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Drachenknochen: Die Nia Rivers Abenteuer, #1
Drachenknochen: Die Nia Rivers Abenteuer, #1
Drachenknochen: Die Nia Rivers Abenteuer, #1
eBook273 Seiten3 Stunden

Drachenknochen: Die Nia Rivers Abenteuer, #1

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Über dieses E-Book

Zwar kann ich in einem Tanktop und mit Pferdeschwanz antike Reliquien ausgraben, aber bezeichnen Sie mich deshalb nicht gleich als Grabräuberin. Immerhin kannte ich den Typ, der die Pyramiden gebaut hat... und zwar auf nicht ganz jugendfreie Art.

 

Dr. Nia Rivers, modebewusste Archäologin und uralte Unsterbliche mit gravierenden Erinnerungslücken, hat die letzten Jahrhunderte damit verbracht, die weißen Flecken ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten, während sie finsteren Attentätern aus dem Weg ging und sich immer wieder flüchtige Begegnungen mit Zane, ihrem unsterblichen Geliebten, stahl.

 

Doch als ein zweitausend Jahre altes Relikt aus ihrer Vergangenheit wieder auftaucht, ist Nia sich nicht sicher, ob sie die Geschichte, die damit verbunden ist, wirklich der ganzen Welt erzählen möchte. Der Umstand, dass Tres Mohandis, ein anderer Unsterblicher und Nias größter Rivale, entschlossen ist, die Ausgrabungsstätte zu bebauen, bevor Nia sie erforschen kann, deutet darauf hin, dass sich dort ein dunkles Kapitel der Geschichte verbirgt. Schlimmer noch, Nia beginnt zu erkennen, dass sie den grüblerischen Milliardär und Landentwickler gar nicht so sehr verabscheut, wie sie dachte.

 

Es könnte das Beste für Nia sein, Tres seinen Willen zu lassen. Vor allem, wenn die Wahrheit ein schreckliches Verbrechen aus Nias Vergangenheit aufdecken könnte - eines, das ihren Namen trägt. Aber verdienen es denn nicht alle Geschichten, erzählt zu werden? Selbst die unschönsten.

Auch wenn sich dabei herausstellt, dass Nia gar nicht die ist, für die sie sich hält.

 

Holen Sie sich dieses heiße Urban-Fantasy-Buch mit fesselnden Abenteuern, geschichtlichen Geheimnissen und prickelnder Romantik, in dem Tomb Raider auf Indiana Jones trifft - und sie leben ewig!

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Sept. 2021
ISBN9798201016593
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    Buchvorschau

    Drachenknochen - Ines Johnson

    Kapitel Eins

    Erde war eine seltsame Sache. Sie nahm sich die Toten, um aus ihnen neues Leben zu erschaffen. Sie begrub dunkle Geheimnisse, die später lang gehütete Wahrheiten zu Tage brachten. Sie beerdigte das Gewöhnliche und verwandelte es in einen Schatz, den die Lebenden zu würdigen wussten.

    Außerdem hatte sie die unangenehme Eigenschaft, bleibende Flecken auf teurem Leinen zu hinterlassen.

    Egal wie vorsichtig ich mich auch über den schlammverkrusteten Waldboden bewegte, überzogen dennoch winzige Schlammspritzer mein Leinenoberteil. Natürlich war es nicht gerade eine grandiose Idee gewesen, eine Leinenbluse für 129 Dollar im Amazonas zu tragen. Aber diese Reise war eigentlich gar nicht geplant gewesen, und ich hatte keine Zeit gehabt, passende Klamotten für den Regenwald einzupacken. Genau genommen hätte ich ein teures Moorbad in einem europäischen Wellness-Resort genießen sollen. Stattdessen befand ich mich mitten im Dschungel von Honduras, wo die Schlammbehandlung quasi eine völlig kostenlose Zugabe war.

    Mein Stiefel versank knöcheltief im dicken, schweren, braunen Schlamm, und ich fluchte, als ich ihn herauszog. Die feuchte Erde verteilte daumengroße Spritzer auf meinen Jeans und Unterarmen. Mein komplettes Outfit war ruiniert.

    Ich verdiente meinen Lebensunterhalt in Ruinen wie diesen auf der ganzen Welt – auf Trekkingtouren durch entlegene Gebiete in der Wüstenhitze, beim Waten durch morastige Sümpfe und beim Wandern in klirrend kalten Bergregionen. Als Archäologin genoss ich all das, was ich beruflich machte. Aber wenn man den ganzen Tag mit Erde und Tod zu tun hat, wünscht man sich hin und wieder auch mal schöne Jobs, bei denen man sich nicht schmutzig macht.

    Unglücklicherweise würde sich meine Ankunft in einem Wellness-Resort noch um mindestens ein paar Tage verzögern – und noch ein wenig länger, wenn ich das drohende Desaster, das sich in meinem aktuellen Einsatzgebiet anbahnte, nicht würde abwenden können. Also schüttelte ich so viel Schlamm wie möglich von meinen Stiefeln, wischte die Schmutzflecken von meiner Hose und tat so, als wäre die brütende Hitze in Honduras eine Sauna und als ob meine Haut eine Fünf-Sterne-Behandlung mit Heilerde bekäme.

    Natürlich halfen derlei Träumereien nur wenig, der nüchternen Realität zu entfliehen. Aber immerhin war ich ablenkt und kam so schneller an meinen Bestimmungsort.

    Als ich die Ausgrabungsstätte endlich erreichte, sah ich die Fundstücke schon aus dem Erdreich ragen wie Gemüse, das reif zum Pflücken ist. Dieser Job war wirklich ein Kinderspiel. Diese historischen Schätze wollten förmlich gefunden werden. Sie streckten sich aus ihren Gräbern und schwenkten für alle sichtbar die weiße Flagge der Kapitulation.

    Aber das war auch schon ein Teil des Problems. Es gab nämlich Leute, die nicht wollten, dass diese Schätze gefunden wurden. Menschen, denen es lieber wäre, sie würden wieder vergraben oder sogar zerstört werden. Und was noch schlimmer war, es gab wieder andere, die diese Schätze aus reiner Profitgier dem Boden entreißen wollten. Es war das letztere Problem, das mich dazu veranlasste, mein Tempo zu erhöhen. Aber die zuvor erwähnten Leute hinderten mich am Vorankommen.

    Ich trat zurück, als ein Militärkonvoi auf das Gelände fuhr. Eine Flagge mit fünf azurblauen Sternen in der Mitte eines dreifarbigen Bandes aus Blau und Weiß prangte stolz an den Seiten des Jeeps. Es handelte sich um die Nationalflagge von Honduras. Den indigenen Völkern dieses Landes wurde einst ihre Unabhängigkeit genommen und von den Eroberern aus fremden Ländern eine neue Identität verpasst.

    Es hatte Jahrhunderte gedauert, bis das Volk seine Autonomie wiedererlangt und seine eigene Stimme zurückgewonnen hatte. Der Militärkonvoi vor mir zeigte nur allzu deutlich, dass die Machthaber nicht die Absicht hatten, die Zeit zurückzudrehen. Paradoxerweise kam diese neue Bedrohung jedoch direkt aus der Vergangenheit.

    Wir standen an dem Platz, der einst das Zentrum der Ciudad Blanca dargestellt hatte, der Weißen Stadt, auch bekannt als die Verlorene Stadt des Affengottes. Die riesige Statue eines Affen lag auf der Seite und ihre untere Hälfte war mit Schmutz bedeckt. Es sah aus, als hätten die antiken Bewohner die Statue ihres Götzen unter eine Decke gesteckt, bevor sie die Stadt verlassen hatten. Diese verschüttete Stadt hatte eine uralte Zivilisation beherbergt, die vor über 1000 Jahren geblüht hatte. Als Zeugen der Vergangenheit hatten die antiken Besitztümer uns heute eine Menge zu sagen.

    Bevor irgendetwas von der Grabungsstätte zur weiteren Analyse abtransportiert werden konnte, mussten der Boden begutachtet und dann die Fundstücke beglaubigt werden. Hier kam ich ins Spiel. Eine archäologische Fundstätte galt dann als begutachtet, wenn ein anerkannter Experte – wie ich – ein Auge auf sie geworfen hatte. Schritt eins war damit erledigt. Nun ging es an den schwierigeren, anspruchsvolleren zweiten Schritt, nämlich die Beglaubigung der Fundstücke. Meine besondere Aufgabe als Sachverständige für Antiquitäten am Ausgrabungsort dieses seltenen Fundes war es, die Gegenstände zu datieren und ihre Echtheit zu belegen.

    Die Regierung von Honduras glaubte – hoffte –, dass die verlorene Stadt nur ein paar hundert Jahre alt wäre. Natürlich taten sie das. Die Beamten waren ja die direkten Nachfahren der Mayas. Mit dem Fremdenverkehr zu den Ruinen der Mayas machte man gute Geschäfte. Geschichtsbücher wurden letztendlich immer nur von den Siegern geschrieben. Wenn sich herausstellen sollte, dass es eine Zivilisation gegeben hatte, die fortgeschrittener oder älter gewesen war als die der Mayas, so würde dies ein großes Problem darstellen.

    Zum Leidwesen der Regierung log die Erde aber nicht.

    Was ich fand, war nicht nur älter als die Mayas, es war auch weit mehr als eine Stadt. Diese Ausgrabungsstätte war riesig. Meiner Einschätzung nach stellten diese paar Hektar, die abgesperrt worden waren, nur den Auftakt von etwas viel Größerem dar. Die Anordnung der Ruinen, die zum Vorschein gekommen waren, schien ein paar Blöcken einer Stadt in einem ganzen Netzwerk von Städten zu entsprechen.

    Ich schritt entlang der abgesperrten Bereiche der Fundstätte und beobachtete meine Kollegen bei ihrer gewissenhaften Arbeit, die Vergangenheit freizulegen. Professor Aguilar von der Nationalen Altertumsbehörde von Honduras bürstete vorsichtig den Sand von einem dunklen Steinobjekt, um die Schnitzereien eines vermeintlichen Jaguarkopfes mit dem Körper eines Menschen freizulegen. Wir hatten viele solcher Darstellungen auf den ausgegrabenen Fundstücken gefunden – Wer-Affen, Wer-Spinnen, sogar Wer-Vögel.

    Professor Aguilars Augen weiteten sich vor Begeisterung. Eine Sekunde später verfinsterten sie sich vor Sorge, als er die uniformierten Soldaten erblickte, die auf dem Gelände patrouillierten. Die Inschriften auf dem Fundstück unter dem Wer-Jaguar gehörten nicht zu den Hieroglyphen der Maya-Indianer, die die älteste bekannte Zivilisation dieses Landes darstellten. Dies hier war etwas Älteres, etwas, das dem Ruhm der Mayas vorausgegangen war, etwas, das die nationale Identität eines ganzen Landes in Frage stellen könnte – eines Landes, das hart darum gekämpft hatte, seine Kultur, sein Land und seinen Charakter von den Eroberern zurückzuerlangen.

    Ich verstand die Worte der Inschrift, denn ich hatte sie kürzlich an zwei meiner besten Freundinnen gerichtet, die zufällig Wer-Jaguare waren. Zum Glück hatten sie noch nichts von dieser Ausgrabung mitbekommen, sonst wäre unser nächster Mädelsabend ruiniert gewesen. Ich musste dafür sorgen, dass das so blieb.

    Aguilars Lippen verzogen sich zu einer leichten Grimasse, als er auf die Militärs blickte, die in diese kulturelle Ausgrabungsstätte eindrangen. Ein Soldat näherte sich. Aguilar zögerte, aber schließlich übergab er ihm das Fundstück. Der Beamte bedeckte es mit einem Tuch und ging davon.

    Aguilars Blick traf den meinen, und er schüttelte leicht den Kopf. Ich wusste, dass er meine Bedenken teilte. Die Fundstelle war sensationell. Es handelte sich um einen Fund, der mit der Welt geteilt werden sollte, nicht verleugnet und totgeschwiegen wie unangenehme, unerwünschte Bekannte.

    Während das Team der Archäologen die Funde freilegte, packten die Soldaten der honduranischen Spezialeinheit sie ein und luden sie auf die Rücksitze ihrer Fahrzeuge. Ich beobachtete, wie die Soldaten die Fundstücke auf einen Lastwagen verfrachteten. Sie mochten versuchen, die Wahrheit zu verbergen, aber die Vertuschung würde nicht lange funktionieren. Es hatte 1000 Jahre gedauert, bis diese ganze Sache ans Licht gekommen war. Sie würde wieder auftauchen. Das tat die Vergangenheit immer.

    Vielleicht sogar eher früher als später. Ich warf einen Blick über meine Schulter und stellte fest, dass die Soldaten momentan nicht meine größte Sorge waren. Eine größere Bedrohung bahnte sich an. Ich drehte mich um und marschierte zielstrebig zu dem Mann, der das Kommando hatte.

    „Leutnant, rief ich. „Kann ich Sie kurz sprechen?

    Leutnant Alvarenga drehte sich mit steifer Miene um. Seine hochgezogenen Augenbrauen senkten sich, während sich seine Lippen zu einem eigentümlichen Grinsen verzogen. „Da ist ja unsere kleine Lara Croft."

    Ich versuchte, mich nicht über den Vergleich zu ärgern, obwohl es mir an sich nichts ausmachte, körperlich mit ihr verglichen zu werden. An der Videospielfigur oder der von Angelina Jolie verkörperten Filmfigur gemessen zu werden, war ein Kompliment, obwohl ich keineswegs ein Abziehbild von ihr darstellte. Mein dichtes, dunkles Haar war zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, nicht zu einem langen, einfachen Zopf, und ich hatte große, katzenartige Augen mit einer ausgeprägten Schrägstellung, die auf eine asiatische Herkunft hindeutete. Ich hatte die gleiche majestätische Nase, die auf alte gallische Vorfahren hinwies. Meine Lippen waren üppig und voll, was eine afrikanische Abstammung vermuten ließ. Mein rötlicher Hautton schließlich verortete mich irgendwo zwischen dem Norden Afrikas und dem Süden Spaniens. Und, ja, ich sah in engen Hosen, einem Tanktop und einem schicken Paar Stiefel mit festem Schaft verdammt gut aus.

    Doch da endeten die Gemeinsamkeiten zwischen der fiktiven Figur und mir auch schon. Croft raubte Gräber aus und stahl Kunstgegenstände. Ich hingegen fand, was einst verloren war, und teilte meine Funde dann mit der Welt. Vom moralischen Standpunkt aus gesehen, könnten wir nicht unterschiedlicher sein.

    „Sie haben mir noch nie gesagt, Nia …, sagte der Leutnant, als er sich mir näherte, „Sind Sie eigentlich eine Frau oder ein Fräulein?

    „Ich bin eine Doktorin, sagte ich und behauptete mich ihm gegenüber. „Doktorin Nia Rivers.

    Alvarenga hatte einen Fuß auf meinen gestellt, aber ich war nicht leicht einzuschüchtern. Leider schien ihm das zu gefallen.

    „Es erstaunt mich immer noch, wie Sie so schnell vor Ort sein konnten, sagte er. Seine Augen verengten sich, sein Lächeln täuschte. „Und das nur wenige Tage, nachdem meine Truppen und ich auf offiziellen Befehl hin hierhergeschickt worden sind.

    Meine Augen waren groß vor gespielter Unschuld. „Die IAC hat mich entsandt, um zu gewährleisten, dass es zu keinen Beschädigungen an einer möglicherweise historischen Stätte kommt."

    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Die International Antiquities Coalition, für die ich oft freiberuflich tätig war, hatte mich nicht entsandt. Vielmehr hatte ich sie auf die Fundstätte aufmerksam gemacht, nachdem ich über eine Darknet-Seite, die von Glücksrittern, Schatzjägern und Grabräubern frequentiert wird, Wind davon bekommen hatte. Ich informierte die IAC, dass ich auf dem Weg war, und sie hatten bloß den Papierkram erledigt, um meine Ankunft amtlich zu machen.

    „Natürlich, sagte der Leutnant mit einem spöttischen und unaufrichtigen Lächeln, ist es eine Verschwendung von Ressourcen, die Lehmhütten von antiken Wilden auszugraben. Wahrscheinlich haben die ihren Nachwuchs gefressen wie die wilden Tiere in den Wäldern. Am besten lässt man die Vergangenheit ruhen."

    Gestern hatten wir einen Opferaltar in der Mitte des Stadtplatzes freigelegt. Jede Kultur brachte Opfer dar, egal ob es sich um Tiere, um Fasten oder sogar um Menschen handelte. Die Sitte, auf das zu verzichten, was einem lieb und teuer war, setzt sich auch heute noch fort, wenn ein Vater zugunsten seines Kindes auf etwas verzichtet, eine Ehefrau die Bedürfnisse ihres Mannes über ihre eigenen stellt oder eine junge Führungskraft ihren Stolz ablegt, um nach einer höheren Sprosse auf der Erfolgsleiter zu greifen. Im Kern bedeutete Opfern, zugunsten des Allgemeinwohls das aufzugeben, was einem lieb und teuer war. So nahm ich an, dass in gewisser Weise auch der Versuch der Regierung, diesen Fund zu verbergen, um die aktuelle kulturelle Identität zu schützen, ein Opfer war. Trotzdem war es nicht richtig.

    „Die IAC hat mich hergeschickt, um die Fundstelle zu untersuchen und die Funde in Übereinstimmung mit dem internationalen Antiquitätenabkommen zu beglaubigen. Man glaubt, dass dieser Fund von großer historischer Bedeutung für die gesamte Menschheit ist."

    Der Leutnant hob wieder die Augenbraue, als ob er mir nicht glaubte. Verdammt, er war schlauer, als ich gedacht hatte. Aber ich hatte weder die Zeit noch die Muße, ihm Anerkennung zu zollen, während seine Männer gerade dabei waren, einer anderen Kultur an der Ausgrabungsstätte eben diese Anerkennung zu verwehren.

    „Mein Land braucht kein Abkommen, damit wir in unserem eigenen Vorgarten graben können", sagte er.

    „Nein, aber Sie werden Unterstützung brauchen, um all das zu bergen, was geplündert und außer Landes gebracht werden könnte. Ich befürchte, dass die genaue Lage der Ausgrabungsstätte bereits online durchgesickert ist."

    Endlich kam ich zu dem Grund, warum ich vom Satellitentelefon, mit dem ich in meinem Zelt meine E-Mails gecheckt hatte, direkt zur Ausgrabungsstätte geeilt war. Ich war nicht online gegangen, seit ich hier angekommen war. Als ich mich vor zwanzig Minuten eingeloggt hatte, hatte es eine Meldung über erhöhte Aktivität auf der Darknet-Seite gegeben, die mich hierhergeführt hatte.

    „Unsinn, murmelte der Leutnant. „Und selbst wenn der Standort bekannt werden würde, sichern meine Männer das gesamte Gebiet ab.

    „Aber das Gebiet ist sehr weitläufig, beharrte ich. „Vielleicht sollten Sie Ihre Männer nicht so weit verteilen und sie stattdessen näher an den Ort des Geschehens bringen.

    „Ms. Rivers, ich weiß, dass es in Amerika auch Frauen gibt, die das Sagen haben. Aber Sie befinden sich hier in meinem Land, mitten im Dschungel, und sprechen mit einem hochrangigen Offizier des Militärs. Mit dem Erteilen von Befehlen wird Ihre Stimme vielleicht nicht gerade bestmöglich eingesetzt."

    Ich konnte gut einen amerikanischen Akzent vortäuschen, aber ich war keine Amerikanerin. Und ja, darauf wollte ich mich konzentrieren, anstatt auf seine frauenfeindlichen Kommentare. Ich hatte zu viele Tage mit ihm verbracht, um dieser alten Leier irgendeine Beachtung zu schenken. Es standen wichtigere Dinge auf dem Spiel.

    „Der einzige Ort, wo dieser ganze Krempel hinkommt, ist ein Tresor der Regierung", sagte er und sah sich mit Abscheu um.

    „Sie meinen einen Tresor bei der Nationalen Altertumsbehörde von Honduras?", fragte ich, wobei ich meiner Stimme einen Anflug von Lieblichkeit verlieh.

    Ich hatte schon zu viele Männer und Frauen wie ihn kennengelernt – Menschen, die mehr damit beschäftigt waren, ihre Interessen zu schützen, als die Menschheit voranzubringen – um dies zu vergessen. Die Regierung von Honduras hatte nicht die Absicht, diese Information nach außen dringen zu lassen, bis sie herausgefunden hatte, wie sie zu ihrem Vorteil genutzt werden konnte. Und wenn sie das herausgefunden hatte, würde die Wahrheit über diese verlorene Zivilisation so lange verfälscht und verwässert, erobert und kolonisiert werden, bis sie zur gegenwärtigen nationalen Identität passte.

    Die Beute geht an den Sieger, so lautet das Sprichwort.

    Zum Leidwesen der Regierung hatte ich aber die feste Absicht, heute als Siegerin hervorzugehen.

    „Sobald unsere Experten die …Fundstücke begutachtet haben, werden wir entscheiden, was wir darüber an die Öffentlichkeit dringen lassen, sagte der Leutnant mit herablassendem Ton. „Zerbrechen Sie sich nicht Ihren hübschen kleinen Kopf über Plünderer. Sie sind hier in Sicherheit.

    Da hatte er Unrecht. Immerhin hatte ich es geschafft, hier einzudringen.

    Seine Worte stellten eine Drohung dar, trotz seines Versuchs, mich zu „beschwichtigen". Ich wusste, er erwartete von mir, dass ich Angst hatte. Zeigte ich keine, würde ihn das nur aufregen und ihn anspornen, mich noch mehr herauszufordern. Aber ich war zu müde und missmutig wegen meiner schmutzigen Kleidung, um so zu tun, als ob ich eingeschüchtert wäre.

    „Wie auch immer, sagte ich schließlich mit einem Achselzucken. „Vielleicht liege ich ja falsch. Ich wusste, dass das nicht der Fall war.

    Leutnant Alvarenga nickte huldvoll. „Wenn Sie um Ihre Sicherheit besorgt sind, können Sie jederzeit nach Einbruch der Dunkelheit in meinem Zelt vorbeikommen."

    „Klingt verlockend." Mein Ton war spöttisch, aber das Glitzern in seinen Augen verriet mir, dass er die Ironie nicht verstanden hatte. Wenn ich schon in der Erde herumkriechen musste, wollte ich wenigstens etwas ausgraben, das all die Mühe wert war.

    Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu meinem Zelt, während ich seine Blicke auf meinem Hintern spürte. Aber das machte mir nichts aus. Es würde das letzte Mal sein, dass er ihn zu Gesicht bekam.

    Kapitel Zwei

    In der Nacht war es ziemlich laut. Säugetiere, Reptilien und Insekten machten lärmend die Nacht zum Tag und begannen dann mit ihren üblichen Tätigkeiten. Grillen rieben ihre Schenkel aneinander, um ihre Anwesenheit anzukündigen. Vögel schlugen mit ihren Flügeln, während sie Nachtgesänge anstimmten. Brüllaffen machten ihrem Namen alle Ehre und brüllten einander über die Äste hinweg an.

    Unten im nächtlichen Treiben ging ein Ameisenbär an mir vorbei, hielt an und wandte sich um, um mich zu mustern, wie ich zusammengekauert dasaß. Er leckte an dem Schlamm meiner Stiefel, fand aber keine Ameisen und trottete schließlich weiter. Er war nicht mein einziger Besucher. Die Tiere in diesem fruchtbaren Wald hatten seit einem Jahrtausend keine Menschen mehr gesehen. Sie hatten vergessen, wie man sich fürchtet.

    Ich kletterte einen Baumstamm hinauf, um der Aufmerksamkeit der Bodenbewohner zu entgehen und einen besseren Platz zum Beobachten zu finden. Ein Faultier schwang sich vorbei und kletterte auf den Ast neben mir. Es hielt sich mit Armen und Beinen daran fest und blickte mich von oben herab an. Wir beäugten einander ein paar Sekunden lang. Ich verlor das Wettstarren und musste über den ernsten Ausdruck auf seinem verkniffenen Gesicht kichern.

    Das Knacken eines Astes in der Ferne lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf das, was hier vor sich ging. Als ich den Kopf drehte, erschrak ich beim Anblick von zwei Soldaten des Leutnants. Ich erkannte sie aus dem Lager. Offenbar hatte der Leutnant meine Warnung beherzigt. Leider war es dafür jedoch schon zu spät.

    Die Soldaten hielten ihre Augen auf den Horizont gerichtet, dorthin, wo die Sonne untergegangen war. Ein Gefühl sagte mir, dass ich zum Neumond hinaufschauen sollte. Plötzlich entdeckte ich die Angreifer. Mit klopfendem Herzen zählte ich drei von ihnen, die sich durch die Baumkronen über mir näherten.

    Verflucht.

    Ich hatte gewusst, dass sie kommen würden, aber ich hatte gehofft, dass es nicht so bald sein würde. Sie bewegten sich wie Gespenster durch das Blätterdach des Regenwaldes, so leise, dass sich ihre Geräusche mit denen der anderen Tiere vermischten, die von Ast zu Ast huschten. Ohne dieses Bauchgefühl hätte ich sie nie bemerkt.

    Ich spannte meinen Körper an, verharrte so ruhig und still wie möglich und musterte sie. Zwei der Angreifer waren Einheimische. Das konnte ich an der geschmeidigen Art erkennen, mit der sie sich durch die Dunkelheit bewegten. Der dritte, der Anführer, war ein Ausländer. Wahrscheinlich handelte es sich um einen jungen Mann, der die Kunst des Parkours beherrschte. Aber Äste waren keine Dächer oder Halfpipes aus Beton, und er geriet ins Straucheln. Es dauerte nicht lange, und er rutschte ab. Der Ast unter ihm war zu schwach, um sein Gewicht zu tragen, und gab nach.

    Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie der Mann sich am Baumstamm festhielt. Aus einiger Entfernung sah ich, wie seine Finger vor Anstrengung ganz weiß wurden. Seine Lippen bewegten sich schnell. Wahrscheinlich betete er zu dem Gott, an den er glaubte, dass ihn niemand sehen würde. Oder, wenn er klug war, dass er nicht herunterfallen würde.

    Der Ast brach entzwei. Ein glatter Bruch. Auf seinem Weg nach unten drehte sich das mächtige Stück Holz. Seine jungen

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