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Du kannst ihm nicht vertrauen...
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eBook248 Seiten3 Stunden

Du kannst ihm nicht vertrauen...

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Über dieses E-Book

Bei den Ermittlungen zu zwei ungewöhnlichen Selbstmorden stoßen die Mühldorfer Kriminalbeamten auf das Vorstrafenregister des Leiters eines Jugendheimes.
Wie kam der Mann an diesen Job?
Was steckt hinter der Familie Amann, die Träger des Jugendheimes ist?
Dann kommt heraus, dass die beiden Opfer für die Amanns gefährliche Kurierdienste für die Umsetzung eines ungeheuerlichen Plans übernommen haben…
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum2. Juli 2020
ISBN9783752906271
Du kannst ihm nicht vertrauen...
Autor

Irene Dorfner

Irene Dorfner - Die Autorin wurde 1964 in Reutlingen/Baden-Württemberg geboren und ist auch dort aufgewachsen. Die gelernte Großhandelskauffrau lebt seit 1990 mit ihrer Familie in Altötting/Bayern. 2013 hat sie ihren ersten Krimi veröffentlicht, kurz darauf erschien der nächste Fall. Seitdem widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben von Krimis/Thriller. Aus der Leo-Schwartz-Reihe sind bisher 30 Fälle erschienen - und ein Ende ist nicht in Sicht...

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    Buchvorschau

    Du kannst ihm nicht vertrauen... - Irene Dorfner

    Copyright

    Copyright © 2020 Irene Dorfner

    All rights reserved

    Lektorat: FTD-Script, Altötting,

    EarL und Marlies Heidmann, Erkelenz

    VORWORT

    Man ist nicht bloß ein einzelner Mensch, man gehört einem Ganzen an!

    Theodor Fontane

    Ich wünsche meinen Lesern und Leo-Schwartz-Freunden ganz viel Spaß bei diesem neuen Kriminalfall!!

    Passt auf euch auf!!

    Herzliche Grüße aus Altötting,

    Irene Dorfner

    ANMERKUNG:

    Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

    …und jetzt geht es auch schon los:

    1.

    „Wenn das mit den Corona-Beschränkungen so weitergeht, muss noch mehr Geld aus privaten Kanälen zugebuttert werden. Die Sparmaßnahmen greifen nicht, wir verbrauchen immer noch zu viel Geld. Außerdem werden unsere Freunde in Argentinien langsam unruhig."

    Die Versammlung in diesem feudalen Umfeld war unwirklich. Männer und Frauen saßen zusammen und diskutierten über die gegenwärtige Situation und darüber, wie es weitergehen sollte. Sie wurden flankiert von Leuten in Phantasieuniformen, von denen auch das gesamte Areal und dieses Zimmer bewacht wurde. Niemand sollte stören und niemand sollte mitbekommen, was hier besprochen wurde. Größere Menschenansammlungen waren von der Bundesregierung aufgrund der Corona-Pandemie seit Wochen verboten, was hier niemanden interessierte. Die Männer und Frauen hatten ihre eigenen Gesetze und hielten sich nicht an das, was von der Bundesregierung vorgegeben wurde, da sie die nicht anerkannten. In ihren Augen gab es kein Deutschland in der aktuellen Form. Das war nur eine Übergangsregierung, die im Sinne der Siegermächte des zweiten Weltkrieges geleitet wurde und in der nur deren Wünsche vertreten wurden. Das lehnte diese Gruppe, die sich die „Amanns" nannte, grundlegend ab. Die Amanns, die aus aktuell sechsundfünfzig Leuten bestand, lebten auf einem Areal in der Nähe des oberbayerischen Pleiskirchens selbstbestimmt und nach ihren eigenen Regeln. Niemand hier gab etwas auf das Leben, die Gesetze und Vorschriften, die außerhalb ihres Gebietes galten. Hier hatten nur sie allein das Sagen, womit sie immer wieder auffielen und mit den Gesetzeshütern aneinandergerieten. Das Grundstück gehörte der Familie Amann und die übernahm auch einen großen Teil aller anfallenden Kosten, die nicht unerheblich waren. Schon allein die Sicherheitsmaßnahmen, die aufgrund der Inakzeptanz der Bevölkerung und des Staates notwendig waren, verschlangen Unsummen. Dazu kamen Kindergarten, Schule, Sporthalle und weitere Gemeinschaftseinrichtungen, die ebenfalls nicht günstig waren. Den größten Teil verschlangen aber die Neubauten, an denen mit Hochdruck gearbeitet wurde. Trotzdem hielt man an dem fest, was hier seit über dreißig Jahren aufgebaut wurde und was stetig wuchs: Ein eigener Staat im Staat. Das war einer der Träume des verstorbenen Xaver Amann, dem man hier an allen Ecken gedachte. Es gab kein Haus, in dem nicht mindestens ein Bild von ihm hing. Die Zentrale war das herrschaftliche Anwesen der Witwe Gudrun Amann, wo auch der Sohn Harald lebte – und hier wurden auch die Versammlungen abgehalten, die von einem engen Freund des verstobenen Xaver Amann, Rolf Leidhat, wie immer geleitet wurden. Da Gudrun Amann sich zurückhielt und nur selten zu sehen war, war Leidhat derjenige, der das Zepter in der Hand hielt und der der eigentliche Chef war.

    „Wir sind so kurz vorm Ziel, wir müssen durchhalten", sagte einer derjenigen, der von Anfang an dabei war und den verstorbenen Xaver Amann noch persönlich gekannt hatte. Für alle, die erst später dazukamen, waren diese Leute etwas ganz Besonderes, weshalb man ihnen mit Hochachtung entgegentrat.

    „Aus dem Amann-Vermögen gibt es bereits seit Wochen erhebliche Zuschüsse, was aber nicht die Norm sein darf."

    „Wann werden die Corona-Einschränkungen aufgehoben? Hast du etwas gehört?"

    „Es kann nicht mehr lange dauern, die Bundesregierung kann uns ja nicht ewig am Gängelband führen. Flüge zu unseren Freunden werden sicher demnächst wieder stattfinden, da bin ich mir sicher. Bis wieder Unterstützung aus Argentinien eintrifft, müssen wir versuchen, es aus eigener Kraft zu schaffen."

    Es gab allgemeine Zustimmung, auch wenn man nicht wusste, wie das zu stemmen sein sollte. Viele Mitglieder der Gruppe gingen ganz normaler Arbeit nach und gaben von ihrem Lohn einen großen Teil ab, was für alle selbstverständlich war. Das funktionierte normalerweise gut und man musste nur wegen großer Anschaffungen oder außergewöhnlichen Ausgaben bei der Familie Amann vorsprechen und um Zuschuss bitten. Aber die momentane Lage war nicht die Norm, was dem Corona Shut-Down zu verdanken war, den die Bundesregierung angeordnet hatte und was bei der ganzen Gruppe mit Unverständnis und jeder Menge Wut zur Kenntnis genommen wurde. In vielen Firmen gab es Kurzarbeit, was die Löhne deutlich schmälerte und somit auch die Zahlungen in den großen Topf immer weniger wurden. Der Hass auf die Bundesregierung wurde durch diese krassen und für alle nicht nachvollziehbaren Maßnahmen nur noch gesteigert. Aber was sollten sie tun?

    „Wir müssen an den Häusern für unsere Freunde weiterbauen. Wie stehen wir denn da, wenn sie zu uns kommen und dann kein Dach über dem Kopf haben?"

    Wieder gab es Zustimmung. Alle waren derselben Meinung. Auch wenn das Geld für das Baumaterial zu Ende ging, musste es weitergehen. Aber wie?

    „Wie geht es unseren Freunden in Argentinien?", unterbrach eine Frau die Sorge ums Geld.

    „Die sind noch schlechter dran wie wir. Die dortige Lage ist immer noch unübersichtlich. Zum Glück wurden unsere Freunde vom Corona-Virus verschont."

    „Steht die Ausreise?"

    „Bis jetzt spricht nichts dagegen. Auch in Argentinien liegt das Leben brach und dort funktioniert nichts mehr. Trotzdem sind wir zuversichtlich, dass sich die Lage in den nächsten Wochen beruhigt und bis zum ersten Juli die Ausreisen wie geplant starten können."

    „Dieser Virus wurde doch gezielt eingesetzt, um die Bevölkerungszahl zu minimieren", rief einer, worauf sofort Beifall folgte.

    „Es gibt zu viele Menschen auf der Erde und auf diese Art will man einen Großteil der Menschen eliminieren."

    Es entbrannte eine heftige Diskussion, in der sich aufgestaute Wut entlud. Rolf Leidhat musste einschreiten.

    „Ich bitte darum, nicht noch einmal eine solche Diskussion zu führen. Es geht heute nur darum, wie es bei uns weitergehen soll. Wie können wir unsere Kosten weiter senken? Wie können wir unsere Finanzen aufstocken?"

    Es folgte Schweigen, da keiner eine Ahnung hatte, wie man die augenblickliche Situation verbessern könnte.

    „Wenn wir das Sicherheitspersonal reduzieren?"

    „Nein, das ist keine gute Idee. Die Bevölkerung hat sowieso schon etwas gegen uns. Wenn die merken, dass wir weitgehend ungeschützt sind, wird es Übergriffe geben. Nein, das Sicherheitskonzept steht und bleibt." Rolf Leidhat selbst hatte nach einem unschönen Vorfall vor drei Jahren das Sicherheitskonzept entwickelt, das sehr viel Geld gekostet hatte und immer noch kostete. Der Zaun und die vielen Kameras rund um das ganze Areal waren wichtig und mussten bleiben – ebenso das Sicherheitspersonal, das aus vierundzwanzig Personen bestand. Leidhat hatte es geschafft, dass mehr als die Hälfte dieser Leute der Gruppe beigetreten war, was ihm sehr viel Lob von Seiten der Familie Amann einbrachte.

    Wieder folgte Schweigen.

    „Wir könnten unseren Schmuck und Wertgegenstände verkaufen, sagte eine unscheinbare Frau, die sich sonst nur selten zu Wort meldete. „Der Goldpreis ist momentan sehr hoch.

    „Gute Idee, Franziska. Seid ihr alle dafür, dieses Opfer für unsere Gruppe und unsere Freunde zu bringen?"

    Alle stimmten zu, auch wenn viele nicht begeistert waren, da der eigene Schmuck bis dato zur Sicherheit diente. Darüber hinaus hingen an einigen Stücken Erinnerungen, die man jetzt weggeben musste. Die Gruppe ging nach Hause und kam mit allem, was sie zum Wohle der Gemeinschaft entbehren konnte, wieder zurück. Es stapelten sich Wertgegenstände und einiges an Schmuck auf dem Tisch, was geprüft und in eine Liste eingetragen wurde.

    „Das reicht für die nächste Materialbestellung. Ich danke euch, auch im Namen von Gudrun Amann." Leidhat erwähnte Harald mit keinem Wort, was niemanden verwundert. Der Sohn der Witwe Amann wurde innerhalb der Gruppe nicht ernst genommen, wofür vor allem Rolf Leidhat gesorgt hatte. Der verwöhnte Spross war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen, denn er teilte die Ansichten und Träume seines verstorbenen Vaters nicht, sondern eckte mit seinen Kommentaren und Vorschlägen überall an. Leidhat hatte es geschafft, sogar Gudrun auf seine Seite zu ziehen, indem er immer wieder gegen Harald wetterte und ihn diffamierte. Gudrun war leicht zu beeinflussen, sie dachte längst wie Leidhat und vermied es, mit ihrem Sohn über die Gruppe zu sprechen. Sobald die Sprache darauf kam, wiegelte sie ab und änderte das Thema. Auch für sie war es besser, ihn weiterhin außen vor zu lassen und nicht mit internen Angelegenheiten zu betrauen. Leidhat war es gelungen, Harald in den letzten Jahren zu beschäftigen und auf Distanz zu halten – und das musste auch so bleiben.

    2.

    Vier Wochen später.

    Katharina Oberwinkler hielt den Druck nicht mehr aus. Sie sah keine andere Möglichkeit, als auf diesem Weg dem ganzen Wahnsinn zu entfliehen. Über das, was mit ihr geschah, hatte sie längst keine Kontrolle mehr – und gegen die, die ihr Leben bestimmten, konnte sie sich nicht wehren. In den letzten Wochen hatte sie aufgrund der Corona-Krise Ruhe gefunden, aber damit war es jetzt wieder vorbei. Die Lockerungen katapultierten sie wieder in das zurück, womit sie nichts mehr zu tun haben wollte. Je mehr Zeit verstrich, desto tiefer hatte sie sich in Dinge verstrickt, die sie nie für möglich gehalten hätte. Wenn sie sich doch nur jemandem anvertrauen könnte! Aber sie hatte niemanden, sie war völlig allein mit ihrer Schuld und ihrem schlechten Gewissen. Es gab nur Simone - und die war in derselben Situation wie sie. Katharina hatte schon vor Tagen realisiert, dass sie nur zwei Möglichkeiten hatte: Entweder ergab sie sich ihrem Schicksal und machte weiter, oder sie setzte dem Ganzen endlich ein Ende. So oder so, sie musste sich entscheiden, bevor sie noch wahnsinnig wurde. Und sie hatte sich für diesen Weg entschieden, von dem es kein Zurück mehr gab. Der Schlafentzug und die Tabletten taten ihr übriges. Diese verdammten Tabletten! Sie konnte nicht mehr ohne sie leben, sie war längst abhängig. Wenn sie die doch nur nie angenommen hätte!

    Jetzt stand sie auf dem Gebäude ihrer Schule. Es war noch früh, alles war ruhig und friedlich. Sie hatte den frühen Morgen immer geliebt. Es war Mitte Juni und trotz der Trockenheit der letzten Wochen war es noch sehr frisch. Aber das störte sie nicht. Sie hatte sich sehr lange mit ihrer Situation auseinandergesetzt und hatte es sich mit ihrer Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie war ein anständiges Mädchen, das immer tiefer in einen Sog gezogen wurde, aus dem sie längst nicht mehr herauskam. Wie war es nur so weit gekommen? Es gab Warnsignale, die sie nicht beachtet hatte. Für eine Umkehr war es längst zu spät. Sie war am Ende und konnte nicht mehr. Was hätte aus ihr alles werden können? Sie war nicht dumm und hatte Pläne gehabt, an die sie schon lange nicht mehr glaubte. Ob sie einen Mann gefunden hätte? Hätte sie Kinder gehabt? Wäre sie eine gute Mutter, eine bessere als ihre eigene geworden? Sie würde es nie erfahren. Das war ihr in der Zeit, in der sie hier auf dem Dach stand, klargeworden. Den Weg, den sie vor Monaten irrtümlich eingeschlagen hatte und aus dem sie keinen Ausweg mehr fand, war nicht ihr Weg. Sie hatte ihre Wahl getroffen, hier war ihr Leben zu Ende. Nur ein kleiner Schritt und sie hatte endlich Ruhe. An die Schmerzen, die der Sturz verursachen würde, dachte sie nicht, sie waren ihr egal. Konnten sie schlimmer sein als das, was sie durchgemacht hatte und was noch auf sie zukäme, wenn sie jetzt weitermachte? Wohl kaum.

    Katharina ging bis an die Kante des Daches. Es war hell genug, um alles Vertraute um sie herum noch ein einziges Mal zu betrachten. Mühldorf! Hier war sie geboren und aufgewachsen. Dort hinten konnte sie das Dach ihres Elternhauses sehen, auch wenn es von hier aus sehr klein aussah. Ihre Kindheit war nicht schön gewesen, denn ihre Eltern waren streng, vor allem ihr Vater. Er führte die Familie mit harter Hand und sie mussten gehorchen. Ihre Mutter war immer auf der Seite des Vaters und billigte jede Maßnahme, von denen die meisten völlig überzogen waren. Katharina dachte mit Wehmut an ihren Bruder Elias, den sie im letzten Jahr zurückgelassen hatte und der jetzt allein das Elternhaus ertragen musste. Ihm gegenüber hatte sie ein schlechtes Gewissen, denn sie hätte ihn niemals alleinlassen dürfen. Aber daran konnte sie jetzt nichts mehr ändern. Sie wischte die düsteren Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf den letzten Blick über Mühldorf und auf die Stationen ihres jungen Lebens, das in wenigen Minuten vorbei war. Da war ihr Kindergarten, neben dem ihre Großeltern lebten, die sie sehr geliebt hatte. Aber die waren längst tot. Als die beiden noch lebten, war ihre Welt noch einigermaßen in Ordnung gewesen. Sie hörten ihr immer zu und verteidigten sie vor ihren Eltern, wenn es wieder Ärger gab. An ihre Eltern wollte Katharina jetzt nicht schon wieder denken, denn die beiden hatten sie nie geliebt und durften nicht Teil ihrer letzten Gedanken sein. Sie wischte die düsteren Gedanken beiseite, wobei sie den rechten Arm benutzte. Dadurch kam sie ins Straucheln. Nein! Noch durfte sie nicht in die Tiefe stürzen. Sie musste sich auf das konzentrieren, was sie gerade vor Augen hatte, denn auf dieses Abschiedsszenario wollte sie auf keinen Fall verzichten. Das waren ihre letzten Momente und die wollte sie wie geplant verbringen. Das Dach des großen Supermarktes war deutlich zu erkennen. Sie konnte sogar sehen, dass ein Lastwagen gerade darauf zufuhr. Dort hatte sie in den letzten drei Jahren während der Schulferien gejobbt und jetzt wurde ihr bewusst, dass das sehr schöne Stunden gewesen waren. Sie wurde von den Kollegen respektiert und von den Kunden geschätzt, was ihr sehr gutgetan hatte. Dass Tränen über ihr Gesicht liefen, merkte sie nicht. Mit den Augen suchte sie hektisch nach weiteren Gebäuden, an die sie sich gerne erinnern würde. Es blieb nur noch ihre Schule, die sie für ihren Selbstmord ausgesucht hatte. Das war der Ort, an dem sie am liebsten gewesen war, auch wenn es nicht nur schöne Erinnerungen gab. Trotzdem fühlte sie sich hier am wohlsten und deshalb war es für sie nur logisch, dass sie von hier aus in den Tod sprang. Sie sah sich das Schulgelände nochmals genau an. Dort hinten war der Platz der coolen Leute, zu denen sie nie gehört hatte. Sie erinnerte sich an ihren Übertritt ans Gymnasium. Was war sie stolz gewesen! Ihre Eltern waren nicht an ihrer Seite, dafür aber die Großeltern. Die beiden schenkten ihr einen neuen Schulranzen, den sie heute noch besaß und der ihr heilig gewesen war. So sehr sich Katharina auch bemühte, sich nochmals an alle guten Dinge ihres Lebens zu erinnern, es gelang ihr nicht. Immer wieder nahmen die düsteren Gedanken Besitz von ihr. Sie gab auf. Sie nahm die Tabletten aus ihrer Jackentasche und steckte sie alle in den Mund. Normalerweise musste man die mit Wasser herunterschlucken, aber das war jetzt nicht wichtig. Sie zerkaute sie und wartete, bis der Mund leer war. Sie hätte eine Flasche Schnaps mitnehmen sollen, aber daran hatte sie nicht gedacht. Heute früh hatte sie sich aus dem Drecksloch, das in den letzten Monaten ihr Zuhause gewesen war, hinausgeschlichen. Niemand nahm Notiz von ihr. Jetzt stand sie hier und wartete auf die Wirkung der Beruhigungstabletten, auch wenn sie die nicht gebraucht hätte. Aber sicher war sicher. Sie wollte nicht riskieren, dass sie es sich doch noch anders überlegte.

    Ob es ein Leben nach dem Tod gab? In wenigen Augenblicken würde sie es erfahren. Sie wurde ruhiger, die Tabletten wirkten. Jetzt war es so weit. Sie zog die frische Luft noch ein einziges Mal tief in ihre Lungen. Sie lächelte, als sie den entscheidenden Schritt tat.

    3.

    „Wenn Sie es noch ein einziges Mal wagen sollten, meine Verlobte zu beleidigen, werden Sie mich von einer sehr unangenehmen Seite kennenlernen, drohte Leo Schwartz dem Staatsanwalt Eberwein und war dabei sehr laut geworden. „Mich können Sie angreifen, damit habe ich kein Problem, aber meine Verlobte lassen Sie gefälligst in Ruhe! Der fünfundfünfzigjährige gebürtige Schwabe war außer sich.

    „Ich würde Ihre Verlobte niemals persönlich beleidigen, das verbitte ich mir!" Der Staatsanwalt war sehr aufgebracht. Er hatte darauf bestanden, eine Besprechung der Kriminalpolizei Mühldorf einzuberufen und persönlich daran teilzunehmen, worauf keiner scharf war und das wusste er auch. Aber das war ihm egal. Seit einigen Tagen wurde er von zwei Journalisten bedrängt, die an der Kobalt-Sache des letzten Falles dran waren. Auf Schritt und Tritt wurde er von den beiden belästigt – und eine davon war Sabine Kofler, die Verlobte von Hauptkommissar Leo Schwartz. Eberwein hatte gehofft, Schwartz auf seine Seite ziehen zu können und ihn dazu zu bringen, auf Frau Kofler soweit

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