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Wolf übernimmt: Ferdinand Wolfs 1. Fall
Wolf übernimmt: Ferdinand Wolfs 1. Fall
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eBook229 Seiten3 Stunden

Wolf übernimmt: Ferdinand Wolfs 1. Fall

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Über dieses E-Book

In der Vergangenheit hat Ferdinand Wolf Regierungen in Sicherheitsfragen beraten, so zumindest die offizielle Umschreibung seiner Tätigkeit. Quer über den Globus war er in verschiedenster Mission eingesetzt. Er wurde gerufen, wenn es heikel und gefährlich war. Nicht selten musste er unzählige Gesetze übertreten, um zu erreichen, wofür er gesandt wurde. Doch Wolf will sich aus der Branche zurückziehen und nimmt sich vor, nur noch Aufträge anzunehmen, die ihn wieder besser schlafen lassen. Keine Regierungsaufträge, kein Militär.
Jetzt wird er engagiert, den Hintergrund bedrohlicher Fotos vom Sohn eines Politikers zu recherchieren. Was wie ein Schulbubenstreich beginnt, führt Wolf in ein Labyrinth korrupter Machenschaften mitten in der Krise, verursacht durch ein todbringendes Virus, was die ganze Welt lahmlegt. Im Sog der Verwicklungen muss Wolf um das Leben seiner Liebsten kämpfen, indem er entgegen seinen Vorsätzen wieder gesetzlichen Graubereich betritt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum26. Okt. 2021
ISBN9783754174111
Wolf übernimmt: Ferdinand Wolfs 1. Fall
Autor

Robert Mayer

Robert Mayer absolvierte ein MBA Studium mit Schwerpunkt Internationales Management in London, Paris, Mailand, Barcelona und St. Gallen. Er war in der internationalen Hotellerie und später für eine Unternehmensberatung tätig. Seit über zwanzig Jahren betreut er vermögende Privatkunden im Private Banking. Er ist verheiratet und lebt in der Schweiz. Wolf übernimmt ist sein erster Roman aus der Wolf-Reihe.

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    Buchvorschau

    Wolf übernimmt - Robert Mayer

    Anmerkung

    Sämtliche agierenden Personen, Unternehmen, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Parallelen zu Begebenheiten im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie liegen auf der Hand, sind aber nicht als Schuldzuweisungen zu verstehen. Der Roman ist reine Fiktion.

    Der Auftrag

    Es blieb ihm gar nichts anderes übrig. Er hatte ihm keine andere Wahl gelassen. Er selbst hätte gerne mitgespielt. Aber er wollte ihn nicht dabeihaben. Und jetzt mussten sie alle dafür bezahlen. Viel bezahlen.

    Thomas Winter hatte ihnen ein Ultimatum gestellt. Er nahm sie sich einer nach dem anderen vor. Dem ersten gab er fünf Tage Zeit, die Summe aufzubringen. 4000 Maple Leaf Ein-Unzen-Goldmünzen, das war sein Preis. Sein Preis dafür, dass er sie weitermachen ließ und seinen Mund hielt. Dafür, dass er verschwinden würde. Er hatte nicht lange darüber nachgedacht, ob es klug war, Gold zu verlangen. Aber die Summe schien ihm gerechtfertigt zu sein. Immerhin war er seit dreizehn Jahren im Team. Seine Loyalität wurde immer als selbstverständlich angesehen und dabei wurde er so kaltblütig hintergangen. Wurde er einfach nur für dumm gehalten? Jetzt würde er den Spieß umdrehen und abrechnen. Diese Arroganz durfte nicht unbestraft bleiben. Er würde auf beiden Seiten abkassieren. Da war ja keiner besser als der andere.

    Beringer hatte das Unternehmen vor fünfundzwanzig Jahren übernommen. Die Stahl Sicherheits AG war von Anton Stahl zu einem in der Region anerkannten Unternehmen aufgebaut worden, welches Gebäudesicherung durch Wachpersonal anbot. Fünfundzwanzig Jahre später bot die Steel Security Corporation ein viel weiteres Dienstleistungsspektrum an: Sicherheitsberatung, Bewachungsdienst von Personen, Gebäuden, betrieblichen Abläufen, Transporten und bei Events, Installation von Alarmsystemen, deren Überwachung und Intervention im Alarmfall bis hin zur diskreten Lagerung im Tresor und Risikomanagement.

    Die Bezeichnung Risikomanagement gefiel Beringer. Im Grunde war das nichts anderes als das Spiel mit der Angst. Ohne Angst kein Sicherheitsbedürfnis. Das war nicht Sarkasmus, es war reines Geschäftskalkül, sein Geschäftsmodell. Sicherheit zu verkaufen war für Beringer so, wie einem kleinen Kind eine Gutenachtgeschichte zu erzählen. Er tat etwas Gutes. Er beruhigte die Menschen, die seine Kunden waren und verhalf ihnen zu einem ruhigen Schlaf.

    Als Beringer bei Anton Stahl als Wachmann anfing, hätte er sich diese Entwicklung nicht im Traum vorstellen können, weder die des Unternehmens und noch viel weniger seine eigene. Er wollte einfach für ein paar Monate Geld verdienen, um dann Südamerika zu bereisen. Sein IT-Studium hatte er abgebrochen, hatte ganz einfach die Nase voll und wollte nur noch weg. Weg von den Hörsälen, weg von den Büchern und Skripten, weg von Computerprogrammen und weg von ihr.

    Bei seinen nächtlichen Wachdiensten von Firmenarealen hatte er viel Zeit nachzudenken. Zu viel Zeit nachzudenken, denn er wollte sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen, er wollte vergessen. Also dachte er an seine Reise, brachte Bücher über Argentinien und Brasilien mit, Reiseführer und Karten. Er musste ja nicht die ganze Dienstzeit die Firmengebäude ablaufen, meistens saß er in der Sicherheitszentrale und hielt ab und zu die Bildschirme im Auge, überwachte die Alarmsysteme und je nach Unternehmen, in denen er gerade eingesetzt wurde, machte er nach einem streng einzuhaltenden Plan seine Rundgänge. Da blieb viel Zeit, um seine Reise zu planen quer über den Kontinent, der ihm in dem Moment am weitesten weg vorkam. Denn er wollte ja weg.

    Jakob Beringer las die Reisetagebücher des legendären Che Guevara, welche dieser schrieb, bevor er zum marxistischen Revolutionär und Guerillaführer wurde. Er dachte darüber nach, dessen Route selbst mit dem Motorrad abzufahren. Diesen Plan hatte er aber bald wieder verworfen, da er seine eigene Route planen wollte. Er wollte seinen eigenen Weg gehen und niemandem mehr folgen. Nicht nachdem was er mit ihr erlebt hatte. Zu tief saß noch der Schmerz der Enttäuschung, des Verrats. Nur ein paar Monate wollte er den Anweisungen und Dienstvorschriften von Anton Stahl Folge leisten und dann abhauen. Doch es kam anders.

    Anton Stahl fiel sofort auf, dass der junge Studienabbrecher, der hier nur ein bisschen jobben wollte, besondere Fähigkeiten besaß. Der großgewachsene, gutaussehende junge Mann hatte dieses Funkeln in den Augen, das ihn an seinen Sohn erinnerte. Es waren gemischte Gefühle, die ihn überkamen, als er das Einstellungsgespräch führte. Sein Sohn Clemens war erst zwei Jahre zuvor an Krebs gestorben. Noch immer bereute er, dass er der Chemotherapie zugestimmt hatte. Mit Flammenwerfern gegen Unkraut vorzugehen, war für ihn damals schon unverständlich. Danach war der ganze Garten kaputt, und was als erstes wieder kam, war das Unkraut. So auch bei dieser brutalen Therapie. Clemens’ Immunsystem wurde schon in der Minute niedergeprügelt, als man ihm die Diagnose mittelte. Lungenkrebs. Das hatte wie eine Bombe eingeschlagen und alle Abwehrkräfte paralysiert. So kam es ihm zumindest vor, denn Clemens war von dieser Minute an krank, todkrank, das war ja auch die Diagnose. Die Tortur der Chemotherapie und der Bestrahlungen hätte er ihm so gerne erspart. Natürlich, er war sein Vater. Welcher Vater würde nicht alles für die Gesundheit seines Sohnes tun. Aber es war nicht in seiner Macht und er hatte den Ärzten vertraut. Wie das alle machen nach so einer Diagnose.

    Mit Clemens’ Tod war auch in ihm etwas gestorben. Vorher ging er in seiner Arbeit auf, er hatte die Stahl Sicherheits AG aufgebaut und hatte es zu Wohlstand gebracht. Aber jetzt hatte er keine Kraft mehr, er wollte nicht mehr und suchte nach einem Käufer, er war ja auch schon zweiundsechzig.

    Einstellungsgespräche führte er grundsätzlich immer selbst, denn er verkaufte Sicherheit und der größte Risikofaktor waren nun mal seine Mitarbeiter. Seine Menschenkenntnis hatte ihn nie getäuscht und daher überließ er nie anderen die Entscheidung, wer für die Stahl Sicherheits AG arbeiten würde. So hat es ihn auch nicht allzu sehr überrascht, dass eines Morgens Jakob Beringer nach einer Nachtschicht vor seinem Büro gewartet hatte, um ihm ein neu ausgearbeitetes Sicherheitskonzept für die Alpha Packing Group vorzustellen. Beringer hatte zwei Monate dort Dienst getan und hatte seine Reisepläne längst verworfen, da er beschlossen hatte, einfach drauf los zu fahren, sobald er genug Geld beisammen hätte. Er wollte ein Abenteuer und keine vorgegebene Tour abfahren, auch nicht eine, die er selbst vorgab. Also hatte er unzählige Stunden Zeit und erkannte, dass die Arbeitsabläufe absolut ineffizient waren und kam sehr schnell auf ein für ihn naheliegendes Konzept.

    Stahl begriff erst während des Vortrags des jungen Burschen, dass das Konzept nicht für die Alpha Packing Group war, sondern für das gesamte Einsatzgebiet der Stahl Sicherheits AG. Ihm wurde klar, dass er in seinem Unternehmen viel zu lange damit gewartet hatte, zu modernisieren. Gerade in seiner Branche, wahrscheinlich in jeder Branche, war es essentiell, den technologischen Fortschritt in allen Prozessen des Unternehmens miteinzubeziehen. Aber jetzt leuchtete es auch ihm ein, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er vom Mitbewerb verdrängt werden würde, wenn er nicht umgehend reagierte. Er hatte viel zu lange dieselben Abläufe durchführen lassen. Für ihn war die Sicherheit, die er verkaufte, ausschlaggebend. Die Abläufe wurden zwar angepasst, um später erkannte Sicherheitslücken zu schließen, viel zu selten jedoch, sie effizienter und dadurch für ihn lukrativer zu gestalten. Dieser Grünschnabel hatte nach nur zwei Monaten erkannt, was keiner seiner Abteilungsleiter und nicht einmal Reto Gruber, sein Cheftechniker, erkannt hatte. Er selbst hatte wohl auch zu wenig technisches Verständnis, um mit den schnellen Veränderungen der technischen Möglichkeiten Schritt halten zu können. Das Konzept war so simpel, dass es jedem peinlich war, nicht selbst darauf gekommen zu sein. Dies war wohl ein eindrückliches Beispiel für ausgeprägte Betriebsblindheit. Zudem war damals vor mittlerweile fünfundzwanzig Jahren das Anforderungsprofil seiner Mitarbeiter weniger technischer Natur.

    Im Wesentlichen ging es darum, die Überwachungssysteme der verschiedenen Unternehmen von der Zentrale der Stahl Sicherheits AG aus zu überwachen. Heute kann man sich ein Kameraüberwachungssystem selbst installieren und sich jederzeit von überall mit seinem Smartphone einwählen. Solche Systeme kann man heutzutage überall um ein Taschengeld erwerben. Damals jedoch war Datenübertragung über das Internet unglaublich langsam und vor allem für jedermann einsehbar, vorausgesetzt, jedermann kannte sich ein bisschen damit aus. Anton Stahl kannte sich nicht damit aus.

    Beringer hatte während seines IT-Studiums an einem Forschungsprojekt für ein Datenübertragungssystem mitgearbeitet, das so leistungsstark war, dass es auch für Kameraübertragung einsetzbar sein müsste, und was das Ausschlaggebende für die Stahl Sicherheits AG war, auch sicher, das heißt, für niemanden sonst einsehbar war.

    Stahl ließ unter der Anleitung von Beringer ein Kameraüberwachungssystem, welches über Standleitung mit der Stahl Sicherheits AG verbunden wurde von seinem Kamerasystem-Lieferanten ausarbeiten. Es wurde ein gemeinsames Patent entwickelt und ein Exklusivrecht vereinbart. Heute gehört das Unternehmen zur Steel Security Corporation und beliefert weltweit Sicherheitsunternehmen.

    Es dauerte über ein Jahr, bis das System marktreif war, um es mit dem Sicherheitsanspruch, den Anton Stahl seinen Kunden versprach, verkauft werden konnte und in das Dienstleistungspaket der Stahl Sicherheits AG integriert werden konnte. Die Effizienzsteigerung war immens. Es musste kein Wachpersonal mehr unzählige Stunden in den einzelnen Unternehmen sitzen und Bildschirme beobachten, dies wurde nun von einer Zentrale erledigt. Die stündlichen oder in anderen Perioden vereinbarten Kontrollgänge der Wachleute wurde von einem Springerteam, später von mehreren Teams erledigt, welche von Unternehmen zu Unternehmen fuhren. Die Routen und Zeitpläne wurden an jedem Tag unterschiedlich festgelegt.

    Beringer war so in dieses Projekt involviert und von seiner neuen Aufgabe eingenommen, dass er seine Reise einfach auf später verschoben hatte. Ein Jahr später hatte ihm Stahl die Leitung des Unternehmens und eine Teilhaberschaft angeboten und sich selbst in den Ruhestand zurückgezogen. Wie sich Jahre später herausstellte, hat diese Entscheidung beide, Stahl und Beringer reich gemacht. Den Plan mit der Motorradreise quer durch Südamerika hatte Beringer allerdings auch fünfundzwanzig Jahre später noch nicht verwirklicht. Der Grund für den sich später einstellenden Reichtum war natürlich nicht nur die Effizienzsteigerung durch die Zentralisierung des Kameraüberwachungssystems. Auch die rasante Ausweitung des Leistungsangebots der Stahl Sicherheits AG, die nach der späteren Mehrheitsübernahme von Beringer in Steel Security Corporation umbenannt wurde, half dabei. Der eigentliche Auslöser für den späteren Erfolg aber war sie. Durch sie kam er zu einem unerwarteten zusätzlichen Betätigungsfeld, das Beringer über all die Jahre perfektioniert hatte und ihm zu Reichtum und viel Einfluss verhalf. Aber dazu später.

    Die Steel Security Corporation war in den ersten zehn Jahren, seitdem er die Leitung übernommen hatte, rasant angewachsen. Es war leicht zu erkennen, dass immer, wenn in einer Region die Zahl der Einbrüche anstieg, etwas später auch seine Umsätze anstiegen. Beringer fand einen Weg diesen Zusammenhang zu intensivieren. Angst vor zunehmender Kriminalität tat seinem Geschäft gut. In Zusammenarbeit mit der Polizei erarbeitete er Sicherheitskonzepte für Gebäude des öffentlichen Dienstes, die für so sicherungswürdig gehalten wurden, dass sie mit Alarmanlagen ausgestattet werden sollten. Es wurden gemeinsame Schulungen organisiert, um die Kooperation zwischen Alarmsystem und Polizeieinsatz zu optimieren. Später wurde diese Zusammenarbeit auf weitere Einsatzgebiete der Steel Security Corporation ausgebaut. Bei diesen Schulungen waren immer die Sales Manager der jeweiligen Region vorort. Deren Aufgabe war es, bei diesen Schulungen Polizisten zu identifizieren, die an der Bearbeitung beziehungsweise der Aufklärung von Einbruchsdelikten tätig waren und an einer Provision interessiert waren, für die Tippgebung, an den jeweiligen Sales Manager der Steel Security Corporation, wo der letzte Einbruch stattfand. Durch die offizielle Kooperation der Polizei mit der Steel Security Corporation bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Sicherheitskonzepten empfand der jeweilige Polizist diese Weitergabe von Information als absolut in Ordnung. Er würde sein Einkommen mit einer ehrlichen Dienstleistung aufbessern. Der Aufwand für ihn war minimal und das Einbruchsopfer fühlte sich mit einer neuen Alarmanlage in seinem Heim schneller wieder sicher. Und nachdem die Polizei und somit der Staat mit der Steel Security Corporation zusammenarbeitete, warum sollte er dieses Unternehmen dann nicht auch an ein Einbruchsopfer weiterempfehlen? Es war ganz klar eine Win-Win-Situation.

    Ralf Sommer stellte seinen Jaguar E-Type Baujahr 1976 in der Einfahrt ab und ging über den Rasen zur Terrasse. Natürlich hätte er ihn auch gleich in die Garage stellen können, aber er liebte es, ihn immer wieder zwischendurch aus dem Fenster von seinem Schreibtisch oder von der Küche aus zu betrachten. Es störte ihn auch nicht im Geringsten, wenn Spaziergänger ihren Schritt verlangsamten und den auf Hochglanz polierten Lack in british racing green genauer in Augenschein nahmen. Nur Kenner nannten die Mattierungen an manchen Stellen des Originallacks ehrfürchtig anerkennend Patina, Dilettanten hingegen waren der Meinung, er brauche eine neue Lackierung. Heute würde allerdings niemand Fremder vorbeispazieren, sie hatten die Quartiersstraße aus aktuellem Anlass zur Sicherheit gesperrt. Nur Anwohner durften nach deren Kontrolle passieren.

    Den Weg über den Rasen zur Terrasse nahm er an schönen Sommertagen eigentlich immer, wenn er wusste, dass Isabella zu Hause war. Der 12-Zylinder machte den Überraschungseffekt natürlich zunichte aber mit einem lautlosen Tesla anzuschleichen, kam für ihn nicht in Frage. Auch wenn er das in der Öffentlichkeit nie zu äußern wagte, diese Elektromobilität war ihm so was von zuwider. Eunuchenkarre, Drehmoment und Beschleunigungswerte hin oder her, aber ein richtiger Mann wollte das Gurgeln von hochzylindrigen Motoren hören und das dazugehörige Vibrieren spüren und am liebsten auch noch selbst schalten, er auch gerne mal mit Zwischengas. Wer weiß, wie lange ihm das Vergnügen noch vergönnt bliebe, wenn der ganze Klimawahn so weiter ging. Immerhin stand er in der Öffentlichkeit.

    Isabella rekelte sich auf dem Liegestuhl im Schatten unter der Pergola und las eines ihrer Yogabücher. Innerlich verdrehte er immer die Augen, wenn sie ihm neue Entspannungstechniken beschrieb und lobte dennoch brav ihren erweiterten Horizont. Wie er diesen Mist hasste. „Toll Schatz, werde ich demnächst unbedingt auch mal versuchen." Er blieb stehen, gab ihr einen Kuss und während sie weiterlas, betrachtete er ihren noch immer makellosen Körper. Manchmal beobachtete er sie durchs Fenster von seinem Arbeitszimmer aus, wenn sie im Pool schwamm und dann aus dem Wasser stieg und sich, ohne abzutrocknen auf der Teakbank in die Sonne legte. Die Wassertropfen reflektierten das Licht wie Kristalle. Sie war noch immer so schön, wie damals als er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

    Damals hatte er eine kurze Ansprache in der monatlichen Sitzung ihrer Studentenverbindung gehalten und sich allgemeinen Applaus und dadurch auch Isabellas Aufmerksamkeit eingeheimst. Es war die letzte Sitzung in diesem Jahr, im Dezember 1993. In seiner Rede hatte er geschickt ein paar Details der aktuellen Schlagzeilen aus der Presse erwähnt. Im Grunde hatte er nichts gesagt. Er erwähnte, dass er es bemerkenswert fand, dass sich der PLO-Führer Jassir Arafat und der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin in Washington an einen Tisch gesetzt haben, was ihm Hoffnung gab für den baldigen Frieden im Nahen Osten, und dass es in Deutschland noch nie so viele Rücktritte von Politikern gab wie in diesem Jahr. In der U-Bahn hatte er den Jahresrückblick der FAZ überflogen, die er im Café Blühm mitgehen ließ. Er verstand es, mit ein paar Stichworten eine mitreißende Rede aus dem Stegreif zu halten, ohne tatsächlich Stellung zu nehmen. Denn in Wahrheit war ihm der Frieden im Nahen Osten egal. Ehrlicher wäre gewesen, er hätte über den Sieg von Steffi Graf in Wimbledon oder den Tod von Frank Zappa gesprochen, denn Bobby Brown konnte er auswendig und seine Worte hätten so zumindest einen Funken Authentizität gehabt. Das aber bemerkte keiner der Anwesenden. Political Correctness war damals schon angesagt, nur nannte es damals noch keiner so. Er hatte jedenfalls das Publikum im Griff, damals schon. Und dann war da plötzlich Isabella. Sie war so herrlich naiv und unglaublich enthusiastisch in ihren stundenlangen Diskussionen, und in voller Überzeugung rief sie die Parolen ihrer Studentenbewegung auf den Demonstrationen. Dafür beneidete er sie, denn er wäre so gerne überzeugt gewesen, wovon auch immer. Er hatte nur eines im Sinn, er wollte im Mittelpunkt stehen und wollte die Zustimmung der anderen. So hatte er sehr schnell Antennen entwickelt, was gerade Trend war und wie am meisten Zuspruch zu bekommen war. Das war das Fundament seiner steilen Karriere in der Politik. Mehr war nicht dahinter.

    Er stand am Fenster und beobachtete wie Isabella von der Teakbank aufstand und rüber zur Pergola ging. Sie war jetzt trocken. Auch ihr Bikini dürfte nun trocken sein. Sie bewegte sich so geschmeidig über den Rasen und ihre Haut hatte einen so gesund wirkenden Teint, dass er kaum glauben konnte, dass sie nur drei Jahre jünger war als er. Vielleicht sollte er es doch auch einmal mit Yoga versuchen. Er spürte eine Andeutung einer Erektion in seiner Hose. Sie hatten schon länger keinen Sex mehr gehabt. Auch heute würde es nicht dazu kommen, denn er musste sich um sein Problem kümmern. Er musste das möglichst schnell vom Tisch kriegen, denn er wollte sie nicht verlieren. Nichts wollte er verlieren, weder den Parteivorsitz noch sein privilegiertes Leben und auf gar keinen Fall Isabella und Felix.

    Er hatte den Kontakt von Alfred erhalten, auf ihn hatte er sich immer verlassen können. Er verdankte ihm viel, vertraute ihm. Also nahm er das Telefon und rief die Nummer von Wolf Solutions an. Und dann musste er es irgendwie Isabella beibringen.

    Ferdinand Wolf war gerade im Begriff sein Boot zu besteigen und wollte vor dem Sonnenuntergang nochmals raus auf den See als er den Anruf entgegennahm. Er

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