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Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt
Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt
Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt
eBook355 Seiten4 Stunden

Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt

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Über dieses E-Book

Es war einmal … ein Prinz namens Lean, der nach seiner Geburt mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde. Ein Kuss sollte ihm eines Tages zum Verhängnis werden.

Als der Prinz ins heiratsfähige Alter kommt, wählt er nach alter Tradition zwölf Mädchen seines Landes aus, welche die Chance erhalten, sich in Prüfungen einer Königin würdig zu erweisen. Kann es auch nur einer von ihnen gelingen, sein Herz zu erobern? Oder wird das Schicksal seinen Lauf nehmen und sein erster Kuss ihn zu großem Unheil verdammen?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. März 2021
ISBN9783038961925
Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt

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    Buchvorschau

    Märchenhaft-Trilogie (Band 1) - Maya Shepherd

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1 - Lean

    Kapitel 2 - Heera

    Kapitel 3 - Heera

    Kapitel 4 - Lean

    Kapitel 5 - Heera

    Kapitel 6 - Lean

    Kapitel 7 - Heera

    Kapitel 8 - Lean

    Kapitel 9 - Heera

    Kapitel 10 - Lean

    Kapitel 11 - Medea

    Kapitel 12 - Heera

    Kapitel 13 - Lean

    Kapitel 14 - Heera

    Kapitel 15 - Lean

    Kapitel 16 - Heera

    Kapitel 17 - Heera

    Kapitel 18 - Lean

    Kapitel 19 - Heera

    Kapitel 20 - Medea

    Kapitel 21 - Heera

    Kapitel 22 - Heera

    Kapitel 23 - Heera

    Kapitel 24 - Lean

    Kapitel 25 - Heera

    Kapitel 26 - Lean

    Kapitel 27 - Medea

    Kapitel 28 - Heera

    Kapitel 29 - Medea

    Kapitel 30 - Heera

    Kapitel 31 - Heera

    Kapitel 32 - Lean

    Kapitel 33 - Medea

    Kapitel 34 - Heera

    Kapitel 35 - Heera

    Kapitel 36 - Erina

    Kapitel 37 - Heera

    Kapitel 38 - Lean

    Kapitel 39 - Lean

    Kapitel 40 - Medea

    Kapitel 41 - Heera

    Kapitel 42 - Heera

    Kapitel 43 - Daphne

    Kapitel 44 - Medea

    Kapitel 45 - Heera

    Kapitel 46 - Heera

    Kapitel 47 - Erina

    Kapitel 48 - Heera

    Kapitel 49 - Medea

    Kapitel 50 - Lean

    Kapitel 51 - Lean

    Kapitel 52 - Amphion

    Kapitel 53 - Lean

    Kapitel 54

    Epilog

    ZUR INSPIRATION GENUTZTE MÄRCHEN

    Dank

    Maya Shepherd

    Märchenhaft erwählt

    Band 1

    Fantasy

    Die Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt

    Es war einmal … ein Prinz namens Lean, der nach seiner Geburt mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde. Ein Kuss sollte ihm eines Tages zum Verhängnis werden.

    Als er ins heiratsfähige Alter kam, wählte er nach alter Tradition zwölf Mädchen seines Landes aus, welche die Chance erhalten würden, sich in Prüfungen einer Königin würdig zu erweisen. Konnte es auch nur einer von ihnen gelingen, sein Herz zu erobern? Oder würde das Schicksal seinen Lauf nehmen und sein erster Kuss ihn zu großem Unheil verdammen?

    Die Autorin

    Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher.

    Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.

    Im August 2015 gewann Maya Shepherd mit ihrem Roman ›Märchenhaft erwählt‹ den Lovely Selfie Award 2015 von Blogg dein Buch.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, März 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

    Lektorat/Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

    Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-171-0

    ISBN (epub): 978-3-03896-192-5

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für meinen Stern

    ******

    Ein Kuss,

    aus freiem Willen von einem Mädchen gegeben,

    ihm zur Verdammnis.

    Er möge keinen Fuß mehr auf die Erde setzen.

    Keinen Tag mehr das Licht der Sonne erblicken.

    Keine Nacht mehr die Sterne am Himmel zählen.

    Ein geschenkter Kuss ihm zur Erlösung.

    Der Kuss der wahren Liebe vermag den Fluch zu brechen.

    Prolog

    In dem fernen Reich Chóraleio fehlte König Egeas und seiner Gemahlin Niobe nur eines zu ihrem Glück – ein Kind. Sie sehnten sich nach einem Erben, der eines Tages genauso gerecht und gütig herrschen sollte, wie sie es taten.

    Je mehr Zeit verging, umso verzweifelter wurde Niobe. Die Adligen tuschelten bereits hinter vorgehaltener Hand und die Berater legten dem König nahe, sich zum Wohle von Chóraleio Gedanken über eine neue Heirat zu machen. Das kam für Egeas jedoch nicht infrage, da er seine Frau sehr liebte.

    Die Gerüchte nahmen nicht ab und wendeten sich nun in eine andere Richtung: Wer würde das Reich regieren, wenn die Ehe des Königspaars kinderlos bliebe?

    Ferne Verwandte sahen ihre Chance zur Machtergreifung gekommen und scharten sich am Hof mit dem Hintergedanken, dass Egeas einen von ihnen zu seinem Nachfolger ernennen würde. Dabei kam es häufig zu hitzigen Auseinandersetzungen, die nicht nur Egeas, sondern auch das ganze Reich belasteten. Königliche Pflichten wurden vernachlässigt und so erfuhr auch bald das Volk von den Schwierigkeiten ihrer Herrscher.

    Das lockte Scharlatane an, die behaupteten, über Wundermittel zu verfügen, die dem Königspaar zu ihrem Kindersegen verhelfen sollten. In ihrer aussichtslosen Lage ließen Egeas und Niobe sich sogar auf ein paar Versuche ein, jedoch ohne einen Erfolg davonzutragen.

    Der Druck drohte, die Königin zu zerbrechen, und sie begann an ihrer Liebe zu Egeas zu zweifeln. Vielleicht hatte er wirklich die falsche Braut erwählt und eine andere hätte ihn glücklicher machen können? Sie wusste nicht mehr weiter und zog sich immer mehr von gesellschaftlichen Veranstaltungen zurück, da sie das Getuschel und die mitleidigen Blicke nicht ertrug.

    Es war ein lauer Sommerabend, als sie allein durch den Palastgarten spazierte. Vom Ballsaal wehte die Melodie des Streichorchesters zu ihr, welche die Gäste zum Tanzen verleitete. Manchmal konnte sie sogar ihr lautes Lachen hören. Alle schienen vergnügt zu sein, während sie selbst so viel Kummer in ihrem Herzen trug. Früher hatte sie die Festlichkeiten genossen und war eine hervorragende Gastgeberin und Tänzerin gewesen. Sie vermisste diese Unbeschwertheit, aber noch mehr vermisste sie es, Egeas lächeln zu sehen. Auch er war nun oft schwermütig oder leicht reizbar.

    Sie ließ sich auf einer Bank an einem kleinen See nieder, über den Glühwürmchen in der Abenddämmerung flogen. Der Anblick ihrer funkelnden Lichter tröstete sie etwas.

    Eine Weile saß sie einfach nur da, bis ein Knacken ihre Aufmerksamkeit weckte. Erstaunt drehte sie sich um, da sie geglaubt hatte, im Garten allein zu sein. Unter den tief hängenden Ästen einer Trauerweide trat eine alte Frau hervor. Beschwichtigend hob sie ihre krummen Hände.

    »Fürchtet Euch nicht vor mir, Königin«, sprach sie mit rauer Stimme und kam langsam näher. Sie besaß einen krummen Rücken, sodass sie leicht vornübergebeugt gehen musste.

    »Wer seid Ihr?«, wollte Niobe wissen. Sie verspürte zwar keine Angst, aber die Fremde war ihr nie zuvor aufgefallen. Das Schloss wurde gut bewacht und Außenstehenden sollte der Zutritt nur nach ausdrücklicher Genehmigung gestattet sein.

    Ächzend ließ sich die Alte neben ihr auf der Bank nieder. »Früher war dieser Garten mein Arbeitsplatz. Deshalb auch der krumme Rücken.« Sie lachte glucksend, ehe die Freude aus ihrem Gesicht wich. »Ich war nie eine Schönheit. Bis heute blieb ich unverheiratet und kinderlos. Es gibt niemanden, der sich meiner annehmen könnte, deshalb gestattete mir der alte König als Dank für meinen guten Dienst, in diesem Garten zu leben, bis mein Leben vorbei ist.«

    Mitgefühl für die alte, einsame Frau wallte in Niobe auf. Es war traurig, ganz allein auf der Welt zu sein und nur noch auf den Tod zu warten.

    »Das tut mir sehr leid«, erwiderte sie höflich. »Gibt es etwas, das ich für Euch tun kann?«

    Die Alte schenkte ihr ein zahnloses Grinsen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Grämt Euch nicht meinetwegen, Königin. Unkraut vergeht nicht. Solange ich mit dem Gesang der Vögel erwachen und dem Zirpen der Grillen einschlafen kann, mangelt es mir an nichts.« Sie musterte Niobe mit ihren unergründlichen Augen, die von unzähligen Falten umschlossen waren. »Aber Ihr solltet an solch einem schönen Abend nicht allein an einem Seeufer sitzen, sondern ausgelassen mit Eurem Gemahl auf dem Ball tanzen. Ihr seid jung und schön. Wenn Ihr mal so alt seid wie ich, bleibt Euch noch genug Zeit, um das Leben zu bedauern.«

    Wenn es doch nur so einfach wäre, dachte Niobe seufzend.

    »Mein Wunsch nach einem Kind bleibt unerfüllt«, klagte sie der ehemaligen Gärtnerin. Bei ihr hatte sie das Gefühl, offen sprechen zu können. Eine Königin, die ihrem König keine Nachkommen schenkte, war nutzlos.

    Die Frau beäugte sie skeptisch. »Vielleicht bin ich in der Lage, Euch zu helfen.«

    Niobe konnte sich nicht vorstellen, wie die Fremde ihr helfen sollte, horchte aber dennoch auf.

    »Einen Tee aus Kräutern?«, mutmaßte sie. Von solchen hatte sie schon unzählige getrunken.

    Die Alte lachte schnatternd auf. »Aber nicht doch! Glaubt Ihr etwa an solchen Unsinn?«

    »Nicht mehr«, erwiderte Niobe traurig. Früher war sie voller Hoffnung gewesen. Nun fiel es ihr schwer, überhaupt noch an irgendetwas zu glauben. »Was könnt Ihr dann für mich tun?«

    »Wie viel ist Euch die Geburt eines Kindes wert?«, hakte die Gärtnerin nach. Ein verschlagener Zug, den Niobe zuvor nicht bemerkt hatte, legte sich nun über das faltige Gesicht.

    »Alles«, gestand die Königin unglücklich. »Ich würde alles dafür geben, Egeas einen Sohn zu schenken. Selbst mein eigenes Leben wäre mir nicht zu viel.«

    Die Alte streckte ihre runzelige Hand aus und legte sie auf Niobes Bauch. »Dein Wunsch soll in Erfüllung gehen und du wirst einen Sohn zur Welt bringen. Aber vergiss mich nicht. Wenn wir uns das nächste Mal sehen und ich dich um etwas bitte, ganz gleich, was es auch sein mag, darfst du es mir nicht verwehren. Versprichst du mir das?«

    Niobe zögerte nur einen Atemzug lang. Einer Fremden alles zu versprechen, war riskant, aber was konnte eine alte Gärtnerin schon von ihr verlangen? Vorausgesetzt, dass sie überhaupt schwanger werden würde. Mittlerweile fiel es ihr schwer, daran zu glauben. Das Einzige, was ihr noch helfen konnte, war ein Wunder.

    »Ich verspreche es«, gab sie der Alten ihr Wort.

    Diese nickte zufrieden und löste ihre Hand von dem Bauch der Königin. Eine Weile blieben sie noch wortlos nebeneinander am Seeufer sitzen. Als Niobe sie etwas fragen wollte und sich zu ihr umdrehte, war die Frau verschwunden. Völlig geräuschlos musste sie sich erhoben und aus dem Garten geschlichen haben.

    Verwundert stand nun auch Niobe auf und zog sich in ihre Gemächer zurück. Egeas, der ebenfalls des Festes überdrüssig geworden war, erwartete sie dort bereits. Er hatte sich um seine Gemahlin gesorgt und schloss sie erleichtert in seine Arme, als er sie erblickte. Sie liebten sich in dieser Nacht.

    Als Niobe ihm im Morgengrauen von ihrer Begegnung mit der ehemaligen Gärtnerin erzählte, zeigte sich Egeas erstaunt, denn es hatte nie eine Gärtnerin im Dienst seines Vaters gegeben. Er ließ nach der Alten suchen, aber niemand wusste von ihr oder konnte sich an jemanden erinnern, auf den ihre Beschreibung gepasst hätte. Sie war wie ein guter Geist, der Niobe in ihrem Kummer beigestanden hatte.

    Tage und Wochen vergingen, ohne dass Niobe an die Begegnung mit der Fremden zurückgedacht hätte, doch dann wurde aus einer Vermutung eine Gewissheit – sie trug ein Kind unter ihrem Herzen. Was die Alte ihr vorausgesagt hatte, war tatsächlich eingetreten.

    Die werdenden Eltern waren überglücklich und ließen das ganze Königreich an ihrer Freude teilhaben. Die Tuscheleien verstummten und die Verwandten, die sich den Thron hatten erschleichen wollen, zogen sich wieder an ihre eigenen Höfe zurück. Ordnung kehrte zurück und ganz Chóraleio fieberte dem Tag der Geburt entgegen.

    Es war ein Frühlingstag, als Königin Niobe einen kleinen Prinzen zur Welt brachte, dem sie den Namen Lean gab.

    Egeas war außer sich vor Stolz und veranstaltete ein großes Fest, zu dem er nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten einlud, sondern auch die dreizehn weisen Frauen des Königreichs, damit sie dem Kind hold und gewogen wären.

    Die Geladenen kamen, und die Feierlichkeiten nahmen ihren Lauf. Es war ein berauschender Ball, der an Pracht kaum zu überbieten war.

    Als das Fest den Punkt erreichte, an dem die Gäste dem kleinen Prinzen ihre Geschenke überbringen sollten, löste sich eine dunkle Gestalt aus der Masse und schritt geradewegs auf das Königspaar zu. Ein Raunen ging durch die Menge beim Anblick der ärmlichen Fetzen, die den gebeugten Körper der alten Frau bedeckten. Zuvor war sie niemandem aufgefallen, doch nun richteten sich alle Augen auf sie.

    »Königin Niobe«, rief sie laut mit krächzender Stimme, sobald sie den Thron erreichte. »Erinnert Ihr Euch an mich?«

    Es war die Fremde, der Niobe im Schlossgarten begegnet war und die ihr die Hand auf den Bauch gelegt hatte. Danach war sie schwanger geworden, wie die Alte es ihr vorausgesagt hatte. Niemals hätte Niobe sie vergessen können.

    »Gewiss«, antwortete die Königin und erhob sich von ihrem Thron. Sie schritt die Stufen hinab und küsste die Alte auf die Stirn, ehe sie sich vor ihr verneigte. »Ich werde mich niemals genug dafür bedanken können, was Ihr für mich getan habt.«

    Die Fremde hatte sichtlich Gefallen an der Demut, mit der sie von Niobe behandelt wurde. Sie straffte ihren krummen Rücken und bedachte die Königin mit einem mahnenden Blick. »Erinnert Ihr Euch auch noch daran, was Ihr mir versprochen habt?«

    »Alles«, hatte Niobe ihr versprochen. Kein Preis war ihr für die Geburt eines Kindes zu hoch erschienen.

    »Was kann ich für Euch tun?«, fragte sie gutmütig. Sie würde die Alte im Schloss wohnen lassen, wenn es das war, was sie wollte. Jeden Tag sollte sie ihre Lieblingsspeise serviert bekommen und bei jedem Fest ihr Ehrengast sein. Sie sollte dasselbe Glück erfahren, das Niobe dank ihr gewährt worden war.

    Das verschlagene Funkeln kehrte in die dunklen Augen der Greisin zurück. »Ihr gabt mir Euer Wort, dass ich von Euch bekommen würde, wonach ich verlange. Ganz gleich, was es ist.« Sie sprach laut, sodass es jeder im Saal hören sollte. »Ich möchte nicht weniger als Eure Krone!«

    »Meine Krone?«, entfuhr es Niobe bestürzt. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Alte richtig verstand. »Möchtet Ihr sie Euch aufsetzen?«

    Was könnte eine alte Frau schon mit einer Krone anfangen?

    »Ich will das, wofür sie steht«, erwiderte die Fremde. »Ich will über Chóraleio herrschen!«

    Zuerst war es still, doch dann fing der König laut zu lachen an, als hätte die Alte einen Scherz gemacht. Auch andere begannen zu lachen, bis der ganze Ballsaal erfüllt von Gelächter war. Sie lachten die Fremde und ihre absurde Forderung aus.

    Diese ließ es mit erhobenem Haupt über sich ergehen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Niobe suchte vergeblich in ihren Augen nach der Güte und dem Mitgefühl, die sie damals am See in ihnen zu sehen geglaubt hatte. Sie war die Einzige, die sich nicht amüsierte.

    »Lacht nur, König«, spottete die Alte, als sich die Anwesenden wieder etwas beruhigt hatten und nur hier und da noch ein leises Kichern zu hören war. »Lacht nur, solange Ihr noch könnt. Denn schon bald wird Euch das Lachen vergehen, wenn Ihr mir nicht gebt, was Eure Königin mir versprochen hat.«

    Egeas rümpfte die Nase. »Wie wäre es mit einem warmen Bad anstatt einem Königreich?«, zog er sie herablassend auf. »Ich bin sicher, davon hätten wir alle am meisten.«

    Erneut brachen seine Gäste in Johlen und Glucksen aus, doch die Alte stand darüber.

    »Ihr wisst nicht, wen Ihr vor Euch habt«, zischte sie erbost und schlug in die Hände, woraufhin ein lauter Knall zu hören war und sich eine Rauchwolke um ihren gebrechlichen Körper bildete.

    Das Lachen verging den Menschen und sie hielten angespannt den Atem an, während Niobe erschrocken zurück an die Seite ihres Gemahls wich und das Neugeborene fest an sich hielt.

    Langsam löste sich der Qualm wieder auf, und eine dunkelhaarige Schönheit stand in den Fetzen der Fremden vor ihnen.

    »Ich bin die Schwarze Hexe«, rief sie mit dröhnender Stimme. Sie war weder eine Gärtnerin noch eine Bettlerin, sondern eine der dreizehn weisen Frauen, die Egeas selbst zu seinem Fest eingeladen hatte.

    Niobe schlug schockiert die Hände vor den Mund und erkannte erst jetzt, welches Unheil sie über ihre Familie und Chóraleio brachte, weil sie in ihrer Verzweiflung unbedacht ein Versprechen gegeben hatte.

    »Das ist Eure letzte Chance, König Egeas«, brüllte die Hexe. »Überlasst mir Euren Thron, und Eurer Familie wird kein Leid geschehen.«

    Egeas baute sich schützend vor seiner Gattin und dem Sohn auf. Er liebte beide mehr als alles andere auf der Welt, aber er konnte der Hexe nicht geben, wonach sie verlangte – das war er seinem Volk schuldig.

    »Niemals!«, rief er fest entschlossen.

    Die Dreizehnte lief vor Wut rot an. »Ich verfluche den Prinzen«, schrie sie außer sich. »Ein Kuss, aus freiem Willen von einem Mädchen gegeben, soll ihm zur Verdammnis werden. Er möge keinen Fuß mehr auf die Erde setzen. Keinen Tag mehr die Sonne erblicken und keine Nacht mehr die Sterne am Himmel zählen.«

    Indem sie in die Hände schlug, besiegelte sie ihren Fluch. Mit einem weiteren heftigen Knall löste sie sich in Rauch auf und war verschwunden.

    Fassungslos begann Niobe zu schluchzen und wiegte ihren weinenden Sohn in ihren Armen. »Mein armer Liebling«, wisperte sie verzweifelt. »Was habe ich dir nur angetan?«

    Aus der aufgeregten Menge traten die anderen weisen Frauen hervor. Sie konnten den Fluch ihrer Schwester nicht aufheben, aber sie wollten ihn mildern. Sie legten einen Zauber über sämtliche Gäste und Bedienstete, sodass sich keiner von ihnen mehr an den Besuch der Schwarzen Hexe erinnerte. Prinz Lean sollte von seinem Volk geliebt und nicht geächtet werden, wie es der Fall gewesen wäre, wenn irgendjemand von dem Fluch erfahren hätte.

    Nicht einmal er selbst sollte mit der Last aufwachsen müssen, dass nur ein unbedachter Kuss, den ein Mädchen ihm gab, ihn ins Unglück stürzen könnte. Welch trauriges Leben wäre es, wenn er sich vor der Liebe fürchten müsste? Frei von jeglichen Sorgen und mit Ahnungslosigkeit beseelt, konnte er heranwachsen. Nur seine Eltern würden das schwere Schicksal ihres Kindes niemals vergessen.

    Die weisen Frauen beschenkten den Prinzen mit Tugend, Schönheit, Reichtum und allem, was Herrliches auf der Welt ist. Die Zwölfte von ihnen sprach: »Ein Kuss, aus freiem Willen von einem Mädchen gegeben, ihm zur Verdammnis. Ein geschenkter Kuss ihm zur Erlösung. Der Kuss der wahren Liebe vermag den Fluch zu brechen.«

    Es war einmal vor langer Zeit, als das Träumen noch erlaubt war, Wünsche noch in Erfüllung gingen und die Menschen an Zauberer, Feen und Drachen glaubten, ein Prinz. – Mutiger als ein Löwe, stärker als ein Bär und schlauer als ein Fuchs.

    Kapitel 1 - Lean

    Zwanzig Jahre später

    Die Blätter der Bäume färbten sich in den schönsten Farben des Herbstes: brennendes Rot, warmes Orange und sattes Gelb. Auf den Wegen lag bereits Laub, und in der Luft hing am Abend der Duft eines prasselnden Feuers. In den Nächten zog der Frost herauf und legte eine dünne Eisschicht wie eine Decke über das ganze Königreich Chóraleio.

    Eines schönen, aber kalten Morgens beschloss Prinz Lean, auf die Vogeljagd zu gehen. Er ließ seine beiden treuen Gefährten Silas und Yanis wecken, um sich von ihnen begleiten zu lassen.

    Eine halbe Stunde später trafen sie sich im Hof des Schlosses. Die Hunde bellten aufgeregt und rannten nervös zwischen ihren Füßen auf und ab. Sie sattelten ihre Pferde und ritten aus dem Tor hinaus in die Stadt. Trotz der frühen Morgenstunde herrschte dort bereits reges Treiben. Öfen wurden angeheizt, Tiere gefüttert und Wasser aus dem Brunnen geholt.

    Lean wurde von jedem seiner Untertanen, an denen er vorbeikam, freundlich begrüßt. Er war allseits beliebt. Nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern vor allem wegen seines sonnigen Gemüts. Er war stets respektvoll und gerecht im Umgang mit seinen Bürgern. Seine immer näher kommende Hochzeit und die damit verbundene Krönung würden ein großer Festtag für alle werden.

    Als die drei Freunde die Stadtmauern hinter sich zurückließen und über das offene Feld dem Wald entgegenritten, knirschten die Hufe der Pferde bei jedem Schritt über den von Reif bedeckten Boden. Ihr Atem bildete kleine Wolken in der Luft, und ihre Nasen waren vor Kälte gerötet. Selbst die letzten Zugvögel würden schon bald das Land verlassen, um sich in wärmere Gegenden zu begeben. Vermutlich würde das ihre letzte Jagd in diesem Jahr sein.

    Durch das dichte Blätterdach des Waldes fiel nur spärlich Licht. Aus jeder Richtung raschelte es, denn die Tiere des Waldes schienen nie zu schlafen.

    Bald erreichten sie eine Lichtung, die zu einem kleinen See führte. Lean, Yanis und Silas banden ihre Pferde an Bäumen fest und suchten sich einen Platz, von dem aus sie die beste Sicht auf den See und den Himmel hatten. Sie zogen ihre Armbrüste hervor und legten die Bolzen parat. Die Hunde winselten vorfreudig. Sobald Lean ihnen den Befehl zur Jagd gab, stürmten sie wie wild in das hohe Schilf, um dort die Vögel aufzustöbern.

    Sekunden später erhoben sich die Enten unter heftigem Geschnatter in den Himmel.

    Die drei Männer schossen einen Bolzen nach dem anderen ab, ohne auch nur ein Tier zu treffen.

    Schließlich flog nur noch eine letzte Ente über den Himmel. Lean legte die Armbrust an, zielte konzentriert und gab den Schuss im letzten Moment ab, bevor das Tier über den Baumspitzen verschwinden konnte.

    Er war selbst erstaunt, als er sah, wie es im Sturzflug zu Boden ging. Er hatte nicht erwartet, dass er es aus dieser Entfernung noch treffen könnte.

    Seine beiden Freunde applaudierten ihm begeistert und während diese die Hunde zurückriefen, machte sich Lean auf die Suche nach der erlegten Ente. Der König würde stolz sein, wenn er von dem Geschick seines Sohns erfuhr. Lean trat in den Wald an die Stelle, an der er die Stockente hatte abstürzen sehen.

    Die Sonne bahnte sich verhalten einen Weg durch die Blätter und Äste und ließ ihre Strahlen durch den düsteren Wald tanzen. Wie auf dem Präsentierteller lag die tote Ente auf grünem Moos und wurde von der Sonne beschienen.

    Lean kniete sich zufrieden nieder, hielt dann aber erstaunt inne. Nicht ein Bolzen hatte die Ente getötet, sondern ein Pfeil. Er war aus einfachem Holz geschnitzt. Weder er selbst noch seine Begleiter hatten mit Pfeilen geschossen.

    Verwirrt sah er sich um und entdeckte seinen eigenen Bolzen nur wenige Meter entfernt im Boden stecken.

    Wenn nicht er das Tier erschossen hatte, wer war es dann gewesen?

    Vorsichtig richtete sich Lean auf und begann sich umzusehen. Wer immer den Vogel erschossen hatte, würde nun gewiss seine Beute auch einfordern wollen. Seit Langem gab es Gerüchte über Räuber und Landstreicher in den Wäldern. Wenn einer von ihnen den Prinzen hier entdecken würde, wäre die Jagdbeute schnell vergessen. Denn ein Königssohn war weit mehr wert als eine Ente. Wenn sie ihn gefangen nehmen und seinen Vater erpressen würden, wären sie reiche Leute.

    Lean schloss seine Hand um das Schwert, das zu seiner Rechten um seine Hüfte hing. »Ist da jemand?«, rief er und verlieh dabei seiner Stimme einen festen Klang.

    Niemand antwortete ihm, nur das Rascheln der Blätter war zu hören.

    Er hob die Ente vom Boden auf und hielt sie in die Luft. »Wenn du deine Beute willst, dann komm und hol sie dir!«

    Er drehte sich zu allen Seiten und versuchte jemanden zu entdecken. Niemand schoss auf einen Vogel und ließ diesen dann unbeachtet zurück. Lean war sich sicher, dass der Schütze ihn beobachtete.

    »Komm und zeig dich, damit ich dir gratulieren kann!«, rief er herausfordernd. Er hörte ein leises Knacken hinter sich und fuhr herum.

    Zwischen den Bäumen stand nun ein schmaler Junge, der einen einfachen Holzbogen fest umklammert hielt. Die Kleidung, die er trug, schien alt und geflickt, zudem für seine winzige Gestalt viel zu groß. Auf dem Kopf trug er eine braune Wollmütze. Sein Gesicht war schmutzig, doch seine großen Augen richteten sich misstrauisch auf den Prinzen.

    Lean begann ungläubig

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