Die Krystallwesen
Von Liesbeth Listig
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Buchvorschau
Die Krystallwesen - Liesbeth Listig
Vorwort
Meine Protagonisten, die ihnen aus den Büchern „Der Sommereremit und „Der Seelenspiegler
bereits bekannt sind, habe ich in dieses Buch hinüber retten können. Sie sind nun über ihren Tod hinaus aktiv.
Aus dem ersten Roman, der reichlich mit teilweise autobiographischen Reiseanekdoten und Lebenserfahrungen gespickt war, und dem zweiten Roman, welcher bereits einige skurrile Inhalte aufwies, wurde nun endgültig von mir ein erneuter Genrewechsel, hin zur Science-Fiction, vollzogen. Auch die eigenen Weltanschauungen sowie eine gehörige Portion Humor kamen hierbei nicht zu kurz.
Von Kindheit an habe ich die Science-Fiction- Literatur verschlungen und jeden Autor bewundert, der oder die sich an dieses schwierige Genre herantraute. Schließlich mussten diese komplett, neue Welten und Zusammenhänge entwickeln, was von Schreibern, die im Hier und Jetzt arbeiten, nicht gefordert wurde.
Literatur wurde für mich sowohl beim Lesekonsum als auch beim Schreiben interessant, wenn Fantasie, Geist und Humor auf einen erträglichen Schreibstil trafen. Ich hoffe, dass mir dieses mit dem vorliegenden Roman gelungen ist und er ihre Zustimmung findet.
Also, Augen auf! Viel Freude beim Lesen wünscht eure/ihre
Liesbeth Listig
Bild 1Das große Treffen
Vor und hinter sich erzeugte der Spiegler eine Falte im Raum- Zeitkontinuum und, ohne sich eigenständig zu bewegen, schoss er schneller als jeder Lichtstrahl seinem Ziel entgegen. Sein Ziel war das Zehntausendjährige Treffen mit den anderen seiner Art. So surfte er auf der Welle des gekrümmten Raums und das All um ihn herum erstrahlte in verschiedenen Farben des Lichtspektrums. Die glänzende, metallähnliche Haut schillerte in allen Farben und in dieser Situation erinnerte er tatsächlich an ein Surfbrett. Allerdings hatte der etwa drei Meter lange Körper eher die Form einer gedehnten Konkavlinse.
Die Spiegler waren aus einer längst ausgestorbenen Art von hochintelligenten Lebewesen hervorgegangen, welche ihren Lebenssinn in der Erforschung des Weltraums und dessen Wundern sahen. Ohne Zweifel waren die Spiegler keine technische Entwicklung, sondern die natürliche Weiterentwicklung der ursprünglichen Art. Sie bestanden hauptsächlich aus einem riesigen, neuronalen Netzwerk, das mit menschlichen Gehirnen in millionenfacher Ausführung zu vergleichen gewesen wäre. Auch sie sammelten Wissen, wie ihre Vorläufer, um den Sinn ihres Daseins zu ergründen.
Um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können, konnten sie sich in die verschiedensten, denkenden Seelenformen, die im Weltraum vorhanden waren, hineinversetzen und in deren Bibliotheken, seien es nun Gehirne von Lebewesen oder andere Wissensspeicherformen, stöbern. Es gab sogar einige uralte Spiegler, die mit ganzen Galaxien kommunizierten und ihre Gedanken und Erkenntnisse lasen.
Dieser Seelenspiegler war jedoch noch jung, höchstens ein paar Milliarden Jahre alt. Er war noch nicht befugt und wohl auch nicht in der Lage, andere Daseinsformen als Lebewesen, die hauptsächlich aus Wasser bestanden, zu spiegeln. Seine telepathischen Fähigkeiten reichten vorerst nur für solche wabbligen Wesen. Natürlich war er ein Telepath. Er musste aber mindestens auf fünfzig Meter an ein Subjekt herankommen, um tätig werden zu können. Dann konnte er die Bibliotheken bzw. Hirne seiner „Klienten" nach Wissenswertem durchforsten und Kopien davon in seinen schier unendlich scheinenden Nervenverbindungen speichern. Des Weiteren konnte er Emotionen, ob gut- oder bösartiger Art, verstärken und auf den Verursacher zurückspiegeln, was für manches Lebewesen eine heilsame, oder manchmal auch tödliche Erfahrung darstellen konnte. Auch war er in der Lage, solche Gefühle auf andere Wesen umzulenken und zu projizieren.
Vieles andere war dem Spiegler noch möglich. Aber wenn er eine Seele komplett in sich aufnehmen wollte, brauchte er deren Zustimmung. Vielen verschiedenen Lebensformen hatte er bereits angeboten, ihren natürlichen Tod hinauszuzögern und in seinem neuronalen Netz weiter zu existieren, aber wenn sich eine dazu entschloss, degenerierte ihre Seele bereits nach ein paar tausend Jahren und löste sich auf. Dann war der Spiegler wieder allein.
Seinen letzten Auftrag hatte der junge Spiegler gründlich verbockt. Er hoffte jedoch, dass das Endergebnis sich trotzdem sehenlassen konnte. Man hatte ihn zu einem unscheinbaren, blauen, wässrigen Planeten gesandt, um dort große, echsenartige Wesen ohne viel Verstand zu spiegeln. Dabei hatte er übersehen, dass ein großer Steinkörper auf den Planeten zuraste und sich in dessen Kruste bohrte. Seine „Klienten" wurden fast alle getötet und er wurde um den halben Planeten geschleudert und in heißes Magma eingebettet. Eine Befreiung war ihm unmöglich.
So musste der Spiegler auf die Jahrtausende andauernde Erosion warten und hoffen, dass Wasser und Wind sein Gefängnis auflösen würden. Er schaltete seinen Geist auf Dauerschlaf, hatte jedoch eine Weckautomatik, die ihm anzeigte, wann er aus dem Gestein entkommen konnte oder sich ihm ein denkendes Wesen näherte. Nach einigen Millionen Jahren, in denen er viele Sprünge der Evolution verpasste und bereits ein großer Teil von ihm frei in eine neu entstandene Höhle ragte, spürte er ein Lebewesen herankommen und erwachte.
Ein Urmensch, ein mit vielen Knochen und heiligem Humbug behängter Schamane seines Volkes, schaute in die Höhle und erschrak. Unter lautem Geschrei und wild fuchtelnd entschwand er über die Fünfzig-Meter-Linie, noch bevor der Spiegler ganz erwachte, und war außer Reichweite. Aus Angst vor dem bösen Geist verließ der gesamte Volksstamm die fruchtbare Savannenlandschaft, die einmal zur libyschen Wüste werden sollte und kehrte nicht zurück. Erst viele Generationen später sollte ein weiterer Mensch in der Höhle Schutz suchen und mit diesem und dessen Freund erlebte der Spiegler viele Möglichkeiten sein Wissen zu ergänzen.
Es war Bernhard Gross, dem der Spiegler aus einer lebensbedrohlichen Situation heraushalf und einen Kommunikationsring anvertraute, damit er überall auf dieser Welt mit ihm in Kontakt bleiben konnte, als wäre er bereits befreit. So lernte er auch dessen Freunde und Liebschaften kennen, die ihn sehr interessierten. Bernhards engster Freund, Rigo Walder, wurde mit ins Vertrauen gezogen und wurde, als sein irdisches Leben endete, mit seinem Einverständnis, vom Spiegler aufgenommen. Dann wurde der Spiegler von neugierigen Wissenschaftlern befreit und entschwand mit Rigo ins All. Es vergingen viele Jahre, in denen Bernhard ein erfülltes Leben lebte und versuchte, sich mit Therapien von dem augenscheinlichen Wahn, einen Spiegler zu kennen, zu befreien. An seinem Todestag jedoch musste er erkennen, dass alles Erlebte der Wahrheit entsprach. Der Spiegler kam zurück und gab auch Bernhard die Möglichkeit einer weiteren, höchst interessanten Existenz.
Der Name des Spieglers, denn auch dieser hatte zumindest eine Kennung für seinesgleichen, war für die Kommunikation mit irdischen Seelen nicht geeignet. Da die Freunde keinen Menschen mit dem von ihm ausgewählten Namen kannten, wie er aus ihren Bibliotheken wusste, schlug der Seelenspiegler vor ihn Manfred zu nennen. Die beiden lebten fortan also in Manfred weiter. An diesem Ort konnten sie sich sogar wieder jugendlich erscheinen lassen, manche ihrer Eigenschaften vervollkommnen oder einfach dummes Zeug aushecken. Zwischen den Aufträgen und Abenteuern, die Manfred zu erledigen hatte, fanden sie ausgiebig Zeit dazu.
Aber nicht nur die beiden wollte Manfred mit sich nehmen. Er hatte zu einer weiteren Person Kontakt aufgenommen, nachdem diese durch einen seiner eigenen Streiche psychisch in Mitleidenschaft gezogen worden war. Zwar hatte diese Person Manfreds Kontakt längst als Hirngespinst abgetan, aber der Spiegler fühlte sich an sein Wort gebunden. Er würde über Zeit und Raum hinweg merken, wenn der Tod nahte und dieser Person dieselbe Frage stellen, wie einst seinen Freunden und Mitreisenden, bevor diese im Begriff waren, ihr irdisches Dasein aufzugeben. Wieder ein Streich, dachte Manfred, wenn die Beiden demnächst noch jemanden dazubekommen.
Derzeit konnte er sich jedoch nicht um