Das Magische Universum: Der Sternenpirat
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Über dieses E-Book
Ihr wähnt euch sicher auf eurer kleinen Welt? Ihr ahnt nichts von den Gefahren, die auf euch lauern!
Doch seid gewiss, Erdlinge - das Unheil, das uns widerfahren ist, wird auch euch heimsuchen.
Nichts wird die schrecklichen She´ek davon abhalten, auch über eure Milchstraße herzufallen.
Und sie werden alle, die sich nicht bedingungslos unterwerfen, versklaven oder töten.
Nehmt meine Warnung ernst und schließt euch den Kämpfern des Lichts an, bevor es zu spät ist.
Im Namen von Ehre und Gerechtigkeit, lasst uns gemeinsam kämpfen.
Hieronymus Stern, Kapitän des Sternenteufel und Kämpfer des Lichts.
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Rezensionen für Das Magische Universum
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Buchvorschau
Das Magische Universum - Christian Sternenfeuer
Das Magische Universum - Der Sternenpirat
Das Magische Universum
- Der Sternenpirat –
von Chr. Sternenfeuer
* Schöpfers Traum *
Am Anfang Weite nur –
Geist fasst alles wie im Traum.
Angefüllt mit Seelensplitter –
verteilt Ewigkeit sie über Zeit und Raum.
Ein Schritt voran –
der Sterne Meer heller wird und dicht.
Stäubchen ballen sich und schau –
Planeten schimmern unter der Sonnen Licht.
Ein Schritt voran –
Zeit drängt empor wie wirbelnd Schaum.
Sterne scheinen ewig – und doch,
sind sie vergänglich – in Schöpfers Traum.
Ein Schritt voran –
zueinander finden Stoff und Geist
und folgen Schöpfers Plan –
der unbekannte Zukunft heißt.
Ein Schritt voran –
im Großen wie im Kleinen,
folgt alles einem Ziel
finden und vereinen.
Ein Schritt zurück –
im Kleinen find man wieder –
was im Großen ist zu seh’n.
Wo ist Anfang, wo das Ende –
wird man Schöpfers Traum je versteh’n?
Zeit: Gegenwart plus 500 Jahre
Koordinate: System Magica – Joy – Alurien
Sensationeller Fund!
Wie der Lor’san-Chronikle erfahren hat, wurden in den kürzlich geöffneten Geheimarchiven von Alurien über fünfhundert Jahre alte Chroniken entdeckt. In dieser Bibliothek des Wissens, die verborgen in einer jetzt erst zugänglich gewordenen Zwitterdimension liegt, spürte Sha’mir el Ko’hor, ein Nachfahre des legendären Ghurkameisters Shak el Ko’hor, auch genannt ›Der Löwe von Lor’san‹, diese Aufzeichnungen auf.
Sie stammen aus den Jahren 1759 – 1772 alurischer Zeitrechnung und umfassen die damaligen Ereignisse, die zur Entmachtung der berüchtigten Tempelsekte Die Heiligen der letzten Tage führten.
Bei den Dokumenten fanden sich zahlreiche persönliche Logbücher, Aufzeichnungen und Anmerkungen des sagenumwobenen Kapitän Stern, die, so nehmen Gelehrte an, bewusst an den Finder dieser Unterlagen gerichtet sind. Da Kapitän Stern bei dem Volk der Ghurka auch nach über fünfhundert Jahren noch eine überaus hohe Wertschätzung genießt, sollen hier, zum leichteren Verständnis in romanhafter Form, die gefundenen und überarbeiteten Berichte wiedergegeben werden.
Fa’dur el Prado, Berichterstatter des Lor’san-Chronikle auf Alurien,
Fuxina. Anno 2283 alurischer Zeitrechnung …
Vorwort von Kapitän Stern, gerichtet an den Finder der verborgenen Dokumente. Datiert August anno 1772.
»Mein Name ist Hieronymus Stern, Kapitän der Freibeuterfregatte Sternenteufel. Bevor ich dieses Universum verlasse und damit dem Ersuchen der Ma’hudi nachgebe, möchte ich den Historikern, die den Spuren der Geschichte so ergeben folgen, die Geschehnisse dieser Zeit aus meiner Sicht schildern.
Wir schreiben das Jahr 1772 alurischer Zeitrechnung, als ich10 diese Berichte mit großartiger Unterstützung meiner geliebten Gefährtin, Aurelia von Lethos, niederschreibe. Denn ohne ihre Hilfe hätte ich diese Aufzeichnungen nie begonnen.
Ich bin in der Geschichte, die in diesen Chroniken geschrieben steht, einer der Hauptakteure – und hier, verehrte wissensdurstige Leser, gebe ich euch vorab einen kleinen Überblick über Aufbau
und Hintergrund des Magischen Universum sowie um die Zusammenhänge, wie sie sich nach meinem heutigen Wissen ergeben.
Denn ich vermute, dass in ein paar hundert Jahren viele dieser Erkenntnisse verloren gegangen sein könnten. Wir schrieben das Jahr anno 1759 alurischer Zeitrechnung, als die Probleme begannen oder zumindest in ihre entscheidende Phase traten. Es tauchten unerklärliche Fragen auf, die ich nur mit Hilfe der Ma’hudi lösen konnte und unser Universum hatte in diesem Konflikt eine wichtige Rolle zu spielen.
Es scheint ein Paralleluniversum zu dem Euren zu sein, in dem, wenn auch nur teilweise, sehr abweichende Naturgesetze herrschen. Leider war mir damals noch nicht klar, in welcher Beziehung unsere Universen zueinander standen. Jedoch muss es eine magische Verbindung geben, darum richtet sich mein Bericht sowohl an die Völker des Magischen Universums als auch an euren daneben existierenden Kosmos.
Ihr kennt Technik, Maschinen und dieses seltsame Etwas, dass ihr Elektrizität nennt. Diese ist uns vollkommen unbekannt, wir nutzen anstelle dessen praktizierte Magie. Magier, Zauberer und Alchemisten waren bei uns anerkannte Berufe, bei denen es natürlich, wie bei euch auch, gute und schlechte Adepten gab.
Die bewohnten Welten befanden sich in einem der herrlichen Spiralarme unserer Milchstraße. Diese Region wurde allgemein der Arm genannt und umfasst eine riesige Zahl an Sonnensystemen. Es gab jede Menge bewohnter Planeten, doch nicht auf allen leben Menschen oder deren entfernte Abkömmlinge.
Reger Handel herrschte zwischen den weit auseinanderliegenden Sternsystemen und ein wenig profitierte ich davon, derweil der Beruf des Piraten natürlich das Ausrauben von Handelsschiffen beinhaltet.
Die hauptsächlich vorherrschenden Regierungsformen waren in der Regel Monarchien, Theokratien, Händlervereinigungen, despotische oder tyrannische Systeme als auch viele Mischarten davon. Reine Demokratien waren eher selten anzutreffen, dazu noch vereinzelt lupenreine Anarchien, den ursprünglichsten jedoch auch gewalttätigsten unter allen Arten menschlichen Miteinanders.
Technisch und gesellschaftlich gesehen befanden wir uns ungefähr auf einem Stand, der dem des ausgehenden 18. Jahrhunderts eurer Parallelerde entsprach. Leibeigenschaft, Sklaverei und Ausbeutung der Natur entsprachen durchaus euren alten und auch neuen Gepflogenheiten, denn es galt das Recht des Stärkeren.
In der Regel waren im hiesigen Arm die Berufsstände in Gilden zusammengefasst und diese achteten sehr darauf, dass ihre traditionellen Rechte nicht beschnitten wurden. Fremde Rassen verkehrten mehr oder weniger problemlos mit uns Menschen. Sie bewohnten teilweise sogar dieselben Planeten und lebten zumeist harmonisch mit ihnen zusammen.
Schiffsfahrten durch das Meer der Sterne, die erst Handel untereinander erlaubten, wurden mithilfe des magischen Sternenstaubs ermöglicht. In eine schützende Lebensblase gehüllt, segelten Schiffe unterschiedlichster Bauart wie Galeonen, Klipper und Fregatten, von Stern zu Stern und wasserten mithilfe von Flairmagie auf den Ozeanen der unterschiedlichsten Planeten, um ihre Fracht umzuschlagen und neue Ladung aufzunehmen.
Auf Joy im System Magica war ich zu der Zeit oft anzutreffen. Ich hatte hier einen Hehler, Magnus der Faun genannt, der mir meine Beute zu fairen Preisen abnahm. Obendrein hatte er hin und wieder ein interessantes magisches Artefakt für mich im Angebot.
Zusätzlich fanden in Fuxina, der Hauptstadt von Alurien, alle drei Jahre die Meisterschaften der JIXX-Spiele statt, an denen ich gelegentlich teilnahm. Und hier, geneigter Leser, hatte sich damals Merkwürdiges ereignet.
Eine Schamanin, aus dem Volk der Pangäer, sprach mich an und berichtete von seltsamen Ereignissen.
Unheil, sagte sie, drohe der Welt der Spiele. Dunkle Mächte, verborgen unter dem Deckmantel einer Tempelsekte, genannt DieHeiligen der letzten Tage
, planten angeblich die Übernahme von Joy.
Sie wollten die Herrschaft über die Spiele erlangen und Einfluss gewinnen über die unzähligen JIXX-Spieler, die allein wegen dieser Spiele, von allen möglichen Welten kommend, nach Alurien reisten, nein … förmlich pilgerten, denn die Meisterkrone des JIXX genoss überall im Arm allerhöchstes Ansehen und war mit wertvollen Privilegien ausgestattet.
Eine Zauberin namens Murania brachte den Stein ins Rollen und dann suchten wir Verbündete im Kampf gegen diese heimtückischen Rotröcke, wie die Angehörigen des Tempels auch genannt wurden. Außerdem suchte ich, zusammen mit meiner Gefährtin, der wunderbaren Aurelia, nach deren verschollenen Tochter Mylinda und es mehrten sich die Hinweise, dass der Tempel auch hierbei seine Finger im Spiel hatte …
Begleitet uns bei dieser abenteuerlichen Suche. Sie führt in die Tiefen der Unterwelt Aluriens, bis hin zu weit entfernten Sternensystemen …
Kommt mit mir ins System Mephisto, zum Planeten Elixier, wo es das Wasser des Lebens gibt und nach Tandor im System Pandora, wo das Geheimnis der Orca verborgen ruht …
Lernt den bösartigen Widersacher kennen, diesen unheimlichen Mann mit der Maske, der nicht nur die Vernichtung meiner Person plant, sondern die Herrschaft über die Tempelsekte >Die Heiligen der letzten Tage< anstrebt …
Erlebt die gefahrvolle Suche nach Mylinda, um mitzuerleben, wie der Tempel sich ihrer bemächtigten will, um sie als Preis für die Hilfe finsterer Mächte zu opfern …
Lernt die düsteren Katakomben kennen und fürchtet Klumpfuß, den Folterknecht des Widersachers …
Schließlich gibt es da noch das rätselhafte Phantom. Ein verfluchter Geist aus der Vergangenheit, der mehr über die Geschichte Aluriens weiß als jeder Lebende unter uns. Sein Wissen über die Lemurer verhelfen uns wahrscheinlich zum Erfolg über die Rotröcke und den dunklen Mächten, die hinter ihnen stehen …
Irgendwann müssen wir noch das große Rätsel der She’ek und Ma’hudi lösen.
Auch das Wirken göttlicher Inkarnationen, die ganze Universen als Schachbrettfür ihre unergründlichen Pläne nutzen, bedarf der Aufklärung. Denn wir wollennicht einfache und unwissende Bauern in ihrem großen Spiel sein. Daher, liebe Leser, ist die Geschichte dieser Chronik mit dem vorliegenden Bericht noch nicht beendet.«
P.S.: »Bevor ich es vergesse, Freunde. Achtet auf die verborgene Botschaft im Text. Sie wird dem, der sie zu lesen versteht, wichtige Information übermitteln.«
* Strom der Zeit *
Zeit – beginnst mit kleinem Schritt,
Schöpfers Atem steht jetzt still.
Nimm mich auf deiner Reise mit,
wenn du kannst und er ist will.
Zeit – ich kann dich nicht sehen …
Zeit – langsam beginnst zu perlen,
schäumtest hoch zu ew’gem Lauf.
Zeit – deine Richtung kannst nicht wählen,
nur voran – Universums Berg hinauf.
Zeit – ich kann dich nicht sehen …
Zeit – der Sterne Schlaf ist lang und fest,
nur du kennst ihre endlos Zahl.
Dem Leben bautest du ein Nest,
schafftest Vielfalt – hattest die Qual der Wahl.
Zeit – ich kann dich nicht sehen …
Zeit – dein Schritt nun schneller,
du fließt jetzt breit und tief.
Das Licht um dich wird immer heller,
weil das Leben nach Erschaffung rief.
Zeit – ich kann dich nicht sehen …
Zeit – dein Strom nun unendlich wird,
kein Ende ist zu wähnen.
Aus dem kleinen perlen – Anfang ward
und Ewigkeit – ich mag es ahnen.
Zeit – ich kann dich nicht sehen …
Zeit – du darfst nicht fehlen,
denn es ist kein Leben ohne Tod.
Alles muss weiter streben
und suchen – wo Existenz sich lohnt.
Zeit – ich kann dich nicht sehen …
Zeit – ein Gehilfe der Schöpfung bist,
im Werden und Vergehen.
Ohne dich kein Fortschritt möglich ist,
unsichtbar und doch – Zeit, nun vermag ich dich zu sehen.
Vorspiel
Zeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft = Ewigkeit
Koordinate: Olympus – Intermittierende Zwitterdimension
Interessiert musterte die Schicksalsgöttin Atrophos den Lebensfaden,
den sie soeben locker in der Hand hielt. Sie erkannte mit ihren
feinen Sinnen intuitiv die großen schicksalsschweren Zusammenhänge,
die sich in der seltsamen Struktur dieses Faden verbargen.
Nachdenklich betrachtete sie den seidig glänzenden Stoff, der aus
dem Nichts der Ewigkeit gesponnen war und vom sagenumwobenen
Baum des Schicksals stammte. Lange sann sie vor sich hin und
langsam dämmerte es ihr. Nämlich die Erkenntnis, dass sie diesen
Faden eigentlich nicht in ihren Händen hätte halten sollen. Mit einer
im wahrsten Sinne des Wortes fadenscheinigen Bitte um einen
Besuch bei ihm, dem großen Gegenspieler, wollte der Vater der
Lüge sie am heutigen Tag von ihrer Arbeit fernhalten.
War eine Schicksalsgöttin verhindert, übernahm in der Regel
eine ihrer beiden Schwestern die Arbeit. Leider nicht mit der gewohnten
Gründlichkeit, die ihr selbst bei der eigenen Tätigkeit
zur Selbstverständlichkeit geworden war. Sie war die Älteste und
Mächtigste unter den drei Nornen und schlussendlich ging es um
die Schicksale intelligenter Lebewesen. Und das war etwas so Bedeutungsvolles,
dass man es nicht oberflächlich erledigen durfte.
Da sie keine Lust verspürt hatte, dem Fürst der Lüge gefällig zu
sein und sie zudem einer inneren Eingebung nachgeben wollte,
entschied sie sie sich kurzfristig gegen diesen Besuch. Ihrer jüngeren
Schwester Lachesis wäre auf Grund geringerer Erfahrung bei
diesem Aspekt der Arbeit wahrscheinlich nichts Ungewöhnliches
an dem Faden aufgefallen. Denn es war, musste Atrophos ehrlicherweise
zugestehen, in der Tat wirklich sehr schwer festzustellen,
was an dem Gewebe nicht in Ordnung war. Die Bedeutung des Faden
zu erkennen, erforderte einen intensiven Einblick in das Leben
dieser Person. Erst im Zusammenhang mit anderen Beziehungsfäden
offenbarte sich der teuflisch schlaue Plan sowie das Muster,
das dahinter verborgen lag.
Für solche, weit in die Zukunft reichende als auch ausgeklügelte
Machenschaften, kam nur einer infrage, der Fürst der Lüge
höchstpersönlich. Tief atmete Atrophos ein und gedachte der Zufallsgöttin
Tyche mit einem warmen Gedanken. Endlich kam sie
zu einer Entscheidung und nahm geistigen Kontakt zu einem der
Wächter der Ewigkeit auf und bat um Erlaubnis für einen Eingriff in
das Schicksalsgefüge des Schöpferplans. Im Bruchteil eines Augenblicks
übermittelte sie dem Wächter des Schicksals ihre Absicht
und beendete dann die Verbindung. Die Antwort ließ diesmal
erstaunlich lange auf sich warten. Doch nach einiger Zeit, die
der Schicksalsgöttin wie eine Ewigkeit vorkam, meldete sich mit
einem leisen Klopfzeichen der Wächter in ihrem Geist. Eindeutig
erkennbar an seinem individuellen Signum, das nicht einmal der
Fürst der Lüge zu fälschen imstande war, wie sie vermutete. Und
es niemals, dessen war sich Atrophos so gut wie sicher, auch nicht
versuchen würde, denn hinter den Wächtern stand der Schöpfer
selbst.
›Deinem Ersuchen wird stattgegeben, Atrophos. Du kannst die
erforderlichen Maßnahmen einleiten und wirst dich persönlich
darum kümmern, dass alles im Sinne des großen Plans umge17
setzt wird. Wir raten dir daher, dich selbst zu inkarnieren, damit
du zeit- und ortsnah die notwendigen Dinge in die Wege leiten
kannst. Übergib deine laufenden Arbeiten einer von uns legitimierten
Kopie deiner Selbst, die wir dir unverzüglich schicken.
Deren Aufgabe ist selbstverständlich, wie du sicher weißt, befristet
bis zum Augenblick deiner Rückkehr. Die She’ek dürfen keinesfalls
die Herrschaft über das Magische Universum erlangen. Zu
viel Schaden würde im Plan des Schicksals angerichtet, sollten sie
mit ihrem Vorhaben erfolgreich sein. Es wird vom Schöpfer selbst
nicht hingenommen, wenn sein Alter Ego versucht, den She’ek
Zutritt in ein Universum zu verschaffen, in dem sie im großen
Plan nicht vorgesehen sind.‹
Atrophos frohlockte innerlich, denn endlich bekam sie die erhoffte
Genehmigung für ihr Vorhaben und konnte dem großen
Gegenspieler damit eine empfindliche Niederlage beibringen. Dafür
war sie nur allzu gern bereit, als körperliche Inkarnation eine
oder auch mehrere menschliche Zeitspannen auf besagtem Planeten
zu verbringen. Es gab ihr Gelegenheit, die Geschehnisse vor
Ort zu beeinflussen und im Sinne des großen Plans zu lenken.
Sofort ging sie ans Werk und informierte ihre beiden Schwestern,
die ihre Aufgaben weiterführen würden, bis eine Kopie ihrer
Selbst, von den Wächtern der Ewigkeit erschaffen, als Ersatz
eintraf. Nachdem sie nochmals gründlich über ihren Plan nachgedacht
hatte, setzte sie sich mit Chronos, dem Gott der Zeit, in
Verbindung, denn er musste ihr bei ihrem Vorhaben Unterstützung
leisten. Sie hatte zu dem sympathischen Chronos ein gutes,
sogar inniges Verhältnis und er würde ihre Bitte nicht abschlagen,
zumal sie praktisch im Auftrag der Wächter handelte. Der geistige
Kontakt erfolgte schnell und hatte augenblicklich eine warme und
herzliche Vertraulichkeit.
›Was kann ich für meine teuerste Freundin tun, meine liebe
Atrophos?‹ erkundigte sich die warme Geiststimme von Chronos.
Sanft streichelte Atrophos mit ihrem mentalen Fühler über das
Bewusstsein ihres vertrauten Kollegen und gelegentlichen Liebhabers.
›Fühle dich umarmt, Chronos! Du kannst mir helfen, unserem
gemeinsamen Widersacher eine Niederlage beizubringen. Ich
habe bereits die Erlaubnis der Wächter erhalten, eine Änderung
im Schicksalsgewebe vornehmen zu dürfen. Mein lieber Chronos,
unser geschätzter Freund Mephisto plant eine große Sache. Mit
unerfreulichen Folgen für den Ablauf des vorgesehenen Schicksalsplanes.
Nur durch Zufall bin ich darauf aufmerksam geworden.
Nun, tatsächlich ist meine Freundin Tyche wohl schuld daran,
dass aus der Einladung Mephistos nichts geworden ist. Wenn
mir die Bedeutung dieses Fadens entgangen wäre, würden wir das
Magische Universum mit großer Wahrscheinlichkeit an die She’ek
verlieren und das darf nicht geschehen, dieses hat mir der Wächter
ausdrücklich bestätigt. Nun, da wir von diesem hinterhältigen
Plan erfahren haben und der Faden noch nicht zu Ende gesponnen
ist, bleibt noch Gelegenheit, diese Katastrophe zu verhindern.
Wirst du mir helfen?‹
Die Antwort vom Gott der Zeit kam ohne Verzögerung und
ließ durch eine zart angedeutete Vibration bereits auf eine gewisse
Vorfreude schließen.
›Aber sicher doch, meine Liebe, wie könnte ich dir diese Bitte
abschlagen. Vor allem, wenn es darum geht, unserem alten Freund
einen Denkzettel zu verpassen. Ihm einen seiner hinterlistigen Pläne
zunichte zu machen, ist doch immer ein Vergnügen für mich.
Sag mir, was ich machen soll und betrachte es als erledigt. Und –
was ich noch sagen wollte, meine Liebe. Lass dich bei Gelegenheit
wieder bei mir sehen. Es wäre doch endlich einmal an der Zeit, uns
intensiv und ausgiebig miteinander auszutauschen. Ich habe dich
ja seit Ewigkeiten nicht mehr leibhaftig gesehen, Ato, geschweige
denn umarmt.‹
Die Schicksalsgöttin musste über seine Gedanken schmunzeln,
denn Zeit und Ewigkeit waren ihm anvertraut. Doch konnte er, in
gewissen vorgegebenen Grenzen, über diese schöpferischen Elemente
nach Belieben verfügen und daher war diese Aussage zumindest
zweideutig zu verstehen. Sie lächelte still in sich hinein.
Dieser Chronos, er konnte es nicht lassen, der alte und ewig junge
Satyr versuchte stets, sie oder einer ihrer Schwestern zu becircen.
Obwohl sie alle bereits ein mehr oder weniger intimes Verhältnis
zu ihm unterhielten. Das blieb bei dem engen Kontakt, den sie
naturgemäß miteinander hatten, einfach nicht aus. Außerdem fand
sie ihn als Mann durchaus sehr attraktiv und andere Gelegenheiten,
sich angenehmen Sinnesfreuden hinzugeben, waren in der Abgeschiedenheit
ihrer außerdimensionalen Existenzblase bei Weitem
nicht so reizvoll und interessant. Jedoch musste sie Nachsicht walten
lassen. Obwohl er der Gott der Zeit war, entgingen ihm solche
Dinge oft in der Hektik seiner Arbeit. Er wusste manchmal einfach
nicht mehr, mit wem er gerade ein Verhältnis unterhielt oder
wie oft oder wie lange …
Eindringlich erklärte sie Chronos ihr Anliegen und dieser wieherte
förmlich vor Vergnügen
›So sei es, Atrophos. Lassen wir deinen Plan geschehen‹. Und
mit diesen Gedanken hob er seine Uhr und ließ den Sand der Zeit
rückwärts fließen …
Zeit: Vergangenheit
Koordinate: System Magica
Hell und feurig strahlte der mächtige Stern und sandte seine
Lichtboten in das Universum hinaus. Fünf mehr oder weniger
große Planeten umkreisten ihr Muttergestirn in unterschiedlichen
Abständen. Und viele Milliarden Meilen von der Sonne Magica
entfernt bildete eine formlose wolkige Schale aus Eis und Gesteinsbrocken
die Grenze des Systems zum offenen Sternenmeer.
Hier, gefangen in der Dunkelheit und Einsamkeit am Rande des
Nichts, bewegten sich die Frühgeburten aus der Entstehungszeit
des Muttergestirns auf ihren ewig gleichen Bahnen und drehten
sich dabei taumelnd um ihre Achse. Sie vollendeten ihren Reigen
um das ferne Zentrum in tausenden von Jahren. Hin und wieder
stießen sie mit kleineren oder größeren Geschwisterbrocken zusammen,
um dann, gezogen von der filigranen Schwerkraft der
fernen Mutter, mit zunehmender Geschwindigkeit in den inneren
Lebenskreis einzudringen. Kein intelligentes Wesen konnte
20 erahnen, was für Auswirkungen dieses Geschehen, weit ab der bewohnten
Welten, haben mochte. Wirklich keins …?
Fern vom Muttergestirn verschob sich in der Wolke aus Geröll
und erstarrten Gasen ein Energiequant um den Bruchteil einer
Winzigkeit, was zur Folge hatte, dass sich die Bahn eines kleineren
Gesteinsbrockens veränderte. Er war ein Winzling unter Millionen
anderer Mitglieder seiner Familie aus Eis, Stein und Erz und hatte
nur die Größe einer kleinen Hütte.
Jetzt trieb er langsam auf einen mächtigen Felsen von fast tausend
Yard Durchmesser zu und stieß ihn sanft an. Von diesem
Hauch einer Berührung geküsst, verließ der Berg aus Stein in den
nächsten tausend Umläufen seine Jahrmillionen alte Bahn. Er
nahm Kurs auf das ferne Zentrum und strebte unaufhaltsam diesem
entlegenen Licht entgegen.
Es sollten viele Zeitalter vergehen, in denen der fliegende Berg
mehrmals das helle Licht umkreiste, bis sich der uralte Felsen mit
hoher Geschwindigkeit einer der inneren Welten näherte.
Eines kommenden Tages lag, wie es die Schicksalsgöttin Atrophos
geplant hatte, der Planet Joy direkt auf seinem Kurs und
würde die Verschmelzung des Kindes aus Gestein und Erz mit seinem
Muttergestirn verhindern. Noch war kein intelligentes Leben
auf Joy vorhanden, denn die Zeit der Lemurer oder Menschen war
noch nicht gekommen. Deren Existenz lag noch Millionen von Jahren
in ferner Zukunft und näherte sich der kommenden Gegenwart
nur langsam, Schritt für Schritt. Doch der Kontinent, welcher
dereinst Alurien heißen sollte, hatte sich bereits aus heißer Magma gebildet.
Ebenso erhoben sich unzählige Inseln aus dem weiten grünblauen
Meer, in dem sich reiches und vielfältiges Leben entwickelte.
Üppige Vegetation hatte sich über den ganzen Planeten
ausgebreitet und dichte Wälder bedeckten das grüne Land, über
das unzähliges Getier auf Suche nach Nahrung umherzog.
Alles schien im Einklang mit der Natur, bis eines Tages der
Himmel über den fruchtbaren Savannen aufglühte und ein
grelles Licht innerhalb weniger Sekunden wie eine feurige Lanze
durch die Atmosphäre stieß. Wie ein titanischer Hammerschlag
traf der glühende Felsbrocken auf den nördlichen Rand Aluriens.
Er bohrte sich dabei tief in den Leib des jungen Kontinents,
wo er mit sonnengleicher Urgewalt explodierte, um dabei im
Umkreis von tausend Meilen und mehr alles Leben zu vernichten.
Nichts vermochte der kolossalen Druckwelle standzuhalten
und gigantische Flutwellen jagten berghoch um die Welt, so mächtig,
dass sie noch auf der anderen Seite Aluriens selbst die großen Inseln überfluteten. Gleichzeitig schoss eine gewaltige Feuersäule in die Höhe und riss Abermillionen
Tonnen von Wasser und pulverisierten Gesteins in die Atmosphäre.
In den folgenden zwei Jahren verfinsterte sich der Himmel,
bis die unermüdlich herniederströmenden Regenfälle den größten
Teil des Staubes wieder aus der Gashülle filterten.
* Himmels Hammer *
Dunkel ist mein Reich – und fern,
nur eisig Kälte spürt das eh’ern Herz.
Die Mutter nur ein fremder Stern,
es friert mich, den Berg aus Stein und Erz.
Als stummer Wächter meine Bahn ich zieh
und doch verstoßen bin für alle Zeit.
Ab und an ein Bruder flieht,
ich muss bleiben – bis in alle Ewigkeit.
Wärme würde mir die Mutter geben
und mein kaltes Herz erwecken.
Lasst mich – lasst mich zu ihr streben,
um ihre wahre Liebe zu entdecken.
Ein Stoß mich zart berührt –
sanft verspür ich der Mutter Ruf.
Ihr Licht – das mich führt,
zu ihr – die mich gebar und schuf.
Lang, lang – wird die Reise sein,
doch was zählen schon die Jahre.
Irgendwann fühl ich der Mutter Schein,
werd ihre Liebe spür’n – die Wahre.
Eine Runde um die Mutter noch,
dann wird sie mich umarmen.
Ich eile immer schneller – und doch,
es kennt das Schicksal kein Erbarmen.
Ein Geschwisterkind mir den Weg versperrt,
es will der Mutter Wärme nur für sich.
Ich kämpfe – hab verzweifelt mich gewehrt,
umsonst – es ist stärker denn als ich.
Voller Zorn brüll ich nun auf,
stürz mich aufs Geschwisterkind.
Immer schneller wird mein Lauf
und schlag ein – wie der Blitz geschwind.
Das Licht wird hell und immer heller;
ich wühl mich tief in seines Leibes Kammer.
Schmerz wird heiß und immer greller,
aus und vorbei, er ist Amboss – ich der Hammer.
In dieser Zeit der Agonie starben viele der Arten aus und es
dauerte lange, bis sich die Überlebenden von diesem Ereignis erholten.
Das Klima Joys kühlte sich in dieser Phase der Dunkelheit
merklich ab und es sollte Jahrzehnte dauern, bis die Sonne Magica
ihr Kind wieder ausreichend erwärmte.
Der Einschlag setzte Wälder und Savannen in Brand, wobei er
den Boden bis in mehrere Fuß Tiefe sterilisierte. Zugleich hinterließ
er einen gewaltigen Krater von über zwanzig Meilen Durchmesser.
Die nachfolgenden Gesteinsbrocken schlugen eine zusätzliche,
lang gestreckte Kerbe in die umliegende Hügelkette und
schufen dabei eine enge Schlucht, die als natürlicher Kanal eine
Verbindung zum alurischen Meer öffnete. Dieses Ereignis sollte
sich in späteren Zeitaltern noch als sehr nützlich erweisen. In diesen,
von Himmelskräften geschaffenen See, ergoss sich der Ozean
und verdampfte noch tagelang in der Gluthölle, die am Grund des
Einschlagkraters herrschte.
Die Unmengen an Wasserfluten kühlten letztendlich das Feuer
und brachten die Lava zum Erstarren. In kurzer Zeit füllte sich
die klaffende Wunde, wodurch sich ein ansehnliches Gewässer von
ungewöhnlicher Tiefe bildete, der zudem außerordentlich rein und
klar das Licht der Sonne Magica spiegelte. Der metallische Kern
des steinernen Riesen ruhte unversehrt im Untergrund, bis irgendwann,
in hundert Jahrtausenden oder später – neugierige Lemurer
oder Menschen kamen.
Sie würden forschen und suchen, um dann zu erkennen, dass diese
Katastrophe der Vorzeit einen wahren Schatz hinterließ, nämlich
Obsidianerz in reinster Form. Es war das wertvollste Mineral
nach dem kostbaren Sternenstaub, den das Magische Universum zu
bieten hatte.
Mit Genugtuung nahm die Schicksalsgöttin das kosmische Wirken
zur Kenntnis und war sich sicher, dass der finstere Widersacher
keine Ahnung davon hatte. Er würde nicht vermuten, dass bei
diesem Geschehen göttliche Kräfte der Gegenseite im Spiel waren,
die damit seinen Plan zunichte machen konnten …
Zeit: Gegenwart
Koordinate: Joy
… ungefähr fünf Millionen Jahre nach dieser kosmischen Katastrophe
brachte die Sonne Magica die eine Hälfte des Planeten
zum Leuchten. Kadmos und Jaspar, die sich gegenseitig umkreisenden
Zwillingsmonde von Joy, versanken langsam hinter dem Horizont
und spendeten dabei der dunklen Seite der Welt ihr silbern
und bläulich schimmerndes Licht.
In den tiefdunklen Wäldern Aluriens regte sich im beginnenden
Morgen langsam erwachendes Leben während sich die Tagschläfer
verkrochen, um nun ihrerseits in sicheren Verstecken auf die
nächste Nacht zu warten. Unheimliche Wesen begrüßten nun den
neuen Tag und machten sich bereit, ihren Teil des Tages mit jagen
oder gejagt werden zu verbringen. Nicht jedes Tier würde die
kommende Nacht erleben. So ist das Gesetz der Natur, dass nur
die Glücklichen und Gerissenen, die Vorsichtigen und Wachsamen,
den ständigen Kampf ums Dasein überstehen. So lange, wie Glück
und Vorsicht andauerten.
In Fuxina, der Hauptstadt Aluriens, kehrten die letzten unverdrossenen
Teilnehmer des nächtlichen Spiels in ihre Herbergen
zurück, um ihren wohlverdienten Schlaf zu halten. Unterdessen
erwachten bereits die ersten Einwohner aus ihren Wonne- oder
Albträumen, um sich auf ihr kommendes Tagwerk vorzubereiten.
Nichts deutete darauf hin, dass dieser Tag anders werden würde
als die vorherigen. Jedoch lag eine deutlich spürbare Spannung in
der Luft, ein Knistern wie vor einem gewaltigen Gewitter.
Auf dem geräumigen Marktplatz hatte sich wie fast immer ein
ansehnliches Häuflein müde wirkender Spieler eingefunden. Lebhaft
diskutierten sie bereits die Ereignisse der letzten Nacht während
sie ganz nebenbei ihre täglichen Besorgungen erledigten. Der
Basar belebte sich, doch erst in den Abendstunden würde er vor
Geschäftigkeit brummen. Tagsüber versorgten sich die Besucher
des Marktes mit den Notwendigkeiten, die ein Alltag so mit sich
bringt. Denn ein hungriger Magen verlangt nach Nahrung, also
musste frisches Brot, Gemüse, Fleisch und Fisch herbeigeschafft
werden. Gewürze durften nicht fehlen und natürlich nicht das
kräftige dunkle Bier, für das Alurien im ganzen bewohnten Arm
bekannt war und das zu jeder Tageszeit getrunken wurde.
Die ersten Händler hatten in den frühen Morgenstunden ihre
Stände aufgebaut oder besetzt und breiteten ihr vielfältiges Angebot
an Waren aus. Unzählige Düfte erfüllten rasch die Luft, um
menschliche und fremde Nasen schnell an die Grenze ihrer Unterscheidungsfähigkeit
zu bringen. Über offenen Feuern drehten sich
mächtige Bratspieße, auf denen aufgesteckte kleine Büffelmufftis in
der Hitze langsam garten. An anderen Ständen glänzten Obst und
Gemüse in kräftigen Farben und verleiteten den hungrig Suchenden
zum Verweilen und Probieren. Ansehnliche und hässliche
Marktweiber priesen ihre Ware und versuchten gleichzeitig, die der
Konkurrenz schlecht zu reden. Der zunehmende Lärm von unzähligen
schreienden Händlern, keifenden Marktfrauen sowie den
immer anwesenden und herumjohlenden Bettelkindern machte es
fast unmöglich, ein normales Gespräch zu führen.
Im Zentrum des Basars reckte ein titanischer Drachenbaum seinen
Stamm fast fünfhundert Fuß in den Himmel wobei er sein
Astwerk wie einen riesigen Baldachin über einen großen Teil des
Marktes spreizte. Damit gewährte er den darunterliegenden Ständen
Schutz vor Regen und Sonnenlicht.
Es hieß, er sei schon mindestens tausendfünfhundert Jahre
alt, gepflanzt von einem der Gründer Fuxinas. Er hatte sich zu
einem wahren Giganten entwickelt und wegen der Größe seinen
passenden Namen bekommen – Großer Drache oder auch Big Giant.
Diesen Namen verdiente der Baum wahrhaftig. Er, der mehr von
der Geschichte Fuxinas zu berichten wüsste als jedes andere noch
existierende Lebewesen dieses Planeten.
Langsam näherte sich von der westlichen Seite der Stadtmauer
herkommend eine männliche Gestalt der Seitengasse, die zum
Monolithen führte, der auch Das Orakel genannt wurde. Sie war von
kräftiger Statur und mochte vielleicht sechseinviertel Fuß groß
sein. Auf dem Kopf trug sie einen dunklen Dreispitz, wie er
bei Piraten gewöhnlich anzutreffen war. Unter einer leicht verblichenen
dunklen Weste war ein blaufarbenes Hemd zu sehen, dessen obere Knöpfe fehlten,
wodurch es eine reichlich behaarte Brust offenbarte. Sowohl ihr Kopf- als auch
Brustbewuchs schien nicht mehr dunkel zu sein, denn etliche silberne Fäden
durchzogen das Haupthaar und gaben ihr das Aussehen einer silbern schimmernden
Löwenmähne.
Daraus konnte ein Betrachter schließen, dass diese Person nicht
mehr in ihren jungen Jahren stand und doch wirkte sie seltsam
zeitlos. Ein objektiver Beobachter würde diesen Mann, denn um
einen solchen handelte es sich offensichtlich, um die fünfzig Jahre
schätzen, wohl eher darüber als darunter. Die Haut wirkte wettergegerbt
als ob sie zu viel Sonnenlicht ausgesetzt worden war
und somit die typische Farbe der Sternenfahrer aufwies. Die derbe
braune Hose saß straff am sehnigen Körper und wurde von
einem breiten Gürtel um die immer noch schmalen Hüften gehalten.
Seine Beine steckten in halbhohen weichen Lederstiefeln, die
unterhalb der Knie in umgeklappte Stulpen endeten, welche an
der Innenseite keilförmig eingekerbt waren. Der auffällige Gürtel
war aus einem unbekannten Leder gefertigt und mit etlichen
kupferfarbenen Metallplättchen verziert, wobei die Schnalle selbst
aus reinem Silber zu bestehen schien. Seitlich des Gürtels befand
sich eine Dolchscheide. Nach Farbe und Maserung war sie aus
seltenem Orcaholz und gut einen Fuß lang. Aus ihr ragte der auffällige
Knauf einer Waffe, auf dem ständig die rechte Hand des
Mannes ruhte. Es schien eine alte Gewohnheit in diesem Verhalten
zu liegen. So als ob der lange Dolch, fast schon ein Kurzschwert,
zusätzliche Sicherheit gab. Auch möglich, dass er aus langer Erfahrung
heraus einfach darauf vorbereitet sein wollte, auf eine Gefahr
augenblicklich reagieren zu können. Denn sein Blick schweifte
ständig wachsam umher und betrachtete das Treiben um sich herum
mit dem milden Verständnis eines erfahrenen Reisenden. Seine
Hände waren groß und kräftig, ohne jedoch prankenhaft zu
wirken. Deutliche Schwielen zeichneten sich in den Handflächen
ab, die den Eindruck vermittelten als könnten sie kraftvoll zupacken
und eine Waffe sicher führen. Dennoch wirkten die langen
Finger durchaus feinnervig, so als verständen sie es ebenso mit
filigraneren Dingen umzugehen, als Dolch oder Schwert zu halten.
Über seiner linken Schulter hing an einem breiten Riemen eine
braune Ledertasche, die augenscheinlich aus der gleichen Haut wie
der Gürtel gefertigt war und gut gefüllt zu sein schien. Auffällig
an ihm war nicht nur seine halblange Mähne, in der auffällig silberne
Strähnen schimmerten, sondern die schwarze Augenkappe,
die sein rechtes Auge abdeckte während das linke Auge einen tiefen
Braunton offenbarte.
Sein Gesicht war, abgesehen von der Abdeckung des Auges,
durchaus ansehnlich und wurde von einem dunklen Dreitagebart
bedeckt. Der länglich geformte Kopf passte gut zu der kräftigen
jedoch nicht allzu großen Nase. Darunter befand sich ein mittelgroßer
Mund, der von samtweichen Lippen umrandet wurde,
die so mancher Lady Herzklopfen verursacht haben dürfte. Ab
und an verzog er sein Gesicht zu einem Lächeln und ließ dabei
zwei Reihen leicht bräunlich verfärbter Zähne erkennen. Möglicherweise
war er Anhänger dieser süchtig machenden Räucherstäbchen,
die neuerdings immer beliebter in Fuxina wurden. Seine
ungeschmückten Ohren, etwas ungewöhnlich für einen Sternenfahrer,
schmiegten sich dicht an den Kopf und wurden vom Dreispitz
teilweise leicht verdeckt. Alles in allem wirkte sein Gesichtsausdruck
offen, fast freundlich. Nur leichte Neugier und oberflächliches
Interesse am Treiben um sich herum waren dem einäugigen
Blick zu entnehmen. Ab und zu nickte er grüßend zu einem Bekannten
oder hübschen Marktweib hinüber ohne seinen Schritt
zu verlangsamen. Insgesamt machte der Mann einen sehr selbstbewussten
Eindruck und schien jemand zu sein, der wusste, wer er
war und was er wollte. Niemand, der auf Händel aus war, würde
sich diesen Mann zum Streit aussuchen. Dieses Gefühl vermittelte
seine markante Erscheinung eindrucksvoll.
Er mochte auf der Suche nach einer bestimmten Person sein.
Immer wieder wanderte sein prüfender Blick umher und nahm die
Gestalten, die um ihn herum hin und her eilten, in Augenschein.
Doch ohne den Gesuchten ausfindig zu machen, näherte sich Piratenkapitän
Hieronymus Stern, denn um diesen Mann handelte
es sich, seinem tatsächlichem Ziel, dem mystischen Kubus. Dieses
Viertel der Stadt, dem er nun zustrebte, wurde vom hoch aufragenden Turm der Spiele beherrscht, der sich groß und wuchtig über einhundertfünfzig Fuß in die Höhe reckte. Trotzdem stand er nur am Rande eines großen Platzes, obwohl er der zentrale Punkt
von ganz Fuxina war. Auf der freien Fläche vor dem Turm drängte sich
eine immer größer werdende Schar neugieriger Menschen und Angehörige
anderer Rassen um einen uralten Monolithen. Dieser, von
unbekannten Erbauern hinterlassene Kubus, zeigte auf seinen vier
glatten Seitenwänden aktuelle und vergangene Ereignisse in den
vier gängigen Schriften der bewohnten Welten. Er war ein quadratischer
Würfel von dreißig mal dreißig Fuß und augenscheinlich
ein massiver Block aus einem einzigen Fels, obwohl das Material
aus dem der Monolith bestand, in Alurien unbekannt war.
Außer wichtigen Vorkommnissen aus allen Regionen des Spiralarms,
teilweise sogar Mitteilungen, die nicht einmal aus diesem zu
stammen schien, wurden vor allem die Abläufe und Resultate des
JIXX-Spiels ausführlich angezeigt. Es gab im unteren Bereich des
Monolithen auf allen Seiten eine mannshohe Fläche, auf der jeder
Teilnehmer und Bewohner Fuxinas seine eigenen Mitteilungen
hinterlassen konnte. Dazu brauchte er sich nur vor die Wand des
Würfels zu stellen und auf eine unbekannte, vermutlich magische
Weise wurden seine Gedanken auf den Monolithen übertragen,
immer in der richtigen Schrift und ohne jeglichen Fehler. Nicht
jeder Wunsch nach Veröffentlichung wurde angenommen und die
Kriterien, nach denen das Orakel entschied, entzogen sich bisher
allen Untersuchungen der Gelehrten. Wurden Nachrichten nach
einiger Zeit nicht mehr gelesen, erlosch die Mitteilung nach und
nach auf unerklärliche Weise. Es war als ob dem Würfel ein eigenes
Bewusstsein innewohnte, denn die Schriften in größerer Höhe
des Orakels waren so angepasst, dass sie vom Boden aus bequem
und ohne Sehhilfe gelesen werden konnten. Sie wurden jedoch
immer kleiner je tiefer die Zeilen lagen. Auf der Oberseite des
Kubus fand man nur eine stilisierte Flasche in den felsigen Boden
eingeritzt. Weise und Gelehrte stritten seit Generationen über die
Bedeutung dieses Zeichens.
Doch dies war im Augenblick für Hieronymus Stern von untergeordneter
Bedeutung. Er hatte eine Nachricht durch ein Botenwiesel erhalten und suchte
nun nach dem Auftraggeber, denn die Botschaft war unklar gehalten und hatte
nur seine Neugier geweckt.
Sein Schiff, die Fregatte Sternenteufel, lag bereits seit einigen Wochen
im Geheimen Hafen, weil er und einige seiner Mannschaft Teilnehmer
an den JIXX-Spielen von Joy waren. Und dieses Ereignis zog alle drei Jahre
Tausende von JIXX-Süchtigen in seinen Bann und somit nach Fuxina. Die Stadt
platzte wie immer bei diesem Ereignis aus allen Nähten und Stern war froh, dass
sich seine Unterkunft an Bord des Schiffes befand. Die Spiele hatten bereits
begonnen und die Neugierigen um ihn herum studierten die aktuellen
Resultate. Nicht wenige fluchten erbärmlich, weil ihre Favoriten
unterlegen waren. Andere jubelten überschwänglich, hatten
sie doch auf den Sieger gesetzt. Viele, eigentlich die meisten, der
anwesenden Leser hatten Wetten abgeschlossen und nicht wenige
verspielten dabei Hab und Gut.
Hieronymus Stern hatte heute Wettkampfpause und suchte auf
der grünlich schimmernden Fläche nach einer Nachricht, die an
ihn gerichtet war. Ja, dort stand eine Mitteilung und sie konnte
nur für ihn bestimmt sein, denn im Text verborgen war das Erkennungswort,
das ihm das Botenwiesel überbracht hatte.
›Heute Abend, zur Stunde der Eule, treffen wir uns an vereinbarter Stelle.
Bringt mit, um das ich euch gebeten hatte und lasst zurück, was
ihr mitbringen wolltet.‹ Hieronymus Stern runzelte die Stirn und
dachte nach. In der Tat, er hatte vorgehabt, seine Gefährtin Aurelia
zu dieser Zusammenkunft mitzunehmen. Doch anscheinend sollte
er stattdessen seine Waffenmeisterin Gysell Sadori mitbringen. Nun
gut, für dieses Treffen würde er darauf eingehen, denn die Andeutungen
waren hinreichend genug, um sein Interesse zu wecken.
›Wer weiß‹, dachte er voller Hoffnung, ›vielleicht knüpfen sich
einige lukrative Aufträge an dieses Treffen.‹
Außerdem war die Absenderin der Botschaft keine Unbekannte, wenn er sie auch
noch nie getroffen hatte. Nun, da er um die Stunde wusste, blieb ihm noch ausreichend
Zeit, sich um einige wichtige Dinge in der Stadt zu kümmern. Auch ein Piratenkapitän
hat schließlich geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen und so machte sich Stern auf
den Weg ins Händlerviertel, wo er ein vielversprechendes Gespräch mit Magnus, dem
Faun, zu führen gedachte. Der alte Gauner war sein wichtigster Abnehmer für
Beute aller Art in Fuxina und zahlte anständige Preise. Er war unbestritten auch der
größte Hehler von ganz Alurien und dazu ein gewiefter Halunke. Der gerissene Magnus
war Angehöriger der Diebesgilde und zahlte enorme Mitgliedsbeiträge, mit denen er
sich den Schutz der Gilde sicherte. Die Herrschenden versorgte er mit kleinen Präsenten und Aufmerksamkeiten. Daher ließen sie ihn Ruhe seine Geschäfte machen, solange er ihren eigenen Interessen nicht in die Quere kam. Wechselseitige Beziehungen zu aller
Nutzen war auch hier das Geheimnis des Erfolges. Ein Beispiel, dem sich auch Hieronymus Stern zutiefst verpflichtet fühlte.
* Sternfahrers Lied *
Zu den Sternen zieht es mich – himmelwärts,
in die endlos schwarze Nacht.
Mir wird so leicht, so leicht ums Herz,
sehe ich der Sonnen farbig Pracht.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Meine Augen spiegeln der Sterne Licht
und spür Sehnsucht in tiefstem Grund.
Zurück zur Erde will ich nicht,
Aufbruch – denn es ist der Sterne Stund.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Dass unendlich Meer der Sterne leuchtet,
in ew’ger Ruh und Pracht.
Sieh nur – in allen Farben funkelt,
was mich so glücklich macht.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Unendlichkeit der Weiten
und Leben überall.
Will der Planeten Tanz begleiten
und Sterne sehen ohne Zahl.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Träume quellen hoch im Überfluss,
geboren in der Seele tiefsten Raum.
Hier bin ich auf ewiglich -
eins mit Schöpfers Weltentraum.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Der Sternenraum ist Heimat mir,
umfasst mich doch für alle Zeiten.
Getrieben von der Sonnen Wind,
will ich immer weiter gleiten.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Es gibt kein Halten und kein zagen,
ich würd es immer wieder tun.
Sternenwind wird mich weiter tragen,
mag das Ziel auch verborgen ruh’n.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Am Ende werd ich glücklich sein,
egal, wie lang es dauern mag.
Ewigkeit – vielleicht ein schöner Schein,
doch dem Schöpfer nur ein einzig Tag.
Sag Himmel – wo ist dein End …
Jede Reise hat ein Ziel,
auch wenn wir es nicht sehn.
Ich bin daheim vom großen Spiel
und alles – kann ich nun verstehn.
Und weiß – der Himmel hat kein End.
Der Pirat
Zeit: Gegenwart
Koordinate: Fuxina
Hieronymus Stern war der Einladung der Pangäerin zu einem Treffen
nachgekommen und so versammelten sich zu nächtlicher Zeit,
genau zur Stunde der Eule, fünf Menschen um ein knisterndes
Lagerfeuer, das der Barde Bentus Clovis zuvor entfacht hatte. Haya
Moon’dan oder Mondlicht, wie sie meist genannt wurde, war nur in Begleitung
ihres Gefährten gekommen während Stern seine Waffenmeisterin
Gysell Sadori und den Schiffsmedicus Doc Jalinka Merith im Gefolge hatte.
Die Fee war eine außergewöhnliche Person. Von Gestalt hoch gewachsen,
reichte sie fast an Sterns Größe heran. Sie war eine faszinierende
Frau und in punkto weiblicher Schönheit und Ausstrahlung
seiner eigenen Gefährtin durchaus ebenbürtig. Ihre langen
silbernen Haare fielen offen bis zur Hüfte herab und umschmeichelten
den schlanken Körper. Aus einem fein geschnittenen elfengleichen
Gesicht blitzten ein Paar tiefblauer Augen mit einem
kobaltfarbenen Schimmer, wie Stern sie noch nie gesehen hatte.
Ihre alabasterfarbene Haut bildete einen wunderbaren Kontrast zu
dem schlichten Kleid, das sie trug. Ein langes, bis zu den Knöcheln
reichendes, fast weißes ärmelloses Gewand umspielte ihren weiblichen
Körper mit unerhört luftiger Leichtigkeit. Es schmiegte
sich verführerisch und faltenlos um ihre Kurven und betonte dabei
mehr als es verhüllte.
Dazu passend ein schwarzes gürtelartiges breites Band, das sich
um die schlanke Taille wand und mit auffälligen runenhaften Stickereien
verziert war. Die zierlichen Füße steckten in Sandalen,
deren Riemen unterhalb des Gewandes verschwanden und die
Waden bis auf halbe Kniehöhe umschlangen.
Sie hatte Temperament und hielt es auch nicht zurück während
sie mit rauchiger Stimme eine unglaubliche Geschichte vortrug.
Heftig gestikulierte sie beim Reden mit allen Gliedmaßen und
legte die schmale Hand mit den langen Fingern immer wieder vertraulich
auf den Arm von Hieronymus Stern. Dabei fiel ihm sogleich
ein großer breiter Ring auf, der am Mittelfinger ihrer linken
Hand steckte. Er bestand aus einem matt silbern schimmernden
Material, doch es handelte sich nicht um Silber. Stern vermutete,
dass der Ring aus dem überaus seltenen Obsidianmetall gearbeitet
war, was den Reif überaus selten und sehr kostbar machte. Die ungewöhnliche
Formgebung unterstrich seinen Eindruck nachdrücklich.
Das Schmuckstück ähnelte einem Baum mit langen fadenartigen
Ästen, an denen, kaum sichtbar, fein ziselierte Blätter von
winzigen grünen Juwelen dargestellt wurden. Dazwischen waren
mehrfarbige, nur um eine Winzigkeit größere Steine eingearbeitet,
die wie Früchte eines Baumes wirkten.
Eigenartigerweise glaubte er, darin ein Muster zu erkennen, das
ihm seltsam vertraut vorkam. Tief in seinem Unterbewusstsein
regten sich verschollene Erinnerungen an eine ferne Zeit aus seiner
Vergangenheit. Doch bevor dergleichen an die Oberfläche seines
bewussten Denkens gelangten konnte, holte ihn die Stimme der
Pangäerin aus seiner Gedankenversunkenheit zurück. Immer noch
betrachtete Hieronymus Stern gebannt den Ring und überhörte
dabei fast ihre Worte.
»Hört ihr mir überhaupt zu, Kapitän?«, schalt Mondlicht den
abwesend erscheinenden Piraten.
»Bei Neptun, ich bin ganz Ohr und bekomme alles mit – seid
unbesorgt«, lächelte Stern verlegen und legte die Stirn in nachdenkliche
Falten, um damit den Anschein angestrengter Aufmerksamkeit
zu erwecken.
»Ich befürchtete schon, dass Murania mir einen falschen Rat gab
als sie mir empfahl, euch um Hilfe und Unterstützung zu bitten.
Schließlich geht es um die Rettung Aluriens, wenn nicht von ganz
Joy. Da kann ich keine Tagträumer brauchen, sondern nur kampferprobte
Männer und Frauen, die weder Tod noch Teufel oder,
wie in eurem Fall, den Klabautermann fürchten.«
Beruhigend legte ihr Begleiter Clovis seinen Arm um sie und
machte mit dieser Geste klar, dass sie beide zusammengehörten.
Auch der Barde zählte zu den hochgewachsenen Männern seines
Volkes und war mit Sicherheit noch ein wenig größer als Hieronymus Stern.
Schlanker und zierlicher gebaut, wirkte er in seiner ganzen Erscheinung
sehnig und ausdauernd. Weniger wie ein Liedermacher,
sondern mehr wie ein einheimischer Waldläufer. Eine freche grüne
Kappe, geschmückt mit einer farbenprächtigen Feder, saß nachlässig
auf seinem schmalen Kopf, der von üppigen dunkelbraunen
Haaren bedeckt war. Hervorstechend prägte eine wohlgeformte
Adlernase das Gesicht. Zwei etwas größer geratene spitz zulaufende
Ohren, die zudem eng am Schädel anlagen, lenkten ein wenig
vom großen Mund mit den perlweißen Zähnen ab. Ebenfalls auffällig
waren seine Augen, die ebenso tiefblau wie die seiner Gefährtin
waren. Mit ihnen blickte er im Moment freundlich, dennoch
bestimmt auf seine Begleiterin.
Bentus Clovis trug schlichte Waldläuferkleidung. Dazu ein
grünes Hemd sowie eine ebenso gefärbte Hose. Leichte Wildlederschuhe
vervollständigten seine zweckmäßige Kleidung. Umso
mehr fiel die Laute des Barden auf. Ein wundervolles Instrument,
das aus einem unbekannten Holz und fein gearbeitetem Metall
hergestellt war. Es wirkte etwas abgegriffen, war jedoch hervorragend
gepflegt. Auf ihr vermochte der Barde die herrlichsten Töne
zu spielen und mit seiner unnachahmlich sanften Stimme zu begleiten,
wie er seinen Zuhörern bereits unter Beweis gestellt hatte.
»Bleib ruhig, Haya. Der Rat der Zauberin Murania war sicher
richtig und sobald wir Kapitän Stern von unserem Anliegen überzeugt
haben, wird er uns sicher die Hilfe gewähren, die wir benötigen.«
Zustimmend nickte Gysell Sadori, Waffenmeisterin des Sternenteufel
und warf ihr langes brünettes Haar mit einer entzückenden
Kopfbewegung nach hinten. In ihrer Erscheinung brauchte sie sich
nicht hinter der Pangäerin zu verstecken, war sie doch mit ihren
dreißig Jahren noch ziemlich jung, jedoch schon sehr erfahren und
kampferprobt. Ihre schwarzen Augen bildeten einen wunderbaren
Kontrast zu der tief gebräunten Haut. Man sah ihr an, dass sie
lange Fahrten im Sternenmeer unternommen hatte. Die vollen
Lippen lagen unter einer kleinen Nase während zwei Grübchen
ihrem Gesicht einen schelmischen Ausdruck verliehen.
Die zierlichen Ohren, an denen zwei sternförmige Anhänger
baumelten, trugen noch ihren Teil dazu bei. Ihr schlanker und
wohlproportionierter Körper steckte in einer braungrün gefleckten
Kampfuniform, die auch Angehörige der Mördergilde bevorzugten.
Um den schlanken Hals schlang sich ein roter Seidenschal,
der sich vorteilhaft von der wild gemusterten Tarnjacke abhob.
Als Fußbekleidung zog sie anscheinend leichte Mokassins vor, wie
sie die hiesigen Waldläufer gern trugen und nicht die schweren
ledernen Stiefel, die normalerweise zu dieser Uniform gehörten.
An dem breiten Gürtel, der um ihre schlanke Taille geschnallt war,
hing der typische Entersäbel der Piraten, welcher in einem Futteral
aus Kuduleder vor Regen geschützt war.
Widrige Lebensumstände hatten ihr zu einem Platz auf dem
Sternenteufel verholfen und dafür war sie Kapitän Stern unendlich
dankbar. Auch dafür, dass er ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte
und sie zur Waffenmeisterin des Sternenteufel ernannte, eine der
wichtigsten Positionen auf dem Piratenschiff. Ihre Herkunft umgab
ein dunkles Geheimnis, das sie dem Kapitän und seiner Gefährtin
Aurelia anvertraut hatte.
Sie gehörte inzwischen, nach nur wenigen Jahren auf dem Sternenteufel,
zu den engsten Vertrauten von Kapitän Stern. Für kein
Gold dieser Welt würde sie das Schiff verlassen wollen, das ihr
Heimat und Familie in einem geworden war.
»Ich bin auch der Meinung, dass wir uns das Gesagte erst einmal
in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen, danach wird der
Käpt’n schon wissen, was zu tun ist«, unterstützte sie mit ihrer
angenehmen Altstimme ihren Kapitän. »Oder was meint ihr, Jalinka?
«, wandte sie sich an den bisher stumm gebliebenen Schiffsmedicus
Doc Merith, von der Mannschaft auch respektvoll Skalpell genannt.
»In der Tat sind das unglaubliche Neuigkeiten, die erst einmal
verarbeitet werden müssen. Einfach unvorstellbar, dass sich dies
alles unbemerkt vor den Augen der Wächter der Gilde abgespielt
haben soll. Das verstehe ich nicht ganz. Sie haben doch ihre Spione überall
und hören sonst die Flöhe husten«, stellte sie trocken
fest und traf mit dieser Aussage einmal mehr ins Schwarze.
Die sechzigjährige Frau mit dem gelehrt wirkenden Aussehen
war eine logische Denkerin. Es war nicht ihre Art, lange um den
heißen Brei herumzureden, sondern sagte klar, was sie dachte. Sie
war von mittelgroßer Statur, etwas stabiler gebaut und vermittelte
den Typ einer fürsorglich mütterlichen Frau, was ihre kurzen grauen
Haare noch betonten. Mund und Ohren waren wie bei ihrem
Volk nicht unüblich ein wenig groß geraten. Hierzu passte auch die
nicht gerade kleine Nase, die ein wenig spitz nach vorn ragte. Der
rundliche Kopf saß auf einem kurzen, schon leicht faltigen Hals.
Der Medicus war bereits auf eine Sehhilfe angewiesen und trug
ein sehenswertes Spektrakel. Dieses Ungetüm hatte sie von einem
hiesigen Uhrmacher in Fuxina, der zusätzlich noch ein Spektrakelgeschäft
betrieb, zu einem sündhaften teuren Preis erstanden. Unbestritten
brachte es die blassblauen Augen gut zu Geltung, denn
es verlieh ihrem Blick etwas Scharfes und Durchbohrendes, was
manche ihrer Gesprächspartner als sehr unangenehm empfanden.
Gewöhnlich kleidete sie sich schlicht und trug nur ein weißes
weit geschnittenes Kostüm, worauf deutlich das Symbol der Heilkundigen
angebracht war, damit für jeden ihr angesehener Stand
ersichtlich war. Zum heutigen Landgang hatte sie ausnahmsweise
unauffällige Kleidung angezogen und sich in eine einfache blaue
Matrosenhose aus festem Drillstoff gezwängt. Dazu hatte sie eine
schlichte Bluse der gleichen Farbe gewählt. Einfache Schuhe aus
robustem Kuduleder machten die schlichte Aufmachung komplett.
Im Hüftgürtel aus Büffelmufftileder steckte ein kleiner Dolch in
einer kurzen Scheide aus Drachenbaumholz. Doch das Wichtigste
ihres Berufsstandes befand sich in einem kleinen Rucksack neben
ihr, ohne den sie nie das Schiff verließ. Sie stammte von Greenland
und die Bewohner dieser Welt waren in der medizinischen
Kunst den meisten Welten weit voraus, denn bereits ihre Vorfahren
übten den Beruf der Heilkunde aus.
Unglückliche Lebensumstände führten die lebenslustige und
erfahrene Frau von ihrem Heimatplaneten fort. Nach Jahren im
Dienst eines Handelsmagnaten war sie bei der Eroberung der
Galeone, auf der sie ihre schlecht bezahlte Arbeit verrichtete, von
Kapitän Stern vor die Wahl gestellt worden. Entweder als Schiffsmedicus
bei ihm anzuheuern oder sich auf einer nahe gelegenen
Welt aussetzen zu lassen. Weil ihr der Piratenkapitän respektvoll
sowie höflich entgegentrat und ihr dazu weitgehend freie Hand
einräumte, entschied sie sich für Leben und Arbeiten an Bord des
Sternenteufels. Bis heute hatte sie ihre Entscheidung nicht bereut,
denn das dunkle Geheimnis, das sie in sich verbarg, war auf diesem
Schiff gut gehütet.
Hieronymus Stern nickte zustimmend.
»Wie immer habt ihr den richtigen Rat, Doc. Ich werde einige
Erkundigungen einziehen und mich umhören. Schließlich habe ich
gute Verbindungen in Fuxina, die ich zu nutzen gedenke. MayLi
wird mit Sicherheit etwas wissen, auch wenn es sich nur um Gerüchte
handeln sollte. Wir wissen ja, so manche Zunge löst sich in
ihrem Haus der Freude und plaudert über Dinge, die sie woanders nie
ausgesprochen hätte. Ich werde sie noch heute Nacht aufsuchen,
denn wenn es stimmt, was Mondlicht und der Barde uns mitgeteilt
haben, wird es nicht mehr lange dauern, bis die Rotröcke zuschlagen.
Die JIXX-Spiele dauern nur noch wenige Tage und wenn sie
zu Ende sind, werden diese Darq ihre üblen Pläne in die Tat umsetzen.
Vorher werden sie sich hüten, weil jetzt die ganzen Spieler und
Besucher aus allen Regionen des Arms hier versammelt sind.«
Die beiden Pangäer blickten hoffnungsvoll auf und nickten
dann zustimmend. »Ja, ich stimme euch zu, Kapitän. Nutzt eure
Kontakte, vielleicht könnt ihr noch mehr in Erfahrung bringen als
das, was wir bereits von Murania gehört haben.«Moon’dan erhob
sich und zog ihren Gefährten Clovis mit empor.
»Das Wichtigste habe ich euch mitgeteilt und ich bin guter
Dinge, was die weitere Entwicklung betrifft. Wir werden sicherlich
Unterstützung bekommen. Auch von einigen Einwohnern Fuxinas
und vielen Spielern, die diese Welt nicht kampflos aufgeben wollen.
Nur müssen wir vorsichtig sein und dürfen niemanden einweihen,
dessen wir uns nicht ganz sicher sind, denn Augen und Ohren
dieser Bande sind überall anzutreffen. Man weiß nie, wer gerade
am Nebentisch lauscht. Wir sollten uns morgen nochmals treffen,
um weitere Informationen auszutauschen und einen vorläufigen
Plan zu entwerfen. Seid ihr damit einverstanden, Kapitän?«
Hieronymus Stern hatte sich ebenfalls erhoben und überdachte
dabei kurz das Gesagte, bevor er antwortete.
»Ja, so sollten wir es machen. Wir werden uns morgen in eurer
Hütte treffen, Mondlicht. Den genauen Zeitpunkt kann ein Botenwiesel
überbringen, weil ich nicht genau sagen kann bis wann
ich meine Erkundigungen abgeschlossen habe.«
»Gut, ich werde eure Nachricht abwarten, Kapitän. Habt viel
Erfolg und bis morgen.« Mit diesen Worten verabschiedete sich
Mondlicht von Stern, nickte den beiden Frauen zu und verließ
mit ihrem Gefährten das nur noch schwach glimmende Lagerfeuer.
Mit gemischten Gefühlen blickte Stern der davonschreitenden
Pangäerin Moon’dan, genannt Mondlicht, hinterher. Der leichtfüßige
Barde Bentus Clovis glitt geschmeidig neben ihr dahin.
Die zauberhaften Lautenklänge und das Flackern des Lagerfeuers
hatten das ihrige zu der mystischen Stimmung beigetragen,
die sie immer noch gefangen hielt. Der Bericht hatte ihn und seine
beiden Begleiter in den Bann gezogen, denn die Fee hatte schier
Unglaubliches erzählt.
Von der geheimnisvollen Zauberin Murania hatte sie erfahren,
dass der Welt Aluriens Unheil drohte. Eine finstere Macht plante
die Herrschaft über den gesamten Planeten Joy an sich zu reißen,
um das JIXX-Spiel für ihre Zwecke zu missbrauchen. Am Ende
ihrer Geschichte gab sie Mondlicht den Auftrag, sich mit Piratenkapitän
Stern, dem Besitzer der Viermastfregatte Sternenteufel, in
Verbindung zu setzen und ihn um Hilfe und Unterstützung zu
bitten.
Stern war es rätselhaft, was die Zauberin damit meinte. Doch
jetzt beschlich ihn eine leise Ahnung, worum es sich hierbei handeln
könnte. Nun, er hatte zugesagt, die Angelegenheit zu überdenken,
um sich dann erneut mit ihr zu treffen. Die Fee wohnte
außerhalb der Stadt in einer Hütte, die auf einer Waldlichtung
gelegen unter dem Schutz eines großen Drachenbaums stand. Es
war bekannt, dass eine Baumdyrade, die dort seit Urzeiten als seine
Hüterin lebte, den Baum als Behausung nutzte und sich in seinem
38 dichten Laubwerk den Blicken Fremder entzog. Zwischen den alten
Bäumen und dem geheimnisvollen Volk der Dyraden herrschte
eine Art Symbiose, dessen Ursprung sich im Dunkel der Geschichte
verlor.
»Ich habe noch etwas in der Stadt zu erledigen«, bemerkte Doc
Merith nachdenklich. »Wenn es euch recht ist, Käpt’n, werde ich
erst morgen früh zurück an Bord sein.«
»Erledigt eure Geschäfte, Doc oder was immer ihr zu tun habt.
Haltet dabei Augen und Ohren offen. Es liegt eine ungewohnte
Spannung in der Luft. Ich spüre da unterschwellige Strömungen
von Unruhe, die sich nicht auf den Wettkampf der Spiele zurückführen
lassen, also bleibt wachsam.«
Mit einem Kopfnicken verabschiedete sich Jalinka Merith und
strebte auf dem ausgetretenen Pfad der Stadt entgegen. Schweigend
hatte die Waffenmeisterin des Sternenteufel den Abschied
ihrer Schiffskameradin verfolgt und wandte sich an ihren Kapitän.
»Ihr wisst ja, Käpt’n, dass ich die Nähe von Flair spüren kann.
Ist euch auch aufgefallen, dass es vorhin eine starke Präsenz magischer
Kraft gegeben hat? Ich glaube, dass diese Mondlicht eine
mächtige Zauberin ist. Bei dem Barden bin ich mir nicht ganz sicher.
Möglicherweise ist er ebenfalls der Magie kundig.«
»Ja, ihr habt recht, Gysell. Ich spürte es ebenfalls«, bemerkte Stern
nachdenklich. »Das Flair ist groß und mächtig in ihr, ich konnte
es fühlen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schimmerte um seine Augenkappe
ein dunkelrotes mattes Glühen auf. Ein regenbogenfarbiges
Irrlicht umflackerte für einen Wimpernschlag seine hohe kräftige
Gestalt. Gysell Sadori blinzelte überrascht und war sich nicht sicher,
ob dieses Licht vom Kapitän ausgegangen oder nur ein letzter
Widerschein des verlöschenden Lagerfeuers gewesen war. Sie
unterließ es, ihn darauf anzusprechen, denn sie wollte sich nicht
seinem ironischen Spott aussetzen, für den er bisweilen gefürchtet
wurde.
»Ich werde zum Schiff zurückkehren. Es ist spät und morgen
wird einiges zu tun sein. So wie es aussieht, sollten wir unsere
Waffen überprüfen und bereit für den Einsatz halten.«
»Ja, macht das, Gysell. Richtet Aurelia aus, dass ich noch unterwegs bin und
nicht genau weiß, wann ich wieder da sein werde, es könnte also
spät werden.«
Mit einem freundlichen Gruß verabschiedete sich Stern von
seiner Waffenmeisterin und eilte den gleichen Pfad entlang, den
vor einigen Augenblicken auch Doc Merith beschritten hatte. Er
wollte sein ehemaliges Mannschaftsmitglied MayLi aufsuchen.
Sie unterhielt das beste und auch teuerste Freudenhaus der Stadt.
In ihrem Etablissement trafen sich nur die gehobenen Mitglieder
der Gesellschaft. Wenn es Gerüchte oder Hinweise gab, so hoffte
Stern, würde er hier rasch fündig werden.
MayLi war ihm auch nach ihrem Weggang in Treue verbunden
und würde ihm jede Unterstützung zukommen lassen, zu der sie
in der Lage war. Anschließend musste er eilig zum Schiff zurück,
um einige der Gedanken, die ihm während des Berichts der Fee
durch den Kopf gegangen waren, ausführlich mit Aurelia zu besprechen.
Er schüttelte bekümmert den Kopf, die Nacht würde
lang und sein Schlaf kurz werden.
* Lied an die Liebe *
Liebe braucht der Worte nicht,
sie ist fühlen im Herzen pur.
Erstrahlt so hell mit Glanz und Licht,
spürst du ihre Nähe nur.
Verbunden durch der Seele Band –
sie in uns’rem Herzen ruht.
Das Schicksal webt es mit zarter Hand,
sind wir zusammen – ist alles gut.
Mag dich nimmer missen,
muss fühlen deines Herzens Schlag.
Bist mir Trost und Ruhekissen,
weilst du fern – ich es nicht ertrag.
Der Liebe Lust dem Alltag weicht,
verkümmert ist die Leidenschaft.
Wehmut nun – die uns erreicht
und Erinnerung nur – an Freud und Kraft.
Die Haare grau, der Atem schneller,
Zeiten sind vorbeigebraust.
Das Haupt wird licht und immer heller,
Schicksal – du hast uns arg gezaust.
Das Leben gräbt dir Falten ins Gesicht –
Runzeln erzählen wohl Geschichten.
Doch deine Liebe ist ein Gedicht –
unsere Chronik wird es einst berichten.
Im Jenseits wir uns wieder sehn,
wo im neuen Kleid die Liebe wohnt.
Von Anbeginn wart vorgesehn,
das Einigkeit der Herzen lohnt.
Zwischenspiel Aurelia
Zeit: Gegenwart minus drei Jahre
Koordinate: Riva – Shan’hor
Die große Galeone stampfte förmlich durch die aufgewühlte See
während der Sturmwind heftig die Segel blähte und so mächtig
an den Vertäuungen zerrte, dass die Masten bedrohlich knarrten.
Immer wieder krängte das überladene Schiff gefährlich zur Seite,
wobei es Gefahr lief, zu kentern.
»Refft die Segel, wenn euch euer Leben lieb ist«, brüllte die
Stimme des ersten Offiziers über den Sturm hinweg. Der in einer
roten Uniform gekleidete Mann wandte seinen kantigen Kopf
und blickte kurz zum Steuermann. Zu zweit versuchten sie das
große Steuerrad zu bändigen, um den Bug der Galeone auf die anrollenden
Wellenberge zu richten. Unterdessen kämpften sich die
Matrosen in den Wanten nach oben. Verzweifelt versuchten sie, in
den kleinen Momenten in denen der Sturm innehielt, die Segel
zu bergen, bevor er mit neuer Kraft in seinem Wüten fortfuhr.
Eine unerwartet heftige Böe erwischte einen von ihnen als er auf
durchnässtem Tauwerk ausrutschte. Bevor seine rudernden Arme
neuen Halt fanden, stürzte er mit einem unhörbaren Schrei in die
Tiefe und verschwand kopfüber in der tosenden See und tauchte
nicht mehr auf.
Valderan de’Soto, seines Zeichens erster Offizier der Heiligen Kuh,
biss die Zähne zusammen und fluchte still in sich hinein. Sein
hartes Gesicht mit den stechend blauen Augen verzog keine Miene.
Verluste an Menschenleben kalkulierte ein adeliger Offizier
der Tempelsekte kühl mit ein. Die einfachen Matrosen waren für
ihn nur simple Schachfiguren, einfach Bauern ohne großen Wert.
Nützlich nur, wenn man sie für die Zwecke des Tempels einsetzen
konnte, doch ansonsten ohne Bedeutung.
Jetzt jedoch wurde jeder Mann gebraucht, um die Galeone unter
Kontrolle zu bekommen, daher galt es, verflucht sei Neptun,
auf das Leben der Besatzung Rücksicht zu nehmen. Heftig trieb
Valderan de’Soto die Männer an und endlich gelang es, die Segel
soweit zu reffen, dass die Gefahr des Kenterns gebannt war. Ihm
schien, dass die Gewalt des Sturms abflaute und das Schlimmste
wohl überstanden war. Mit Geschick, Glück und Neptuns Hilfe
würden sie diesen unerwarteten Orkan hinter sich lassen und den
sicheren Hafen erreichen.
Ein Knarren zeigte ihm, dass sich die Tür der Kapitänsmesse
öffnete und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Gestalt des Kapitäns,
der sich mühsam gegen den immer noch heftigen Wind den
Aufgang zum Vordeck hoch kämpfte. Mürrisch grüßte de’Soto die
vermummte Schiffsführerin und schluckte seinen tief sitzenden
Groll hinunter, denn eigentlich hatte er sich das Kommando über
die Heilige Kuh erhofft. Doch im letzten Moment hatte sich Fürst
Ramoris höchstpersönlich für seine Ex-Gemahlin Aurelia von Lethos
entschieden.
Sie sollte die Galeone als Kapitän befehligen, so lautete sein Befehl
und gegen die ausdrückliche Order des Tempelobersten wagte
de’Soto nicht aufzubegehren. Seit drei Jahren segelten sie nunmehr
zusammen mit der Heiligen Kuh auf den Ozeanen vieler Welten
und mithilfe seiner Magie, auch durch das unendliche Sternenmeer.
So schwer es ihm fiel, dies einzugestehen, sie machte ihre Sache
verdammt gut und wäre sie der Sternenstaubmagie mächtig, die
für Fahrten im Sternenmeer unerlässlich war, würde er sich niemals
Hoffnung auf die Kapitänswürde machen können.
»Wie sieht es aus, de’Soto. Lässt der Sturm langsam nach?«,
erkundigte sich Aurelia mit ihrer dunklen rauchigen Stimme.
»Aye, Käpt’n, der Sturm legt sich allmählich. Wir konnten die
Segel gerade noch rechtzeitig einholen. Leider ging dabei ein Matrose
über Bord und konnte nicht mehr gerettet werden.«
De’Soto schaute sie mit gemischten Gefühlen an. Als Mann
kam er nicht umhin, ihre Erscheinung zu bewundern. Sie war eine
prachtvolle Frau, kein Wunder, das Fürst Ramoris sie zur Gemahlin
genommen hatte, auch wenn es sicherlich politische Gründe
für diese Verbindung gab. Aurelia von Lethos entstammte einer
alteingesessenen Adelsfamilie, die über weitreichende wichtige
Verbindungen auf Thetis sowie zu anderen Welten verfügte. Dank
dieses engen Beziehungsgeflechts übte sie erheblichen politischen
Einfluss aus.
Sie war groß für eine Frau, beinah sechs Fuß und damit fast so
groß wie er. Es brachte ihre schlanke Figur vollendet zur Geltung.
Aufregend lange Beine, eine schmale Taille sowie ein nicht zu kleiner
Busen betonten ihre Weiblichkeit ohne dabei aufdringlich zu
wirken. Auf dem schlanken Hals befand sich ein Kopf mit wahrhaft
aristokratischen Zügen, der ihr gleichmäßig fein gegliedertes
Aussehen unterstrich und damit die edle Abstammung, der sie sich
rühmen konnte.
Ihr von vollen roten Lippen eingerahmter Mund offenbarte eine
Doppelreihe perlweißer Zähne, die nicht den Hauch einer Abnutzung
oder Verfärbung zeigten. Das kam in Kreisen des Adels seltener
vor, weil die Angehörigen dieser Klasse gewissen Genüssen
übermäßig zugeneigt waren. De’Soto war sich sicher, dass sie für
ihr makelloses Aussehen bestimmte wenn auch teure Schönheitszauber
benutzte. Darüber erblickte er die vollkommenste Nase,
die er je bei einer Frau gesehen hatte. Sie passte einfach perfekt
in dieses Gesicht. Kühn und edel geformt, nicht zu groß oder
zu breit, verlieh sie ihr das gewisse Etwas. Ihre Miene trug einen
kraftvollen Ausdruck, der noch durch ein Paar grüner Augen verstärkt
wurde, die allerdings für seinen Geschmack eine Winzigkeit
zu weit auseinander standen.
Ein diesen Augen innewohnender Schimmer zog unweigerlich
jeden in den Bann, der zu lange hineinschaute und sich in ihnen
verlor. Obwohl ein solcher Austausch tiefer Blicke bei ihr zu den
eher seltenen Vorkommnissen zählte, wie er ihrer Akte entnommen
hatte. Denn im Umgang mit Menschen verhielt sich die schöne
Frau eher scheu und zurückhaltend. Sie nahm sich in den ganzen
Jahren der Suche nach ihrer Tochter keinen festen Gefährten und
nur gelegentlich durfte ein Liebhaber ihr Lager teilen. Doch leider,
Neptun sei es geklagt, gehörte er nicht zu den Auserwählten, dem
diese Ehre und Lustbarkeit zuteil geworden war.
Überhaupt, fiel ihm nach kurzer Überlegung ein, erhielt nie
ein Angehöriger des Tempels je ihre Gunst. Abgesehen von ihrem
Ex-Mann Fürst Ramoris, doch dies war eher der Familienpolitik
geschuldet als wahrer Liebe. Am auffälligsten war jedoch ihr
kupferfarbenes Haar, das in einer fülligen lockigen Mähne über
den halben Rücken fiel und im immer noch