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Meine Männer und Frauen: Der Liebhaber Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Meine Männer und Frauen: Der Liebhaber Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Meine Männer und Frauen: Der Liebhaber Dietmar Wolfgang Pritzlaff
eBook532 Seiten7 Stunden

Meine Männer und Frauen: Der Liebhaber Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Über dieses E-Book

Der Weg des Liebhabers Dietmar Wolfgang Pritzlaff von 1963 bis 2016. Der Liebhaber und seine Partner*innen, Freundschaften, Bekannte, One-Nights-Stands und flüchtige Begegnungen. Erotische Abenteuer, tiefe Gefühlswelten. VORSICHT: Pornografie!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juli 2021
ISBN9783985943388
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    Buchvorschau

    Meine Männer und Frauen - Dietmar Wolfgang Pritzlaff

    Impressum

    Titel:

    MEINE MÄNNER UND FRAUEN – Der Liebhaber Dietmar Wolfgang Pritzlaff

    ISBN:

    978-3-9859-4338-8

    Auflage 1 / v2 / Juli 2021

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    © Foto: Charly, Köln

    Autor:

    Dietmar Wolfgang Pritzlaff  (© Alle Rechte dem Autor vorbehalten.)

    geb. in Altena/Westf., schreibt Romane, Kurzgeschichten, Lyrik, Haiku, Songtexte,

    Theaterstücke, Hörspiele, Essays und Drehbücher, journalistische Texte

    www.diwop.de

    www.liesmichnet.de

    Verlag:

    © 2021 • dwp –Day Walker Productions

    veröffentlicht von: feiyr.com

    dwp-feiyr-com-Veröffentlichungen

    © Cover-Foto: „MEINE LIEBES-PREISE" von Dietmar Wolfgang Pritzlaff

    Copyright der Original-Oscar-Figur: © A.M.P.A.S.®

    © Text, Layout und Satz: Dietmar Wolfgang Pritzlaff, Köln

    Infos zu diesem Buch:

    Ein Buch mit all meinen Beziehungen, mit Höhen und Tiefen und Alltagsgeschichten, mit viel Sex, Sexgeschichten und intimsten Geheimnissen… Macht man sowas?

    Über Facebook-Nutzer wird oft der Kopf geschüttelt, wenn sie ihre Alltagsgeschichten und Geheimnisse preisgeben. Was Facebook-Nutzer können, kann ich auch, habe ich mir gesagt und losgelegt. Um meine Person soll es keine Geheimnisse mehr geben. Ich werde mit diesem Buch wohl wieder ein Stück näher an einen „gläsernen Menschen" herankommen. Meine Geschichten schenke ich aber nicht Facebook, sondern veröffentliche sie in meinen eigenen E-Books.

    Ich kenne keine Biografie wie diese, die kein Blatt vor den Mund nimmt. So sperrangelweit offen und ausgiebig ehrlich. Radikal und schonungslos. Ich habe mir gesagt: Alles muss raus! Also bin ich ran an die Tasten und hämmerte die Geschichten runter. Mir gefällt das Ergebnis. Ich bin gespannt, ob es auch anderen Lesern „gefallen" kann.

    Ich bin ein Autor, der sich kaum noch um Rechtschreibung, Grammatik und Orthografie (letzteres darf man auch mit ph schreiben) kümmert. Ich bitte dies vorab schon mal zu entschuldigen. Nach der Rechtschreibreform von 1996 bekam ich irgendwie nicht ganz klar, warum und wieso, auf Teufel komm raus, reformiert wurde. Unsere deutsche Sprache war doch, gut wie sie war. Ich bekam beim besten Willen die neuen Regeln nicht in meinen Kopf.

    Die Reform der Reform in den Jahren 2004 und 2006, mit den nächsten Änderungen, versuchte ich wieder ich zu lernen und mitzuhalten.

    Sind die Änderungen auch gelungen, ändern wir die Änderungen!

    So kam es mir bei den nächsten Änderungen in den Jahren 2011 und 2017 vor. Ich verlor völlig den Überblick und habe für mich entschieden: Ich schreibe mein eigenes deutsch. Etwas aus den „guten alten Zeiten" und etwas aus den vielen Änderungen. Schluss – aus – basta! Wem das nicht passt, sollte zu anderen Texten greifen.

    Mein Lektor ist bei diesem Buch auch noch abgesprungen. Was soll ich machen? Das Buch bleibt jetzt so, wie es hier vorliegt, fertig!

    Neue Rechtschreibung? Hallo? Da setzen sich irgendwelche Buchstaben-Verdreher*innen an einen Tisch und überarbeiten nach Lust und Laune, und für mich, meist ohne Verstand, unsere deutsche Sprache und finden es auch noch toll.

    Delfin mit – f – sieht für mich heute immer noch falsch aus und es gab keinen in meinem Bekanntenkreis, der sich über Delphin mit – ph – beschwert hatte. Warum also ändern? Oder die legendäre Kunststoffflasche. Jetzt darf man plötzlich effeln und esseln, also drei Efs und Esse schreiben und warum nicht gleich ganz das Eszett verbannen?

    Nö, sehe ich nicht ein. Ich schreibe wie es mir passt und wenn es falsch ist – Pustekuchen!

    Wer Fehler melden will, kann mir gerne eine überarbeitete Version, sozusagen als Lektorexemplar zusenden, dann werde ich gerne mein Buch verbessern, wenn es denn unbedingt sein muss. So spar ich mir auch den Lektor. Also schon mal vorab, vielen Dank, wenn Du, lieber Leser, mein Lektor sein willst.

    Außerdem habe ich sämtliche Namen der Protagonisten geändert. Es geht ja um mich und die Zeit mit mir. Außerdem lesen sich Hans1 und Hans2s Haus –einfach nicht so gut.

    Vorwort: Auf der Suche nach...

    Ja, nach was eigentlich? Eine nette Freundschaft? Eine lockere Beziehung? Feste Partnerschaft? Eine Ehe? Aber wie? Gar nicht so leicht und schon gar nicht leicht „dran zu bleiben" und eine Beziehung mit all ihren Höhen und Tiefen über Jahre zu hegen und zu pflegen, um ein bisschen Glück, Liebe, Geborgenheit und Zweisamkeit zu genießen.

    Dieses Buch soll darüber Aufschluss geben. Über meine Beziehungen zu Frauen und Männern. Liebesbeziehungen aber auch Freundschaftsbeziehungen. Dauer- und Kurzzeitbeziehungen. Die mir wichtigsten Frauen in diesem Buch werden aufgezählt und mit vielen hatte ich keine Partnerschaft, sondern sie waren für mein Leben wichtig.

    Außer Acht lasse ich mal die vielen One-Night-Stands. Vielleicht erwähne ich ein paar Witzige oder Besondere.

    Den Weg vom Willen der Verdrängung bis zum Coming-out, vom ersten Augenblick des Kennenlernens bis zur letzten Träne des Abschieds soll dieses Buch aufzeigen.

    Dabei will ich auch versuchen den Werdegang meiner sexuellen Orientierung zu erzählen. Meine Sexualität, meine Neigungen, Vorlieben und Ablehnungen. Also ich schreibe nicht wirklich alles. Das hier soll ja kein Porno werden. Oder doch? Manchmal schon…

    ACHTUNG: Dieses Buch ist zwar kein Porno, aber es gibt in diesem Buch pornografische Textstellen. Zartbesaitete Feingeister und Moralisten seien also gewarnt. Einiges muss ich einfach erzählen, auch wenn Moralwächter ihre Zeigefingerchen erheben sollten. Da werde ich kein Blatt vor den Mund nehmen. So in die Tiefe der menschlichen Bedürfnisse einzutauchen, zu erklären und in die Abgründe der schwarzen und rosaroten Körperöffnungen vorzustoßen, ist mir wichtig.

    Es gibt aber nicht nur Liebhaber-Geschichten. Ich berichte auch von besonderen Freundschaften und freundschaftlichen Begebenheiten.

    Wenn man glaubt die Liebe gefunden zu haben, wird man enttäuscht. Wenn man gar nicht mehr daran denkt, steht sie urplötzlich vor einem. Auch alle Abwehr kann dann nichts ausrichten.

    Was passierte im Alltag meiner Beziehungen, dazwischen und zwischendurch? Alltagstrott tritt Beziehung kapott, oder so!

    Aber gerade der Alltag will zu zweit bezwungen werden. Da gibt es kleine und kleinste Geschichten, die ein Zusammenleben so schwierig machen. Soll man dafür kämpfen? Soll man Kompromisse eingehen? Soll man sich und seine Interessen dem Gegenüber mit seinen Ideen unterordnen? Ist das gleich ein persönliches Aufgeben seiner Person oder wächst genau dort eine kleine neue Pflanze des Zusammenlebens heran?

    Ich erzähle meine Geschichte aus meiner Sicht. Ganz persönlich und natürlich subjektiv. Ich versuche diese Geschichten genauso wieder zu geben, wie alles in Wirklichkeit geschehen ist. Aber aus der Erinnerung heraus, wirken manche Begebenheiten verschwommen, surreal, irreal, fantastisch, wie durch Milchglas gesehen und ich kann nur ahnen, was wirklich passiert ist.

    Manches kann ich bis zum Erbrechen genau sezieren. Manches bleibt schleierhaft. Oder gibt es noch andere Blickwinkel, die ich noch nicht durchdacht habe?

    Auch das, will ich dann in die Geschichten einarbeiten. Ich hoffe, es gelingt mir. Ich schildre die Ereignisse, die sich mir ins Gedächtnis gebrannt haben, bei denen ich involviert war.

    Dieses Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Viel mehr versuche ich, mir wichtige Geschichten und Erlebnisse ins Bewusstsein zu rufen und hier wiederzugeben. Erlebnisse, die mir eben in Erinnerung geblieben sind, als herausstechende Merkmale, sozusagen.

    Darüber hinaus soll dieses Buch auch irgendwie unterhalten.

    Deshalb wünsche ich meinen Lesern*innen gute Unterhaltung mit den Geschichten aus meinem „kleinen Leben".

    Wie bin ich nur auf „ein kleines Leben" gekommen? Ach, ja. Ingrid Caven, eine Fassbinder-Schauspielerin sang einmal ein Lied gleichen Titels und das ging so:

    Im kleinen Leben liegt der große Schmerz

    Der große Schmerz

    Die Großen haben für ihr großes Leben

    Ohnehin kein Herz

    Leider weiß ich nicht wer es geschrieben, noch wer es komponiert hat, aber es gab ein Liederbuch mit dem Titel des Liedes. Ein Liederbuch von Ingrid Caven und Peer Raben mit Texten von Hans Magnus Enzensberger, Rainer Werner Fassbinder, Jean-Jacques Schuhl und Wolf Wondratschek.

    Und leider gibt es nur diesen Liedtext als Buchtitel. Blättert man das kleine Buch durch, dann fehlt dieses Lied.

    Meine Bücher sollte man unter diesen Titeln einordnen: Ein kleines Leben und/oder Eine Biografie von allen Seiten.

    Dietmar Wolfgang Pritzlaff

    Kapitel 1: Meine Eltern

    Mutter und Vater sind wohl die ersten Menschen, die mir ins Gesicht geblickt hatten, als das erste Neonlicht in meinen Augen brannte und ich noch ganz verquollen aussah. Wahrscheinlich warfen eine Hebamme, Krankenschwestern und ein Arzt als erstes einen Blick auf den kleinen Schreihals mit dem „Schweinsgenick", wie mein Vater zu sagen pflegte.

    Da sich die Brustwarzen meiner armen Mutter entzündet hatten, konnte, durfte ich nicht am warmen dicken Busen meiner Mutter schlemmen, sondern bekam die Flasche. Ich wurde mehr und mehr zum Liebhaber großer Titten. Ich denke mal, gerade durch den Entzug. Na klasse! Gerade auf der Welt und dann wurden mir die weltlichen Freuden vorenthalten. Mist! Später durfte ich oft an Mutters Brust ruhen, aber niemals saugen. So ein Ärger aber auch. Da steht man auf große Brüste und diese baumelten prachtvoll vor einem und dann durfte ich nicht dran. So eine Pleite. Deshalb bin ich wohl „schwul geworden". Aus Protest! *ha, ha, ha*

    Ich war ein Mama-Kind. Wollte nur bei meiner Mutter sein. Sie war warm und weich und ich fühlte mich geborgen.

    Männer waren mir immer irgendwie sonderbar. Ihr Gehabe um Recht und Vorherrschaft und so ein Macho-Zeugs waren mir immer fremd, prägten mich aber auch. Aus dem Jungen sollte ja mal ein richtiger Mann werden.

    Mama und nur Mama. Das ging so bis ich in den Kindergarten sollte. Was? Ich soll eingesperrt werden? Das verstand ich ja so gar nicht. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen. Der Kindergarten war nur ein paar hundert Meter die Straße entlang. Nur 3 Minuten Weg. Aber ich wurde zu meinem Unglück gezwungen.

    Meine Mutter musste mich hinter sich herziehen, weil ich nicht wollte. Warum eingesperrt sein, wenn man so schön in den nahen Wäldern spielen konnte und bei meiner Sandkastenfreundin Dagmar. Die brauchte ja auch nicht in einen Kindergarten. Dagmar war freiapostolisch oder Zeugen Jehova oder so was, von Hause aus. Die musste in keinen katholischen oder evangelischen oder sonst wie Kindergarten. Die wurde nicht eingesperrt.  Warum also ich?

    War ich so frech gewesen? Hatte ich nur Blödsinn gemacht? Mir ging es doch gut, so wie es war. Was sollte ich mit anderen lärmenden Bälgern?

    Drei Wochen soll es so gegangen sein. Erst zum Kindergarten schleppen, dann erst Mal eine Runde ausheulen, um dann ganz lieb mit den anderen Kindern in der Puppenecke zu spielen.

    Das kannte ich doch von zuhause aus. Mit zwei älteren Schwestern spielt man mit Puppen. Barbie-Puppen wurden an- und aus- und umgezogen. Und ich wollte immer das schöne rote, weitwallende Ballkleid der mir zugedachten Barbie anziehen. Ich bekam meist eine Puppe zugeschanzt, die meine Schwestern nicht wollten.

    Sobald meine Barbie mit rotem Kleid, langen Handschuhen bis über die Oberarme und auf hohen Hacken daherkam, wollten meine anderen Schwestern diese Sachen ihren Puppen anziehen. Es gab dann immer ein großes Hin- und Her.

    Irgendwann gesellte sich eine männliche Barbie zu den Puppen hinzu. Den Kerl wollte ich aber nicht. Der hatte nix zwischen den Beinen und auch keine großen Brüste wie die weiblichen Barbies. Der hatte so gar nichts hübsches an sich. Wahrscheinlich war es nicht mal der Original Ken von Barbie und irgendeinen so dahergelaufenen – nein, danke – den wollte ich dann auch nicht!

    Kapitel 2: Geschwisterliebe

    Als Wunschsohn, der den Familiennamen weitergeben sollte, wurde ich geboren. Hinein geworfen in eine Familie, in der schon zwei ältere Schwestern ihren Platz gefunden hatten. Die eine zwei, die andere schon sechs Jahre älter als ich. Sie bekamen mit mir ihre lebende Puppe. Ich wurde sozusagen den Puppenspielern vor die Füße geschmissen und war vor allem eins: eine plärrende Nervensäge.

    Was machte man als jüngster von drei Geschwistern, wenn das letztgekalbte schreiende Bündel ein Junge ist? Man arrangiert sich mit dem Schreihals und lenkt seine Energie auf die Puppenspiele.

    Ich spielte viel mit Puppen. Das war eben meinen älteren Schwestern geschuldet. Aber wenn es ein-zwei-drei an die Barbies ging, wollte ich immer mit der Blonden spielen und sie sollte auch das rote, lange, seidig wallende Ballkleid mit weißer Nerzstola tragen, sonst konnte ich ziemlich ungemütlich werden oder hatte einfach keine Lust mitzuspielen.

    Am Anfang reizten die Reize der Barbie. Ausgezogen waren sie einfach nur mit üppigen Brüsten und rundem Hintern ausgestattet. Schamhaare fehlten komplett. So sah ich auch manchmal meine Schwestern. Also nichts Ungewöhnliches. Allerdings fehlten den Schwestern damals noch die so strammstehenden Barbie-Brüste.

    Ich hatte auch eine Autobahn mit Match-Box-Autos. Mit Gummi-Flitschen-Katapult zur Beschleunigung der Wagen, damit sie durch einen Looping brausen konnten. Genau wie die Barbies – auch von der Firma Mattel. (Schleichwerbung-Alarm!)

    Ich hatte auch Legos und Fischer-Technik und ein großes Postauto aus Holz auf dem ich sogar sitzen konnte. Das machte dem gar nichts.

    Aber wenn es mit meinen Schwestern ans Spielen ging, durfte oder musste ich auch ihre Spielchen mitspielen. Wir hatten einen Kaufladen mit klitzekleinen Milchflaschen. Es gab sogar einen Ofen mit Feuersteinen. Richtig heiß wurden die kleinen Töpfe und Pfannen. Auch eine Post mit Stempeln und kleinen Briefumschlägen, wurde bespielt.

    Ich lernte ziemlich schnell, was es heißt unter drei Frauen groß zu werden. Die Frauen machen sich nicht gerne schmutzig. Sie mussten ordentlich und adrett gekleidet sein und halfen meiner Mutter. Also half ich auch mit. Das war ganz bestimmt nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Vor allem Aufräumen und Putzen mache ich selbst heute noch ungern, aber „wat mut – dat mut".

    Hier soll erwähnt werden, dass ich unter schwersten Frauenbedingungen aufwuchs. Das drückte mir so manchen Stempel auf. Zum Beispiel beleidigt sein und so tun, als ob alles andere und alle anderen völlig egal wären. Frau zickt dann rum und ich zickte mit. Wir waren teils völlig verzickt, nur um etwas später wieder ein Herz und eine Seele zu sein.

    Ich stritt lieber mit meiner nur zwei Jahre älteren Schwester, obwohl wir uns doch bis heute so sehr lieben. Pack schlägt sich – Pack verträgt sich! Hier stimmte das auf den Punkt.

    Mit meiner älteren Schwester war Streiten nicht so leicht. Sie war ja damals viel größer und schon gewichtiger als ich, so, dass ich merkte, bei ihr ziehe ich den Kürzeren. Wenn sich die große Schwester einfach mal mit dem kleinen Didi auf den Boden schmiss, ging mir schnell die Puste aus und ich ließ lieber alle Streitigkeiten.

    Es gibt noch einige Geschichten von und mit und über meine Schwestern, die ich unbedingt erzählen will, aber das wird erst im nächsten E-Book über meine Familie verwurstet.

    Kapitel 3: Sandkasten-Freundin

    Auf dem Finkenweg am Breitenhagen in Altena im Sauerland, standen in den 1960er Jahren nur eine Reihe Posthäuser, um genau zu sein drei Häuser in Reihe. Gegenüber zwei Eigenheimen und eingezäunten Schrebergärten.

    Mein Vater wurde Briefträger bei der Post in Altena. So durften wir in den Posthäusern leben. Die Straße war noch ein richtiger Feldweg mit Schutt, plattgewalzter Erde und großen Schlaglöchern.

    Wenn ich zum Spielen rausdurfte, ich denke, da war ich schon so vier oder fünf, traf ich nicht gerade auf viele andere Kinder. Die ersten Jahre war ich nur mit meiner besten Sandkasten-Freundin Dagmar unterwegs. Wir waren im gleichen Alter. Sie einen Monat älter als ich.

    Meist spielten wir im Garten hinter Dagmars elterlichem Eigenheim. Dagmar hat einen Bruder der auch älter ist, der mit den lieben Kleinen nicht so viel anfangen konnte und deshalb nur ab und zu mitspielte.

    Allerdings bekam er mal einen Stein an seinen Kopf geworfen, sodass es blutete wie Sau. Sah ziemlich schlimm aus. Und wer hatte den Stein geworfen und durfte sich natürlich hinterher wieder entschuldigen? Moi! Also ich. So gut war ich gar nicht im Steinewerfen, jedenfalls war ich nicht so zielsicher. Aber dieses eine Mal stimmten Richtung, Luftverhältnisse, Abwurfgeschwindigkeit und Wurfkraft. Danach habe ich nie mehr mit Steinen geworfen. Ich war von mir selbst überrascht, dass es so hervorragend geklappt hatte. Tut mir noch heute leid. Sorry Rolf!

    Aber zurück zu Dagmar. Sie und ich waren richtige Spielkameraden. Ja, wir fühlten uns zueinander hingezogen. Es waren ja sonst keine Blagen greifbar. Sie besaß einen eigenen Sandkasten, daneben ein Kinderspielgerät mit Schaukel und Klettergerüst. Wir durften im Garten tollen, aber nicht die Früchte aufessen. Haben wir dann aber doch öfters, als es ihren Eltern lieb war, gemacht. Es gab Pflaumen, Kirschen, Äpfel, Johannisbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren und - und - und... Alles kann man sich ja nicht merken. Eigentlich gab es immer wieder was zu futtern, wenn das Jahr so verging. Und ich durfte oft Obst naschen oder selbstgebrauten Himbeer- oder Kirschsaft trinken. Wow... das war genial. Und wir standen ja immer unter Aufsicht.

    Erst später spielten wir in dem nahegelegenen Wald, um Erkundungen in der Natur zu machen. Kletterten auf Bäume und waren richtig gute „Freundinnen".

    Manchmal durfte ich mit in Dagmars Zimmer. Sie hatte ein eigenes, genau wie ihr Bruder. Das kannte ich von zuhause nicht. Meine Schwestern und ich teilten uns ein kleines Kinderzimmer. Meine jüngere Schwester im Stockbett oben, ich unten und meine ältere Schwester in ihrem Bett auf der anderen Seite.

    In Dagmars Zimmer hing ein Fächer aus Kunststoff an der Wand mit Urlaubsfotos an den äußeren Rändern. Die Fotos zeigten einen riesigen Wasserfall. Die Niagarafälle. Wow... ich war wie verzaubert und bewunderte Dagmar, dass sie so etwas schon zu sehen bekommen hatte. War ich neidisch? Etwas, weil ich mir doch so sehr wünschte andere Länder und solche Naturschauspiele zu sehen.

    Meine Familie machte mal Ferien an der Nordsee. Auf der Insel Baltrum und an der Küste in Dornumersiel. Aber Ferien in anderen Ländern, darauf musste ich noch lange warten.

    Dagmar kam wirklich viel herum. Ihr Vater tauchte im Mittelmeer und zog damals noch ganz unbekümmert Amphoren aus dem Meer. Bruchstücke fanden sich auch in dem gepflegten Seewasseraquarium, welches im Wohnzimmer ein richtiger Blickfang war und ich hätte stundenlang davorsitzen und einem Rotfeuerfisch oder einer Schönflossenrückenbarbe beim Schwimmen zusehen können. Das war immer etwas ganz Besonderes für mich. Ein Süßwasser-Aquarium bekam ich erst ein paar Jahre später.

    Dagmars Eltern hatten auch schon früh ein Auto ihr Eigen nennen können. 1970 war es dann soweit, auch wir bekamen ein Auto. Einen hellblauen Opel Kadett. Damit ging es dann mit der ganzen Familie auch mal an einen See oder zu einer Talsperre im Sauerland. Davon gibt es ja bekanntlich viele: Sorpesee, Möhnesee, Biggesee, Versetalsperre, Fuelbecker Talsperre, die Glörtalsperre und - und - und... Oder auch mal in eine Tropfsteinhöhle, davon hat das Sauerland ja auch einige.

    Wie schon beschrieben, sollte ich in den Kindergarten, aber da hatte meine Mutter nicht mit ihrem freiheitsliebenden Sohn gerechnet, der es gewohnt war, einfach hinaus in die Welt zu ziehen und sich nicht einsperren zu lassen.

    Der Kindergarten war am Ende unserer Straße, etwa 150 Meter von unserer Wohnung entfernt. Das war also eigentlich ein Klacks. Aber darum ging es nicht.

    Meine Mutter zog, riss und schleppte mich jeden Morgen zu dem mir verhassten Kindergarten. Ich brüllte und schrie, dass es keine Freude war. Ich heulte selbst noch im Kindergarten angekommen und flehte meine Mutter immer wieder an, mich nicht dort zu lassen. Aber ich sollte und ich musste. Ich heulte so noch eine Weile rum und dann ging es meist. Ab zu den anderen Kindern und dann spielte ich auch mit.

    Mit Jungs habe ich kaum gespielt. Die wollten sich immer um etwas prügeln und kloppten blöde auf alles rum und traten in alles rein. Das war nicht mein Ding. Das war so gar nicht mein Ding. Das kannte ich von zuhause nicht. Ich hatte ja bisher nur mit Mädels, meinen Schwestern, gespielt und die streiten anders. Meistens jedenfalls.

    Die Jungs stritten sich um das schönere oder schnellere Auto, um Fingerfarben und weiß der Teufel noch was und rums gab es wieder Krach.

    Ich stand mal wieder in der Puppenecke und die weibliche Schar wollte unbedingt „Vater-Mutter-Kind" spielen. Ich ließ mich immer wieder gerne darauf ein. Das kannte ich ja von zuhause auch und meistens gab es mit den Mädels auch keinen Stress.

    Nach drei vollen Wochen hatte meine Mutter die Nase voll von dem Theater, dass ihr Sohn täglich aufführte und meldete mich vom Kindergarten ab. Hurra! Ich war wieder frei und konnte mit Dagmar spielen.

    Dagmar brauchte nicht in irgendeinen Kindergarten, sei er katholischer oder evangelischer Art. Dagmars Eltern waren Angehörige der Zeugen Jehova oder waren sie neuapostolisch oder wie oder wat? Jedenfalls gab es für Jehovas Kinder keine jehovarischen oder neuapostolischen Kindergärten. Dagmar spielte einfach in ihrem eigenen Garten hinter dem Haus.

    Ups – das hatte ich ja schon geschrieben. Egal, das füllt Seiten und doppelt hält bekanntlich länger.

    Dagmar brauchte nicht in irgendeinen blöden Kindergarten und schon gar nicht in einen katholischen. Allerdings feierte Dagmar mit ihrer Familie auch kein Weihnachten mit Geschenken und allem Gedöns. Auch Ostern sah man sie nie in der Kirche. Später durfte sie auch früher nach Hause, wenn mal wieder Religionsunterricht anstand.

    Lange wusste ich nicht, was ich davon halten sollte. Dann aber die Erklärung: die Familie war nicht evangelisch oder katholisch, sondern Zeugen Jehova oder war es doch neuapostolisch? Egal! Für mich machte das keinen Unterschied. Egal an was Dagmar und ihre „Bande" glaubten, wir wollten doch nur zusammen sein und spielen.

    Allerdings trübten zwei Vorfälle unser Zusammensein. Wir mussten so fünf oder sechs gewesen sein. Kurz vor der Schule. In einem schneereichen Winter hatten wir den großen Hunger der Waldvögel entdeckt. An einem Haus nahe dem Wald, eine Straße weiter, ließen sich die Vögel nicht von uns bei ihren Fressattacken stören. Wir liefen nach Hause und holten uns zwei Hände voll Vogelfutter. Kurze Zeit später hielten wir auf unseren ausgestreckten Händen die Körner den Vögeln hin, aber keines kam auf unsere Hände. Da war die Scheu doch zu groß. Aber in greifbarer Nähe ließen sie sich nieder und jubilierten uns entgegen.

    Plötzlich tauchten zwei ältere Burschen auf, die wir nicht kannten und schlugen unter unsere Hände. Das Vogelfutter flog durch die Luft in den Schnee und die kleinen Vögelchen verschwanden eingeschüchtert in den Wald.

    Zuerst beschwerten Dagmar und ich uns bei den Jungen. Aber die rissen unverschämter Weise an unseren Jacken und spielten sich auf und machten Angst. Mir Angst! Ich zog Dagmar am Arm, aber sie wollte bleiben. Ich machte mich allein aus dem Staub und rannte durch den vielen Schnee in sichere Gefilde – nach Hause. Ich ließ Dagmar bei den bösen Jungs einfach stehen und lief davon. Was für eine Schmach! Danach brauchte ich mich erst Mal nicht mehr bei Dagmar zu melden. Da musste erst ein wenig Zeit drüber vergehen. Ich glaube es dauerte zwei ganze Wochen.

    Ein weiterer Winter ging ins Land. Dagmar und ich bauten einen Schneemann auf der nahe gelegenen „Schäfchenwiese," wie wir den leicht abfallenden Wiesenhang nannten. Im Sommer standen immer ein paar Schafe auf dieser Wiese. Jetzt lud der Schnee zum Spielen ein. Der Schneemann sah richtig gut aus. Aus Zweigen und Steinen gestalteten wir Arme und Gesicht und waren stolz auf uns.

    Und wieder kamen zwei größere Jungen des Weges. Waren es dieselben wie beim letzten Mal? Ich glaube ja. Sie traten unseren Schneemann mit Füßen, der vornüberfiel und in hunderte kleine Schneefetzen zerbrach. Dagmar krallte sich an einen Jungen fest und trat ihm vors Schienbein. Der Junge schüttelte Dagmar kräftig durch und warf sie dann in den Schnee. Ich rief Dagmar zu: „Lauf weg" und schon rannte ich von der Wiese durch den hohen Schnee, so schnell ich nur konnte zu unseren Wohnhäusern und wartete auf Dagmar. Ihr war doch wohl nichts passiert, oder doch?

    Dagmar kam kurze Zeit später hinter mir her. Sie weinte. Hatten die Jungen ein Mädchen geschlagen. So etwas kannte ich noch nicht. Das machte man nicht. Das wollte ich nicht und mir tat es fürchterlich leid. Wir gingen zusammen zu Dagmar nach Hause. Als Dagmar Mutter ihr verheultes Mädel erblickte, schob sie Dagmar hinter sich ins Haus, mich ließ sie nicht hinein. Ich durfte meiner Freundin nicht folgen. Ein paar Minuten später kam die Mutter an die Tür, vor der ich mich immer noch herumdruckste. Dagmars Mutter schickte mich nach Hause, weil ich feige gewesen und weggelaufen war. Ich sollte mal über alles ordentlich nachdenken.

    Völlig ratlos schlich ich nach Hause. Den ganzen Nachmittag über wollte ich nicht mehr in den Schnee. Ich schämte mich entsetzlich.

    Wieder sahen Dagmar und ich uns nicht mehr für ein paar Tage. Oder waren es gleich mehrere Wochen. Ich traute mich nicht unter ihre Augen und erzählte auch nichts meinen Eltern von den Vorfällen.

    Die Jungen waren doch älter und größer als ich, was hätte ich ausrichten können? So oder so erklärte ich mir mein Verhalten. Das war aber nie wieder gut zu machen. Das blieb. Jedenfalls in meinem Gedächtnis, bis heute.

    Warum konnte ich nicht meinen Mann stehen? Warum bin ich nicht gleich auf die Jungen los? Angriff ist die beste Verteidigung, sagt man doch. Warum hatte ich nicht Dagmar verteidigt?

    Ich hatte es einfach nicht gelernt. Ich hätte wohl doch in den Kindergarten gehen sollen, um das Kämpfen mit anderen Jungs zu erlernen. So war ich nur unter Mädchen und die rauften eben nicht. Na ja, Dagmar schon, die konnte das.

    Dagmar und ich blieben noch Freunde, aber distanzierter als vorher. Irgendwann waren auch Kinder in den anderen Postwohnungen auf die Welt gekommen, die nach Jahren auf die Straße drängten und was soll ich sagen, es waren fast alles Mädchen. Es gab eine Brigitta, eine Daniela, Bianca, Corinna, Gisela und Kerstin. Es gab auch einen Alexander, der aber noch so winzig war, dass es sich nicht lohnte auf ihn als Spielkamerad zu warten. Ich durfte weiterhin mit Mädchen spielen. Besonders Gummi-Twist, Völkerball und andere Ballspiele hatten es uns angetan.

    Aber diese Gisela wurde gerne von Dagmar mir vorgezogen. Um zu sagen: „Siehste, das geht auch ohne Dich, Dietmar!"

    Es gab noch zwei weitere Geschichten, allerdings ohne Dagmar. Die nächste Feigheits-Story ereignete sich in Anwesenheit eines blonden, mit dicken Gläsern bebrillten Mädchen beim Rollschuhlaufen. Ich fühlte mich stark, ärgerte und stänkerte aus Spaß und Langeweile das blonde Mädchen namens Brigitta, bis ein viel jüngerer, aber von seiner Statur her, kräftigerer Junge des Weges kam. Brigitta kannte ihn aus der Schule und bat ihn um Hilfe. Ein "nichts leichter als das" war in seinen Augen zu lesen und dann jagte der Junge hinter mir armen berollschuhten Dietmar her. Der Überraschungsangriff gelang. Der Junge erwischte mich beim Ärmel, zerrte mich herum und klatsch - hatte ich eine knallrote Wange geschlagen bekommen und fiel in den Dreck. Anstatt sich zu wehren, dachte ich beleidigt, wütend und traurig zugleich, nur darüber nach, wie man sich in solch einer Lage denn hätte anders verhalten, sich wehren, sich helfen können und warum das Mädchen so etwas mit mir anstellen ließ? Wir hatten uns doch sonst immer gut verstanden.

    Ich zog die Rollschuhe aus und ging verstört nach Hause. Ich verschloss mich immer mehr und mehr, in meinem Geist und in meinem Zimmer vor der Außenwelt. Traute mich schon gar nicht mehr auf die Straße, und wurde langsam aber sicher, so ein richtig ungenießbarer Einzelgänger.

    Einmal ging ich allein in den Wald, um Pilze zu suchen. Ganz allein, mit einem großen geflochtenen Korb in der Hand, schlich ich mich durch den herbstlichen Wald und durchwatete knöcheltiefes Laub. Als ich den Korb voll der schönsten und kräftigsten Steinpilze und Rotkappen gesammelt hatte und ein Lied summend, den Heimweg antreten wollte, kamen mir zwei Jungen in die Quere. Schon wieder! Die beiden waren viel jünger aber in der Überzahl. Zwei, immerhin. Die beiden Jungen pöbelten mich an. Das reichte mir schon für einen kurzen Sprint. Schnell weglaufen hatte ich dadurch gelernt. Ich hetzte durch den Wald nach Hause. Verlor dabei die ganzen Pilze und log meiner Mutter vor, dass ich keine gefunden hätte.

    Die beiden Jungen kannten mich jetzt, wussten, wo ich wohnte und erfuhren auch, dass ich der einzige Junge in unserer Straße war. Die Jungen kamen jetzt immer öfter, gerade in diese Straße und ich blieb immer öfter zu Hause. Sah ich die Jungen von weitem, so machte ich einen großen Bogen um sie, und versuchte auf allen möglichen und unmöglichen Schleichwegen nach Hause zu kommen, um mich dort vor ihnen und der Umwelt zu verstecken.

    Informationshalber sollte ich nach so einer traurigen Geschichte zwei Freudenerlebnisse erwähnen, die in ganz besonderer Art und Weise mit den zuletzt geschilderten Begebenheiten in Verbindung standen:

    Das Erste war die Nachricht, dass einer der beiden oben erwähnten Jungen, durch einen Verkehrsunfall gestorben war.

    Die zweite Nachricht war, dass der andere Junge mit samt seiner ganzen Familie, wer weiß wohin verzogen war.

    Welches Glück, welche Freude erlebte ich, ausgelöst durch diese wunderbaren Umstände, die mich von einem der größten Übel meines jungen Lebens befreite. Meine Freude, meine Schadenfreude sprang in meinem Geiste über Tisch und Bänke und ich dankte sogar gen Himmel dafür.

    Zur Schule gingen Dagmar und ich den Weg gemeinsam. Wir saßen nebeneinander und Dagmar war immer besser in der Schule. Sehr selten kam es vor, dass ich eine Klassenarbeit besser geschrieben hatte, als Dagmar.

    Ich hatte so gar keine Lust auf Schule, das kam bei mir viel später. Allerdings eiferte ich Dagmar nach. Das war mein An- und Auftrieb. In der ganzen Grundschulzeit waren wir noch zusammen.

    Ab dem fünften Schuljahr wurde ich an der Seite von Dagmar mit einem Mädchen namens Annette ausgetauscht. Fortan saßen Dagmar und ich nicht mehr zusammen.

    Dagmar war sportlich, wie auch ihr großer Bruder. Sie waren in einem Schwimmverein und Dagmar hatte nur noch selten Zeit für andere Spiele auf der Straße. Sie war eine sehr gute Schwimmerin und erntete auch manche Schwimmauszeichnung.

    Freundinnen gab es ja genug auf meiner Straße, also spielte ich mit anderen Mädchen. Ein Mädchen namens Kerstin wohnte im gleichen Haus, wie meine Familie. Mit der spielte ich... Ja, was spielten wir wohl? Vater – Mutter und Kind. Tolles Spiel. Ihre Puppe war unser ganzes Elternglück. Um das Spiel etwas interessanter zu gestalten, spielten wir das tolle Spiel mit vertauschten Rollen. Sie war jetzt der Vater und ich die Mutter. Na, klasse. Jetzt hatte ich die ganze Arbeit zu machen und die Puppe, äh... unser Baby musste gewickelt werden und ich machte natürlich alles falsch. Ständig sagte mir Kerstin, wie ich richtig an dem Baby rumwerkeln sollte. Irgendwie war das auch nicht so ganz mein Spiel. Aber ich lernte, dass Mutter sein, nicht so leicht war. Da war ich doch wieder froh, dass ich ein Junge war und wieder auf Bäume klettern konnte.

    Dagmar war in der ganzen Schulzeit eine der besten Schülerinnen unserer Klasse. Selten, dass sie mal eine Arbeit versemmelte. Wir besuchten 10 Jahre zusammen dieselben Schulen, waren in derselben Klasse untergebracht, aber saßen nie wieder zusammen.

    Nach der Mittleren Reife wurde sie zur Gerichtsschreiberin ausgebildet. Dagmar und ich sahen uns manches Mal, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch war oder wir sprachen ein paar nette Worte miteinander bei einem Klassentreffen.

    Es waren wohl ein paar Jahre her, dass wir uns gesehen hatten. Ich war bei meinen Eltern zu Besuch und es gab Rehbraten mit Rotkohl und Klößen. Mein Vater ist Jäger und Forstaufseher und brachte gerne mal etwas Frischgeschossenes aus dem Wald mit.

    Einen ganzen Haufen der Rehknochen war übriggeblieben. Hie und da noch mit Fleischresten dran. Meine Mutter meinte, ich könnte sie doch dem Hund von Dagmar bringen. Die mochte er doch immer so gerne.

    Gesagt – getan! Ab mit der großen Tüte Knochen zu Dagmars Haus gegenüber. Dagmar, oder besser die Familie, besaß einen Schäferhund mit dem ich früher gerne gespielt hatte. Er war lieb und hörte auf den Namen Sandy. War es Sandy? Irgendwie so was.

    Neu war ein Schild an dem Gartentor von Dagmars Haus: „Vorsicht! Bissiger Hund"! Ich machte mir nichts aus dem Schild, öffnete das Tor, ging hindurch und verschloss das Tor wieder. Sandy (oder wie sie auch immer geheißen hat) kam wie eine Bestie um die Ecke geschossen, knurrte, fletschte die Zähne und stürmte auf mich los.

    Ich rief: „Sandy, ich bringe was Feines" und ging auf den Hund zu. Sandy blieb abrupt stehen. Knurrte nicht mehr und fletschte auch nicht mehr mit den Zähnen. Ich ließ sie an der Knochentüte schnuppern und dann trottete der Hund neben mir her, ganz lieb, bis zur Eingangstür.

    Ich klingelte und Dagmars Vater stand in der Tür. Ach, herrje, was für ein Aufstand. Ich hätte unten klingeln sollen. Das ist doch gefährlich. Der Hund hätte wer weiß was anstellen können. Was ich damals nicht ahnte war, dass man den Hund, die liebe Sandy, dermaßen scharf gemacht hatte, dass sie alles und jeden anfallen würde, wenn es oder er ungefragt zum Haus hin gehen wollte.

    Der Hund sollte über Haus und Hof wachen und war auch nicht mehr im Haus untergebracht, sondern in einem Käfig mit Hundehütte im Garten. So macht man aus einem Schoßhund einen gefährlichen Wachhund.

    Das war dann auch das letzte Mal, dass ich Knochen zum Hund getragen hatte.

    Kapitel 4: Erik - mein bester Heten-Freund

    Im fünften Schuljahr 1973 saß ich zum ersten Mal neben Erik an einem Schultisch. Er ist ein Jahr älter als ich und machte das vierte Schuljahr ein zweites Mal. Beim ersten Mal hatte es ihm so gut gefallen, dass er das Schuljahr gleich nochmals machen wollte. Oder spielten da noch andere Momente mit hinein?

    Erik war immer der Bedächtigere, der ruhigere Typ von uns beiden. Dagegen war ich viel hibbeliger, ein nervöses Hemd.

    Wir verstanden uns auf Anhieb, allerdings gab es da noch andere ältere Schüler aus seiner alten Klasse mit denen er in der Freizeit abhing. Unsere Freundschaft wuchs von Besuch zu Besuch und ganz allmählich wurden wir „beste Freunde" und hingen fast täglich bei ihm oder mir zusammen.

    Seine Familie wurde meine Familie. Das war ein echtes Plus. Oft wurde ich mit schmackhaftem Nudelsalat und Braten verwöhnt. Kuchen oder Kekse waren auch stets im Haus und wurden gerne zum Kaffee gereicht.

    Schade, dass wir nie zusammen in Urlaub gefahren sind. Das stand irgendwie nie zur Debatte. Kurzurlaube und Tagesfreizeiten schon. Dazu gehörten Kino, Theater, Konzerte wie Nena, Tina Turner, OMD und ein 8-Stunden-Konzert der „Neue deutsche Welle-Stars in den Dortmunder Westfalenhallen. Aber auch Kirmesaufenthalte genossen wir zusammen. In Lüdenscheid gab es die größte Kirmes des Sauerlandes auf der „Hohen Steinert, die Pfingstkirmes in Menden, in Iserlohn, Hagen und natürlich die ganz großen zwei, die „Düsseldorfer Rheinwiesen-Kirmes" und die „Cranger Kirmes".

    Es gab Tagestouren an die Seen und Talsperren des Sauerlandes. Sorpesee, Möhnesee, Biggesee, Glörtalsperre, Fuelbecker Talsperre und... und... und...

    Wir machten auch sonst viel zusammen. Neueste Platten hören zum Beispiel. Erik stand mehr auf harten Rock und besaß Langspielplatten von Uriah Heep, Depp Purple, Queen und ähnliches. Ich dagegen hörte einfach alles, nur melodisch musste es sein. Gerade kam die Disco-Welle in Schwung und mir gefielen Amii Stewart, Donna Summer, Abba (ja, Abba!), Boney M., Eruption und Amanda Lear. Da gab es schon die ersten Differenzen. Aber ich war immer offen für Neues und hörte mir auch Hard-Rock an. Erik wiederum musste sich dann auch meinen „Mist", wie er sagte, anhören, wenn er zu mir kam.

    Wir gingen oft zusammen ins Kino. Er zeigte kein großes Interesse an meinen Filmen, aber er kam mit und war dabei. Sei es bei Fassbinder-Filmen, Fellini, Pasolini, Rossellini, Kurosawa, Polanski oder Lynch. Auch bei anderen sozialkritischen Leinwandspielen von Eric Rohmer, Bernardo Bertolucci und Robert Altman stand er nach dem Kinobesuch ziemlich ratlos vor mir und schüttelte meist nur den Kopf über meine Filmauswahl. Für ihn gab es dann aber auch immer die guten alten Mainstream-Filme zwischendurch, zur Beruhigung, wie Star Wars, Halloween und Zombiefilme.

    Wir bastelten gemeinsam an Hausaufgaben für die Schule und streiften auch durch die sauerländischen Wälder, bauten Dämme und ließen so Bäche zu kleinen Tümpeln auflaufen. Wir klauten Fische aus einem Versuchsteich einer Fabrik. Sie probierten Chemikalien an den Fischen aus. Meine Oma arbeitete in der Firma und entdeckte uns eines Tages, als sie aus dem Fenster schaute. Später ermahnte sie mich, nichts aus diesem Teich mehr zu holen, der mehr verseucht, als erlaubt war. Damals landeten Chemierückstände ständig in unseren Bächen und Flüssen.

    Mal waren nur Erik und ich unterwegs, mal waren auch andere Schülerjungen aus unserer Klasse mit von der Partie.

    Die Jungs, die nicht so den großen Macker machten und von diesen nur verhöhnt wurden trafen sich zu den Waldspielen. Frank, Stefan und Uwe. Wir waren allesamt keine angesagten Schüler an unserer Schule. Nicht populär. Das waren die Stänkerer und Aufsässigen. Wir wurden alle mal angestänkert und hielten uns von den anderen Jungen fern und trafen uns umso öfter.

    Frank stotterte, aber niemand aus unserer Gruppe zog ihn damit auf. Er konnte so sein wie er war. Zwar gab es hin und wieder Lacher, weil sein Stottern an manchen Wörtern kleben blieb und sie so zäh und zerstückelt kaum noch einen Sinn ergaben, das war es dann aber auch schon. In der Schule richteten die anderen Jungs eher mal einen seelischen Schaden an.

    Wir zogen mal wieder in die nahen Wälder. Es war noch Winter, der Frühling ließ auf sich warten. Unser Ziel war ein Teich im Wald, genannt der Kolk. Eine Art Floß lag am Ufer des Teichs, der noch in weiten Teilen zugefroren war. Egal, wir wollten Floßfahren und machten das Ding flott. Ein paar Bretter über großen Kunststoffkanistern waren zusammengeschustert worden und wir wollten alle so schnell wie möglich damit über den Teich staken. Wir suchten lange, feste Stöcke, um das Floß von der Stelle zu bekommen. Frank enterte als erster das Floß und es hielt. Noch! Wir anderen drei Jungen am Ufer stocherten mit den Stöcken das Floß los, aber es steckte irgendwie im Uferschlamm fest. Also stießen wir das Floß fester an und siehe da es bewegte sich und schwamm mit Frank darauf einen Meter auf Wasser hinaus.

    Dann aber das Übel... Das Floß wollte nicht so ganz gerade bleiben und Schwupps... Frank geriet ins Schwanken und rutschte vom Floß in den Teich. Er sah uns mit großen starrenden Augen an, hielt die Hände über den Kopf und versank Zentimeter für Zentimeter tiefer in den Teich. Es war ein „Bild für die Götter". Wir Jungen, die immer noch am Ufer lauerten, bogen uns vor Lachen. Das war Slapstick und noch besser, weil es live vor unseren Augen geschah. Frank war gar nicht zum Lachen zu Mute und schnauzte uns an, ihn aus dem Wasser zu ziehen. Er hielt sich an den langen Stöcken fest und wir zogen ihn aus dem Dreck heraus. Da es ja nicht gerade angenehm warm war, sondern eher scheiß-kalt, liefen wir nach Hause. Immer wieder musste einer von uns grinsen. Frank lief neben uns her, klapperte mit den Zähnen und war außer sich. Er lief dann so schnell er nur konnte nach Hause. Ob Frank uns diese Geschichte nachgetragen hatte? Manchmal wurde man nicht schlau aus ihm und er verneinte, solche Gedanken gehabt zu haben. Oder wollte er es nur nicht zugeben?

    Mit Frank baute ich viele Vogelhäuschen. Wir hatten Spaß am Werkeln und das Bearbeiten von Holzplatten mit Säge, Hammer und Nägeln war eine gelungene Freizeitbeschäftigung. Mein Vater der so ganz nebenbei ja noch Forstaufseher war, brachte uns auf die

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