf auf dem Felsen saß und einen großen Felsbrocken in seinen auf die Knie gestützten Händen hielt. Er zischte: „Shut up – sleep". Ich legte meinen Kopf zurück auf die Matte. Die Situation war eindeutig – die Nachbarn wurden bestohlen und er stand Schmiere. Was konnte ich tun? Am Bauch liegend, mit dem Gesicht nach unten, und einem schweren Felsbrocken in der Luft über meinem Kopf, gab es nicht viele Handlungsmöglichkeiten. Ich schloss die Augen wieder, um weiter nachzudenken.

    Es deutet nichts darauf hin, dass ich verletzt wurde. Wahrscheinlich bin ich in der ausweglosen Situation tatsächlich einfach eingeschlafen. Verdrängung. Ich erinnere mich, dass die Nachbarn später aufwachten. Sie entdeckten den Diebstahl und waren wütend und aufgedreht. Einer packte eine Peitsche aus, die wohl als Waffe zur Verteidigung gedacht war, und fuchtelte damit in der Luft herum. Nach dieser Abreaktion besprachen sie kurz die Lage und brachen dann auf.

    Ich öffne meine Augen nochmals. Eigenartig, dass es völlig dunkel ist und gar nichts zu erkennen. Ich weiß nicht mal, ob meine Freunde noch da sind. Sollte ich zur Sicherheit gleich um Hilfe rufen? Nein. Ich schließe meine Augen wieder. Graeme ist auch mitgegangen an den Strand, Lisa, Henrik. Aber Su, meine Liebste, war auf jeden Fall in Sicherheit, sie war im Hotel geblieben. Ich würde es nicht verkraften, sie zu verlieren oder auch nur ohne Anhaltspunkt von ihr getrennt zu werden.

    Kennen gelernt haben wir uns im Herbst. Die Sommerferien waren gerade zu Ende gegangen und mein drittes Jahr an der Uni hatte begonnen. Ich hatte den ganzen Sommer gearbeitet, um Geld zu verdienen, in derselben Fabrik wie schon in den beiden Jahren zuvor. Ich hatte alle wieder getroffen, die schon vor zwei Jahren und wieder vor einem Jahr – wie ich selbst auch – erklärt hatten, dass sie das nie wieder machen würden bzw. im Fall der fix dort Arbeitenden, dass sie sich einen anderen Job suchen würden so schnell wie möglich. Es war aber sehr einfach, diese Arbeit wieder zu bekommen. Man brauchte nur einen Monat vor Beginn der Ferien anzurufen. Es wurden seitens der Personalabteilung dann zwar keinerlei Versprechungen gemacht, aber spätestens ein oder zwei Wochen nach Ferienbeginn konnte man den Job wieder antreten. Und es war anscheinend sehr einfach, den Job zu behalten, denn man traf jeden Sommer dieselben Arbeiter wieder. – Aber nicht mehr mit mir. Ein ganzes Studienjahr lag vor mir, um einen neuen Job zu suchen.

    Ich hatte mich bis zu einem gewissen Grad schon damit abgefunden, ein einsamer Mensch zu bleiben. Gut, ich war nicht der Einzige an der Uni, der keine Beziehung hatte, aber ich hatte es nicht mal geschafft, unter den Kommiliton*innen Freund*innen zu finden, mit denen einen mehr verband, als nur zwischen den Vorlesungen ins Kaffeehaus oder abends mal ins Kino oder Theater zu gehen. Mangels Anschluss für eine Reise drängte es sich auf, den ganzen Sommer zu arbeiten, um wenigstens für das nächste Studienjahr wieder ein Minimum an Geld zu haben.

    Aber als das Studienjahr im Oktober begonnen hatte, merkte ich, dass ich es diesmal wohl nicht schaffen würde, nach dem Abstumpfungsprozess von drei Monaten Fließbandarbeit wieder übergangslos an die Uni zu wechseln. Dass ich müde war und nicht gerüstet für einen langen dunklen Winter. Und dieser Winter versprach auch, noch dunkler zu werden als all die anderen zuvor. Zu Beginn des Jahres, nach Bekanntwerden der Entdeckung im Meteoritenschwarm „Kronos" waren Aufruhr und Enthusiasmus durch die ganze Welt gegangen. Es war plötzlich vorstellbar, dass sich wirklich alles ändern, die Welt nochmal eine ganz andere werden könnte. Umso unglaublicher und entmutigender war es, dass schon ein halbes Jahr später alles wieder verflogen war.

    Um zu all dem noch etwas Distanz zu gewinnen, beschloss ich also, doch noch, und mangels Anschluss eben allein zu verreisen. Während die Student*innen in Jus oder Medizin gleich am ersten Tag des Semesters wieder mit dem Auswendiglernen beginnen mussten, gab es in den anders orientierten Geisteswissenschaften noch so eine praktisch geheime freie Woche – man meldete sich Anfang Oktober für die Vorlesungen an, und die meisten begannen doch erst frühestens um den 10. Oktober, und diese Woche dazwischen wollte ich nützen, um noch ein wenig Sonne zu tanken und das Meer zu genießen.

    Was das Wetter betraf, war in diesem Jahr das spanische Festland nicht mehr sicher genug, und so entschied ich mich für Teneriffa. Na ja, Entscheidungen dieser Art waren bei mir immer so eine Sache. Natürlich hatte sich nur ein Teil von mir mit der Einsamkeit abgefunden. Aber letzten Endes wollte ich mich nicht verstecken, nicht den kilometerlangen einsamen Strand, sondern in eine lebendige und gut besuchte Destination, an der man doch auch jemanden kennenlernen konnte. Wenn es dann aber zur konkreten Entscheidung über einen Ort kam und die Atmosphäre einer Hotelanlage, in der Animator*innen den gelangweilten oder von ihren Kleinkindern genervten Gästen die Zeit bis zur nächsten Mahlzeit vertrieben, ihre Schatten vorauswarf, entstanden im letzten Augenblick doch wieder einschneidende Verschiebungen. Im konkreten Fall sahen sie so aus, dass ich nur zwei Tage in Teneriffa selbst verbrachte – in einer Pension im Zentrum der Hauptstadt – und für die restlichen fünf Tage auf El Hierro weiter reiste, die im äußersten Südwesten gelegene und unbekannteste der kanarischen Inseln.

    [2]

    In Agniste, dem Ort am südlichsten Zipfel, hatte ich ein Zimmer bei ehemaligen deutschen Aussteiger*innen. Sie lebten mittlerweile in einem mittelgroßen Wohnhaus, und was aussah wie eine hölzerne Badehütte, in der sie wohl in den 80er Jahren ihre Ferien verbracht hatten, vermieteten sie jetzt an Tourist*innen. Der Atlantik war wunderbar malerisch, hatte aber auch etwas Bedrohliches. Am äußersten Zipfel der äußersten Insel war das Gefühl, wie auf einem Schiff dem Ozean direkt ausgeliefert zu sein.

    Der kleine Sandstrand befand sich auch in respektvoller Entfernung von den Wellengängen des Atlantiks – durch die lange Kaimauer des Hafens vom Ozean weitgehend getrennt und zusätzlich noch hinter der Ankerstelle für die kleinen Fischerboote gelegen.

    Mittags war es in der Sonne noch richtig heiß. Ich hatte mich für ein paar Minuten in den Sand gelegt, um mich richtig aufzuheizen, bevor ich ins Wasser ging. Zwei kleine Mädchen liefen an mir vorbei. Sie waren vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt und mussten hier drei kleinere Kinder betreuen. Sie schienen Übung darin zu haben, hielten die drei Kleinen nur von wirklich gefährlichen Unternehmungen ab und ließen ihnen ansonsten ihre Freiheiten. Die Eltern waren nicht zu sehen. In den Felsen etwas weiter oben waren aber einige Plätze mit Liegestühlen eingerichtet und es war gut möglich, dass die Erwachsenen ihre Kinder von dort aus im Auge hatten.

    Ich hielt es in der heißen Sonne nicht mehr aus. Ein wenig benommen stand ich auf und ging in Richtung Meer. Das Wasser war angenehm kühl, der Boden nicht steil abfallend, aber mit ein paar kräftigen Schritten landete ich bald in etwas tieferem Wasser und sobald es mir über die Badehose auf den Bauch schwappte, ließ ich mich nach vorne gleiten und begann zu schwimmen. Der schönste Moment: den überhitzten Kopf ins kühle Wasser, mit geschlossenen Augen ein paar Tempi zu tauchen. Die Benommenheit war gänzlich verflogen. Ich kraulte so schnell ich konnte, nach ein paar Minuten war ich völlig erschöpft. Ich drehte mich auf den Rücken, streckte die Hände seitlich aus, Handflächen nach oben. Ich bog den Rücken ein wenig durch und legte den Kopf etwas zurück. Ganz langsame Bewegungen mit den Füßen genügten, um nicht unterzugehen. Das Wasser ging über die Ohren, zu hören nur das gedämpfte Grundrauschen des Ozeans.

    *

    Ich drifte. Am Anfang hatte es mich nicht weiter beunruhigt, dass ich aufgewacht war ohne irgendwelche Anhaltspunkte in Zeit und Raum, oder in meinem Leben. Und dann war ja auch sehr bald diese Erinnerung aufgetaucht, an den nächtlichen Diebstahl, die Bedrohung, den Nachbarn mit der Peitsche. Aber das hatte sich nicht weiter verdichtet und das anfängliche Gefühl, Boden unter den Füßen zu gewinnen, war sehr schnell gewissen Zweifeln gewichen. Und einiges war eigenartig an meiner Situation: gar nichts sehen zu können im Dunkel, nicht mal die eigene Hand vor Augen. Und dieses ständige Gefühl, eben nicht am nächtlichen Strand zu liegen, auf einem festen Sandboden, sondern zu schweben oder zu fliegen.

    Und ich nichts Besseres zu tun, als mich in dieser Geschichte zu verfangen. Su war der Anhaltspunkt gewesen, der Grund, warum ich hierher zurückging in meiner Erinnerung. Alles andere – fast schon an dem Punkt zu sein, mich erinnern zu können, was ich in den letzten Tagen gemacht habe und wo ich bin – ist wieder verflogen, wie in Nichts aufgelöst.

    Gut, ich beruhige mich schon wieder. Das ist jedenfalls bemerkenswert, dass ich sehr entspannt bin, seit ich hier aufgewacht bin. Es gäbe genügend Anlässe, aus denen ich früher in Panik verfallen wäre – die undurchdringliche Dunkelheit; dass ich mich bis jetzt noch nicht aufgerafft habe, meine Hände zu bewegen; das Gefühl manchmal beim Atmen, dass nur wenige Zentimeter von meinem Mund entfernt etwas ist, an dem mein Atem abprallt und dann wieder auf meinem Gesicht zu spüren ist. Aber dann, immer wenn ich beginne, mir darüber Gedanken zu machen, tritt doch vorher ein Gefühl totaler körperlicher Entspannung ein, dem bessere Laune und mehr Optimismus folgen. Und es gibt ohnehin keinen anderen Weg, als dieser Geschichte weiter zu folgen, und irgendwann, hoffentlich sehr bald, führt sie mich zu Su.

    *

    Das Dorf, in dem ich hier gelandet war, stellte sich recht bald als sehr langweilig heraus. Es hatte wohl einen Ruf als Taucher*innenparadies und war entsprechend mit Sauerstoffflaschen schleppenden Leuten in schwarzen Gummianzügen bevölkert. Mehr Sport als Gesellschaftsleben, überall Fachdiskussionen, und so hatte ich es wohl wieder mal geschafft, nicht weit weg vom Highlife einer großen Urlaubsregion an einem Ort zu landen, der für einen Single keine wie immer gearteten Anschlussmöglichkeiten bot. Auch waren die Tage schon kürzer und die früh einbrechende Dunkelheit versetzte mich vollends in eine melancholische Stimmung.

    Nur an einem Abend wurde die Tristesse durchbrochen. Schon am Nachmittag war im gesamten Dorf der Strom ausgefallen. Die Vermutung war, dass es im regionalen Umspannwerk ein Problem gab, man wusste nichts Genaues und das Gerücht begann die Runde zu machen, dass es auch durchaus 24 Stunden dauern könne, bis wieder Strom da sei. Mit nahendem Einbruch der Dunkelheit war eine zunehmende leichte Spannung zu spüren.

    [3]

    Es waren ungewöhnlich viele Leute auf der Straße. Einige wollten wohl nicht gleich den ganzen Abend zu Hause bzw. in ihren Zimmern oder Apartments bleiben mit der Aussicht, die ganze Zeit im Dunkeln oder bestenfalls im Kerzenschein zu sitzen. Die Öffentlichkeit hatte in dieser Situation aber auch etwas Anziehendes, man fühlte sich in der Menge irgendwie doch sicherer. Es gab ja nicht wirklich Gefahr, aber man konnte ein wenig sehen, wie die anderen mit der Situation umgingen, und vielleicht gab es ja auch neue Informationen.

    Die kleinen Gasthäuser und Restaurants hatten sich schon auf die Situation eingestellt – alle Kerzen zusammengetragen, die sie kriegen konnten, die Getränke in kaltem Wasser so gut wie möglich gekühlt, eine einfache Fischsuppe oder ein kleines Fleischgericht am Propangasherd zubereitet.

    Die aus den Gasthäusern scheinende Kerzenbeleuchtung war auch die einzige Lichtquelle in den Gassen. Die Atmosphäre hatte etwas Gespenstisches, weil einerseits alle Leute auf der Straße waren, als wäre heute der wichtigste Festtag des Jahres. Gleichzeitig war es sehr ruhig, weil alle sehr bedächtig gingen, um nicht im fast vollständigen Dunkel über eine kleine Unebenheit oder über einen der ansonsten den Straßenrand säumenden Gegenstände – von kleinen Tischchen, Sesseln für die Siesta im Schatten bis zu Maurerkübeln – zu stolpern.

    Ich hatte mir in einer Bar eine Flasche Bier gekauft, für eine Weile die Leute beobachtet und ging nun etwas in Gedanken versunken und gleichzeitig langsam und vorsichtig in Richtung der kleinen Strandpromenade, die eigentlich nur ein Sträßchen war, an dem es ein Gasthaus und zwei kleine Cafés gab.

    Ich hatte den Stromausfall bemerkt, als ich am späteren Nachmittag vom Strand zurück in mein Zimmer kam und mein Mobiltelefon – meine einzige Uhr – an das Ladegerät anschloss, bevor ich in die hinter dem Kasten etwas versteckte improvisierte Dusche stieg. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass das zu so einem kleinen Ausnahmezustand führen könnte, und erinnerte mich erst langsam wieder daran, als ich mich beim Spaziergang durchs Dorf wunderte, dass die Straßenbeleuchtung nicht eingeschaltet wurde, und ich die ersten nur durch Kerzen beleuchteten Gasthäuser sah. Das Gerücht mit den 24 Stunden, das ich bald darauf aus der Unterhaltung eines englischen Tourist*innenpaares aufschnappte, beunruhigte mich dann ein wenig. Falls die Dunkelheit wirklich die Nacht über andauerte, wusste ich nicht recht, wie ich zurück in mein Zimmer kommen und dort zu Bett gehen könnte. Ich hatte mich nicht rechtzeitig darum gekümmert und es sah auch nicht so aus, als ob man im Dorf noch irgendwo eine Taschenlampe oder andere windsichere Lichtquelle bekommen konnte. Der Weg zurück führte in einem Bogen am kleinen Sandstrand vorbei und ich hatte in den zwei Tagen, die ich jetzt hier war, nach dem Strand immer eine Abkürzung über ein paar Felsen genommen und konnte mich nicht mehr genau erinnern, wo der ebene Weg verlief. Wenn ich das mit Hilfe des sehr matten Mondlichts schaffte, hatte ich auch im Zimmer dann kein Licht, und mein Verhältnis zu den Vermieter*innen war auf ein wenig Smalltalk bei der Anmeldung beschränkt geblieben und nicht wirklich die Voraussetzung, um sie in der Nacht zu wecken und nach einer Taschenlampe zu fragen. Sollte ich doch für die alte Holzhütte eine Kerze klauen?

    Ich hatte also das Bedürfnis, den Moment, an dem ich beschließen würde müssen, dass ein Einschalten des Stroms nicht mehr zu erwarten war und ich mich

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