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Märchenhaft-Trilogie (Band 2): Märchenhaft erlöst
Märchenhaft-Trilogie (Band 2): Märchenhaft erlöst
Märchenhaft-Trilogie (Band 2): Märchenhaft erlöst
eBook343 Seiten

Märchenhaft-Trilogie (Band 2): Märchenhaft erlöst

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Über dieses E-Book

"Die Augen sind der Spiegel der Seele und doch machen sie uns blind für die Wahrheit."

Eine schwarze Wolke zieht über das Land, die überall, wo sie vorüberkommt, Zerstörung und Tod hinterlässt. Selbst vor dem Schloss von Chóraleio macht sie keinen Halt und trägt es mit sich ins Nirgendwo.
Heera und den anderen erwählten Mädchen gelingt die Flucht. Doch das Schicksal Prinz Leans und des gesamten Königreichs liegt nun in ihren Händen. Sie müssen sich erneut auf eine gefährliche Reise ins Ungewisse begeben. Dabei lernen sie schnell, dass ihren Augen nicht zu trauen ist.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. Apr. 2021
ISBN9783038961932
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    Buchvorschau

    Märchenhaft-Trilogie (Band 2) - Maya Shepherd

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1 - Medea

    Kapitel 2 - Heera

    Kapitel 3 - Heera

    Kapitel 4 - Heera

    Kapitel 5 - Medea

    Kapitel 6 - Heera

    Kapitel 7 - Erina

    Kapitel 8 - Medea

    Kapitel 9 - Erina

    Kapitel 10 - Silas

    Kapitel 11 - Heera

    Kapitel 12 - Niobe

    Kapitel 13 - Heera

    Kapitel 14 - Erina

    Kapitel 15 - Medea

    Kapitel 16 - Heera

    Kapitel 17 - Daphne

    Kapitel 18 - Heera

    Kapitel 19 - Heera

    Kapitel 20 - Medea

    Kapitel 21 - Medea

    Kapitel 22 - Silas

    Kapitel 23 - Heera

    Kapitel 24 - Erina

    Kapitel 25 - Heera

    Kapitel 26 - Silas

    Kapitel 27 - Niemand

    Kapitel 28 - Medea

    Kapitel 29 - Silas

    Kapitel 30 - Heera

    Kapitel 31 - Lean

    Kapitel 32 - Fjodora

    Kapitel 33 - Thelma

    Kapitel 34 - Leilani

    Kapitel 35 - Mae

    Kapitel 36 - Erina

    Kapitel 37 - Medea

    Kapitel 38 - Niobe

    Kapitel 39 - Heera

    Kapitel 40 - Medea

    Kapitel 41 - Maxime

    Kapitel 42 - Erina

    Kapitel 43 - Heera

    Kapitel 44 - Erina

    Kapitel 45 - Heera

    Kapitel 46 - Medea

    Kapitel 47 - Heera

    Kapitel 48 - Medea

    Kapitel 49 - Lean

    Kapitel 50 - Silas

    Kapitel 51 - Lean

    Kapitel 52 - Daphne

    Kapitel 53 - Heera

    Kapitel 54 - Lean

    Kapitel 55 - Lean

    Kapitel 56 - Medea

    Kapitel 57 - Heera

    ZUR INSPIRATION GENUTZTE MÄRCHEN

    DANKSAGUNG

    Maya Shepherd

    Märchenhaft erlöst

    Band 2

    Fantasy

    Die Märchenhaft-Trilogie (Band 2): Märchenhaft erlöst

    »Die Augen sind der Spiegel der Seele und doch machen sie uns blind für die Wahrheit.«

    Eine schwarze Wolke zieht über das Land, die überall, wo sie vorüberkommt, Zerstörung und Tod hinterlässt. Selbst vor dem Schloss von Chóraleio macht sie keinen Halt und trägt es mit sich ins Nirgendwo.

    Heera und den anderen erwählten Mädchen gelingt die Flucht. Doch das Schicksal Prinz Leans und des gesamten Königreichs liegt nun in ihren Händen. Sie müssen sich erneut auf eine gefährliche Reise ins Ungewisse begeben. Dabei lernen sie schnell, dass ihren Augen nicht zu trauen ist.

    Die Autorin

    Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher.

    Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.

    Im August 2015 gewann Maya Shepherd mit ihrem Roman ›Märchenhaft erwählt‹ den Lovely Selfie Award 2015 von Blogg dein Buch.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Mai 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

    Lektorat/Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

    Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-172-7

    ISBN (epub): 978-3-03896-193-2

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für meine Mutter.

    Danke für deine Geduld, deine Unterstützung

    und deine unermessliche Liebe.

    Ohne dich wäre ich nicht.

    Danke, dass es dich gibt!

    Drei schwarze Reiter,

    geboren aus Tod und Zerstörung,

    jagen über das Land.

    Hungersnot, Schmerz und Krankheit

    werden sie genannt.

    Prolog

    Auf den südlichen Sommerinseln

    Es war einmal vor langer, langer Zeit ein gewaltiger Wind. Dieser Wind war jedoch nicht wie alle anderen. Er schien aus dem Nichts zu kommen und brachte eine schwarze Wolke mit sich. Eine Wolke, die überall, wo sie vorüberzog, Pflanzen verdorren ließ, Ernten verbrannte, Flüsse austrocknete und Leben vernichtete.

    Schon bald verbreiteten sich Hunger und Durst in allen Gegenden, über die diese dunkle todbringende Wolke hinweggezogen war. Auch das Volk der südlichen Sommerinseln war zutiefst verängstigt und begann aus dem einst so schönen Königreich zu fliehen. Immer auf der Suche nach einem Ort, den der Wind, der so schreckliches Unheil mit sich brachte, noch nicht erreicht hatte.

    Doch jede Flucht war zwecklos. Die schwarze Wolke fiel über die Menschen her wie eine schreckliche Bestie. In der Mitte dieser tödlichen Staubwolke jagten drei schwarze Reiter auf ihren Schlachtrössern den Fliehenden hinterher.

    Das Volk erzählte sich, die drei seien Teufel, die der Hölle entstiegen seien. Namenlose Schreckgestalten, von denen niemand wusste, wer sie gesandt hatte, und noch viel weniger, aus welchem Grund. Sie nannten sich Hungersnot, Schmerz und Krankheit.

    Der Reiter der Hungersnot war ein lebendes Skelett, das weder Nahrung noch Schlaf brauchte. Der Schmerz war in blutige Bandagen gewickelt und sein Mund zu einem endlosen Schrei aufgerissen. Allein sein Anblick bescherte den wenigen Menschen, die ihn je zu Gesicht bekamen, Todesqualen und Albträume für den Rest ihres Lebens. Der Reiter der Krankheit hatte eine Haut, die von Pockennarben und Eiterpusteln entstellt war. Blut lief ihm aus den kalten Augen, die man nicht betrachten konnte, ohne vor Angst zu erstarren.

    Alle drei brachten Tod und Zerstörung. Niemand vermochte sie aufzuhalten. Aus dem Eis geboren,

    den Winden getrotzt,

    von der Sonne geküsst

    und in den Osten geflohen.

    Vier Prinzessinnen,

    eine schöner als die andere,

    so verschieden wie Tag und Nacht,

    Sonne und Mond,

    Sommer und Winter,

    Feuer und Wasser.

    Kapitel 1 - Medea

    Nachdem Prinz Lean sich für vier Finalistinnen aus dem einfachen Volk entschieden hatte, waren die Feierlichkeiten noch lange nicht vorbei. Sie gingen im Grunde genommen gerade erst los. Denn nicht nur die Ernennung der vier Erwählten sollte an diesem Abend gefeiert werden, sondern auch das Eintreffen von vier Prinzessinnen aus fernen Königreichen, die ebenfalls um die Krone und das Herz des Prinzen kämpfen würden.

    Der ganze Hofstaat war gespannt auf die neuen Konkurrentinnen. Sie hatten bereits unter den Erwählten ihre Favoritinnen auserkoren. Würden die Prinzessinnen da überhaupt noch mithalten können? Anders als die Mädchen aus dem Volk kamen sie nicht allein an den Hof, sondern brachten ein ganzes Gefolge und viele Geschenke mit. Ihre Kleidung und ihr Schmuck waren an Prunk meist kaum zu übertreffen. Das, was die Prinzessinnen trugen, wurde oft im ganzen Königreich zum Trend.

    Königin Niobe war bei ihrer Auswahl mit einer Stirnkette erschienen, an deren Ende sich ein funkelnder Mondstein befunden hatte, der ihre mandelförmigen Augen und ihren dunklen Teint betont hatte. Danach hatte jede Frau im ganzen Reich und weit darüber hinaus eine solche Kette haben wollen. Die Preise für Mondsteine waren ins Unermessliche gestiegen, erst recht nach ihrem Sieg.

    Der Prinz löste sich von den vier Erwählten, um seinen Platz auf dem Thron einzunehmen und die erste der Prinzessinnen zu empfangen.

    Die Mädchen sahen ihm sorgenvoll nach. Der Konkurrenzkampf war bereits unter ihnen groß gewesen, aber wenigstens waren sie einander ebenbürtig. Wie würde es erst mit den Prinzessinnen werden, deren Äußeres so viel prächtiger war als ihr eigenes? Sie konnten dem Prinzen nicht nur sich selbst bieten, sondern auch wertvolle Geschenke. Aber noch viel entscheidender war, dass für sie der Hof nicht fremd war mit all seinen Befremdlichkeiten.

    Eine jede von ihnen war in einem ganz ähnlichen Schloss aufgewachsen. Sie kannten die Sitten und Bräuche des Adels und wussten, wie sie sich am Hofe richtig verhalten mussten.

    Die Angst vor den neuen Herausforderinnen vereinte die vier Mädchen, sodass sie näher zusammenrückten. Als die Musiker zur Mitternachtsstunde ihr Spiel beendeten und es in gespannter Erwartung still im Saal wurde, ergriff Heera mit der linken Hand die Hand ihrer jüngeren Schwester Medea und mit der rechten die Hand der schüchternen Erina, um beiden Mut zu machen.

    Überraschenderweise imitierte Daphne diese schlichte Geste, indem sie ebenfalls nach Medeas Hand griff. So standen sie in einer Reihe da und lauschten dem Trompetenspiel, das die Hymne des winterfesten Nordens anstimmte.

    Als sich die großen Flügeltüren öffneten, betrat nicht ein einzelnes Mädchen den großen Saal, sondern eine Gruppe eleganter Tänzerinnen in weißer Kleidung schwebte in den Raum. Ihre Kleider waren aus einem dünnen, leicht transparenten, glitzernden Stoff genäht, der bei Bewegung das Licht der Kronleuchter reflektierte und viele kleine Lichtpunkte über die Decke und den Boden huschen ließ.

    Ihr Tanz wurde begleitet von einer fremdartigen Musik, bestehend aus Trommeln und Hörnern. Nach den Tänzerinnen trugen zehn muskulöse Männer mit freien Oberkörpern eine gigantische Eisstatue in den Saal. Sie war so hoch, dass sie kaum durch die hohen Flügeltüren passte. Die Statue zeigte den Prinzen ehrenvoll mit erhobenem Schwert auf seinem Pferd sitzend.

    Ein Staunen ging durch die Menge, nur Daphne rümpfte die Nase.

    »Tolles Geschenk, spätestens im Sommer wird davon nicht mehr als eine Pfütze übrig sein«, zischte sie den anderen Mädchen zu. Aber auch ihr war die Bewunderung trotzdem deutlich anzusehen.

    Kaum dass die Statue den Blick auf die Türen wieder freigab, erschütterte ein lautes Brüllen den Saal. Es stammte von einem Eisbären, der gemächlich durch die Öffnung getrottet kam. Auf seinem Rücken saß eine junge Frau, deren Haut beinahe so hell war wie sein schneeweißes Fell.

    Sie trug ihr langes, hellblondes Haar in einem geflochtenen Zopf. Ihre Miene strahlte eine Erhabenheit aus, die nur einer Königin würdig war. Hohe Wangenknochen und eine makellose Haut verliehen ihrem Gesicht eine Eleganz, mit der keine andere Frau im Saal mithalten konnte. Ihre Augen waren von einem so strahlenden und kühlen Blau, dass man es selbst am anderen Ende des Raums noch erkennen konnte.

    Sobald sie mit ihrem Bären vor der königlichen Familie angekommen war, ließ sie sich geschmeidig aus dem Sattel gleiten und vollführte einen vornehmen Knicks vor dem Prinzen. Sie war groß gewachsen mit langen, schlanken Beinen, die sich durch den dünnen Stoff ihres hellblauen Kleides abzeichneten. Um ihren Hals lag der Pelz eines Polarfuchses.

    »Verehrte königliche Familie von Chóraleio, geliebter Prinz Lean, es ist mir eine große Freude und Ehre, Euer Gast zu sein.« Ihre Stimme war laut und erhaben, dabei sanft und rau zugleich. Es war eine Stimme, die keine Widerworte duldete und der man sich nicht entziehen konnte. Fast schien es, als würde der gesamte Saal den Atem anhalten, um keines ihrer Worte zu verpassen.

    Der Prinz erhob sich aus seinem Thron und ging der nordischen Prinzessin entgegen. Er verneigte sich vor ihr und küsste ihre Hand, an deren Finger sich prachtvolle Ringe reihten. »Die Ehre und Freude ist ganz auf meiner Seite, verehrte Thelma, Prinzessin des winterfesten Nordens.«

    Auf den Wangen von Thelma zeigte sich nicht das geringste Erröten. Sie schenkte dem Prinzen lediglich ein gütiges Lächeln. »Natürlich bin ich nicht ohne Geschenke zu Euch gekommen.« Sie trat einen Schritt zurück und deutete auf die große Eisskulptur. »Gefällt Euch die Kunst meines Königreichs?«

    Lean ließ den Blick über sein aus Eis gemeißeltes Ich gleiten. »Absolut beeindruckend und bewundernswert! Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen.«

    Die Prinzessin lächelte zufrieden. »Dann wird Euch sicher freuen zu hören, dass nicht nur die Statue mein Geschenk an Euch ist, sondern auch der talentierte Mann, der diese in tagelanger Arbeit erschaffen hat.«

    Auf ihre Worte hin löste sich einer der zehn Männer, die den Eiskoloss getragen hatten, aus der Gruppe ihres Gefolges und verneigte sich vor dem Prinzen.

    »Dies ist Kristópher«, stellte Thelma ihren Untergebenen vor. »Er ist der beste Schüler unseres königlichen Hofmeisters. Seine Skulpturen sind im gesamten Norden äußerst begehrt. Er beherrscht die Eiskunst genauso gut wie das Handwerk eines Steinmetzes. Von nun an soll er für Euch und das Reich von Chóraleio sein Talent unter Beweis stellen.«

    Kristópher verneigte sich vor dem Prinzen. Er war jünger, als es auf den ersten Blick durch seinen muskulösen Oberkörper den Anschein erweckte. »Es wäre mir eine große Ehre, wenn ich Euch mit meiner Kunst Freude bereiten könnte.«

    Prinz Lean applaudierte ihm als Erster, ihm folgte der gesamte Saal. »Euer großzügiges Geschenk ehrt mich, verehrte Thelma. Ich verspreche Euch, Euer Künstler wird immer ein hoch angesehenes Mitglied meines Hofes sein.« Er wandte seine Aufmerksamkeit dem jungen Mann zu. »Seid mir herzlich willkommen an meinem Hof, Kristópher.«

    Die nordische Prinzessin Thelma, ihr Eiskünstler und ihr gesamtes Gefolge verneigten sich erneut vor der königlichen Familie und traten dann beiseite, um Platz für die nächste Prinzessin zu machen.

    Diese wurde von den Trompetenspielern mit der Hymne der westlichen Sturmhöhen angekündigt. Anders als ihre Vorgängerin ließ sie nicht liebreizenden Tänzerinnen den Vortritt, sondern zwölf Falken schossen in den hohen Saal. Es waren anmutige Tiere mit schneeweißem Gefieder.

    Erschrocken und verängstigt duckten sich die anderen Gäste vor ihnen. Viele der Frauen schrien panisch, während einige direkt in Ohnmacht fielen.

    Die Falken zogen ihre Kreise über den Köpfen der Anwesenden. Ihnen folgten drei Männer in lederner Rüstung. Ein Pfiff mit einer Pfeife genügte, um die Wildvögel dazu zu bringen, sich über den gesamten Raum verteilt niederzulassen.

    Selbst Königin Niobe war deutlich um Haltung bemüht, als sie sich vor Schreck keuchend eine Hand auf die Brust presste.

    Doch das Spektakel war noch lange nicht vorüber. Auf die Falken folgte ein Rudel Wölfe – groß gewachsene Tiere, viel größer, als es in Chóraleio üblich war, mit wachen, leuchtenden Augen.

    Die Zuschauer wichen furchtsam vor ihnen zurück. Auch die ernannten Mädchen kauerten sich aneinander, nur Heera reckte neugierig den Hals in ihre Richtung.

    Anders als die Falken bezogen die Wölfe direkt vor dem Thron Stellung. Alle in einer Reihe, als würden sie nur auf ihre Herrin warten.

    In dem Moment trat eine junge Frau mit langem rotbraunem Haar durch die große Flügeltür. Eine Narbe zog sich quer über ihr ansonsten hübsches Gesicht, was ihr ein wildes Aussehen verlieh.

    Anders als die anderen anwesenden Damen trug sie kein Kleid und keinen Schmuck. Ihre Beine steckten in einer grauen Hose und hohen Lederstiefeln. Dazu hatte sie eine Weste aus hellgrauem Fell an, die in der Mitte durch einen breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Ein Schwert schwang bei jedem ihrer energischen Schritte an ihrer Seite mit.

    Medea hätte sie niemals für eine Prinzessin gehalten, sondern vielmehr eine Kriegerin in ihr gesehen.

    Sie verneigte sich vor der königlichen Familie, wie es sonst nur Männer taten. Obwohl ihr Auftritt ungewöhnlich war, ließ Lean sich nichts anmerken, als er vom Thron stieg und ihr die Hand schüttelte.

    »Seid mir gegrüßt, verehrte Fjodora, Thronfolgerin der westlichen Sturmhöhen. Es ist mir eine große Ehre, Euch in meinem Schloss begrüßen zu dürfen.«

    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Prinz Lean«, antwortete Fjodora. Ihre Stimme passte zu ihrem wilden Aussehen. Sie war ungewohnt dunkel für eine Frau, aber mit einem warmen Klang. Dazu hatte sie einen leichten Akzent, der ihr etwas Liebenswürdiges verlieh. »Auf den Sturmhöhen leben wir in enger Gemeinschaft mit den Tieren. Sie ernähren uns, sie kleiden uns und sie sind uns treue Gefährten. Es gibt keine bessere Wachgarde als ein Rudel Wölfe. Ich habe noch nie von einem Wolf gehört, der bestechlich gewesen wäre oder seinen Herrn hintergangen hätte.«

    Lean nickte zustimmend und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. »Mir scheint, es gibt viel, was wir noch von Euch lernen können. Eure Worte sind sehr weise.«

    »Meine geliebten Wölfe kann ich Euch nicht überlassen, mein Prinz. Sie sind für mich wie Brüder, aber dafür sollen meine Falken bei Euch bleiben«, verkündete Fjodora. »Sie sind bestens ausgebildet für die Jagd und hören auf jeden Befehl ihres Herrn. Meine treuen Jäger werden Euch und Eure Männer gerne in der Falkenführung unterweisen.«

    Medea war nicht entgangen, dass Lean immer noch die Hand der westlichen Prinzessin hielt. »Das ist ein wirklich großes und besonderes Geschenk, verehrte Fjodora. Seid Euch sicher, dass es Euren Falken bei mir an nichts fehlen wird. Sollten unsere Wege nicht zusammenführen, seid Ihr jederzeit herzlich willkommen in Chóraleio, um Euch selbst von ihrem Wohl zu überzeugen.«

    Die Prinzessin schenkte ihm ein glückliches Lächeln, das Grübchen auf ihren von Sommersprossen gesprenkelten Wangen entstehen ließ. »Habt Dank für Euren herzlichen Empfang und Eure warmen Worte. Ich bin sicher, wir werden eine schöne Zeit zusammen verbringen. Es wird mir eine Freude sein, Euer schönes Reich kennenzulernen.«

    Sie schüttelte noch einmal seine Hand, bevor sie sich voneinander lösten.

    Trotz ihres angsteinflößenden Auftritts und ihres wilden Aussehens schien Fjodora direkt einen besseren Eindruck bei Lean hinterlassen zu haben als die unnahbare Thelma. Sie war eine Frau auf seiner Augenhöhe, die das Hobby der Jagd mit ihm teilte. Es würde ihnen leichtfallen, Gespräche zu führen und Zeit miteinander zu verbringen. Als sie mit ihren Tieren und den drei Falkenmeistern zur Seite trat, sah Lean ihr lächelnd nach.

    Medea verspürte einen Stich der Eifersucht, der offenbar auch an ihrer Miene abzulesen war, denn Daphne stupste sie sanft in die Seite und flüsterte: »Sorge dich nicht, er sieht in ihr eine Freundin, aber keine Frau, die ihm eines Tages Kinder schenken wird.«

    Medea wendete ertappt den Blick ab und ließ ihn dabei über ihre ältere Schwester schweifen, die völlig fasziniert von der wilden Prinzessin schien. Als sie sich gewiss war, dass Heera ihr nicht zuhörte, erwiderte sie leise an Daphne gewandt: »Ich hoffe, du täuschst dich nicht. Meine eigene Schwester ist der beste Beweis für das Gegenteil.«

    »Heera ist eine Heldin«, widersprach Daphne. »Wie könnte der Prinz sie nicht schätzen? Nicht nur er, sondern auch wir verdanken ihr unser Leben. Dennoch wird er sich am Ende für eine Frau entscheiden, die nicht nur ein gutes Herz hat, sondern auch eine gute Figur neben ihm auf dem Thron macht.«

    Medea wollte Daphnes Worten zu gerne Glauben schenken, doch sie begann sich zu fragen, ob ihr eigenes Herz überhaupt noch gut genug für den Prinzen war, wenn sie ihrer eigenen Schwester wünschte zu versagen.

    Sie war machtlos gegen das Gefühl. Je mehr sie es zu verdrängen versuchte, desto schlimmer wurde es.

    Die Trompeten kündigten mit der Hymne der südlichen Sommerinseln das Eintreffen der dritten Prinzessin an. Königin Niobe war einst selbst eine Prinzessin der Inseln gewesen. Nun würde ihre Nichte, Prinz Leans Cousine, um das Herz ihres Sohnes kämpfen. Doch als die Flügeltüren sich öffneten, flogen weder Vögel in den Saal noch tanzten hübsche Mädchen über den edlen Boden. Es passierte rein gar nichts.

    Niemand kam.

    Verwirrtes Gemurmel wurde unter den Gästen laut.

    Hatte ausgerechnet die eigene Cousine des Prinzen ihn versetzt?

    Königin Niobe wirkte besorgt und flüsterte ihren Wachen Befehle zu, woraufhin diese eilig den Saal verließen.

    König Egeas erhob sich aus seinem Thron und hob beruhigend die Hände. »Meine lieben Freunde, bitte bewahrt Ruhe! Ich bin sicher, es wird jeden Moment weitergehen. Solange wollen wir noch einmal das Tanzbein schwingen.« Er nickte in Richtung der Musiker, die sogleich zu spielen begannen.

    Der König selbst forderte seine Gemahlin zum Tanz auf, um ein gutes Beispiel für seine Gäste abzugeben, die es ihm daraufhin nachtaten.

    Doch kaum dass die Tanzfläche sich gerade wieder gefüllt hatte, wurde der Walzer von einem hohen Schrei unterbrochen. Ein Mädchen mit zerzausten Haaren, zerrissener Kleidung und blutigen Kratzern am ganzen Körper stolperte durch die Flügeltüren in den Ballsaal und stieß einen solch herzergreifenden Klagelaut aus, dass Medea erschauderte.

    »Leilani!« Königin Niobe rannte dem Mädchen schockiert entgegen.

    Zeitgleich mit Prinz Lean, der zuvor noch mit Prinzessin Thelma einen Tanz gewagt hatte, traf sie bei ihr ein.

    »Liebste Nichte, was ist dir nur Schreckliches widerfahren?«, rief Niobe besorgt aus.

    Medea wusste, dass die Königin ursprünglich von den südlichen Sommerinseln stammte, demnach musste Leilani ebenfalls eine Prinzessin sein.

    Das erschöpfte Mädchen mit der typischen karamellfarbenen Haut konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, dennoch wehrte sie jeden Versuch der Wachen, sie zu stützen, tapfer ab. Erst an Leans Schultern hielt sie sich zitternd fest.

    Die Musiker hatten aufgehört zu spielen, und die Gäste bildeten neugierig einen Kreis um die Eingetroffene.

    Spuren von Tränen zeichneten das schmutzige und zerkratzte Gesicht des Mädchens. »Alle sind tot!«, schluchzte sie unter Tränen.

    »Wer ist tot?«, fragten Lean und seine Mutter wie aus einem Mund.

    »Meine Eltern, meine Geschwister, meine Freunde, das ganze Volk!«, schrie sie heiser.

    »Beruhige dich, Kind«, wies König Egeas das aufgebrachte Mädchen zurecht, nachdem er sich einen Weg durch die tuschelnden Menschen gebahnt hatte. »Ganz langsam! Erzähl uns genau, was passiert ist.«

    Niobes Nichte versuchte sich sichtlich zusammenzureißen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, bevor sie sprach: »Eine schwarze Wolke zieht über das Land. Die Gegenden, die sie erreicht, verdorren auf der Stelle. Tiere und Menschen sterben. Sie trägt ganze Schlösser hinweg, so auch mein eigenes Zuhause.«

    Die Königin sah entsetzt zwischen Leilani und ihrem Gemahl hin und her.

    Als jedoch niemand etwas sagte, fuhr das Mädchen fort: »Wir waren gerade dabei, den letzten Proviant für die Reise zu verpacken, als die schwarze Wolke uns überraschte. Uns blieb keine Zeit, so stieg ich auf mein Kamel und ritt los. Ich schaffte es gerade noch, die Brücke zu überqueren, ehe auch diese von dem Nebel verschluckt wurde. Als ich mich das nächste Mal umsah, war nicht nur die Brücke verschwunden, sondern auch mein gesamtes Schloss mit all seinen Bewohnern. Nicht einmal Ruinen waren übrig geblieben. Es war, als hätte es nie existiert.« Der Schrecken stand ihr ins Gesicht geschrieben.

    »Unmöglich!«, stieß Niobe aus. Ihre eigenen Schwestern, Brüder, Tanten und Onkel lebten am Hof der südlichen Sommerinseln, umso betroffener schien sie ihr Schicksal zu machen.

    »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen«, beteuerte Leilani.

    Bestürzt schloss Niobe ihre Nichte in die Arme. »Du armes Mädchen«, seufzte sie. »Hast du den weiten Weg zu uns ganz allein auf dich genommen?«

    »Es war sehr beschwerlich, aber weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, bin ich dennoch nach Chóraleio aufgebrochen«, bestätigte Leilani und fuhr sich über das schmutzige und zerkratzte Gesicht. Ihr Körper war Beweis für die Strapazen der Reise. Gewiss war sie es als Prinzessin nicht gewohnt, im Freien zu schlafen. Dazu hatte sie ohne Proviant oder Hilfe von Bediensteten zurechtkommen müssen.

    »Du kannst dir unserer Unterstützung sicher sein«, versprach Lean ihr auf der Stelle. »Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um das Schicksal deines Schlosses und Volkes zu klären.«

    »Ich befürchte, wenn wir nicht auf der Stelle fliehen, wird es Chóraleio nicht anders ergehen. Obwohl ich kaum eine Pause eingelegt habe und so schnell geritten bin wie der Wind, war die schwarze Wolke immer hinter mir. Sie verbreitet Tod und Zerstörung und bald wird sie auch dieses Schloss erreichen.«

    Auf die Worte der südlichen Prinzessin hin stießen die Gäste erschrockene Schreie aus und liefen zu den großen Fenstern des Ballsaals, um in den nächtlichen Schlosshof hinauszublicken. Durch die Dunkelheit war jedoch kaum etwas zu erkennen.

    Während es einigen schwerzufallen schien, zu begreifen, was sie gehört hatten, gerieten andere bereits in Panik, redeten aufgeregt durcheinander und schubsten sich gegenseitig bei dem Versuch, aus dem Raum zu fliehen.

    »Beruhigt euch!«, brüllte König Egeas, doch seine sonst so autoritäre Stimme erzielte keine Wirkung. Ganz im Gegenteil – die Menschen bekamen es nun erst recht mit der Angst zu tun,

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