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Frevlersbrut: Die Erste Tochter 2
Frevlersbrut: Die Erste Tochter 2
Frevlersbrut: Die Erste Tochter 2
eBook392 Seiten5 Stunden

Frevlersbrut: Die Erste Tochter 2

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Über dieses E-Book

Eine junge Frau stößt an die Grenzen ihrer Welt

"Lys Neoly hat einen Heiligen Baum verbrannt!" Mit diesen Worten stürzt Myns Welt in sich zusammen. Der schöne Priester Sna hat sie ausgesprochen und damit ihre Mutter als Widernatürliche gebrandmarkt. Und Myn und ihre Brüder gelten jetzt als die Brut einer Frevlerin.
Doch der brennende Heilige Baum war erst der Anfang. Auf dem Planeten Singis fürchtet man sich jetzt vor dem Weltenbrand. Gerüchte über Drachenfrauen im Weltraum machen die Runde, und der Demagoge Asnuor steigt zu immer größerer Macht auf. Myn jedoch hat andere Probleme: Wie zum Nichtsein kann sie eine singisische Frau und trotzdem sie selbst sein? Und dann scheint auch noch ihr großer Bruder unter dem Druck der gesellschaftlichen Ächtung zu zerbrechen. Oder steckt etwas ganz Anderes, Größeres dahinter?
In 7 Bänden erzählt "Die Erste Tochter" von Intrige, Leidenschaft, Liebe, Freundschaft, Hass, einer fremden Welt und von einer Frau und drei Männern, die diese Welt für immer verändern. Eigentlich will Myn ja vor allem eins: ihre eigene Freiheit. Doch als "Frevlersbrut" scheint dieser Wunsch unerreichbar …
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Okt. 2021
ISBN9783753198965
Frevlersbrut: Die Erste Tochter 2
Autor

Katharina Maier

Katharina Maier ist in der Oberpfalz geboren. Ihre erste Geschichte war ein Märchen über eine Taube und eine weiße Hirschkuh, die sich ineinander verliebten und sehr glücklich miteinander wurden. Heute schreibt sie Sachbücher über Literatur im weitesten Sinne und Future-Fantasy-Geschichten von epischer Länge, in denen mal mehr Future und mal mehr Fantasy steckt. Katharina Maier lebt in Augsburg.

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    Buchvorschau

    Frevlersbrut - Katharina Maier

    Inhalt

    Widmung

    Nordsingisisches Trauerlied

    Endzeit

    Inferno

    Schwelle

    Frevel

    Gewalt

    Vaterswort

    Nachbeben

    Verlangen

    Sehnen

    Drachen

    Nacht

    Wer ist wer

    Was ist was

    DIE ERSTE TOCHTER

    Lesetipps

    Impressum

    Widmung

    Für Mama, mit den Sternen in ihrem Geist

    Für Lisa, mit den Drachen in ihrem Herzen

    Für Oma, die Myn ihre Stärke gab

    Diese Welt wäre nicht, was sie ist, ohne euch

    Nordsingisisches Trauerlied

    Komm, komm, meine Geliebte!

    Dein Haar ist wie Regen

    Und wie die Gebeine der Erde sind deine Glieder.

    Draußen stehen sie, Männer des Südens,

    Feuer in Händen und Tod im Gesicht.

    Doch zum letzten Ritt riefe ich gerne,

    kämest du nur mit mir.

    Komm, komm, Volk der Weite!

    Sturm hast du im Blut

    Und die Stärke der Steppe in deinen Sehnen.

    Wie Tau in der Nacht war dein Werden,

    Unter den Hufen der Schönen wogte das Laub.

    Und wie Tau nach der Nacht wirst du schwinden,

    Und unter den Hufen der Schönen wirst du zu Staub.

    übertragen von J. A. Shelton

    Endzeit

    Snas Anschuldigung war kaum verklungen, da sprangen alle von meiner Mutter weg wie Schotter bei einem Steinschlag. Ich glaube, ich lachte; nur ein kleines bisschen, weil alles so absurd war. Meine Mutter sollte einen Heiligen Baum verbrannt haben? Mit Absicht? Und, als wäre das noch nicht genug: Sie hätte dabei nicht einmal eine Maske getragen, sodass ein jeder sie erkennen konnte, während sie einen der größten Frevel der singisischen Geschichte beging?

    Sna log. Ich starrte auf das wunderschöne Gesicht des Hologramms, das mitten in der Bewegung erstarrt war, weil irgendjemand unter all den Neolys, die in der großen Festhalle versammelt waren, die Übertragung aus dem Parlamentssaal angehalten hatte. Da stand er, der honigäugige Priester, und sah so hehr aus wie ein Sendbote des Allerhöchsten, während er behauptete, das Gesicht der Frau gesehen zu haben, die Feuer an einen der uralten Bäume seines Gottes gelegt hatte. Natürlich log er. Meine Mutter hätte so etwas nie getan. Sie war nicht dumm genug dafür.

    Ich sah zu meiner Mutter hinüber, die leichenbleich und mit geöffnetem Mund auf ihrem Stuhl saß, beide Arme leicht erhoben, als wolle sie … ja, was? Einspruch erheben? Sich verteidigen? Wogegen denn? Gegen die Lüge eines Gottesdieners? Ich musste daran denken, wie ich sie einst gefragt hatte, ob man einen Drachen mit einer Nähnadel besiegen könne, und meine Finger krümmten sich, als wollten sie etwas greifen. Dann war plötzlich Vairrynn bei meiner Mutter und zog sie auf die Füße. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass er meine Seite verlassen hatte. Mein großer Bruder redete auf Mutter ein, und sie schüttelte immer und immer wieder den Kopf.

    »Was sagt er ihr? Myn, was sagt er ihr?«, fragte mein kleiner Bruder zu meiner Rechten, als wäre ausgerechnet das die wichtigste Frage, die es zu stellen gab. Genau wie ich glaubte auch Mudmal immer noch, dass Vairrynn die Welt retten konnte, unsere Welt.

    Er konnte es nicht.

    Ein paar Takte nur, nachdem Snas Anschuldigung im Parlamentssaal verklungen war, stürmten Sicherheitskräfte die Festhalle unserer Familie. Die ganze Aktion war so offensichtlich geplant, dass mir das Blut in den Adern kochte. Meine Tante Teggri zog Mudmal und mich von unseren Stühlen und an ihre ausladenden Brüste, als wolle sie uns schützen oder behüten. Ich zappelte ein wenig in ihrem Arm, aber ihr Griff war stärker, als ich es mir vorgestellt hätte. Es musste von den zahllosen Tagen herrühren, die sie damit verbrachte, die Neoly-Brut in der Trutzburg zu bändigen.

    Inzwischen hatte sich mein Vater mit ausgebreiteten Armen vor Mutter aufgebaut, die sich gegen die Brust meines großen Bruders kauerte. Noch niemals hatte ich meine Mutter kauern sehen, noch nie. Mein Großvater drängte sich, weißbärtig und wutentbrannt, an Vaters Seite, und die vordersten vier Sicherheitsmänner richteten ihre Strahlergewehre auf die beiden, auf den Patriarchen einer Großen Alten Familie und seinen Erstgeborenen, als wären die Neolys die größte Gefahr für das Singisische Reich seit seiner Gründung. Es war so absurd, dass es zum Himmel schrie. Ein paar Vettern versuchten, sich auf die Gewehrträger zu stürzen, wurden aber von den übrigen Sicherheitskräften niedergerungen. Ich begann zu weinen, ich konnte nicht anders.

    Und dann senkte sich Stille über die Halle. Es musste irgendein Signal gegeben haben, aber es war kein Fanfarenton oder etwas Ähnliches gewesen, ich hatte jedenfalls nichts dergleichen gehört. Da war nur plötzlich diese Stille, die lauter war als jedes Geräusch. Ich keuchte gegen Teggris Arm, deren Ellbogenkuhle mir fast die Luft abschnürte. Mudmal neben mir gab ein Wimmern von sich. Die Stille verschluckte es.

    Am anderen Ende der Festhalle teilte sich die Menge der Sicherheitskräfte, und der Oberste Priester des Wy schritt herein. Zu seiner Linken ging Mnuran Sna. Ich starrte den beiden entgegen, und etwas brannte in meinen Augen. Sna und Asnuor sahen aus wie Männer, einfach nur wie Männer, wenn auch der eine ungewöhnlich attraktiv und der andere ungewöhnlich unbeachtlich, aber ich glaube, dass sich damals die Überzeugung in mir einnistete, dass sie irgendetwas Anderes sein mussten. Von jenem Tag an hatte das Böse für mich ein Gesicht. Ich hatte erwartet, dass es eindrucksvoller wäre als ein Schönling und ein Nichts, doch ich war zwölf und wusste wenig über das Böse und über diese beiden Männer.

    »Das ist sie. Das ist die Baummörderin«, verkündete Sna, als er direkt vor meiner Mutter zum Stehen kam. Die Sicherheitsleute hatten ihm alle Neoly-Männer aus dem Weg geräumt, einschließlich des Patriarchen und meines Vaters. Nur Vairrynn war noch da und hielt meine Mutter fest.

    »Lügner«, rief sie. »Ihr lügt!«

    Vielleicht hätte sie etwas anderes sagen sollen. Es war die Wahrheit, aber das brachte ihr nichts. Er war ein Priester. Sie war nur eine Frau. In meinem Kiefer prickelte es, als wollte etwas zubeißen.

    »Schweig, Frau!«, sagte Asnuor, der Sna die linke Hand auf die Schulter legte. Zum ersten Mal, da ich ihn sprechen hörte, klang seine Stimme scharf anstatt süß. »Du bist als Nembdr entlarvt.«

    Da kauerte meine Mutter nicht mehr. Sie löste sich aus Vairrynns Griff und fauchte den Obersten Priester an. Ich kann es nicht anders beschreiben, aber es war kein Geräusch, wie ich es je von einer Frau vernommen hatte.

    »Und du, du lügst auch!«

    Der erste Vorwurf war nutzlos gewesen. Dieser war ihr Todesurteil. Oder vielleicht auch nicht. Das war schon in dem Augenblick gesprochen worden, in dem Priester Sna den Mund aufgemacht hatte.

    Asnuor richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Sein Körperbau war nicht so beeindruckend wie der des Priesterkriegers zu seiner Linken oder der Neoly-Männer mit ihren breiten Rücken, und doch schien der Oberste Priester sie alle zu überragen, sogar Vairrynn mit seinen langen nordischen Gliedern. Asnuors Miene war kühl und herrschaftlich. Aber unter dieser Oberfläche brannte etwas, und es war schwarz und heiß und triumphierend. Ich wand mich in Tante Teggris Griff.

    »Mynrichwy«, zischte sie verzweifelt. Ich hörte auf. Ich weiß nicht, warum ich aufhörte.

    »Lys Pánn Neoly«, verkündete Ktorram Asnuor, den vollen Namen meiner Mutter aussprechend, »auf Aussage des ehrenwerten Priesters Sna und angesichts überwältigender Beweise spreche ich dich der Widernatürlichkeit schuldig und erkläre dich für eine Frevlerin. Kraft meines Amtes als Oberster Priester des Wy verurteile ich dich zum Tod durch das Feuer.«

    Es war vorbei.

    Sie nahmen meine Mutter mit und meinen Vater auch. Er würde wiederkommen, sie nicht. Meine Brüder und ich standen da wie Waisen, mochten uns die Neolys auch umschwirren wie ein Schwarm von Mittagsvögeln. Als Teggri mich von meinen Brüdern wegzog, fragte ich nicht, wieso. Großmutter und sie steckten mich in eine Badewanne mit zu heißem Wasser, wuschen mir die Haare und schrubbten mir die Ohren, Fingernägel und Füße. Die alte Frau fütterte mich mit Tee und Kuchen, während Teggri mein Haar über einem Glutstein trocknete, und sang leise vor sich hin. Ihre Stimme, die sonst immer hüpfte wie etwas Kleines, Aufgeregtes, klang wie der Wind, wenn er in der Sturmzeit um die Ecken unseres Küstenhauses strich. Ich biss in meinen Kuchen und schluckte ihn nicht hinunter, bis Teggri mir eine Schüssel hinhielt, in die ich den Bissen durchweichten Teigs hineinspucken konnte. Die runden Hände meiner Großmutter sprangen über mein warmes Haar, und ihr Windlied erstarb mit einem Zittern.

    Schließlich landete ich in einem Schlafzimmer, das sich zwei meiner Großkusinen teilten, und wurde in das überbreite Bett gepackt. Tante Teggri gab mir einen Kuss auf die Stirn und wies meine Großkusinen an, sich um mich zu kümmern. Dann verschwand sie mit einem aufgebrachten Röckerauschen aus der Tür, und die beiden bedauernswerten Mädchen saßen in respektvollem Abstand vor mir auf dem Bett und starrten die Tochter der Nembdr mit Mitleid in den runden Augen an. Ihre Gegenwart drückte auf meine Brust, und ich wünschte mich in unser Küstenhaus, in mein Zimmer, und dann fiel mir wieder ein, warum ich nicht dort war, und ich schrie die beiden an, sie sollten mich nicht so ansehen, als würden sie auch nur ein Wort von dem glauben, was der schöne Lügenpriester gesagt hatte. Kerkiss, so alt wie ich und chronisch missgelaunt, schnaubte darauf und zog sich schmollend auf die Couch zurück, aber Jemsi, die Ältere, nahm mich schweigend in die Arme und hielt mich so fest, dass ich endlich nicht mehr das Gefühl hatte auseinanderzufallen. Ich klammerte mich an meine große Kusine, selbst als es schließlich an der Tür klopfte.

    »Nein, du kannst nicht reinkommen, Vairrynn«, rief Jemsi, ohne nach der Identität des Klopfenden zu fragen.

    »Komm schon, Ems, sei kein Idiot«, drang die Stimme meines großen Bruders durch die Tür. »Wir werden euch bestimmt nichts wegschauen.«

    Ich spürte Jemsi gegen meine Wange seufzen. »Also gut, Vairrynn. Aber wenn wir Ärger bekommen, sag ich allen, du bist schuld.«

    »Sag ihnen, was du willst, aber lass uns rein.«

    Ich hörte das Geräusch der sich öffnenden Tür – es musste Kerkiss sein, die meine Brüder hereinließ –, und spürte, wie sich die Matratze senkte. Einen Moment später umschlossen mich und Jemsi die Arme meines großen Bruders und trieben mir die Tränen in die Augen. Dass Mudmal sich an mich schmiegte, als würde er Schutz suchen, half nicht gerade dagegen. Ich drückte ihn fest, so fest. Kurz darauf gesellte sich Kerkiss’ Arm zu meinem, als sie sich um meinen kleinen Bruder rollte wie eine übergroße Katze. Lange lagen wir so, ohne zu sprechen, bis wir schließlich einer nach dem anderen einschliefen, zu einem einzigen großen Neoly-Bündel verknotet.

    Im Herzen des Wytempels saß Eftnek Neoly im Audienzzimmer des Obersten Priesters und war unbeeindruckt von dem Prunk um ihn herum. Er starrte auf einen tiefen Riss, der sich durch den antiken Tisch unter seinen Fingern zog. Irgendwo in seinem Kopf hatte sich eine Idee eingenistet, wie sich dieser Riss reparieren ließe, aber er war nicht als Holzsteinschnitzer hier.

    Eftnek presste seine Handflächen auf die lädierte Tischplatte. Großer Wy! Er schluckte schwer und fragte sich, ob es normal war, als Ehemann einer Nembdr in das Audienzzimmer des Obersten Priesters geladen zu werden. Eftnek vergrub das Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf. Wie auch immer erlesen die Örtlichkeit, er wusste, dass das, was ihn erwartete, nichts anderes war als ein Verhör. Dann hob er den Kopf und starrte seine Hände an.

    »Ich bin ein Künstler«, flüsterte er. Seine Hände waren nie zu etwas anderem gedacht gewesen, als Werke der Schönheit zu schaffen. Er schloss die Augen und meinte fast, Lys’ bluterdiges Haar zwischen seinen Fingern zu spüren. Seine Kehle brannte. Er hatte sie vor so langer Zeit verraten, und nur der Allerhöchste wusste, was er getan hätte in seinem Zorn, wäre Vairrynn nicht gewesen, dessen ruhige Hände und starke Stimme genauso gut Nohaín hätten gehören können. Einen Moment lang hatte Eftnek den Wind der nordischen Steppe im Gesicht und Nohaíns rollendes Lachen in den Ohren, das sich mit dem fröhlichen Kinderquietschen seines kleinen Sohnes verflocht. Vairrynn war so ein fröhliches Baby gewesen und Nohaín und Sannáh die glücklichsten Eltern auf der Nordhalbkugel. Auf dem ganzen Planeten. Im gesamten Singisischen Reich. Vielleicht im Universum. Damals war auch Eftnek glücklich gewesen, wie er es immer war angesichts der Ruhe in Nohaíns Gesicht und der Liebe im Lächeln seiner Frau. Und dann war der Tod gekommen und Vairrynn in seine Familie, und trotz der Trauer war vieles lange Zeit noch gut gewesen. Eftnek fragte sich, was Nohaín wohl heute getan hätte, wäre er noch am Leben, und wusste keine Antwort darauf.

    Die Tür des Audienzzimmers öffnete sich, und Ktorram Asnuor trat herein. Er war allein. Eftnek war sich ziemlich sicher, dass diese Geste Vertrauen suggerieren sollte, aber in Wirklichkeit signalisierte sie Verachtung.

    »Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie so lange habe warten lassen, Morrtahn«, sagte der Oberste Priester mit seiner Schmeichelstimme. Der überzogene Ehrentitel stellte Eftnek die Ohren auf. Seine Hände verkrampften sich auf der rissigen Tischplatte.

    »Sie verschwenden meine Zeit und die Ihre, Asnuor. Ich werde meine Frau sicher nicht offiziell eine Nembdr nennen.«

    Asnuors Brauen wanderten nach oben. Der schräge Blick jagte Eftnek einen Schauer über den Rücken, auch wenn er nicht hätte sagen können, wieso.

    »Und inoffiziell?«

    »Ich würde nie, nie meine Frau mit diesem Wort belegen!« Eftnek wusste nicht, ob das eine Lüge war oder nicht, ob dieses verdammende Wort aus ihm herausgebrochen war all die Male … Er schüttelte sich. Wenn er sich nur erinnern könnte!

    »Ah«, sagte Asnuor. Die langen, schmalen Finger spielten mit dem Heft des Doppelschwerts an seinem Gürtel. Eftnek fand die Geste obszön, und er hatte das dumme Gefühl, dass genau das der Sinn der Sache war. Dieser wyverdammte Emporkömmling! Geilte er sich an seiner Macht auf? An seinem Triumph über eine der einflussreichsten Adelsfamilien des Memnáh? Oder einfach nur am Schmerz seines Gegenübers, egal, wer das war? Eftnek biss die Zähne zusammen, dass sie knirschten. Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre dem Obersten Priester an die Kehle gesprungen. Mühsam kämpfte er den Impuls zurück. Wy, dieser durchscheinende Blick würde ihn noch in den Wahnsinn treiben! Und der Bastard stand da und lächelte mit einem leichten Kräuseln der Lippen, das fast hätte Einbildung sein können, aber eben nur fast.

    »Sagen Sie mir, Morrtahn«, intonierte die Stimme, während Eftnek auf diese herablassenden Lippen starrte und Hass in seinen Adern zu brennen begann. »War es in der Vergangenheit oft notwendig, Ihre Frau zu disziplinieren?«

    Es fiel Eftnek schwer, durch seinen Ingrimm hindurchzudenken, doch es gelang ihm, eine einigermaßen unbeteiligte Miene aufzusetzen. »Nicht mehr als jede andere Frau, schätze ich.«

    »Hm«, machte Asnuor. »Sie wissen sicher, dass der Körper Ihrer Frau zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung Blutergüsse aufwies. Zwei Tage alte. Gehe ich also recht in der Annahme, dass Sie sie auch am Abend der Freveltat diszipliniert haben?«

    Sie hatte nicht geschrien. Nicht dieses letzte Mal. Seine Hände zuckten wie ein Echo. Es machte ihn krank. Aber er hob den Blick und sah direkt in die schrägen Augen des Obersten Priesters, auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte.

    »Das ist korrekt. Es war eine häusliche Unstimmigkeit. Ich fürchte, ich habe mich etwas hinreißen lassen. Meine Frau war danach unfähig, das Haus zu verlassen, und ging früh am Abend zu Bett.«

    »Nun, nun, Morrtahn, nicht so«, meinte Asnuor gönnerhaft. »Sie wissen, dass wir einen Augenzeugen haben, der Ihre Frau identifiziert hat.«

    Eftnek zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Ihren Augenzeugen können Sie sich sonst wohin schieben, Asnuor. Sie werden schlampig. Oder haben Sie niemand anderen gefunden als den hübschen Hurenbengel, der so eine Lüge für Sie ausspricht?«

    Asnuors Hand lag auf dem Schwert, aber sie war ruhig und entspannt. »Wären Sie tatsächlich willens, diese Anschuldigung in der Öffentlichkeit zu wiederholen, Morrtahn? Gegen einen ehrenwerten jungen Mann, der schon als Kind in den Wyorden aufgenommen wurde, und gegen den Obersten Priester des Ersterschaffers selbst?«

    Eftnek antwortete mit einem schweigenden Starren. Der Oberste Priester nickte zufrieden.

    »Ja, das dachte ich mir. Ihr Vater ist ein zu kluger Patriarch, um solch unbegründete, fruchtlose Anschuldigungen an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.«

    »Entgegen den allgemeinen Mutmaßungen bin ich meinem Vater nicht hörig, Asnuor! Und die Anschuldigung wäre wohl kaum unbegründet. Sie hassen meine Frau.«

    »Das stimmt«, gab der Oberste Priester zu Eftneks Überraschung zu. »Doch niemand außer Ihnen weiß das. Nun, Lys natürlich, aber die wird keiner fragen. Und vielleicht Ihre Kinder.«

    Eftnek stand so abrupt auf, dass der reich verzierte Stuhl auf den Boden krachte. »Sie lassen die Finger von meinen Kindern, Asnuor!«

    »Setzen Sie sich, Morrtahn«, entgegnete der Oberste Priester ruhig. »Wir wollen doch ein gewisses Dekorum wahren.«

    Eftnek starrte ihn noch einen Moment an und fragte sich, ob er seinen Kschurr schneller ziehen könnte als Asnuor sein Schwert, doch dann brach er den Blickkontakt, hob seinen Stuhl auf, von dem ein besonders delikates Blütenblatt abgesplittert war – und, ja, verdammt, das tat ihm in der Seele weh –, und setzte sich wieder. Asnuor beobachtete jede seiner Bewegungen wie eine Katze ihre Beute.

    »Wenn Sie ›meine Kinder‹ sagen, Morrtahn, wen genau meinen Sie damit?«, fragte er mit einem boshaften Glitzern in den Augen. Eftnek antwortete der Boshaftigkeit mit blanker Verwirrung.

    »Ich meine alle meine Kinder, egal ob sie meines Blutes sind oder nicht«, sagte er langsam.

    »Hm«, machte Asnuor. »Sie haben also tatsächlich den Sohn zweier Nordler zu Ihrem eigenen gemacht, auf dem Papier und in Ihrem Herzen, Morrtahn? Wirklich ergreifend, diese Treue zu Ihrem alten, toten Freund. Oder ist das Treue zu Ihrer Ehefrau? Wissen Sie, ich mag Loyalität. So eine ehrenhafte Empfindung. Und so leicht zu manipulieren.«

    Eftnek musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um den Obersten Priester nicht mit offenem Mund anzustarren. Wovon beim Mech-Memnáh redete dieser Mann? Asnuor lächelte wieder sein eigentümliches kleines Lächeln. Dann setzte er sich Eftnek gegenüber und schlug die Beine übereinander, ein Bild der Gelassenheit. Eftnek erkannte den feurigen Redner, der das Volk in schöner Regelmäßigkeit vor dem Untergang und den Fremden und den Frauen warnte, in dieser Gelassenheit nicht wieder. Wer war dieser Mann? Erst jetzt ging ihm auf, dass er es nicht wusste.

    »Unbegründet mag Ihre Anschuldigung gegen mich und Priester Sna also nicht sein«, redete Asnuor weiter, als hätte er zwischendurch gar nichts anderes gesagt, »aber sie wäre ganz sicher fruchtlos. Wir haben bei der Durchsuchung Ihres Hauses genügend Beweise dafür gefunden, dass Ihre Frau Mitglied der widernatürlichen Organisation für die Gleichstellung der Frau ist – mit Sicherheit ohne Ihr Wissen. Sie können Lys nicht retten, Morrtahn.«

    Eftnek sackte in sich zusammen und begann am ganzen Leib zu zittern. Lys, seine Lys! Er glaubte, bereits den Geruch brennenden Fleischs in der Nase zu haben, und es trieb ihm die Galle in den Mund.

    »Die Frage ist natürlich, ob Sie das überhaupt wollen.«

    Eftnek blickte verwirrt auf. »Wie bitte?«

    Wieder lächelte Asnuor. »Ich werde Ihnen jetzt eine Geschichte erzählen, Morrtahn. Sie hätten sie schon vor Jahren zu Ohren bekommen sollen. Also hören Sie gut zu.«

    Und Eftnek Neoly tat, wie ihm geheißen.

    Lys wartete auf den Obersten Priester des Wy. Sie wartete seit dem Moment, da die Tür ihrer Gefängniszelle in den Eingeweiden des Großen Tempels hinter ihr ins Schloss gefallen war. Die Zelle war düster und roch nach abgestandener Zeit, aber es war ja auch mehr als vier Generationen her, dass sie in Gebrauch gewesen war. In all den Mnegau, die sich endlos in der dumpfen Stille erstreckten, versuchte Lys, den Geist der Frau heraufzubeschwören, die als Letzte in diesem verzweiflungsschweren Raum auf ihren Tod gewartete hatte. Sie fragte sich, ob jene Frau wohl gewütet hatte wie ein gefangenes Frn-Weibchen (wie sie) oder ob sie in lähmende Resignation verfallen war und ob sie wohl Angst gehabt hatte. Lys hatte Angst, panische, würgende Angst, die sich in ihr Hirn krallte und in ihre Seele. Natürlich hatte sie Angst vor den Flammen und den Schmerzen, aber noch mehr Angst hatte sie vor dem Moment, da Asnuor durch ihre Gefängnistür treten und das Angebot wiederholen würde, das er ihr dreizehn Jahre zuvor gemacht hatte. Denn sie fürchtete, dass sie dieses Mal annehmen könnte.

    Also wartete Lys Neoly auf Ktorram Asnuor. Doch die Zeit verstrich in der erstickenden Enge ihres Gefängnisses, und der Oberste Priester kam nicht. Ein neuer Tag brach an, und schließlich öffnete sich die Tür ihrer Zelle. Das Kraftfeld davor wurde zischend deaktiviert. Aber herein kam nur das Schlangentier. Ftonim Sar hatte den hübschen Priester einmal so genannt, und Lys konnte sich keine passendere Bezeichnung für Asnuors lügnerischen Komplizen denken. Ihr Herz zog sich kurz zusammen, als sie an Ftonim dachte, und das verwunderte sie ein wenig. Sie hatte genug Sorgen; um sich selbst, um ihre Kinder. Da verstand sie nicht wirklich, was der junge Sar in ihren Gedanken und in ihrem Herzen zu suchen hatte, ganz egal, wie wichtig er Vairrynn sein mochte. Doch dann hatte sie plötzlich dieses Bild vor Augen: Vairrynn und Ftonim zusammen im Sonnenlicht, das sich auf den Wellen des Inneren Ozeans und in den warmen Augen des jungen Sar brach, während Vairrynn den Kopf vor Lachen in den Nacken geworfen hatte. Oh, dachte sie, und der Schmerz in ihrer Brust wurde zu einem Brennen, weil sie nie gefragt hatte, worüber ihr Sohn so gelacht hatte. Ihr Junge war erwachsen geworden, während sie weggesehen hatte, das wusste sie bereits; aber erst jetzt begriff sie, was es bedeutete, und sie wollte weinen. Doch sie konnte es nicht, weil Mnuran Sna vor ihr stand und sie anstarrte, während sie auf der kargen Pritsche einer erbärmlichen Gefängniszelle saß. Er sah sie an, als wäre sie eine Made in einem Kadaver. Was wollte er? Und wo war sein Herr?

    »Nembdr«, sagte Sna wie eine Begrüßung, und auf einmal war sie wütend.

    »Warum tut Ihr das?«, fragte sie ihn. Vorgeplänkel war für Leute, die noch Zeit hatten. »Wie könnt Ihr, ein Wy-priester, der sich dem Dienst des Ersterschaffers geweiht hat, eine solche Lüge aussprechen?«

    Sna musterte sie von oben herab, als wäre er überrascht, dass die Made sprechen konnte. »Es ist keine Lüge. Wir kleiden die Wahrheit lediglich in Worte, die jeder verstehen kann. Du bist widernatürlich, Frau. Wir wissen das, und du weißt es auch. Und dank uns weiß es der Rest des Singisischen Reiches nun ebenfalls.«

    Sie schnaubte. »Das also erzählt Ihr Euch? Dass es eine gottgefällige Lüge ist?«

    »Es ist keine Lüge.«

    »Eine Lüge ist eine Lüge, Priester! Ganz egal, in welche höhere Wahrheit Ihr Euer Märchen zu ›kleiden‹ glaubt: Ich habe keinen Heiligen Baum angezündet.«

    »Aber du bist eine Nembdr.«

    Er hatte recht. Wenn man alte, antiquierte Definitionen anlegte, dann hatte er voll und ganz recht. Aber sie hätte ihr Leben darauf verwettet, dass es ihm nicht wirklich darum ging. Sie wünschte, sie könnte es tun, ihr Leben darauf verwetten.

    »Was gibt er Euch dafür, hm? Welchen Preis zahlt der ruhmvolle Oberste Priester, der Krieg gegen eine Frau führt, für Eure Seele? Wie teuer seid Ihr, das würde mich schon interessieren.«

    Das Schlangentier richtete sich zu seiner ganzen Höhe auf. Lys konnte nicht bestreiten, dass es eine beeindruckende Figur abgab.

    »Du weißt gar nichts, Frau! Es liegt keine Schande darin, seinem Obersten Priester das zu geben, was er begehrt. Und du täuschst dich selbst, wenn du in deiner Eigenliebe glaubst, hier ginge es um dich. Die Wahrheit ist: Ich lege ihm die Vorsteherschaft zu Füßen. Und er wird das Reich Wys errichten und uns Nchrynnai ins Licht führen.«

    Snas Augen glänzten selbst im schummrigen Licht der Zelle, und Lys befürchtete allmählich, dass der junge Priester glaubte, was er sagte.

    »Ist Euch eigentlich klar, dass Ihr benutzt werdet?« Die Frage entriss sich ihr, ehe sie darüber nachdenken konnte, aber es war eine gute, wie sie fand.

    »Wozu sollte er mich wohl benutzen?«

    Arroganz. Arroganz, Selbstgefälligkeit und Fanatismus. Asnuor hätte keinen fruchtbareren Boden finden können, um seine Saat auszusäen.

    »Wozu immer er will. Seht Euch doch nur an, was hier passiert: Er will eine Nembdr verbrennen, und Ihr gebt ihm eine. Er will mich tot, und Ihr liefert ihm das Werkzeug dazu.«

    »Ich liefere ihm die Töchter der Lchnadra, du dummes Weib. Schon morgen wird Ktorram den Antrag stellen, alle Mitglieder der Organisation offiziell zu Nembdrai zu erklären, und die Runde der Berufenen wird dem stattgeben. Sie haben keine andere Wahl mehr.«

    Ktorram. Der schöne, kleine Priester hatte sich gerade verraten, und Lys musste schlucken. Arroganz, Selbstgefälligkeit, Fanatismus und Liebe. Allgütige Lchnadra!

    »Armer Junge«, sagte die Mutter in ihr.

    Sna zischte, als wäre er tatsächlich eine Schlange. »Heb dir dein Mitleid für dich selber auf, Nembdr! Du wirst es brauchen.«

    »Er wird Euch fallen lassen«, sagte sie. »Wahrscheinlich noch nicht bald. Vielleicht noch nicht einmal für lange Zeit. Aber früher oder später wird er Euch fallen lassen. Er wird Euch benutzen und wegwerfen und Euch dabei das Herz herausreißen, sodass Euch nichts weiter bleibt als ein blutiges Loch.«

    Snas bildschönes Gesicht wurde zu einer undurchdringlichen Maske. »Soll das ein Fluch sein, Nembdr?«

    »Es ist eine Warnung, Schlange.«

    Ein kurzes Zucken der stecknadellangen Wimpern, sonst nichts. »Ich brauche deine Warnungen nicht. Du weißt gar nichts.«

    »Oh, ich weiß. Er hat es zuvor schon getan, und er wird es wieder tun. Ich hoffe, er tut es nur Euch.«

    Die perfekten Züge verzerrten sich, und Lys wusste nicht, was sie da sah. Aber sie begriff, dass das Schlangentier recht gehabt hatte: Es brauchte ihr Mitleid nicht. Dann wandte sich Mnuran Sna mit hocherhobenem Haupt von ihr ab und verließ ihre Gefängniszelle. Lys sollte nie erfahren, was er eigentlich von ihr gewollt hatte.

    Vairrynn hatte bis zu diesem Tag nur gerüchteweise von dem Zimmer gehört, das sich Jemsi und Kerkiss Neoly teilten, zwei Achte Töchter, über die sich niemand sonderliche Gedanken gemacht hätte, hätte nicht die ältere der beiden die helle, blonde Lieblichkeit ihrer Ostküstenmutter geerbt. Und deren verschrobenen Geist, so hieß es. Das Zimmer lag tief in den Eingeweiden der Trutzburg, in einem kleinen Anbau, der wie ein Halbmond einen noch kleineren Innenhof umschloss und kaum Sonnenlicht abbekam. Vor ein paar Jahren hatte Jemsi fünf der Wände in warmen Gelb- und hellen Blautönen gestrichen; auf die sechste und längste hatte sie in Rot, Braun und Orange weibliche Figuren gemalt, die um einen Brunnen herumstanden, eingerahmt von Blättern und Zweigen. Die Frauen hatten keine Gesichtszüge und ihre Körper wirkten ziemlich eckig, aber Vairrynn mochte das Wandgemälde trotzdem. Er hatte es bisher noch nie gesehen, wusste nur davon, weil Jemsi einen mittleren Aufruhr in der Trutzburg ausgelöst hatte, als sie die Stirn besessen hatte, ihren Raum umzugestalten, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Damals hatte Vairrynn das Gezeter kleinlich und lächerlich gefunden, aber jetzt erschien es ihm wie ein winziges Steinchen in einem Mosaik von Falschheit und Ungerechtigkeit. Er hatte geglaubt, er wüsste, wie dieses Mosaik aussah. Er hatte sich geirrt. Selbst in seinen schlimmsten Träumen hatte er keine Frau brennen sehen und seine Mutter schon gar nicht. Solche Dinge passierten einfach nicht mehr. Hatte er gedacht. Hatten sie alle gedacht.

    Vairrynn spürte seinen linken Arm nicht mehr, aber das war ihm egal. Der Unterarm war unter Jemsis Oberkörper eingeklemmt, während Myn ihr Gesicht in seiner Schulter vergraben hatte. Vairrynn war sich nicht ganz sicher, ob sie noch schlief oder nicht. Ihre Atemzüge waren klein und flach, aber sie regte keinen Muskel. Mudmal hatte sich irgendwann im Laufe der Nacht am Fußende des Bettes zusammengerollt. Es war erschreckend, wie wenig Platz er brauchte. Die kleine Kerkiss hatte sich vor etwa einer halben Mnega aus dem Bett gerappelt und etwas von Frühstück für alle gemurmelt. Bisher war sie nicht wiedergekommen. Vairrynn für seinen Teil konnte nicht aufstehen, ohne seine Geschwister und Kusine aufzustören, aber er wollte auch gar nicht. Aufzustehen bedeutete, der Welt ins Gesicht zu sehen, und er hatte keine Ahnung, ob er das konnte.

    Er war einfach tatenlos dagestanden. Vairrynn wusste nicht, wie er Sna hätte aufhalten sollen oder Asnuor oder die Sicherheitskräfte, aber irgendetwas … Ngdra, wozu war es denn gut, das, was ihn so anders machte, wenn er nichts damit anfangen konnte, nicht, wenn es wirklich zählte? Er dachte an Lys Neoly und die Schichten von Stein unter ihrer Haut und wie klein sie sich in seinen Armen angefühlt hatte angesichts der Sicherheitsmänner mit ihren Strahlergewehren und Sna mit seiner Lüge. Und dann war da Asnuor gewesen, und aller Protest und Widerstand, den irgendwer hätte vorbringen können oder wollen – der alte Patriarch vielleicht mit seinem Neoly-Zorn oder Eftnek, der sich vor seiner Frau aufgestellt hatte wie ein Bretterzaun gegen Sturmwind, oder verdammt nochmal Vairrynn selbst – all das fiel in sich zusammen wie so viel Nichts, und

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