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Märchenhaft-Trilogie (Band 3): Märchenhaft erblüht
Märchenhaft-Trilogie (Band 3): Märchenhaft erblüht
Märchenhaft-Trilogie (Band 3): Märchenhaft erblüht
eBook445 Seiten5 Stunden

Märchenhaft-Trilogie (Band 3): Märchenhaft erblüht

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Über dieses E-Book

Der Tag der Entscheidung rückt immer näher. Aber was, wenn Herz und Kopf gegeneinander arbeiten?
Ein Maskenball soll Prinz Lean Klarheit verschaffen. Doch seine Wahl muss warten, als erneut die Schwarze Hexe auftaucht. Sie hat sich geschworen, erst zu ruhen, wenn die Liebe im Keim erstickt ist. Das Königreich bangt nicht nur um den Prinzen, sondern auch um seine gesamte Zukunft.
Auch dieses Mal muss der Prinz nicht allein gegen das Böse kämpfen. Heera und seine Freunde stehen ihm tapfer zur Seite. Wird es ihnen gelingen, die Schwarze Hexe endgültig zu besiegen? Und wie hoch ist der Preis dafür?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Mai 2021
ISBN9783038961949
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    Buchvorschau

    Märchenhaft-Trilogie (Band 3) - Maya Shepherd

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Kapitel 1 - Heera

    Kapitel 2 - Lean

    Kapitel 3 - Medea

    Kapitel 4 - Heera

    Kapitel 5 - Erina

    Kapitel 6 - Heera

    Kapitel 7 - Erina

    Kapitel 8 - Heera

    Kapitel 9 - Erina

    Kapitel 10 - Heera

    Kapitel 11 - Erina

    Kapitel 12 - Heera

    Kapitel 13 - Erina

    Kapitel 14 - Lean

    Kapitel 15 - Erina

    Kapitel 16 - Lean

    Kapitel 17 - Medea

    Kapitel 18 - Heera

    Kapitel 19 - Heera

    Kapitel 20 - Amphion

    Kapitel 21 - Lean

    Kapitel 22 - Medea

    Kapitel 23 - Lean

    Kapitel 24 - Erina

    Kapitel 25 - Lean

    Kapitel 26 - Niobe

    Kapitel 27 - Heera

    Kapitel 28 - Heera

    Kapitel 29 - Heera

    Kapitel 30 - Heera

    Kapitel 31 - Heera

    Kapitel 32 - Heera

    Kapitel 33 - Lean

    Kapitel 34 - Heera

    Kapitel 35 - Heera

    Kapitel 36 - Lean

    Kapitel 37 - Heera

    Kapitel 38 - Silas

    Kapitel 39 - Medea

    Kapitel 40 - Heera

    Kapitel 41 - Lean

    Kapitel 42 - Medea

    Kapitel 43 - Erina

    Kapitel 44 - Medea

    Kapitel 45 - Erina

    Kapitel 46 - Heera

    Kapitel 47 - Lean

    Kapitel 48 - Medea

    Kapitel 49 - Lean

    Kapitel 50 - Medea

    Kapitel 51 - Heera

    Kapitel 52 - Lean

    Kapitel 53 - Lean

    Kapitel 54 - Heera

    Kapitel 55 - Lean

    Kapitel 56 - Heera

    Kapitel 57 - Lean

    Kapitel 58 - Heera

    Kapitel 59 - Lean

    Kapitel 60 - Heera

    Kapitel 61 - Lean

    Kapitel 62 - Heera

    Kapitel 63 - Lean

    Kapitel 64 - Heera

    Kapitel 65 - Heera

    ZUR INSPIRATION GENUTZTE MÄRCHEN

    DANKSAGUNG

    Maya Shepherd

    Märchenhaft erblüht

    Band 1

    Fantasy

    Die Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt

    Es war einmal … ein Prinz namens Lean, der nach seiner Geburt mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde. Ein Kuss sollte ihm eines Tages zum Verhängnis werden.

    Als er ins heiratsfähige Alter kam, wählte er nach alter Tradition zwölf Mädchen seines Landes aus, welche die Chance erhalten würden, sich in Prüfungen einer Königin würdig zu erweisen. Konnte es auch nur einer von ihnen gelingen, sein Herz zu erobern? Oder würde das Schicksal seinen Lauf nehmen und sein erster Kuss ihn zu großem Unheil verdammen?

    Die Autorin

    Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher.

    Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.

    Im August 2015 gewann Maya Shepherd mit ihrem Roman ›Märchenhaft erwählt‹ den Lovely Selfie Award 2015 von Blogg dein Buch.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Juni 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

    Lektorat/Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

    Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-173-4

    ISBN (epub): 978-3-03896-194-9

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für Lena.

    Trau dich, nach den Sternen zu greifen.

    Liebe ist ein Segen

    für all jene,

    die lieben und zurückgeliebt werden.

    Liebe ist ein Fluch

    für all jene,

    denen die Liebe verwehrt bleibt.

    Wandelt sich Segen in Fluch,

    zersplittert das Herz

    und jeder Schritt gleicht einem Marsch durch ein dunkles Dornenmeer.

    Kapitel 1 - Heera

    Gedankenverloren strich Heera mit der Bürste über das hellbraune Fell des Hengstes. Haare flogen auf und kitzelten ihr in der Nase. Ihr Atem hinterließ eine Wolke in der kühlen Winterluft. Außerhalb des Stalls fielen dicke Schneeflocken vom Himmel. Es roch nach Schnee, Stroh und Holz. Sie konnte das gleichmäßige Schnauben des Tieres unter ihrer aufgelegten Handfläche spüren.

    In den ersten Tagen nach dem Ball hatte sie es nicht ertragen können, das Pferd zu sehen. Es war ein Geschenk von Lean und trug auch noch seinen Namen. Allein die Vorstellung, in die warmen, treuen Augen des Tieres zu blicken, hatte so sehr in ihrer Brust geschmerzt, dass die Tränen ihr über die Wangen gerollt waren. Sie hatte viel geweint – mehr als je zuvor in ihrem Leben.

    Dort, wo einst ihr Herz gewesen war, schien nur noch ein entzündeter und schmerzender Muskel zu sitzen, der sich bei jedem Schlag wie ein Dorn immer tiefer in ihr Fleisch bohrte. Ein Schnupfen verging, eine Lungenentzündung konnte behandelt werden und ein gebrochener Knochen wuchs wieder zusammen, aber selbst der beste Heiler der Welt konnte nichts gegen ein zersplittertes Herz tun.

    Der Kummer umschloss sie wie eine dunkle Wolke und legte sich schwer auf ihre Schultern. Sie wollte nicht mehr daran denken, was geschehen war, wollte nicht mehr an seine Worte denken und am wenigsten daran, dass er ihr nicht einmal dabei hatte in die Augen schauen können.

    Er war feige! So verdammt feige! Sie wollte ihn beschimpfen, verfluchen, verprügeln und hassen, aber nichts davon tat sie – nichts davon konnte sie.

    Stattdessen verkroch sie sich wie eine Maus in die hintersten Winkel des Landguts, auf dem sie nun mit ihrer Familie lebte, und fürchtete sich vor dem Tag, an dem sie Prinz Lean wieder gegenübertreten musste.

    Natürlich hatte sie letztendlich doch eingewilligt, seine Jägerin zu werden. Wie hätte sie dieses Angebot ausschlagen können? Ihr Vater war alt und seine Knochen müde. Ihre Mutter fror im Winter, stand mit knurrendem Magen auf und legte sich mit diesem auch wieder zur Ruh. Die kleine Elena konnte nur von Süßigkeiten und schönen Kleidern träumen. Heera hatte ihrer Familie zuliebe an der Auswahl teilgenommen, und wenn sie nun ihr Leben zum Besseren wenden konnte, dann war sie bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. Sie hätte sich allerdings niemals träumen lassen, dass sie dafür ihr Herz würde opfern müssen.

    Während ihre Familie sich jeden Tag wohler in ihrem neuen Zuhause zu fühlen schien, empfand Heera die Unterkunft wie ein goldenes Gefängnis.

    Das Landgut war ein großes Gebäude mit einer Fassade, so weiß wie Schnee, und Fensterläden, so grün wie die Tannen des Waldes. Beinahe in jedem Raum befand sich ein Ofen, der jedes einzelne Zimmer des großen Hauses wärmer hielt, als es in ihrer Hütte, weit weg vom königlichen Schloss, jemals gewesen war. Die Wände waren mit edlen Tapeten bezogen, deren Stoff teurer war als alles, was sie sich jemals für ihre Kleider hätten leisten können. Weiche Polstermöbel und auf Hochglanz polierte Holzmöbel statteten die Zimmer aus.

    Heeras Mutter wurde nicht müde, durch die Räume zu tanzen und sich mit vor Freude funkelnden Augen im Kreis zu drehen wie ein kleines Kind. Ihr Gesicht sah nun nicht mehr abgemagert und erschöpft aus, sondern ihre Wangen glühten rosig wie die eines jungen Mädchens, so voller Leben. Am liebsten wechselte sie mehrmals am Tag die Kleider, die sie von der Königin zum Einzug geschenkt bekommen hatte. Fast so, als fürchtete sie, dass ihr Glück schon bald wieder vorbei sein könnte.

    Selbst ihrem Vater konnte Heera ansehen, wie sehr er den Luxus genoss, wenn er in dem weichen Sessel vor dem warmen Kaminfeuer mit geschlossenen Augen saß und dem Knistern der Flammen lauschte. Er hatte es sich verdient, endlich die Füße hochlegen zu dürfen.

    Heera wünschte, sie könnte sich mit ihnen freuen, doch sie fühlte sich elend dabei, auch nur in dem Bett zu schlafen, das die königliche Familie ihnen geschenkt hatte.

    Es kam ihr vor, als hätte man sich ihr Wohlwollen erkauft, als könnte Lean mit all den Geschenken wiedergutmachen, was er ihrem Herzen angetan hatte.

    Wäre es nur um sie gegangen, hätte er sie nie wiedergesehen. Sie wäre der Sonne entgegengezogen und so weit gelaufen, wie ihre Füße sie getragen hätten. Vielleicht hätte jeder Schritt, den sie zwischen sich und Lean gebracht hätte, den Kummer gelindert, sie ihn vielleicht sogar vergessen lassen.

    Irgendwann würde sie ihm wieder unter die Augen treten müssen. Früher, als ihr lieb war. Eigentlich hätte sie bereits am Vortag mit den anderen Jägern zum Training mit den Falken der westlichen Prinzessin Fjodora erscheinen sollen, und am Morgen hätte sie sich zur Arbeit in den Wald begeben müssen, doch nichts davon hatte sie getan.

    Vielleicht war das der Grund, warum ihre Mutter fürchtete, bald aus diesem neuen Leben wie aus einem Traum aufzuwachen und sich erneut in der kalten und windschiefen Hütte wiederzufinden. Doch gleichzeitig wagte sie nicht, Heera deshalb Vorwürfe zu machen. Wann immer sie ihr begegnete, schien sie mit den Tränen zu ringen und streckte ihre Hände tröstend nach ihr aus, doch Heera konnte ihr Mitleid noch weniger ertragen als ihren Zorn. Sie sehnte sich nach ihren Schimpftiraden genauso sehr wie nach dem undichten Dach ihres alten Zuhauses. Wenn nur alles wieder so wie früher wäre – bevor sie Lean kennengelernt hatte –, könnte sie vielleicht so tun, als schlage ihr Herz immer noch im selben Takt.

    Nach Tagen voller Selbstmitleid hielt Heera es nicht länger in dem Gefängnis aus, das nun ihr Zuhause sein sollte, und schlich sich deshalb in den Stall, in dem nun ihre altersschwache Ziege zusammen mit dem Pferd und der Kuh, die sie von Lean geschenkt bekommen hatte, lebte.

    Sie sattelte den großen Kaltblüter und stieg auf seinen breiten Rücken, ehe sie es sich doch noch anders überlegen konnte. Für die Jagd war es bereits zu spät am Tag, dennoch wollte sie in den Wald, um bei einem Ausritt die Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Doch dafür musste sie durch die Stadt – am Schloss vorbei.

    Sie hoffte, dass Lean zu beschäftigt damit sein würde, aus goldenen Bechern zu trinken, Kleider aus Seide zu tragen, Edelsteine zu bewundern und mit ihrer Schwester den Hochzeitswalzer zu üben, um sich seine Zeit mit dem gemeinen Volk zu vertreiben.

    Es war nicht das, was sie wirklich über ihn dachte, aber es half ihr, sich in ihr engstirniges Denken von früher zu flüchten, in eine leichtere Welt. Trotzdem versteckte sie ihr haselnussbraunes Haar unter dem dicken dunkelgrünen Wollumhang der Jäger und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht. Alle würden nur einen schmächtigen Jäger auf einem Pferd sehen und nicht Heera – das Mädchen, das dumm genug gewesen war, zu glauben, dass aus einem hässlichen Entlein ein Schwan werden könnte.

    Das geschäftige Treiben der Stadt war schon aus der Ferne zu hören und zu riechen. Aus den Schornsteinen und offenen Feuerstellen stiegen dicke Rauchschwaden in den Himmel und trugen den Geruch von verbrennendem feuchten Holz viele Meilen weit. Das Geschrei der Marktschreier schwoll zu einem unverständlichen Grölen an, begleitet von dem Gackern, Kreischen und Schimpfen der Tiere, die zum Kauf angeboten wurden oder sich durch die Straßen trieben.

    Niemand schien Notiz von Heera zu nehmen, als sie über die Schwelle des Stadttores ritt und sich einen Weg durch die Gassen bahnte. Sie war dankbar für das wilde Treiben, in dem sie unsichtbar werden konnte. Früher war sie ein Teil davon gewesen. Sie hatte die Tiere, die sie im Wald mit ihrem Bogen erschossen hatte, dort verkauft oder getauscht. Jeder kannte sie als die furchtlose Heera, die mehr Junge als Mädchen war.

    Als sie den Marktplatz erreichte, musste sie von ihrem Pferd absteigen, um sich einen Weg durch die Menschenmassen bahnen zu können. Zur Mittagszeit war hier am meisten los.

    Ihre Füße berührten den Boden und sie vernahm das scheue Räuspern und Flüstern einer hellen Kinderstimme: »Bist du Heera die Furchtlose?«

    Hinter ihr stand ein Mädchen mit blonden Zöpfen, magerem Gesicht und schmutziger Kleidung, das hoffnungsvoll zu ihr emporblickte. Am liebsten hätte sie ihr gesagt, dass es diese Heera nicht mehr gebe, denn sie war nicht länger furchtlos.

    Doch die Kleine sah voller Zuversicht zu ihr auf, sodass sie es nicht wagte, sie zu enttäuschen. Stattdessen beugte sie sich zu ihr runter, zwang sich zu einem Lächeln und sagte: »Ja, das bin ich. Warum möchtest du das wissen?«

    Die Augen des Kindes weiteten sich voller Staunen, und sein Mund verzog sich zu einem bewundernden Lächeln. »Ich möchte auch so furchtlos und mutig sein wie du und eines Tages Jägerin werden.«

    Heera war versucht zu lachen. Nie hatte irgendjemand so sein wollen wie sie, die meisten hatten sie immer nur belächelt oder gar die Nase gerümpft.

    Ehe sie sichs versah, drehte sich das Mädchen plötzlich um und rief aus vollem Halse: »Das ist Heera!«

    Erst jetzt sah Heera die anderen Kinder, die sich hinter einem Brunnen versteckt hatten und nun auf sie zugeströmt kamen. Es waren alles Mädchen, etwa in dem Alter ihrer jüngsten Schwester Elena. Sie trugen keine Puppen unter dem Arm oder selbst gebastelte Kronen auf dem Kopf, wie es für Mädchen in ihrem Alter, die davon träumten, einmal eine Prinzessin zu werden, üblich gewesen wäre, sondern hielten selbst gebastelte Bögen und Pfeile in den schmutzigen Kinderhänden.

    Aber nicht nur die Kinder hatten Notiz von ihr genommen, plötzlich schienen sich die Augenpaare aller Anwesenden auf sie zu richten. Männer und Frauen sämtlichen Alters drängten sich in ihre Nähe.

    Man tätschelte ihr anerkennend die Schultern, beglückwünschte sie und drückte seine tiefe Bewunderung aus. Niemand machte sich lustig über sie. Ganz im Gegenteil: Direkt mehrere Frauen schimpften voller Empörung darüber, dass Lean sich gegen sie entschieden hatte. »Du bist unsere Königin der Herzen«, hörte Heera immer wieder.

    Die Reaktion der Menschen war völlig anders, als sie es erwartet hätte. Sie hatte geglaubt, man würde über sie lachen, sie gar verspotten, stattdessen fühlten sie mit ihr, nahmen Anteil an ihrem Leid. Trotz des bitteren Schmerzes der Zurückweisung breitete sich in ihrem Inneren eine wohlige Wärme aus.

    Die Auswahl hatte sie verändert – sie wurde von fremden Menschen geschätzt und bewundert. Sie erkannten ihren Mut und ihre Furchtlosigkeit an.

    Trotzdem konnte die Wärme den Kern ihres Herzens nicht erreichen, denn was nützte es ihr, von Fremden gemocht zu werden, wenn der, den sie liebte, ihre Gefühle nicht erwiderte? Der Mut zur Liebe hatte ihr die Anerkennung der anderen eingebracht, doch sie hatte dafür ihre Furchtlosigkeit, die sie wie einen Schutzmantel um sich getragen hatte, verloren.

    Sie lächelte und zeigte sich dankbar für das Lob, gleichzeitig schien sich ihr die Luft abzuschnüren.

    Als sie die Tore der Stadt erreichte und wieder auf den Rücken ihres Pferdes stieg, schnappte sie nach Luft, als hätte man sie unter Wasser gedrückt.

    Das, wofür man sie bewunderte, war nur noch eine dünne Fassade. Ihr Inneres war leer, nichts war mehr von der alten Heera übrig. Liebe war wertlos, wenn sie nicht erwidert wurde.

    Kapitel 2 - Lean

    Schneeflocken tanzten vor dem Fenster, an dessen Rand noch die letzten Eisblumen der Nacht wuchsen. Leans Atem beschlug die Scheibe, sodass er mit der flachen Hand über das Glas wischen musste, um wieder etwas sehen zu können. Sein Zimmer bot Blick auf den Innenhof des Schlosses, in dem die Jäger gerade das Schießen übten.

    Mit den Augen fixierte er jeden Einzelnen von ihnen – sie war nicht unter ihnen. Es hätte ihn überrascht, wenn es anders gewesen wäre.

    Er hatte Heera seit dem Ball nicht mehr gesehen. Sie hatte ihm über Medea mitteilen lassen, dass sie sein großzügiges Angebot, seine Jägerin zu werden, annehmen würde.

    Seltsamerweise hatte er sich nicht einmal darüber freuen können. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass selbst Medea bedrückt dabei ausgesehen hatte und Lean ganz genau wusste, dass Heera nicht seinetwegen blieb, sondern allein wegen ihrer Familie. Sie lebten nun in einem Landgut, das nicht weit vom Schloss entfernt lag.

    Seine Mutter hatte es ausstatten lassen und war selbst schon auf einen Tee zu Gast gewesen. Danach hatte sie von Cynthias Gastfreundschaft und Elenas Lieblichkeit geschwärmt. Heera hatte sie jedoch mit keinem Wort erwähnt.

    Den ersten Tag, den Heera nicht zur Arbeit erschienen war, hatte er unbeachtet gelassen. Am zweiten Tag hatte er sich jedoch genötigt gefühlt, Silas zu dem Landgut zu schicken, um sich nach Heera zu erkundigen. Das ganze Königreich wusste immerhin, dass Heera nun als erste Frau zu der königlichen Jagdmannschaft gehörte, und es würden Gerüchte entstehen, wenn sie sich dort nicht blicken ließ.

    Heeras Vater hatte Silas die Tür geöffnet, und als er hörte, weshalb er gekommen war, hatte er ihm ziemlich unwirsch mitgeteilt, dass seine Tochter erkrankt sei und sie kommen werde, sobald es ihr wieder besser gehe. Zudem hatte er Lean ausrichten lassen, sollte er Zweifel an ihrem Zustand hegen, könne er gerne vorbeikommen, um sich selbst davon zu überzeugen. Es hatte fast wie eine Aufforderung geklungen, der Lean jedoch unmöglich nachkommen konnte.

    Sein Herz sehnte sich nach Heera mit jedem Schlag, aber er schämte sich zu sehr, um ihr unter die Augen zu treten.

    Zwar bereute er seine Entscheidung nicht und war immer noch von ihrer Richtigkeit überzeugt, aber er bedauerte, damit Heera so sehr verletzt zu haben.

    Nachdem er sich auf dem Ball gegen sie entschieden hatte, ertrug er es nicht, sie anzusehen, und trotzdem hatte er gewusst, dass sie weinte. Es war fast, als würde sein Herz bei jeder Träne, die sie vergoss, bluten und zerspringen.

    Sie war mit stolzgeschwellter Brust, erhobenem Kopf und einem vorlauten Mundwerk an den Hof gekommen – unbeugbar und unerschütterlich. Nun versteckte sie sich vor ihm wie ein scheuer Hund, der von seinem Herrn zu oft geprügelt worden war und nie wieder einer menschlichen Hand trauen würde. Die Liebe hatte sie gebrochen.

    Er hatte sie gebrochen.

    Aber nicht nur sie. Lean hegte keinen Zweifel daran, dass er Heera liebte. Er liebte sie so sehr, dass alles andere plötzlich unwichtig erschien. Und genau das war der Grund, warum sie nicht zusammen sein konnten. Ihre Liebe war zu groß. Er war der zukünftige König und nichts und niemand durfte über dem Wohl von Chóraleio stehen.

    Ein leises, respektvolles Klopfen gegen das Holz der Zimmertür riss ihn aus seinen Gedanken und er wendete dem Fenster den Rücken zu.

    »Herein.«

    Die Tür öffnete sich. Eine seiner Wachen stand dahinter. »Es ist Zeit, mein Prinz.«

    Lean zwang sich, nicht missmutig das Gesicht zu verziehen. Er war mit Medea verabredet. Jeden Tag verbrachte er Zeit mit einer seiner drei Finalistinnen, um sie besser kennenzulernen und so eine Entscheidung fällen zu können.

    Er mochte die drei Mädchen und er konnte sich mit jedem von ihnen ein gemeinsames Leben vorstellen, doch es war nicht das Leben, das er sich wünschte oder ausgesucht hätte, wenn er eine wirkliche Wahl gehabt hätte.

    Medea erwartete ihn im Schlosshof. Schneeflocken hatten sich auf ihren dunklen Umhang gelegt, unter dem ihr schwarzes Haar hervorschaute. Ihre Haut war fast so weiß wie der Schnee, der sich über jedes Haus, jede Wiese und jeden Baum legte. Das Blau ihrer Augen leuchtete wie Saphire, als sie ihn erblickte und sich ihre Lippen zu einem höflichen Lächeln verzogen.

    Sie verneigte sich vor ihm, ganz so, wie man es ihr beigebracht hatte. Königin Niobe wäre äußerst zufrieden mit ihr gewesen.

    »Schön, dich zu sehen, Medea«, begrüßte Lean sie und reichte ihr seinen Arm, in den sie sich einhakte, dabei sah sie ihn jedoch für einen Augenblick so ungläubig an, als würde sie es besser wissen.

    Doch bereits einen Moment später war ihr Gesicht wieder zu der perfekten Maske der Glückseligkeit erstarrt. Sie lächelte zufrieden, ihre Augen strahlten und sie hatte einen stolzen Gang, wie man es von einer zukünftigen Königin erwarten würde. So machten sie sich zusammen in die Stadt auf.

    Medea mochte den Trubel. Es machte ihr nichts aus, wenn die Menschen sie umringten und von allen Seiten auf sie einredeten. Ganz im Gegenteil: Sie schien dabei geradezu aufzublühen, blieb immer freundlich und hatte für jeden ein Lächeln übrig. Wann immer sie gebeten wurde, zu singen, kam sie der Aufforderung nach. Ihr Gesang war wie ein Zauber – er machte die Menschen glücklich, er ließ sie für kurze Zeit alle Sorgen vergessen. Selbst Lean konnte sich seiner Wirkung nicht gänzlich entziehen.

    Kaum dass sie das Schlosstor verließen und über die Brücke des Burggrabens schritten, wurden sie bereits von den ersten Stadtbewohnern bemerkt, die ihnen sogleich fröhlich applaudierten. Die Hochzeit war nicht nur für Lean ein aufregendes Ereignis, sondern für das ganze Volk. Umso schwerer wog die Verantwortung auf seinen Schultern.

    Welche der drei Finalistinnen würde die neue Königin werden?

    Zu Ehren des frisch gekrönten Brautpaares sollten die Feierlichkeiten eine ganze Woche andauern. Besucher aus abgelegenen Dörfern und Gäste aus anderen Königreichen würden in die Stadt strömen und damit auch die Geschäfte ankurbeln. Die Häuser würden geschmückt werden und es gäbe selbst für die Ärmsten der Armen ein Festmahl.

    Als sie den Marktplatz erreichten, hatte sich bereits eine dicke Menschentraube um sie herum gebildet. Es herrschte wildes Stimmengewirr, doch plötzlich spürte Lean, wie sich eine Hand auf seinen Arm legte.

    Als er zu seiner Rechten schaute, erblickte er eine alte, gekrümmte Frau, deren knochige Finger auf dem weichen Samtstoff seines Umhangs lagen. Aber ihr Blick war so aufgeweckt wie der eines jungen Mädchens.

    »Mein Prinz, Euer Mund ist zu einem Lächeln verzogen, doch in Euren Augen lese ich den Kummer eines gebrochenen Herzens.« Sie hielt ihm einen Teller mit duftenden Küchlein unter die Nase. »Kostet, auf dass der Zucker Euren Schmerz lindere.«

    Er starrte die Alte fassungslos an und merkte dabei gar nicht, wie still es um ihn herum geworden war.

    Diese Fremde hatte ihn durchschaut, obwohl er sich Mühe gegeben hatte, seine wahren Gefühle vor ihr und allen anderen zu verbergen. Hatte sie ausgesprochen, was alle sahen? War es wirklich so offensichtlich?

    Höflich griff er nach einem Küchlein, dabei sagte er: »Habt Dank, gute Frau. Doch seid gewiss, mein Herz ist nicht gebrochen. Wie könnte es auch in der Begleitung einer wundervollen Frau wie Medea?«

    Er hielt das Küchlein Medea hin, die nach einem kurzen Moment des Zögerns davon abbiss. Sie schloss genießerisch die Augen und machte »Mhmmmm«.

    Lean nahm nun ebenfalls einen Bissen, und als auch er den Geschmack lobte, schien der Ausspruch der alten Frau wieder vergessen zu sein.

    Medeas Lippen waren noch von dem Puderzucker des Kuchens bestäubt, als Lean sie sanft bat: »Bitte sing für uns!«

    Ihre Wangen erröteten und sie schlug bescheiden die Augen nieder, bevor die ersten Worte aus ihrer Kehle drangen. Augenblicklich schienen alle den Atem anzuhalten, um nicht den kleinsten Ton ihres Liedes zu verpassen.

    Auf diese Weise würde niemand auf die Idee kommen, Lean noch einmal auf seine Gefühle oder gar Heera anzusprechen. Sosehr die Menschen auch Medea und die anderen beiden Finalistinnen mochten, Heera schienen sie, seitdem Lean sich gegen sie entschieden hatte, zu lieben. Sie liebten am meisten an ihr, dass sie anders war – ihren Mut, ihre Unbeugsamkeit und ihre ungeschönte Ehrlichkeit.

    Die kleinen Mädchen sahen zu ihr auf. Heera vermittelte ihnen, dass nichts unmöglich war. Ein Mädchen konnte mehr erreichen, als nur irgendjemandes Frau zu werden – es konnte alles sein, selbst eine Jägerin des Königs.

    Zudem hatte sie bewiesen, dass Mut keine Frage der Größe oder Stärke war, sondern einzig und allein des Herzens. Sie war eine wahre Heldin.

    Leans Blick glitt über die Menge, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Dort, am Rande des Marktplatzes, huschte eine schmale Gestalt in dem tannengrünen Umhang der Jäger entlang und hatte es offenbar eilig, ungesehen aus der Stadt zu kommen. Über ihrem Rücken hing ein Köcher mit Pfeilen und ein Bogen. Leans Herzschlag stolperte – Heera war die Einzige, die mit einem Bogen anstatt einer Armbrust schoss.

    Sein Magen zog sich zusammen und er hatte das Gefühl, als ergreife eine fremde Macht Besitz von ihm. Seinen ganzen Körper zog es zu der Gestalt, die nun hinter einer Ecke verschwand. Ehe er sichs versah, rannte er bereits los.

    Er bahnte sich einen Weg durch die Menschen, wobei er nur am Rande ihre verständnislosen Blicke wahrnahm, doch ihre Gesichter verschwammen zu einem.

    Als er die Straßenecke erreichte, sah er gerade noch, wie der grüne Umhang am Ende der Straße nach links abbog.

    Es gab für ihn kein Halten mehr. Er wusste nicht, warum er ihr nachrannte und was er sagen sollte, wenn er sie einholte. Er wusste nur, dass er in ihre Augen blicken musste, welche die Farbe des Waldes hatten.

    Alles, was er sagen könnte, würde nicht ungeschehen machen, was er ihr angetan hatte. Aber vielleicht war ihre Liebe groß genug, dass sie eines Tages Freunde sein könnten.

    Am Ende der Straße befand sich das Stadttor, das zum Wald führte. Der Umhang verschwand zwischen den Bäumen, und Lean wusste, wenn er sie jetzt nicht einholte, würde er sie in den Tiefen des Waldes aus den Augen verlieren.

    »Warte!«, schrie er laut und rannte über den Weg, sodass der frische Schnee unter seinen Füßen knirschte. »Warte auf mich!«

    Zu seinem Erstaunen hielt die Gestalt tatsächlich inne und drehte sich in seine Richtung. Atemlos erreichte er sie und erschrak beinahe zu Tode, als er nicht in das herausfordernde Gesicht von Heera, sondern in das eines fremden Jünglings blickte.

    »Was ist los, mein Prinz? Ist etwas passiert?«, fragte dieser besorgt und sah sich zu allen Seiten um.

    Lean schüttelte ungläubig den Kopf und deutete auf den Bogen, der über dem Rücken des Jungen hing. »Woher hast du diesen Bogen?«, stieß er anklagend hervor.

    Der junge Jäger trat einen Schritt zurück. »Selbst gebaut. Ich wollte nur einmal ausprobieren, damit zu schießen. Ist Euch das nicht recht, mein Prinz?« Er schien sich zu fürchten.

    Erst jetzt bemerkte Lean, wie wahnsinnig er auf den Jungen wirken musste. Nicht nur dass er ihm durch die gesamte Stadt nachgerannt war, nun schrie er ihn auch noch an, weil er einen Bogen anstatt einer Armbrust trug.

    Der Prinz straffte die Schultern, zwang sich, ruhig zu atmen, und schüttelte dann den Kopf. »Verzeih, ich habe dich mit jemandem verwechselt«, murmelte er verlegen und wandte sich zum Gehen, nachdem er ihm noch viel Erfolg bei der Jagd gewünscht hatte.

    Am Stadttor wartete Medea auf ihn. Sie musste alles mit angesehen haben.

    Wie sollte er ihr nur sein Verhalten erklären?

    Doch er brauchte nichts zu erklären, denn sie hatte bereits eins und eins zusammengezählt und stellte mit einer bedauernden Miene fest: »Du hast gedacht, es wäre Heera.«

    Kapitel 3 - Medea

    Auf dem Weg zurück zum Schloss entschuldigte sich Lean mehrfach dafür, dass er Medea einfach allein auf dem Marktplatz hatte stehen lassen und ohne jede Erklärung davongerannt war. Medea ihrerseits versicherte ihm immer wieder, dass es sie nicht stören würde.

    Sie hatte gelogen.

    Es störte sie zwar, aber nicht aus Eifersucht, nein, sie hatte nur gehofft, Lean würde ihr mehr vertrauen und nicht versuchen, ihr etwas vorzumachen. Heera war immerhin nicht nur irgendeine ehemalige Konkurrentin, sondern ihre Schwester, und sie hatte in den letzten Tagen sowohl sie als auch den Prinzen leiden sehen.

    Wenn sie zuvor mit Lean allein gewesen war, hatte er ihr immer seine volle Aufmerksamkeit geschenkt und ihr zumindest für den Moment das Gefühl gegeben, dass sie die Einzige für ihn sei. Nun lächelte er sie zwar an, verhielt sich höflich und nickte interessiert mit dem Kopf, wenn sie sprach, aber sie merkte deutlich, dass er weder ihr noch irgendjemand anderem mehr richtig zuhörte.

    Sein leerer Blick verriet ihn. Alles schien an ihm vorbeizurauschen. Leben kam nur in seinen Körper, wenn einer der Jäger den Raum betrat. Jedes Mal zuckte er zusammen, genauso schnell kam die Enttäuschung, wenn er erkannte, dass es nicht Heera war.

    Er gab sich zwar Mühe, seine königliche Haltung zu wahren und sich nichts anmerken zu lassen, aber selbst dem Volk entging nicht, wie sehr er unter der Trennung litt. Niemand verstand, warum er sich gegen Heera entschieden hatte, wo doch sein Herz so eindeutig für sie schlug.

    Niemand außer Medea. Sie kannte zwar nicht seine Beweggründe, aber sie wusste, dass die Entscheidungen des Herzens nicht immer jene waren, die einem auf Dauer Glück und Sicherheit brachten. Herz und Kopf mussten im Einklang stehen und wenn sie das nicht taten, wurde es schwierig.

    Sobald sie das Schloss erreichten, trennten sich Leans und Medeas Wege. Auch wenn sie sich höflich verabschiedeten, blieb ein ungutes Gefühl zurück – eine Last, die sich nicht in Worte fassen ließ, die mehr wie ein Stein im Schuh war, nur dass er sich nicht in die Fußsohle bohrte, sondern in das Herz.

    Als Medea ihr Gemach erreichte, hielt sie kurz inne. Sie fürchtete sich vor dem Anblick des leeren Vogelkäfigs, der noch immer auf ihrer Fensterbank stand, als könnte ihr geflügelter Gefährte jederzeit zu ihr zurückkehren. Sie wusste, dass dies nicht geschehen würde. Ohne Amphions Magie war die Lerche nur ein gewöhnlicher Vogel, der lieber seine Freiheit genoss, als eingesperrt zu sein. Trotzdem hatte Medea es nicht geschafft, sich von dem verlassenen Käfig zu trennen. Sie vermisste ihren treuen Freund, dabei war er nie weit entfernt von ihr. Nur dass er anstelle seines Federkleides nun menschliche Haut trug.

    Medea ahnte, dass ihr Amphion aus dem Weg ging. Früher hatte sie ihn immer in der Nähe von Lean gesehen und nun verschwand er stundenlang in seinem Zimmer im Nordturm, ohne dass jemand wusste, was er dort den ganzen Tag tat. Sie hätte ihn besuchen und einfach fragen können, so wie sie auch zuvor keine Geheimnisse vor ihm gehabt hatte.

    Der Lerche hatte sie sich offenbart mit all ihren Schwächen und Fehlern, während Amphion sich schon damals vor ihr versteckt hatte.

    Es war nicht so, dass sie nicht verstand, warum er sich auf diese heimliche Weise genähert hatte, dennoch hatte sie sich zu Beginn von ihm betrogen gefühlt. Doch das Gefühl war schon bald einer tiefen Sehnsucht gewichen.

    Die Lerche fehlte ihr – ihr engster Vertrauter.

    Auch wenn sie wusste, dass die Lerche und Amphion ein und dieselbe Seele waren, schaffte sie es nicht, sie auch gedanklich als eins zu sehen.

    Medea stand noch immer vor ihrer geschlossenen Zimmertür und drückte sich davor, einzutreten, als sie plötzlich Amphion auf dem Korridor entdeckte. Der weiche Teppichboden musste seine Schritte gedämpft haben, sodass sie ihn erst wahrnahm, als

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