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Die Villen vom Attersee: Wenn Häuser Geschichten erzählen
Die Villen vom Attersee: Wenn Häuser Geschichten erzählen
Die Villen vom Attersee: Wenn Häuser Geschichten erzählen
eBook391 Seiten3 Stunden

Die Villen vom Attersee: Wenn Häuser Geschichten erzählen

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Über dieses E-Book

Die faszinierende Geschichte der Attersee-Villen und ihrer Bewohner
Eindrucksvolle Bergkulisse, türkisblaues Wasser – seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Attersee Sehnsuchtsort des Bürgertums und beliebtes Ziel der alljährlichen Sommerfrische. Industrielle, Bankiers, Ärzte, Gelehrte, Dichter, Musiker, Künstler und Exzentriker bevölkerten im Sommer die Orte Unterach, Weißenbach, Steinbach, Attersee oder Seewalchen, darunter viele prominente Gäste: Charlotte Wolter, Ignaz Brüll, Johannes Brahms, Felix Salten, Gustav Klimt und Gustav Mahler, die der See zu großartigen Werken inspirierte, sowie zahlreiche Stars der Opern- und Kabarettbühnen, beispielsweise Star-Sängerin Maria Jeritza, die Unterach genauso liebte wie der Librettist der "Lustigen Witwe", Victor Léon, oder die Sopranistin Hilde Güden. Doch auch viele Menschen, deren Namen in Vergessenheit geraten sind, verbrachten die Sommermonate rund um den Attersee – in gemieteten oder selbst erbauten Häusern und Villen von zum Teil beeindruckender architektonischer Kunst. Mit einem Gespür für spannende Schicksale taucht Marie-Theres Arnbom in die Vergangenheit ein.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum23. Mai 2018
ISBN9783903217058
Die Villen vom Attersee: Wenn Häuser Geschichten erzählen
Autor

Marie-Theres Arnbom

Geboren 1968 in Wien, Dr. phil., Historikerin und Autorin mit langjähriger Erfahrung im Kulturmanagement. Diverse Publikationen:

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    Buchvorschau

    Die Villen vom Attersee - Marie-Theres Arnbom

    Marie-Theres Arnbom

    Die Villen vom Attersee

    Wenn Häuser Geschichten erzählen

    Mit 128 Abbildungen

    Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

    © 2018 by Amalthea Signum Verlag, Wien

    Alle Rechte vorbehalten

    Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker/OFFBEAT

    Umschlagabbildungen: Berghof bei Unterach am Attersee

    © Imagno/picturedesk.com (Motiv), Fotohalter © iStock.com

    Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH,

    Heimstetten

    Gesetzt aus der 11/14 pt Minion Pro Regular

    Designed in Austria, printed in the EU

    ISBN 978-3-99050-123-8

    eISBN 978-3-903217-05-8

    Inhalt

    Making of …

    Gebrauchsanweisung

    1 Mondän und exzentrisch. Schloss Kammer

    Schörfling, Hauptstraße 28

    2 Das Vermögen des Branntweiners Simon Marmorek

    Seewalchen, öffentliches Strandbad

    3 Die Ringstraße am Attersee. Familie Paulick

    Seewalchen, Promenade 12

    4 Pretty Woman. Die Magnaten-Elsa und Max Schmidt

    Seewalchen, Atterseestraße 55 und 59

    5 Eine Insel für die adorierte Primadonna. Eduard Springer

    Litzlberg, Insel

    6 Zwischen Kieferchirurgie und Yacht-Club. Gustav Wunschheim

    Attersee, Mühlbach 16

    7 Von Spitzen, Tüll und Segelbooten. Familie Faber

    Attersee, Aufham 1

    8 Die Alraune des Attersees. Camillo Belohlawek-Morgan

    Attersee, Aufham 9

    9 In der Taucherglocke. Der außergewöhnliche Forscher und Wohltäter Eugen Ransonnet

    Nussdorf, Dorfstraße 65

    10 Die Familie Goldberger de Buda und der Architekt Oskar Marmorek

    Unterach, Jeritzastraße 15

    11 Die vergessene Operettensoubrette Olga Bartos

    Unterach, Jeritzastraße 22

    12 Von Rosé zu Rose. Oder: Ein Akzent macht den Unterschied

    Unterach, Hugo-Wolf-Weg 13

    13 Die prachtvolle Villa des Victor Léon

    Unterach, Hugo-Wolf-Weg 15

    14 Mäzene und ihr Schützling. Oder: Wie »macht« man einen Star?

    Unterach, Jeritzastraße 43

    15 Franz Tewele, der »urfidelste aller Possenreißer« und »Almanach de Unterach«

    Unterach, Jeritzastraße 34

    16 Die exzentrische Familie Eckstein

    Unterach, Jeritzastraße 36

    17 Baron Poldi und Bagage!. Zwei Schlüsselromane rund um Maria Jeritza

    Unterach, Jeritzastraße 36

    18 Kaltwasserseife. Das ideale Produkt für den Attersee?

    Unterach, Jeritzastraße 38

    19 Von der Ölindustrie auf die Bühne. Familie Geiringer

    Unterach, Jeritzastraße 42

    20 Turbinen und Affen. Der große Erfinder Viktor Kaplan

    Unterach, Kaplanstraße 31

    21 Entfesselter Neid tötet gebildete Kultiviertheit. Der Berghof

    Unterach, Unterburgau 1

    22 »Darf ich Ihnen meine Briefmarkensammlung zeigen?« Der reiche Sammler und sein Berater

    Burgau, Unterburgau 3

    23 Liberalismus, Frauenrechte, Nobelpreis. Die Familien Schütz und Pauli

    Weißenbach, Ischler Straße 5

    24 Pionier der Elektrotechnik. Oder: Ein Hoch auf den Wechselstrom! Emil Kolben

    Weißenbach, Ischler Straße 5 und Friedrich-Gulda-Weg 10

    25 Unbeschwerte Sommer in Weißenbach

    Aus den Erinnerungen Heinrich Kolbens

    26 Herr über den Erfolg. Der Verleger Adolf Sliwinski

    Weißenbach, Friedrich-Gulda-Weg 18

    27 Von Chicago nach Weißenbach. Das Hotel Post

    Weißenbach, Ischler Straße 1

    28 Villa Schoberstein. Ein dunkles Kapitel

    Weißenbach, Ischler Straße 1

    29 Schwanensee am Attersee. Charlotte Wolter

    Weißenbach, Weißenbach 6 und 7

    30 Am seidenen Faden. Die Familie Gütermann

    Steinbach, Forstamt 5, 6, 8, 9

    31 Ein Lebensbuch. Heimito von Doderers Strudlhofstiege

    Steinbach, Forstamt 7

    32 »Das ganze Haus ein Denkmal der Liebe.« Hedwig Bleibtreu und Alexander Römpler

    Steinbach, Seefeld 1

    33 Meine Jugendliebe. Gustav Mahler

    Steinbach, Seefeld 14

    Anmerkungen

    Literatur und Quellen

    Bildnachweis

    Die Autorin

    Namenregister

    Making of …

    Der Attersee ist mir vertraut. Dachte ich jedenfalls. Viele Konzerte haben mir seit Jahrzehnten an verschiedenen Plätzen wunderschöne Sommerabende beschert. Seit mittlerweile 15 Jahren umrunde ich außerdem den See, um die Plakate meines Kindermusikfestivals in St. Gilgen zu verteilen, und beobachte das Verschwinden alter Geschäfte und Gasthöfe ebenso wie das Entstehen neuer Häuser. Freunde, die am Attersee zu Hause sind, werfen mir seit Jahrzehnten vor, dass ich sie nie besuche, aber das ist so eine alte Salzkammergutkrankheit: Jeder sitzt an seinem See und bewegt sich nicht weit weg, sondern genießt die wenigen kurzen Wochen intensiv und will keinen Moment missen.

    Jetzt habe ich mich aber hinausgewagt und bin tiefer in die Geheimnisse rund um den Attersee eingetaucht, habe die Umgebung aufmerksam per Schiff, per Auto und zu Fuß erkundet und Eindrücke gesammelt. Viele Gespräche eröffneten Eigenheiten dieses Sees, die große Bedeutung des Segelns, die eingeschworene Gemeinschaft. Dieses Wissen bot mir die Grundlage weiterzuforschen, zu überlegen, wer die Menschen waren, die diese spezielle Atmosphäre des Attersees geprägt haben. Ich hätte nie erwartet, dass so viele schräge und außergewöhnliche Typen zum Vorschein kommen: Schriftsteller und Schauspieler, Frauenrechtlerinnen und Sängerinnen, deren Namen vertraut, und solche, die vergessen sind. Industrielle, die in die Welt der Tüll-Erzeugung ebenso führen wie in die Elektrotechnik, Ärzte, Komponisten und Musiker bevölkerten den Attersee und legten ein unsichtbares Netz quer über den See: Fast alle kannten sich, waren verwandt, verbandelt, übers Kreuz miteinander oder in Liebschaften verbunden – eine große, dicht verwobene Gesellschaft, zusammengesetzt aus vielen bunten Mosaiksteinen. Ganz neue Aspekte tun sich auf und machen neugierig, weiterzuforschen und sich näher mit den Menschen auseinanderzusetzen.

    Die Auswahl der beschriebenen Villen ist subjektiv, nur ein geringer Teil der beeindruckenden Häuser und ihrer Bewohner kann berücksichtigt werden, denn dieses Buch soll ja auch ein Begleiter auf Ausflügen rund um den See sein und in eine Tasche passen, damit man an Ort und Stelle nachlesen kann. Bekanntes und Vertrautes wurde daher zurückgestellt, denn es gibt so viele Menschen, die in Vergessenheit geraten sind – ihnen ist das Buch gewidmet.

    Die Schilderungen umfassen einen Zeitraum von etwa 100 Jahren – in diesem Jahrhundert wurde Europa von Krisen und Leid gebeutelt: Zwei Kriege, die die Welt bis heute nachhaltig prägen, haben auch am Attersee ihre Spuren hinterlassen. Die Geschichten dieses Buches stellen immer Momentaufnahmen dar, werfen kurze Blitzlichter auf eine bestimmte Zeit, auf bestimmte Personen.

    Auffallend sind die vielen Sommerfrischler aus Prag – doch bei näherer Überlegung wird klar, dass dies schlicht mit den vorhandenen Reisemöglichkeiten zusammenhängt: Die Routen der Eisenbahn stellen ein wichtiges Kriterium für die Wahl der Sommerfrische dar, denn das Gepäck ist umfangreich, in den Monaten am Attersee darf es an nichts fehlen: Bücher und Musikinstrumente, Sportgeräte und Bekleidung, Decken, Wäsche und oftmals auch Geschirr braucht es, um den Sommer bequem verleben zu können.

    Die einzelnen Orte am Attersee haben unterschiedlichen Charakter. Weißenbach zum Beispiel gilt aufgrund der direkten Anbindung an Bad Ischl als Dependance der kaiserlichen Sommerresidenz, als Ischler Vorort am See. Das Hotel Post zieht die mondäne Welt an, berühmte Persönlichkeiten erwerben Villen in der Umgebung und sonnen sich ein wenig im Ischler Glanz, gespiegelt im legendär grün-blau schimmernden Wasser des Attersees.

    In Unterach prägt ein großer, auf verschiedenen Ebenen vernetzter Clan ein beschwingtes, fröhliches und intellektuelles Sommerleben, das von einem gemeinsamen Faktor bestimmt ist: der Musik. In fast allen Villen rund um den See gehört ein Klavier zur selbstverständlichen Einrichtung, gemeinsames Musizieren zählt zu den wichtigsten integrativen Programmpunkten der Sommerfrische. Auf dem Berghof in Burgau laufen viele Fäden zusammen, er kann als Kulminationspunkt des kultivierten Sommerlebens gelten – und die Fäden reichen bis zum Schloss Kammer auf der anderen Seite des Sees hinüber. Dort verkehrt in der Zwischenkriegszeit die mondäne Welt, die sich bei den Salzburger Festspielen trifft – Musik und Theater stehen hier ebenfalls im Mittelpunkt.

    Auch am Attersee geht der Bruch des Jahres 1938 nicht spurlos vorbei, doch verlaufen die Ereignisse, anders als in Bad Ischl, weniger organisiert. Besitze wechseln die Eigentümer, und oft wird erst im Nachhinein klar, ob dies – wenigstens nach den Gesetzen der Nationalsozialisten – überhaupt rechtens war oder nicht. Ein schwieriges Kapitel, das trotzdem eines ganz klar zeigt: Die Nazis machen keinen Halt vor repräsentativen Liegenschaften, egal ob die Eigentümer als Juden gelten oder nicht. Beschlagnahmt wird, was schön und teuer ist – und dann beginnen die einzelnen Nazi-Organisationen zu streiten, ob eine von ihnen den Zuschlag erhält oder ob sich vielleicht doch ein Bonze eine repräsentative Bleibe am Attersee aneignen darf. Der Zustand der Häuser verschlechtert sich, niemand fühlt sich verantwortlich, und so kommt es nach dem Ende des Krieges zu unendlich zermürbenden Verhandlungen mit den ursprünglichen Eigentümern. Denn zurückgestellt werden die Besitzungen relativ rasch, doch die Diskussionen und Streitigkeiten über angebliche Investitionen, nicht bezahlte Mieten und gestohlene Möbel ziehen sich ins Unendliche – einmal mehr wird deutlich, wie sehr die unselige Devise von Innenminister Hellmer, »die Sache in die Länge zu ziehen«, der Realität entspricht. Die meist jüdischen Besitzer, die nun in Amerika, in Paris oder jenseits des Eisernen Vorhangs leben, verkaufen ihre Häuser in den 1950er-Jahren.

    Doch die Musik bleibt – über alle Zeitläufe hinweg – ein bedeutender Teil des Attersee-Sommers, Festivals entstehen und bieten bis heute vielen großen Künstlern eine wunderschöne und inspirierende Heimat.

    Um sich den Menschen und ihrer Zeit zu nähern, muss man sie finden. Und so standen am Beginn meiner Recherche die Grundbücher der einzelnen Gemeinden, in denen die Eigentümer genau aufgelistet sind und aus denen auf einen Blick die Entwicklung eines Hauses mit allen Höhen und Tiefen offenbar wird. Akten und Archivalien bieten weitere wertvolle Einblicke in das Leben der Menschen – ohne die großartige Kooperation des Wiener Stadt- und Landesarchivs und des Oberösterreichischen Landesarchivs wäre vieles nicht zu erschließen gewesen. Unkomplizierte Unterstützung und beste Arbeitsbedingungen, großes Interesse und hilfreiche Gespräche machen diese Archive und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Partnern der wissenschaftlichen Forschung des 21. Jahrhunderts. Die Recherche im Salzburger Landesarchiv – denn Burgau gehört zu Salzburg – erwies sich hingegen als Zeitreise in die 1980er-Jahre, in denen die Nutzer mit Skepsis beäugt wurden und Angst und Misstrauen vorherrschten, dass durch allzu viel Recherche etwas Unliebsames ans »Tageslicht« kommen könnte. Aber selbstverständlich erhielt ich alle Akten und konnte so auch diesen Teil des Attersees in aller Gründlichkeit bearbeiten.

    Die Arisierungs- und Rückstellungsakten machen erneut deutlich, mit welcher perfiden Menschenverachtung ab 1938 eine Kultur zerstört wurde, wie unschuldige Menschen vertrieben und in den Tod gehetzt wurden und in der Zweiten Republik unerwünscht blieben. Die Rückstellungsakten erinnern in erschreckend vielen Formulierungen, Vorgehensweisen und sprachlichen Codes an heute wieder spürbare Verrohungstendenzen und mahnen uns, achtsam mit Sprache umzugehen und uns unserer Verantwortung bewusst zu sein.

    Verlassenschaftsabhandlungen fassen am Ende eines Lebens das Bleibende zusammen und machen so manche Verwicklung, Verletzung oder Dankbarkeit innerhalb von Familien deutlich. Mein Mann Georg Gaugusch hat diese Akten im Wiener Stadt- und Landesarchiv unermüdlich für mich gescannt und mir mit seiner großartigen, bahnbrechenden Recherchearbeit nicht nur viel Arbeit erspart, sondern für viele Kapitel überhaupt erst die Grundlage geboten, auf der ich aufbauen konnte.

    Schlüsselromane, Gedichtbände, wissenschaftliche Artikel und Lebenserinnerungen bieten Einblick in die Gedankenwelt der geschilderten Menschen, die auf so unterschiedlichen Gebieten Großes geleistet haben.

    Und auch Heimatbücher standen zur Verfügung – zwei davon bedürfen einer dringenden Überarbeitung: Das Heimatbuch von Schörfling erschien 2002 als Neuauflage der Fassung von 1988. Darin finden sich folgende Formulierungen: »Die Sommerfrischler verließen im Herbst [1919] nur widerwillig das Salzkammergut, speziell das Atterseegebiet. Sie saßen wie die Maden im Speck, und manch einer dieser ›Gäste‹ mußte gewaltsam weggebracht werden, was mancherorts zu unerquicklichen Szenen führte. Zum Großteil gehörten sie dem auserwählten Volke an. Die ortsansäßige Bevölkerung war aufgebracht, denn die ›Gäste‹ zahlten phantastische Preise für die Lebensmittel, die dann den Einheimischen abgingen.«¹ Solch offener Antisemitismus hat in einer offiziellen Gemeindechronik, die außerdem im Jahr 1920 endet, nichts zu suchen. In der 1990 erschienenen Chronik von Unterach ist die Wortwahl weniger explizit, aber trotzdem mehr als deutlich: »Freilich zogen die großen Lichter auch wieder kleine Dunkelmänner an, die sich in Unterach besonders in wirtschaftlicher Beziehung sehr unbeliebt machten.² […] Manche von den Sommergästen erbauten sich eigene Villen, meist am See. Einheimische verkauften ihre Häuser, und oft wurde es schmerzlich empfunden, wenn irgendein Herr Neureich mit unsauber erworbenem Vermögen alteingesessene Unteracher mit seinem Geld verdrängte!³« Ein wenig mehr Achtsamkeit bezüglich solcher Formulierungen wäre wünschenswert.

    Einmal mehr möchte ich ein Loblied auf die Plattform ANNO der Österreichischen Nationalbibliothek singen: Historische Zeitungen stehen digital zur Verfügung, meist bereits mit Volltextsuche. Man sucht etwas und findet – nebst dem Gesuchten – auch noch ganz Unerwartetes in diesem reichen Angebot, das dank des großen Engagements von Christa Müller unermüdlich erweitert wird.

    Mein Dank gilt all jenen, die mich mit Hinweisen, Materialien, Fotos, Kontakten, Gedanken, Gesprächen, Wohlwollen und viel Geduld versorgt haben: Elisabeth Auersperg-Breunner, Alfred von Doderer, Alexander Eberan, Claudia Herz-Kestranek, Miguel Herz-Kestranek, Nikolaus Horn, Grace Jeszenszky, Martin Kolben, Sibylle Langer, Florian von Meiss, Caroline und Andreas Schindler, Gexi Tostmann und Marina Werba.

    Georg Male erweist sich in alter Freundschaft einmal mehr als der allerbeste Lektor, der streng und unerbittlich sprachliche Unschärfen auf einen Blick erkennt und in die richtige Bahn lenkt. Danke!

    Auf meine unermüdlichen Korrekturleser und -innen ist immer Verlass: Georg Gaugusch, Christiane Arnbom, Elisabeth Kühnelt-Leddihn, Hanna Ecker und Monika Kiegler-Griensteidl und all die anderen, die das eine oder andere Kapitel vorab lesen durften (oder mussten) und mich mit konstruktivem Feedback versehen haben.

    Dem Amalthea Verlag mit dem engagierten Team um Katarzyna Lutecka danke ich für das Vertrauen und die wie immer großartige Unterstützung.

    Gebrauchsanweisung

    Wie schon im ersten Band meiner Villen-Reihe habe ich versucht, Entdeckungstouren zusammenzustellen, doch erweist sich dies aufgrund der geographischen Gegebenheiten am Attersee als schwierig. In Seewalchen, Unterach und Weißenbach laden Spazierwege ein, die Atmosphäre der Orte zu genießen.

    Elegante Badegesellschaft

    Doch einen besonderen Blick auf die Villen bietet eine Tour mit dem Schiff – ob per Linienschiff oder Segelboot spielt keine Rolle: Die so unterschiedlichen Kulissen der einzelnen Orte eröffnen sich in idealer Art und Weise.

    Sportliche nehmen das Fahrrad – wie schon Gustav Mahler und viele andere Sommerfrischler – und erkunden den See langsam und gemächlich. Das Auto steht als letzte Option natürlich auch zur Verfügung …

    Die folgenden vier Touren zu Fuß und zwei Touren per Schiff dienen als Vorschlag, den Attersee mit neuen Augen zu erkunden:

    Zu Fuß

    Entdeckungstour Eins (Seewalchen): 1, 2, 3, 4*

    Entdeckungstour Zwei (Attersee): 6, 7, 8

    Entdeckungstour Drei (Unterach): 10 bis 19

    Entdeckungstour Vier (Weißenbach): 23 bis 29

    Per Schiff

    Entdeckungstour Fünf: Rundfahrt Attersee Nord: 1, 5, 6, 7, 8

    Entdeckungstour Sechs: Rundfahrt Attersee Süd: 9, 16, 17, 21, 22, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 33

    Natürlich muss man aber zum Lesen dieses Buches nicht physisch am See anwesend sein, denn die Schicksale der beschriebenen Menschen beziehen sich zwar alle auf den Attersee, gehen aber weit darüber hinaus und führen ebenso nach Wien und Prag wie nach Chicago und New York.

    Jedenfalls möchte dieses Buch dazu anregen, in die Atmosphäre einzutauchen, die all diese Menschen anzog und die ihnen viele unvergessliche Jahre beschert hat, in guten wie in schlechten Zeiten.

    * Die Ziffern beziehen sich auf die jeweiligen Buchkapitel.

    1 Mondän und exzentrisch. Schloss Kammer

    Schörfling, Hauptstraße 28

    Mein erster Eindruck von Schloss Kammer geht auf die 1980er-Jahre zurück. Im Sommer wurden dort Konzerte veranstaltet, die nicht nur durch musikalische Qualität bestachen, sondern eine ganz spezielle Atmosphäre boten: Zahllose Kerzen erhellten den Saal und die Gänge und gaben den Konzerten eine ganz besondere Note.

    Am 14. August 1925 erwerben Emmerich Jeszenszky und Eleonora Fischer, geborene von Mendelssohn, Schloss Kammer samt zahlreichen weiteren Grundstücken. Ein ungarischer Rittmeister und eine Berliner Schauspielerin, die am Anfang dieses Buches stehen und zugleich symbolisch sind: Auch Kammer gehört zu dem Netz aus zahlreichen Querverbindungen und unsichtbaren Fäden kreuz und quer über den See. Dicht, aber dennoch durchlässig. Eine geschlossene Gesellschaft, die jedoch offen ist für neue Begegnungen. Die bunte Mischung umfasst Industrielle und Komponisten, Diven und Schriftsteller, verliebte Herren und exzentrische Damen, Ärzte und Theaterleute, Erfinder und Frauenrechtlerinnen. Die Anfänge des Netzwerkes liegen Jahrzehnte zurück und verweben sich von Generation zu Generation aufs Neue: Eleonora Mendelssohn passt perfekt in diese Gesellschaft.

    Gustav Klimt, Allee zum Schloss Kammer, 1912

    Doch wie verschlägt es eine Berliner Schauspielerin und einen ungarischen Rittmeister ausgerechnet nach Schörfling? Die exzentrische Eleonora Mendelssohn entstammt der berühmten Berliner Bankiersfamilie, ihr Onkel besitzt eine Villa in Rindbach am Traunsee. Ihre Ambitionen, als Schauspielerin Erfolge zu feiern, treiben sie an, ihre Verliebtheit in Max Reinhardt spielt ebenfalls eine Rolle. Verheiratet ist Eleonora mit dem Pianisten Edwin Fischer, doch verliebt sie sich in den ungarischen Rittmeister Emmerich von Jeszenszky, der sich in Berlin in ihrem Dunstkreis bewegt, und startet mit ihm in ein neues Leben. Dieses soll sie fort aus dem wilden Berlin aufs Land führen – eine eigenartig anmutende Idee für eine Frau, die intensiv lebt und dazu das Treiben der Großstadt mit all seiner kulturellen und gesellschaftlichen Vielfalt braucht. Und doch: Ein neues Domizil muss her, Jeszenszky ist fest entschlossen, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen. Diesen findet er in Schörfling, einschließlich eines Schlosses in wenig attraktivem Zustand. Dies entspricht jedoch ganz Eleonoras Geschmack: Sie kümmert sich um das Schloss, Emmerich um die Landwirtschaft – eine ideale Verteilung der Talente.

    Der Mann der Vorbesitzerin, Direktor des Dorotheums, nutzte das Schloss als Lager für Möbel, die jedoch mehr durch Quantität als durch Qualität glänzten. Außerdem leben Mieter im Haus, von der Gemeinde Schörfling zwangseingewiesen – alles keine guten Voraussetzungen für ein angenehmes Leben auf einem gepflegten Besitz⁴, doch das kann Eleonora nicht entmutigen, im Gegenteil. Sie widmet ihre Zeit – und ihr Geld – der Renovierung, engagiert einen Tischler, der in einer eigenen Werkstatt in Kammer nach ihren Vorstellungen Möbel herstellt – gewiss eine aufreibende Tätigkeit. So stellt etwa die Herstellung einer Tischplatte eine große Herausforderung dar, verlangt Eleonora doch die stilgetreue Nachbildung einer alten Truhe: »Während dieser Zeit war die ›Gnädige‹ kränklich und mußte das Bett hüten. Mehrmals mußten wir zu viert die schwere Platte in ihr Schlafzimmer bringen, daß sie sich vom Bett aus vom Fortschritt der Arbeit überzeugen konnte. Als der Tisch der Form nach fertig war, zeigte ich dem Herrn Rittmeister die kleine Truhe im Stiegenhaus und sagte ihm, daß seine Frau den Tisch auch so ›alt‹ haben möchte. Er sagte mir: ›Herr Widrin, ich möchte schon lieber eine schöne, glatte Platte, aber machen Sie nur wie Eleonora will‹, setzt er ganz gottergeben dazu. Der Tisch wurde einer geradezu barbarischen Behandlung unterzogen.«⁵

    Emmerich Jeszenszky und Eleonora von Mendelssohn

    Die großzügigen Räume in Kammer bieten Platz für viele Gäste: Ein Speiszimmer für 28 Personen und ein weiteres für zwölf ermöglichen große Abendessen, zahlreiche Salons, ein Billardzimmer, eine Bibliothek, ein mit venezianischen Spiegeln ausgestattetes Spiegelzimmer und ein Musikzimmer schließen sich an. Das Herzstück stellt jedoch der sogenannte Zeremoniensaal dar: 500 Gäste können hier empfangen werden – in denkbar großzügigem Ambiente, denn die Höhe des Saales erstreckt sich über zwei Stockwerke.

    Neben dem glanzvollen Leben in Kammer tritt Eleonora weiter an verschiedenen Bühnen auf und verbringt viel Zeit in Berlin – ihr Ehemann bewirtschaftet in der Zwischenzeit das Gut. Eine Milchwirtschaft mit 36 Kühen und einer Käserei zählen ebenso dazu wie eine Schweinezucht. Besonders am Herzen liegt dem Rittmeister jedoch die Haflingerzucht, die er 1930 begründet.

    Doch die Ehe zwischen Eleonora und Emmerich geht auseinander, 1936 lassen sie sich scheiden, im selben Jahr wird ein Teil des Schlosses für zwei Jahre an Raimund und Ava von Hofmannsthal vermietet – sie bilden den Schlusspunkt des seeumspannenden Netzes. Raimunds Vater Hugo von Hofmannsthal hatte Jahre zuvor auf dem vis-à-vis am südlichen Ende des Sees gelegenen Berghof erstmals aus seinem Rosenkavalier gelesen. Seine Mutter Gerty Schlesinger gehört dem familiären Mittelpunkt der Unteracher Sommerfrische an, verwandt und verbandelt mit den Ecksteins, den Baums, den Geiringers – ihnen allen sind Kapitel dieses Buches gewidmet. Und Raimunds Cousine Dorli Schereschewsky verbringt ihre Sommer auf dem Plomberghof in St. Gilgen – in den 1980er-Jahren habe ich sie in London besucht und viele Jahre regelmäßig mit ihr korrespondiert. So schließt sich der Kreis.

    Raimund zelebriert die Sommer in Kammer, sein Freund Ivan Moffat erinnert sich an den Zauber noch viele Jahre später: »An der Schmalseite des Sees lag das Schloss. In einer Sommernacht zwei Jahre vor Ausbruch des Krieges glitt eine Plätte mit roten Segeln über den See. Unser Gastgeber Raimund hatte gesagt, dies sei unser letzter Sommer in Österreich.

    Der Mond schien nicht, doch hoben sich die

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