Der Stuibenfall: Kleine Kulturgeschichte eines Naturdenkmals
Von Walter Falkner
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Über dieses E-Book
In langjähriger Arbeit hat Walter Falkner akribisch Künstlerisches und Kulturhistorisches zum Stuibenfall und seiner Bedeutung für die Menschen gesammelt und teilt diese Schätze in der nun vorliegenden chronikartigen Betrachtung mit der Leserschaft.
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Buchvorschau
Der Stuibenfall - Walter Falkner
Ein einzigartiges Naturdenkmal
Der Stuibenfall liegt in der Gemeinde Umhausen im Ötztal und ist mit 150 Metern Fallhöhe der größte Wasserfall Tirols und nach den Krimmler Wasserfällen der zweitgrößte Österreichs. Der Stuibenfall hat seinen Namen vom Dialektwort „stiebn bzw. „es stuibet
, das sich vom Schriftwort „stäuben ableitet. Die Einheimischen nennen den Wasserfall den „Stuibn
. Während der Sommermonate bildet sich im Umkreis des Wasserfalls durch das herabstürzende Wasser eine helle Staubwolke aus feinsten Wasserbläschen.
Gespeist wird der mächtige Wasserfall vom Wasser des Hairlachbaches, der aus dem gleichnamigen Tal östlich von Niederthai herabfließt. Von der Horlachalm unterhalb der Schweinfurter Hütte bis zur Mündung in die Ötztaler Ache bei Östen hat der Hairlachbach eine Länge von ca. zwölf Kilometern und überwindet einen Höhenunterschied von ca. 1000 Metern. In den Hairlachbach fließen die Bäche aus dem Finstertal, Zwieselbachtal, Larstigtal und Grastal. In den Talabschlüssen der drei letztgenannten Täler befinden sich auch (noch) Gletscher.
Entstehung
Die primäre Ursache zur Entstehung des Stuibenfalls war das Bergsturzereignis von Köfels, das auf ca. 8.700 Jahre vor heute datiert wird. Durch das Abgleiten des Bergsturzes von der westlichen Talflanke des Ötztales entstand der riesige Trümmerhaufen des Tauferbergs, der zwischen Umhausen und Längenfeld im Ötztal liegt. Das Gesamtvolumen des wohl größten kristallinen Bergsturzes in den Alpen wird mit drei Kilometern und mit der Flächenausdehnung von elf Kilometern angegeben. Durch den Felssturz wurde das Ötztal und die ursprüngliche Mündungsschlucht des Hairlachtales, die sich bei den heutigen Brücken in der Maurachschlucht befand, zugeschüttet. Hinter den Bergsturzmassen bildete sich ein weites Becken, in dem der Hairlachbach nach und nach Geschiebe und Sedimente ablagerte und so die ebenen Fluren von Niederthai entstanden. Der Bach grub sich am nördlichen Rand des Bergsturzes ein ca. einen Kilometer langes Abflusstälchen („Stockach"). Ehe der Bach mit wildem Getose in zwei Absätzen über die 150 Meter hohe Felswand in die Tiefe stürzt, hat er im Laufe der Jahrtausende in die Felsbuckel an der Mündungsstufe eine sechs bis sieben Meter tiefe Rinne geschürft. Der Wasserfall beginnt unter einer Naturfelsbrücke. Wie diese entstand, sieht man knapp oberhalb, wo der Bach einen Kolk durchstoßen hat. Am Fuß des Falls schuf der Bach eine enge Schlucht zwischen den Felsen am orografisch rechten Ufer und dem Bergsturz des Tauferbergs.
illustrationKartenausschnitt mit eingezeichnetem Felssturzgebiet von Köfels
illustrationBlick auf das Talbecken von Umhausen mit dem Bergsturz des Tauferbergs, der rote Pfeil markiert den Stuibenfall
illustrationFelsenbrücke an der obersten Fallkante des Stuibenfalls
illustrationDer Stuibenfall bei Umhausen, Chromlithografie von Conrad Grefe, nach der Natur aufgenommen von Professor Th omas Ender, 2. Hälft e des 19. Jahrhunderts
Erwähnungen des Stuibenfalls in der frühen Reiseliteratur
In Dokumenten aus früheren Jahrhunderten wird der Stuibenfall nie erwähnt. Die ersten Namensnennungen tauchen in den Berichten über Mur- und Hochwasserkatastrophen aus den Jahren 1762 und 1851 auf. Selbst Peter Anich hat in seiner genauen Tirolkarte aus dem Jahr 1774 den Stuibenfall nicht eingezeichnet. Die bäuerliche Bevölkerung hat dem Stuibenfall als Naturmonument nur geringe Bedeutung beigemessen.
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war das Ötztal mit seinen Orten nur wenig bekannt und wurde wegen seiner Abgeschiedenheit nur vereinzelt von Fremden besucht. Bekannt war das Ötztal nicht wegen seiner Naturschönheiten, sondern wegen der Überschwemmungen und Verwüstungen, die durch die wiederholten Ausbrüche des Vernagtferners angerichtet wurden. Vorwiegend wissenschaftlicher Zwecke halber nahmen die ersten Besucher des Tales große Strapazen auf sich, um die Gegend zu erkunden. Forscher, Maler und Reiseschriftsteller machten sich bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf steinigen Pfaden zu Fuß auf den Weg zu den Gletschern und Bergen im hinteren Ötztal, zum romantischen Piburger See und auch zum Stuibenfall. In den ersten Landesbeschreibungen und Reiseberichten aus dieser Zeit widmen die Verfasser dem Stuibenfall besonderes Augenmerk und schwärmen in höchsten Tönen von dem beeindruckenden Naturerlebnis beim Besuch des Wasserfalls.
1837/38 erschien das Buch „Das Land Tirol – ein Handbuch für Reisende". Der Autor dieser ausführlichen Landesbeschreibung war der Benediktinerpater und Heimatforscher Beda Weber (1798–1858), der mit seiner Beschreibung des Wasserfalls sicherlich die ersten Besucher des Ötztales zu einer Wanderung zum Stuibenfall animierte: