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Die Gier des Mzungu: Flucht nach Afrika
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Die Gier des Mzungu: Flucht nach Afrika
eBook246 Seiten3 Stunden

Die Gier des Mzungu: Flucht nach Afrika

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Über dieses E-Book

Was wie ein normaler Tag begann, entwickelt sich für den deutschen Architekten Frank Roland zu einem nicht enden wollenden Albtraum. Er erfährt, dass ihn sein Bruder Rolf in den Ruin getrieben hat, ermordet ihn und flüchtet nach Mombasa.
Dort kommt er in Kontakt mit einer Verbrecherorganisation und soll Diamanten aus dem Herzen Afrikas schmuggeln.

Die Reise durchquert den großen afrikanischen Graben, bis zum Tanganjikasee. Es treten immer mehr Ungereimtheiten auf, die in einer Vorhersage eines alten Afrikaners, eines Manga, gipfeln: Frank wird auf seiner Reise einen farblosen Mann begegnen, der ihn ins Unglück stürzt.
Aufgewühlt sucht er das Büro seines Mittelsmannes. Als ihm der junge Afrikaner Jumbe als Begleitung zur Seite gestellt wird, scheint der Rest eine Kleinigkeit zu sein. Doch was abenteuerlich beginnt, wird für Frank zu einer emotionalen Achterbahnfahrt.
Auf dem Rückweg wird Jumbe ermordet. Nach dessen Tod versucht Frank alleine das Land zu verlassen. Überall stößt er auf Ablehnung und ungewöhnliche Transportbedingungen. Auf den Matatus drängen sich Kleinbauern und stillende Mütter eng zusammen, gackernde Hühner und Trockenfisch sammeln sich dort an. Er versucht mit letzter Kraft zurückzukehren, bis ihm der vorhergesagte Albino über den Weg läuft.
Damit beginnt eine dramatische Entwicklung, bis die Rückreise ein jähes und unerwartetes Ende nimmt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum15. Sept. 2017
ISBN9783745020878
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    Buchvorschau

    Die Gier des Mzungu - Karl Dorsch

    cover.jpg

                  Karl Dorsch

               Die Gier des Mzungu

    978-3-7439-4809-9 (Paperback)

    978-3-7439-4810-5 (Hardcover)

    978-3-7439-4811-2 (e-Book)

    DIE GIER DES MZUNGU

      oder

    FLUCHT NACH AFRIKA

    Thriller

    img1.jpg

    1

    Der weiße Leib schimmert blass auf der linken Seite des holprigen Ackerweges. Aus dieser Entfernung kann man sich nicht vorstellen, dass die Figur mannsgroß ist. Ein zur Kugel geschnittener Buchsbaum und die hölzerne Bank darunter sind um diese Tageszeit nicht mehr zu sehen, nur die schwarze Silhouette des Waldes hebt sich noch klar vom Himmel ab. Dort, wo der Weg durch die Bäume ins kleine Tal führt, ist ein noch schwärzeres Loch, eine Art Tunneleingang zu erahnen. Seitlich davon die Figur, inzwischen schon größer. Die Gedanken sind bei seinem Plan, trotzdem signalisiert in ihm etwas, wer weiß, vielleicht die Seele, das zum Anhalten rät. Der Kopf wehrt sich, es hat ja alles keinen Sinn. Seine Schritte werden langsamer, die Augen sind starr nach vorne gerichtet, auf den Weg zum dunklen Durchgang des Waldes. Er bleibt ruckartig stehen, links von ihm der bleiche Leib in zwei Meter Höhe, fährt mit den Fingern durch sein Haar und schaut verstohlen zu den nackten Zehen hinauf, ja nicht ins Gesicht.

     Es ist still, ganz still.

     Sein Atem ist flach, dann ein Seufzer, die Augen feucht und warum soll er nicht mit ihm sprechen? Es ist egal, ob er fünf Minuten früher oder später ankommt. Seine Blicke tasten sich ruckweise, wie eine Fliege am Fenster, von den Füßen bis zum Antlitz.

    Dann nimmt er im Inneren einen Anlauf.

     „Jesus!", sagt er leise und sucht die schwarzen Pupillen unter den niedergeschlagenen Augen der Figur, will ihn dadurch zwingen zuzuhören.

     Dann der nächste Anlauf.

     „Jesus, Gott, wiederholt er deutlich und laut, „du hast versagt, wie ich! Er sammelt sich. „Wie oft habe ich mit dir hier gesprochen, wie oft habe ich dich um Hilfe gebeten?, klagt er an. „Und jetzt? Meine Frau hat einen Anderen, ich habe nichts mehr und bereue meinen Diebstahl zutiefst. Ich bin in einer Sackgasse, nein, einer Einbahnstraße die am Abgrund endet.

     Er wartet kurz und schnaubt wütend durch die Nasenlöcher, wie ein Stier in der Arena. „Was ist?, zischt er. „So rühre dich oder gib mir einen Einfall!

     Hermann Purecker lauscht und hofft auf einen Einfall, ein Wort Gottes oder ein Wunder. Hofft seit Jahren ohne Erfolg. In seinem fünfundsechzigsten Lebensjahr muss er erkennen, dass sein Fleiß, seine Arbeit, am Ende zu nichts geführt haben. Er ist alleine. Seinen Lebensabend wird er zuerst in einer Zelle, später irgendwo in einer schäbigen Wohnung verbringen, mit abgetragener Kleidung, so wie jetzt.

     „Nein, das ist nichts für mich, beschloss er vor einer Stunde, „lieber mache ich Schluss.

     In einem halben Jahr hätte er Rente bezogen, er, der gesittete Leiter einer österreichischen Bankfiliale, ohne Vermögen, ohne Frau.

    „Du hilfst mir also nicht, sagt er ruhig und nickt bedächtig. „Gut, ich habe verstanden und werde dich auch nicht bitten, mir die nächste halbe Stunde zu helfen. Es wäre leichter, aber ich schaffe es auch ohne dich.

     Er presst die Lippen aufeinander, schnaubt nochmals trotzig aus und geht weiter. Tränen kullern über seine Wangen, es werden mehr, der Rotz rinnt aus der Nase und er beginnt lauthals zu Heulen. Traurigkeit, Verbitterung, Hass und Wut auf sich selbst, kommen zum Vorschein, schlüpfen durch ein Ventil, eine Öffnung seines lang unterdrückten Kummers, ins Freie.

     „Das hätte ich früher machen sollen, stellt er fest, „mir wird dabei besser und ich weiß jetzt, dass ich es schaffe, ohne diesen Gott.

     Der Weg ist abschüssig.

     In seiner Hosentasche fühlt er die kleine metallenen Taschenlampe und holt sie heraus. Das wenige Licht reicht, um die nächsten Schritte vor ihm zu erhellen. Der Pfad durch den Wald mündet nach zweihundert Meter in einen quer verlaufenden, befahrbaren Flurweg. Er schaltet die Taschenlampe aus, das Restlicht des Himmels lässt den Schotter hell genug erscheinen. Hermann Purecker biegt rechts ein und geht weiter leicht bergab, bis der Weg eben verläuft. Das kleinen romantischen Tal führt durch fruchtbare Felder und Hänge mit Wald der Bauern.

     Rentner haben vor vielen Jahren an einer Böschung eine Bank  zum Verweilen errichtet. Alte Balken als Sitzfläche, darüber ein luftiges Dach aus Brettern, ein idealer Platz für ihre Treffen. Er setzt sich und holt aus der linken Hosentasche eine schmale Taschenflasche, einen Flachmann, öffnet und trinkt die hochprozentige Flüssigkeit ohne abzusetzen aus. Ein Versuch den Hustenreiz zu unterdrücken endet in heftigem Räuspern und Schlucken. Der Platz ist idyllisch und über dem Hügel auf der anderen Seite des Tales schimmert der Himmel, die Reflexion der Lichter seiner Geburtsstadt. Er hört leise das Rollgeräusch und weiß, dass es innerhalb der nächsten fünfzehn bis zwanzig Sekunden seinen Höhepunkt erreicht.

     Als Kind liebte er dieses Brausen und Dröhnen, jetzt steht er dort und erinnert sich an früher. Es wird laut, durchbricht zunehmend die Stille und die Lichter rasen auf ihn zu, dann zehn Meter an ihm vorbei, zur nächsten Stadt. Die vier Waggons sind beleuchtet, nur ein einziger Fahrgast sitzt darin. In etwa zehn Minuten kommt der nächste Zug von der anderen Seite, bis dahin hat er noch Zeit. Die Wirkung des Alkohols wird das Vorhaben erleichtern. Hermann Purecker wirft die leere Flasche weg und hört ein Klirren.

     „Das wollte ich nicht, sagt er, schaltet die Taschenlampe ein und leuchtet nach dem zerbrochenen Glas. Er steht auf, geht hin und sieht, dass es auf dem groben Schotter des Gleises liegt. „Hier stören sie nicht, denkt er und schlendert zurück. Das Sitzen ist angenehm, der Schnaps entspannt, lässt es zu, an nichts zu denken.

     Nach geraumer Zeit sagt ihm sein Gefühl, dass er aufstehen muss. Die Taschenlampe legt er auf die Bank, vielleicht braucht sie jemand, Ordnung muss sein. Er durchsucht seine Taschen, findet nichts Wertvolles und steigt auf das Gleis. Der Spaziergang zwischen den Schienen wird kurz sein, der Zug soll ihn von hinten erfassen. Die Schritte sind wie die eines Greises, aber das Herz schlägt schnell, wie das eines Läufers, kurz vor dem Ziel. Ein feines Vibrieren überträgt sich auf seine Beine, dann hört er das Rauschen des Zuges. Es wird lauter, sein Körper wirft einen langen, diffusen Schatten, der wird kürzer und deutlicher und er schreit: „Herr, lass mich nicht allein!"

     Hermann Purecker ist tot.

    2

    Sie geht ins Umkleidezimmer und er folgt ihr.

     „Was soll ich anziehen, Mike?", fragt Anna Purecker ohne eine Antwort zu erwarten.

     Michael hebt nur kurz die Schultern, nimmt seine auf einem Hocker abgelegte Kleidung und zieht sie an. Sie fingert einen knallroten Slip aus einer Schublade, eine Jeans vom Bügel und schlüpft in eine Bluse, drückt wie automatisch mit nachdenklichem Blick ihren Busen nach oben. Socken und Tennisschuhe dazu gefallen ihr am besten.

     „Siehst toll aus, sagt er. „Die schönste Witwe Österreichs. Und erst vierzig!

     Sie huscht an ihm vorbei und geht ins Bad, wo sie ihre schulterlangen, leicht gewellten, dunkelbraunen Haare in Form bringt. Dezent roter Lippenstift betont ihre unglaublich vollen Lippen, passend zu den hohen Wangenknochen.

     „Und was denkst du, wo wir mit der Suche beginnen?, fragt sie durch die offene Tür, mustert ihn dabei von oben bis unten und fühlt sich von dem muskulösen Körper angezogen. „Er würde zu mir passen, hat fast dasselbe Alter, überlegt sie, „wenn nicht …"

     „Keine Ahnung. Wo hatte sich dein Mann noch gerne aufgehalten? Wo konnte er Privatsachen verstecken?"

     „Verstecken? Hermann hatte keine Geheimnisse, sie stockt, „also dachte ich.

     „Was ist mit dem Dachboden?"

     „Gute Idee", antwortet sie und führt ihn hinauf, mit einem flauen Gefühl im Magen. Als sie die Hälfte der schmalen Treppe gegangen ist, will sie umkehren, ihren Plan aufgeben, aber Mikes Schritte hinter ihr, seine Nähe, sein lauter Atem lassen sie mutig werden.

     „Komm!", ruft Anna, greift nach seiner Hand und steigt weiter nach oben.

     „Na, hier sieht es aus", bemerkt er, als die Tür offen ist.

     Sie geht hinein, macht Licht, hebt eine große Plastikplane an, unter der ein Schreibtisch zum Vorschein kommt, und schiebt sie zur Seite. Staub fliegt auf. Gemeinsam durchwühlen sie systematisch die vielen kleinen Fächer und Schubläden des schweren Pults, voll bis oben hin mit vergilbten Rechnungen, Plänen von Häusern, Notizen über Gespräche, Zetteln, sauber chronologisch geordnet, alles übersichtlich platziert.

     „Wir sollten dort suchen, wo wenig Schmutz ist. Ich denke, dein Mann wird die Barren öfter verstohlen betrachtet und die Schwere des Goldes verspürt haben." Er steht vor einem Stapel mit Kisten, nimmt die oberste mit Zeitungen und Illustrierten und leert sie mit einem Schwung auf den Boden.

     „Wie groß sind eigentlich Goldbarren?", fragt sie.

     „Je nach momentanem Wert, antwortet er und durchsucht mit seinen Schuhen den Papierhaufen am Boden, „und Gewicht. Ein Kilo Gold hat etwa die Größe eines Fünf-Euro-Scheines und ist einen Zentimeter hoch. Und kostet über dreißigtausend Euro! Er kann sie in jeden Schlitz gesteckt haben.

     „Das glaube ich nicht, Hermann war zu ordentlich und gewissenhaft. Sie sind bestimmt alle zusammen in einem guten, leicht zugänglichen Versteck."

     Anna geht zu einem Bücherregal, zieht ein Exemplar heraus und durchblätterte es. Sie nimmt das nächste, hält es am Umschlag fest, dreht es so, dass die offenen Seiten nach unten zeigen und schüttelt.

     „Was wird das?"

     „Vielleicht ist ein Hinweis darin versteckt."

     „Ein Hinweis versteckt?", äfft Mike ihr nach.

     „Ich bin eben neugierig und wir haben viel Zeit."

     Er dreht sich um und entdeckt einen alten Schrank. „Du meine Güte! Das ist ja eine Antiquität."

     „Stimmt, ein Küchenschrank von seiner Mutter. Mir hatte er nie gefallen und ich finde ihn heute noch hässlich, deshalb ist er hier oben gelandet. Aber gute Idee, durchsuche ihn!"

     Das Möbelstück ist aus massivem, dunkelbraunem Holz und hat eine Vitrine als Hochschrank, darunter zwei Reihen mit gleich großen Schüben. Mike zieht den ersten mühelos heraus und blickt ins Leere. Beim zweiten entsteht ein helles, klickendes Geräusch.

     „Schau mal, meint er leicht belustigt, „die sind kaum von dir.

     Anna legt ein Buch zur Seite, geht zum Schrank und schaut in Mikes Gesicht, mit nach unten verzogenen Mundwinkeln und Augenbrauen, die Mimik eines schlechten, traurigen Clowns. Beide stieren zugleich in den Schub, neigen ihre Köpfe zueinander, um den Blick des anderen zu finden, und sehen sich fragend an.

     „Eine ist noch halb voll. Willst du einen Schluck?", fragt er spöttisch.

     „Ich hätte nie gedacht, dass mein Mann heimlich Alkohol trinkt. Nur, jetzt ist mir einiges klar. Er hatte in letzter Zeit häufig einen Kaugummi im Mund, für seine Zähne, angeblich. Ich verstand das nie, seine Besuche beim Zahnarzt waren regelmäßig und ohne schlechten Befund. Im Gegenteil!"

     Sie dreht sich im Kreis, um alles aufzunehmen. Ein neues Gespür, eine Vorahnung steigt in ihr auf, hält sie fest, hier in der geheimen Welt ihres verstorbenen Mannes, eines Partners, der im Laufe ihrer Ehe völlig anderen Regeln gefolgt ist. So wie sie.

     „Wir sind richtig", äußert sie und nickt.

     „Glaubst du?"

      Systematisch und mit viel Ruhe öffnen beide jeden Schub, jedes Türchen und sind sich im klaren, dass sich der Erfolg nicht leicht einstellt. Sie nehmen jeden Schub nochmals heraus, drehen und wenden ihn und legen ihn zur Seite.

     „Wir sind dumm, bemerkt er, „wir denken zu kompliziert.

     Sie antwortet nicht darauf, oder nicht sofort. Anna strafft sich und blickt am Schrank vorbei zur Wand. Sie schiebt die untere Lippe über die obere, hält etwas zurück und ist unsicher, ob sie es sagen soll. Sie streicht über das linke Seitenteil des Möbels und wackelt mit dem Kopf hin und her.

     „Mike, er hat es hinter dem Schrank versteckt. Wetten?"

     „Um was wetten wir?", fragt Mike und zieht die Augenbrauen zusammen.

     „Nichts. Ich bin mir sicher."

     Sie fasst ihn mit beiden Händen an den Schulten und blickt in seine Augen: „Wir Frauen sind schlauer als ihr Männer. Er hatte öfter schmutzige und ausgebeulte Knie, das fiel mir auf."

     „Ja und?"

     Sie antwortet nicht, geht neben den Schrank, kniet sich nieder und tastet mit einer Hand in den breiten Schlitz zwischen Mobiliar und Wand.

     „Da!, schreit sie fast und zieht ein gelb glänzendes Metallstück heraus. „Die Rückwand hat genügend Platz.

     „Du bist verrückt", sagt Mike und kratzt sich am Hinterkopf.

     Sie reicht ihm den Goldbarren und sucht sofort weiter. „Ich habe mehrere", antwortet sie und legt, Stück für Stück, vierzehn Edelmetallblöcke nebeneinander auf den Boden. Sie steht auf, wischt ihre Knie ab und ist sprachlos.

     „Wie viel ist das, Herr Sparkassenstellvertreter?"

     „Etwa eine halbe Million."

     „Dollar?"

     „Mehr! Euros."

     „So viel? Und wie können wir die einlösen?"

     „Komm, setzen wir uns", schlägt er vor und deutet zum Schreibtisch.

     Sie sitzen auf der Arbeitsfläche und halten sich die Hand. Mike beißt sich mehrmals auf seine Unterlippe und schürzt nervös seinen Mund. Anna blickt ihn von der Seite an und schweigt. Was liegt da in der Luft, oder bildete sie sich das nur ein? Anna entzieht ihm langsam die Hand.

     „Was ist?"

     „Du hast wieder so etwas Dunkles in deinen Augen, Mike."

     „Nein, nein, ich habe Angst! Jetzt haben wir den Schatz und dürfen ihn nicht heben."

     „Was heißt das?"

     „Die Barren sind nummeriert. Hier eintauschen ist unmöglich. Die Polizei wird früher oder später dahinterkommen, dass ich bei diesem Spiel nicht ehrlich war und deinen Mann gedeckt habe. Ich bin überzeugt, dass sie Spezialisten einsetzen werden. Und dass du einen Abschiedsbrief in deiner Aufregung verbrannt hast, glauben sie doch auch nicht."

     „Nummeriert? Ihr Atem geht schneller und das Gesicht wird blass. „Kann man das Gold im Ausland verkaufen?, fragt Anna plötzlich zuckersüß und streichelt über seinen Oberschenkel. „Irgendwie?"

     „Du meinst mich damit und hast Recht. Mike nimmt wieder ihre Hand und spürt, dass sie feucht geworden ist und kalt. Zweifel überkommen ihn, Zweifel über sie, und er kann es nicht in Gedanken oder Worte fassen. „Egal, beginnt er, „ich werde verreisen, bevor mich die Polizei erneut ausfragt, mit zwei, drei Barren, den Rest versteckst du. Nicht im Haus, hörst du! Suche dir ein gutes Versteck aus. Meine Reise geht nach Mombasa, ein Urlaubsticket und von dort weiter in den Kongo."

     Sie blickt ihn unverstanden an, geht zum Dachgiebel und schaut durch das kleine, runde Fenster. „Da ist jemand im Garten."

     Mike geht ihr nach und stellt sich neben sie. Das Licht der Straßenlaterne reicht kaum bis zum Haus.

     „Wo? Ich erkenne nichts."

     „Ich habe gesehen, wie jemand durch die Büsche streifte. Ganz links, in Richtung der Garagen."

     „Vielleicht eine Lichtspiegelung oder der Wind."

     „Nein. Eine Gestalt, nicht groß."

     Er sieht immer noch nichts. „Bestimmt ein Kind, meint er schließlich und hofft, dass es stimmt. „Oder ein neugieriger Nachbar oder schon wieder jemand von der Presse.

     „Ein Kind um diese Zeit? Die Polizei hat dich vernommen und die Reporter sind abgezogen. Sie spitzt die Lippen. „Gibt es viele Gläubiger in Österreich, außer der Bank?

     „Das weiß ich nicht. Ich musste nur ab und zu als Stellvertreter unterschreiben."

     Anna beginnt zu zittern und blickt ihm in die Augen. Sie hat sich immer etwas Mädchenhaftes bewahrt, aber jetzt sieht Mike in ihr eine schnell gealterte Frau. Das Gesicht eingefallen, Falten um den Mund und eine graugelbe Haut.

     „Was ist los mit dir?", erwidert er in barschem Ton.

     „Wie kommst du auf Mombasa?", fragt sie ungläubig.

     „Weil ich in Wirtschaftsjournalen gelesen habe, dass in den konfliktgeladenen Zonen der Republik Kongo Gold gefunden und geschmuggelt wird. Man kauft das wertvolle Metall von Händlern und Bergarbeitern aus kongolesischen Dörfern, die von Rebellen beherrscht werden. Sie verstecken das Gold und schaffen es in benachbarte Länder wie Kenia oder Tansania. Und dort werden die wertvollen Klumpen zertifiziert und zusammen mit anderem Gepäck in Richtung Naher Osten und Asien auf den Weg gebracht. Und ich bringe auch Gold, noch dazu in Barrenform. Das Umändern der Nummern ist für solche Leute eine Kleinigkeit."

     „Du bist ja erstaunlich gut informiert."

     „Gott sei Dank!, entgegnet Mike, „sonst hätten wir ein riesiges Problem.

     Sie schweigen eine Zeit lang.

     „Darauf hat mich dein Mann gebracht, er wartet, „‚hatte‘ mich gebracht, muss ich jetzt sagen. Er ist tot, vom Zug überfahren und kommt nie wieder.

     „Ja", sagt sie leise.

     Sie wird nachdenklich. „Aber wieso er?"

     „Weißt du, Anna, beginnt Mike bedächtig und ist froh, ihr erzählen zu können, „weißt du, er war sich im klaren, dass du ihn verlässt. Da begann er zu überlegen, wie er zu Geld kommt, heimlich, ohne dein Wissen. Wenn wir uns in letzter Zeit unterhielten, dann fast nur noch über Goldanlagen. Seine Begeisterung war wie bei einem Jungen, der von einem Rennrad träumt. Alles darüber interessierte ihn, vor allem, wo das Edelmetall herkommt. Er sprach oft von Geldwäsche in afrikanischen Länder, das machte mich stutzig. Und dann war die Gelegenheit für ihn da, die Umschichtung in der Wiener Zentralbank. Sein Plan war mir schnell klar, er wollte das Haus verkaufen und mit Barren aus dem Depot abhauen. Vielleicht wusste er, wie man sie nach Afrika bringen kann. Du warst ihm als Gegner viel zu groß, deshalb die Flucht.

     Mike schaut sie an und fährt fort: „Und zu berechnend. Das kann ich sogar verstehen."

     „Du?",

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